In einigen Metern Entfernung stehen die Kinder einfach da und beobachten mit regungslosem Gesicht unser Treiben. Erst nach einer guten halben Stunde scheint ihr Interesse zu schwinden und sie ziehen langsam und lautlos weiter.
Wir kehren gerade rechtzeitig zurück, als sich die ersten Besucher in der Mission einfinden. Fast ausnahmslos sind es traditionell gekleidete Frauen und Mädchen. Die meisten haben Kinder bei sich. Diese bekommen zuerst eine Tasse Ut-schi, einen flüssigen Maisbrei, bevor sie sich mit den Müttern auf den Kirchenbänken niederlassen. Immer mehr Menschen füllen die Kirchen-Manyatta. Einige bleiben einen Moment irritiert stehen, als sie uns und vor allem Klaus mit der Kamera erblicken, andere beachten uns kaum. Die meisten Kinder fragen ein einfaches rotes Schul röckchen, die Frauen dagegen haben sich besonders schön geschmückt und ihre farbenfrohen Kangas sehen strahlend sauber aus. Ihre Gesichter glänzen, da sie mit Fett eingerieben sind, und ihre Köpfe zieren farbige Stirnbänder. Einzelne haben sogar den immer seltener werdenden Halsschmuck aus Giraffenhaar umgelegt, der normalerweise nur bei großen Festen getragen wird.
Der Sonntag in der Kirche scheint für diese Frauen durchaus ein Festtag zu sein. Sie singen und klatschen mit solch einer Hingabe und Freude die wunderschönen afrikanischen Kirchenlieder, dass mir warm ums Herz wird.
Begleitet wird der Gesang von einer kleinen Trommel und zwei aus Weiden-ästchen und leeren Flaschcndeckeln gebastelten Tamburinen. Die Lieder klingen lebensfroh und rhythmisch. Einige Frauen sind so versunken, dass sie mit dem Kopf wippen, wie bei den traditionellen Tänzen. Meist singt eine mit einer kräftigen hellen Stimme vor und alle stimmen mir ein. Dies wiederholt sich so lange, bis Pater Giuliani mit einem Metallköfferchen erscheint, sein Messgewand herausholt und es über seine zivilen Kleider streift. Er deckt den einfachen Tischaltar mit einem farbigen Tuch und stellt einen Becher mit Wein und das Schälchen mit den Hostien darauf.
Mittlerweile ist die Rundhütte, in der lediglich ein schlichtes Holzkreuz und einige einfache Papierbilder von der heiligen Maria und dem Jesuskind auf eine christliche Kirche hinweisen, bis auf den letzten Platz gefüllt. In der hintersten Reihe sitzen sogar einige ältere Männer, was für Pater Giuliani spricht. Um einen Samburu in eine Kirche zu locken, muss man sich schon einiges einfallen lassen. Zwischen den Gesängen erzählt Giuliani Geschichten auf Kisuaheli, die von einem Samburu in Maa übersetzt werden. Gegen Ende der Messe wird die Hostie verteilt und anschließend erneut gesungen. Zum Schluss reichen sich alle gegenseitig die Hände. Ich blicke in die schönen markanten Gesichter der Frauen und habe den Eindruck, dass der Kirchenbesuch ihnen nicht nur Abwechslung, sondern auch Freude bereitet. Die Messe ist zu Ende und Giuliani verstaut sorgfältig seine Utensilien, während der Übersetzer den Alten noch etwas Kautabak für den Nachhauseweg in die Hände drückt. Für uns war dieser Gottesdienst ein beeindruckendes Erlebnis, das noch lange in unserer Erinnerung bleiben wird.