IV.


Er erfuhr sogleich von Alexei Jegorowitsch, seine Mutter habe sich sehr über seinen Spazierritt gefreut, den ersten nach achttägiger Krankheit, habe selbst anspannen lassen und sei allein ausgefahren, »so wie die gnädige Frau das in früheren Tagen zu tun pflegten, um frische Luft zu atmen; denn in diesen acht Tagen hatten die gnädige Frau schon ganz vergessen, was es heißt, frische Luft atmen.«

»Ist sie allein ausgefahren oder mit Darja Pawlowna?« unterbrach Nikolai Wsewolodowitsch den Alten schnell und machte ein sehr finsteres Gesicht, als er hörte, daß Darja Pawlowna wegen Unwohlseins nicht habe mitfahren mögen und sich jetzt auf ihrem Zimmer befinde.

»Höre mal, Alter,« sagte er, wie wenn er plötzlich einen Entschluß faßte. »Paß heute den ganzen Tag über auf sie auf, und wenn du merkst, daß sie zu mir kommen will, so halte sie sogleich zurück und bestelle ihr, ich könne sie wenigstens ein paar Tage nicht empfangen ... ich selbst ließe sie bitten, nicht zu kommen ... zur rechten Zeit würde ich sie selbst rufen lassen, – hörst du?«

»Ich werde es ausrichten,« antwortete Alexei Jegorowitsch in bekümmertem Tone und mit niedergeschlagenen Augen.

»Aber nicht eher, als bis du deutlich siehst, daß sie selbst zu mir kommen will!«

»Seien Sie unbesorgt; es soll kein Versehen stattfinden. Die Besuche sind ja bisher immer durch meine Vermittlung erfolgt; es ist stets meine Mitwirkung in Anspruch genommen worden.«

»Ich weiß. Aber nicht eher, als bis sie selbst kommen will! Bring mir Tee; wenn es geht, recht schnell!«

Kaum war der Alte hinausgegangen, als sich fast in demselben Augenblicke dieselbe Tür öffnete und Darja Pawlowna auf der Schwelle erschien. Ihr Blick war ruhig, aber ihr Gesicht blaß.

»Wo kommen Sie her?« rief Stawrogin.

»Ich habe hier vor der Tür gestanden und gewartet, bis er wegging, um dann zu Ihnen zu kommen. Ich habe gehört, was Sie ihm auftrugen, und als er eben herauskam, habe ich mich rechts hinter dem Vorsprung versteckt, und er hat mich nicht bemerkt.«

»Ich wollte schon lange den Verkehr mit Ihnen abbrechen, Dascha, ... solange ... es noch Zeit ist. Ich konnte Sie heute nacht nicht empfangen, trotz Ihres Zettels. Ich wollte Ihnen selbst schreiben; aber ich verstehe mich nicht auf das Briefschreiben,« fügte er ärgerlich und anscheinend sogar mit einem Gefühle des Ekels hinzu.

»Ich habe selbst schon gedacht, daß wir unsern Verkehr abbrechen müssen. Warwara Petrowna hat zu starken Verdacht wegen unserer Beziehungen.«

»Mag sie Verdacht haben!«

»Es ist nicht gut, daß sie sich darüber beunruhigt. Und also ist es jetzt zu Ende?«

»Warten Sie immer noch auf ein Ende?«

»Ja, ich bin davon überzeugt, daß es kommen wird.«

»Auf der Welt hat nichts ein Ende.«

»Hier aber wird es ein Ende geben. Dann werden Sie mich rufen, und ich werde kommen. Jetzt leben Sie wohl!«

»Aber von welcher Art wird das Ende sein?« sagte Nikolai Wsewolodowitsch lächelnd.

»Sie sind nicht verwundet und ... haben kein Blut vergossen?« fragte sie, ohne auf die Frage nach dem Ende zu antworten.

»Es war ein dummer Hergang; ich habe niemand getötet; beunruhigen Sie sich nicht! Übrigens werden Sie gleich heute alles von allen hören. Ich fühle mich etwas unwohl.«

»Ich werde weggehen. Die Veröffentlichung der Ehe wird heute nicht stattfinden?« fügte sie unentschlossen hinzu.

»Heute wird sie nicht stattfinden; auch morgen nicht; ob übermorgen, das weiß ich noch nicht; vielleicht sterben wir alle, und das wäre das Beste. Verlassen Sie mich, verlassen Sie mich endlich!«

»Sie werden die andere nicht zugrunde richten ... die Unvernünftige?«

»Unvernünftige Frauen werde ich nicht zugrunde richten, weder die eine noch die andere; aber die vernünftige werde ich, wie es scheint, zugrunde richten: ich bin so gemein und schlecht, Dascha, daß ich Sie, wie es scheint, am letzten Ende, nach Ihrem Ausdrucke, wirklich rufen werde und Sie trotz Ihrer Vernunft kommen werden. Warum richten Sie sich selbst zugrunde?«

»Ich weiß, daß ich am letzten Ende die einzige sein werde, die bei Ihnen bleibt, ... und darauf warte ich.«

»Aber wenn ich am letzten Ende Sie nicht rufe, sondern von Ihnen weglaufe?«

»Das ist unmöglich; Sie werden mich rufen.«

»Darin liegt viel Geringschätzung meiner Person,« versetzte Nikolai Wsewolodowitsch.

