James' neues Leben

Kurz darauf höre ich das Geräusch von James' Motorrad. Da auch das Essen im Haus fertig sein müsste, kehre ich zurück und begrüße den erschöpft wirkenden James. Saruni, seine Tochter, springt gleich zu ihrem Papa und drückt sich an ihn. Sie ist ein absoluter Papafan. James sprudelt sofort los und berichtet von der Prüfungskommission, die seine Schule kontrolliert hat. Deshalb musste er heute dringend in die Schule, obwohl er sich krank und müde fühlte. Er vermutet, einen leichten Malariaanfall zu haben. Tatsächlich stehen ihm feine Schweißperlen im Gesicht.

Hier hat jeder hin und wieder Malaria. Für gesunde und robuste Menschen fühlt es sich wie eine Grippe an und ist meistens nach einigen Tagen überstanden. Dennoch ist damit natürlich nicht zu spaßen, Malaria ist in Kenia immer noch eine der häufigsten Todesursachen. Gott sei Dank sind die Symptome bei James nur leicht ausgeprägt und vielleicht ist es auch gar keine Malaria.

Im Laufe des Abends wird mir klar, wie sehr James bereits in einer fast europäischen Stresssituation lebt. Er hat viel Arbeit als Leiter einer Schule, betreut verschiedene Aktivitäten gemeinsam mit der Mission, organisiert die vielköpfige Familie, hilft Lketinga beim Hausbau, kümmert sich um Nachschub für seinen Shop, etc., etc.

Neuerdings eilt er von Termin zu Termin, während um ihn herum die Welt in gewisser Weise stehen geblieben ist. Ohne sein Motorrad wäre das alles für ihn nicht machbar. Weil er es aber hat, erwartet jeder, dass er noch mehr erledigen kann. So hat das Motorrad viel Gutes, aber auch Nachteile gebracht. An seinem Fall kann man deutlich erkennen, dass der Fortschritt fast automatisch zu Hektik führt. Er bewältigt all seine Aufgaben ja nicht schneller, um mehr Freizeit zu gewinnen. Nein, er erledigt alles in kürzester Zeit, um anschließend noch mehr leisten zu können. Vom materiellen Standpunkt her ist sein Leben komfortabler geworden. Doch seine Gesundheit leidet offensichtlich unter den vielen Belastungen, da er an manchen Tagen nur zur Arbeit gehen kann, wenn er Kopfschmerztabletten einnimmt. Sehr europäisch! Er könnte sich sicherlich auch weniger engagieren, doch anscheinend ist er bereits mit dem Virus „Erfolg um fast jeden Preis“ infiziert. Er erklärt, dass er noch vieles lernen möchte und sich vor kurzem für Weiterbildungskurse an der Universität in Nairobi angemeldet hat.

Als Lketinga wieder unter uns weilt, setzen wir uns um den Tisch und jeder hat einen voll geschöpften Teller vor sich. James isst für zwei und deshalb glaube ich nicht, dass er wirklich Malaria hat. Stefania und die Kinder schauen wieder nur zu, was uns doch etwas zu schaffen macht. James hingegen beruhigt uns und meint, sie essen später, wenn wir fertig sind. Hier ist es Tradition, dass erst die Männer essen und anschließend die Frauen und Kinder. Ich gelte also irgendwie als Mann.

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