Mzungu Massai

Tags darauffahren wir zur berüchtigten River Road, um noch einmal das Iqbal aufzusuchen, jenes einfache Hotel, in dem ich mich meistens einquartiert hatte, wenn ich in Nairobi war. Hier wurde ich immer mit einem fröhlichen „Mzungu Massai“ begrüßt, das mich Jahre später zum Titel meines ersten Buches inspirierte. Dass am Leben dieses „weißen Massai“ einmal Millionen von Menschen Anteil nehmen würden, hätte ich mir damals jedoch selbst in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Auf dem Weg zum Iqbal kommen wir an dem mir so sehr verhassten Nyayo-Gebäude vorbei. Wie viele Male musste icb hierher und stundenlang verzweifelt warten, hoffen und beten. Wofür ich immer wieder irgendeinen Stempel benötigte, habe ich fast schon vergessen. Ich weiß nur, dass die Bürokraten in diesem Gebäude mich unendlich viel Energie und Nerven kosteten.

Wir finden eine Parklücke und ein Junge bietet sich an, auf unseren Wagen aufzupassen. Als Erstes schlendern wir am berühmten Stanley-Hotel vorbei. Waren dort früher fast ausschließlich Weiße auf der Terrasse zu sehen, so sind die Gäste heute gemischt, wobei die Kenianer in der Mehrheit sind. Ich lasse mich durch die Menschen massen treiben und die Eindrücke auf mich wirken. Der Zeitungsstand steht noch an derselben Ecke wie damals, nur ist das Sortiment um das Fünffache angewachsen. Wir laufen einige Querstraßen entlang, bis ich das Odeon-Cinema entdecke und weiß, dass das Iqbal Lodging nur noch wenige Schritte entfernt sein kann. Sogar die Telefonzelle, so manches Mal genutzt, um mit der Schweiz in Verbindung zu treten, ist noch da. Nur steht heute keine Warteschlange davor, da auch hier in Nairobi die meisten Menschen mittlerweile Handys an ihre Ohren drücken.

Vergeblich suche ich den Eingang zum damals an das Hotel angegliederten Restaurant, so wie ich es in Erinnerung hatte. Dort, wo früher die Kasse und die Rezeption waren, kann ich lediglich eine Schnellimbissecke erkennen. Der große Essraum, in dem sich Rucksack-Touristen aus der ganzen Welt getroffen haben, existiert nicht mehr. Damit ist der Charme, der diesen Treffpunkt auszeichnete, verloren gegangen.

Meine Neugier ist schnell befriedigt und wir gehen weiter. Auf den Straßen herrscht hektischer Lärm. Überall hupen Matatus, jeder feilscht um Kundschaft. Aus den verschiedenen Bars oder Läden tönt Musik. An den Hauswänden sind überall Neonreklame tafeln in den grellsten Farben angebracht. Ab und an stellt sich eine zerlumpte oder kranke Person mit hohlen Händen bettelnd vor mich hin. Nairobi ist hier besonders schrill, grell, hektisch und laut. Ich erinnere mich, wie ich mich mit meinem kleinen Baby am Rücken und mit schwer beladenen Reisetaschen durch diese Gegend schleppte. Jetzt scheint mir das alles nicht mehr vorstellbar.

Klaus macht den Vorschlag, noch einen Massai-Markt zu besuchen. Hellauf begeistert stimme ich zu, schließlich konnte ich vor vierzehn Jahren bei meiner Flucht keine Erinnerungsstücke mitnehmen. Das möchte ich nun gerne nachholen. Wir erreichen den Ort relativ rasch mit dem Auto. Der weitläufige Markt mit seinen farbenfrohen Waren und den schönen Menschen fasziniert mich sofort. Alles Mögliche wird angeboten: Kalebassen in jeder Größe und Form, Masken, geschnitzte Figuren, Bilder und farbiger Massai-Schmuck in allen Variationen. Es fällt mir nicht schwer, mein Geld auszugeben.

Am Abend habe ich große Lust, für meine Gastgeber zu kochen. So schön es ist, wenn man sich nicht immer ums Kochen kümmern muss, fehlt es mir mittlerweile, da ich in der Schweiz für meine Tochter und mich täglich mit Freude das Essen zubereite. So verbringen wir einen schönen Abend bei Klaus und Irene zu Hause. Bevor wir ins Bett gehen, besprechen wir noch unsere morgige Reise nach Mombasa, die letzte Station meines Keniaaufenthalts.

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