»Sie wissen, daß nicht nur Geringschätzung darin liegt.«

»Also Geringschätzung liegt doch darin?«

»Ich habe mich falsch ausgedrückt,« erwiderte Darja Pawlowna. »Gott ist mein Zeuge, daß ich innig wünsche, Sie möchten meiner niemals bedürfen.«

»Eine schöne Redewendung ist der anderen wert: ich wünsche ebenfalls, Sie nicht zugrunde zu richten.«

»Niemals und auf keine Weise können Sie mich zugrunde richten, und das wissen Sie selbst am besten,« antwortete Darja Pawlowna schnell mit fester Stimme. »Wenn ich nicht zu Ihnen komme, dann werde ich Barmherzige Schwester und pflege Kranke, oder Bücherverkäuferin und verkaufe Neue Testamente. Ich habe meinen Entschluß gefaßt. Ich kann niemandes Weib sein; ich kann nicht in solchen Häusern leben wie dieses. Das will ich nicht ... Sie wissen alles.«

»Nein, ich habe nie daraus klug werden können, was Sie eigentlich wollen; es scheint mir, daß Sie sich für mich interessieren, wie bejahrte Krankenpflegerinnen sich aus irgendwelchem Grunde für einen bestimmten Kranken mehr interessieren als für die übrigen, oder, noch besser gesagt, wie manche alten Beterinnen, die sich bei den Begräbnissen umhertreiben, diese und jene ansehnlichere Leiche den anderen vorziehen. Warum sehen Sie mich so sonderbar an?«

»Sie sind sehr krank?« fragte sie teilnahmsvoll, indem sie ihn forschend anschaute. »O Gott! Und dieser Mensch will ohne mich zurechtkommen!«

»Hören Sie, Dascha, ich sehe jetzt immer Gespenster. Ein kleiner Teufel hat sich mir gestern auf der Brücke erboten, Lebjadkin und Marja Timofejewna zu ermorden, um meiner legitimen Ehe ein Ende zu machen und die ganze Sache zu begraben. Als Handgeld verlangte er drei Rubel; aber er gab mir deutlich zu verstehen, daß die ganze Leistung nicht weniger als tausendfünfhundert kosten werde. Das ist einmal ein Teufel, der zu rechnen versteht! Der reine Buchhalter! Ha-ha!«

»Aber sind Sie auch davon überzeugt, daß es ein Gespenst war?«

»O nein, es war gar kein Gespenst! Es war ganz einfach der Sträfling Fedka, ein von der Zwangsarbeit entlaufener Räuber. Aber darum handelt es sich nicht; was meinen Sie, daß ich getan habe? Ich habe ihm mein ganzes Geld aus dem Portemonnaie gegeben, und er ist jetzt vollständig überzeugt, daß ich ihm Handgeld gegeben habe!«

»Sie haben ihn in der Nacht getroffen, und er hat Ihnen einen solchen Vorschlag gemacht? Sehen Sie denn wirklich nicht, daß diese Menschen Sie rings wie mit einem Netze umgarnen?«

»Nun, mögen sie! Aber wissen Sie, Ihnen geht eine Frage im Kopfe herum; das sehe ich Ihnen an den Augen an,« fügte er mit einem boshaften Lächeln in gereiztem Tone hinzu.

Dascha erschrak.

»Ich beabsichtige gar nicht, nach etwas zu fragen, und hege überhaupt keine Zweifel; schweigen Sie lieber!« rief sie aufgeregt und schien mit einer Handbewegung eine weitere Frage abwehren zu wollen.

»Also sind Sie überzeugt, daß ich den Handel mit Fedka nicht abschließen werde?«

»O Gott!« rief sie und schlug die Hände zusammen; »warum quälen Sie mich so?«

»Nun, verzeihen Sie mir meinen dummen Scherz; offenbar nehme ich von jenen Leuten schlechte Manieren an. Wissen Sie, seit gestern nacht habe ich schreckliche Lust zu lachen, immer zu lachen, unaufhörlich, lange und viel zu lachen. Ich bin mit einer Art von Lachsucht infiziert ... Horch! Da ist meine Mutter angekommen; ich merke es an dem Gepolter ihres Wagens, der vor der Haustür hält.«

Dascha ergriff seine Hand.

»Möge Gott Sie vor Ihrem Dämon bewahren, und ... rufen Sie mich, rufen Sie mich recht bald!«

»Oh, einen Dämon habe ich ja gar nicht! Das ist einfach ein kleines, häßliches, skrofulöses Teufelchen, das den Schnupfen hat, so ein mißlungenes Wesen. Aber Sie, Dascha, wagen ja wieder nicht, etwas zu sagen?«

Sie sah ihn mit schmerzlichem Vorwurf an und wandte sich zur Tür.

»Hören Sie,« rief er ihr mit einem boshaften, spöttischen Lächeln nach. »Wenn ... nun ja, mit einem Worte, wenn... verstehen Sie wohl, also wenn ich wirklich den Handel einginge und Sie dann riefe, würden Sie dann auch nach dem Handel kommen?«

Sie ging hinaus, ohne sich umzuwenden und ohne zu antworten, das Gesicht in den Händen verbergend.

»Sie wird auch nach dem Handel kommen!« flüsterte er nach kurzem Nachdenken, und eine spöttische Geringschätzung prägte sich auf seinem Gesichte aus. »Krankenwärterin! Hm ... Aber vielleicht ist es gerade das, was ich nötig habe.«


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