James lädt uns nun zum Essen in sein Haus ein. Stefania verteilt Aluminiumteller und stellt einen Topf mit Spaghetti auf den Tisch. Wir essen mit großem Appetit, obwohl bei uns ein solches Gericht anders aussieht.
Stefania hat die Spaghetti in kurze Stäbchen gebrochen und beim Kochen Ziegenfleisch und Gemüse dazugemischt.
James erzählt, dass sich bei einigen der Dorfbewohner, vor allem in den Familien von ehemaligen Schülern, die Esskultur verändert hat. Er kenne Spaghetti schon von der Schule und deshalb sei dieses Gericht nichts Außergewöhnliches für ihn und seine Familie. Seine Kinder wachsen damit auf. Mich interessiert, ob denn auch Mama heute Nudeln essen würde. Früher verzichtete sie lieber, als etwas zu sich zu nehmen, das sie nicht kannte. Die einzige Ausnahme waren Ananas. James lacht und erwidert: „Nein, Mama mag das nicht essen, aber sie liebt nach wie vor Ananas und immer, wenn ich ihr eine mitbringe, beginnt sie von dir zu reden. Du hast sie ihr schmackhaft gemacht.“ Daran kann ich mich lebhaft erinnern und sehe sie förmlich vor mir, wie sie langsam und vorsichtig an den Ananasstückchen saugt.
Auf meine Frage, ob denn die Somali-Shops mittlerweile auch solche Waren verkaufen, antwortet James energisch: „Es gibt hier keine Somali mehr. Wir haben alle vertrieben. Weißt du, als du Barsaloi verlassen hast und damit der einzige Samburu-Shop geschlossen wurde, sind die Preise für Maismehl und Zucker in die Höhe geschnellt. Die Somali haben sich nicht mehr an die vom Staat vorgeschriebenen Preise gehalten, wie wir es getan haben, sondern verdoppelten sie. Die Leute hier im Dorf schimpften und jammerten. Alle haben geklagt: Warum ist Corinne nicht mehr hier? Jetzt haben wir keinen guten Shop und kein Auto mehr.< Das Wenige, was die Somali anboten, war zu teuer, und für die Ziegen- und Kuhhäute gaben sie den Leuten auch nicht mehr so viel Geld wie du. Damals kamen viele Dorfbewohner zu mir und fragten: >Was können wir tun, damit Corinne wieder hierher kommt? Nur Mzungus können einen solchen Shop betreiben und keine andere wird mit uns so leben wollen wie sie.< Sie schlugen mir sogar vor, ich solle dich bitten zurückzukommen und ich solle dich heiraten! Sie waren so verzweifelt, dass sie die verrücktesten Ideen hatten.“ Ich trinke erst einmal in Ruhe meinen Tee aus, um das Gehörte zu verdauen. Vor allem das mit dem Heiratsvorschlag höre ich zum ersten Mal und muss bei der Vorstellung lachen.
Auch James fällt in mein Lachen ein und fährt mit seiner Erzählung fort: „Ich habe ihnen gesagt, dass wir uns zusammen tun und eigene Samburu-Shops eröffnen müssen, damit wir den Preis wieder kontrollieren können. So entstanden nach und nach so viele Läden, dass jetzt sogar ein Überangebot besteht und das Geschäft nicht mehr so gut läuft.“
Lketinga kommt herein und setzt sich neben mich auf das einfache Sofa, während er mit finsterer Miene fragt, ob wir über ihn gesprochen haben. Irgendwie scheint er schlechter gelaunt zu sein als noch vor einer Stunde.
Niemand weiß, warum und wo er sich aufgehalten hat. Einen kurzen Moment denke ich, dass er sich vielleicht etwas ausgeschlossen fühlt, wie damals vor vierzehn Jahren, als James mit seinen Schulfreunden zu uns nach Hause kam und wir zusammen Karten spielten und lachten. Um ihn aufzuheitern, frage ich ihn, ob er sich noch an das Spaghetti-Essen in Mombasa mit meinem Bruder Eric und seiner Frau Jelly erinnern könne. Damals herrschte helle Aufregung, weil alle dachten, wir essen lange weiße Würmer. Mit seiner kratzigen Stimme meint er lachend: „Natürlich erinnere ich mich, es war verrückt! Und heute essen das sogar einige Leute aus dem Dorf.“