Wahrscheinlich besorgte er an diesem Tage bei seinen vielen Laufereien noch eine ganze Menge von Geschäften und erledigte sie offenbar erfolgreich; das zeigte der selbstzufriedene Ausdruck seines Gesichtes, als er am Abend Punkt sechs Uhr bei Nikolai Wsewolodowitsch erschien. Aber zu diesem wurde er nicht sogleich hereingelassen, weil sich gerade Mawriki Nikolajewitsch bei Nikolai Wsewolodowitsch im Arbeitszimmer befand. Diese Nachricht machte ihn sofort besorgt. Er setzte sich dicht an die Tür des Arbeitszimmers, um zu warten, bis der Besucher weggehen würde. Daß gesprochen wurde, war zu hören; aber die Worte ließen sich nicht verstehen. Der Besuch dauerte nicht lange; bald wurde ein Geräusch vernehmbar; eine sehr laute, scharfe Stimme ertönte; darauf öffnete sich die Tür, und Mawriki Nikolajewitsch trat mit ganz blassem Gesichte heraus. Er bemerkte Peter Stepanowitsch nicht und ging schnell an ihm vorbei. Peter Stepanowitsch lief sofort in das Arbeitszimmer hinein.
Ich kann nicht umhin über diese kurze Begegnung der beiden »Nebenbuhler« ausführlich zu berichten, eine Begegnung, die unter den obwaltenden Umständen anscheinend unmöglich war, aber doch tatsächlich stattfand.
Das begab sich folgendermaßen. Nikolai Wsewolodowitsch schlummerte nach dem Mittagessen in seinem Arbeitszimmer auf der Chaiselongue, als ihm Alexei Jegorowitsch die Ankunft des unerwarteten Besuchers meldete. Als er bei der Meldung den Namen hörte, sprang er erstaunt auf und wollte es nicht glauben. Aber bald glänzte ein Lächeln auf seinen Lippen auf, ein Lächeln hochmütigen Triumphes und gleichzeitig einer mißtrauischen Verwunderung. Den eintretenden Mawriki Nikolajewitsch schien dieses eigenartige Lächeln stutzig zu machen; wenigstens blieb er auf einmal mitten im Zimmer stehen, wie wenn er unschlüssig wäre, ob er weitergehen oder umkehren solle. Der Wirt veränderte aber im selben Augenblicke sein Gesicht und kam ihm mit dem Ausdruck ernster Verwunderung entgegen. Dieser nahm die hingestreckte Hand nicht an, zog sich linkisch einen Stuhl heran und setzte sich, ohne ein Wort zu sagen und ohne eine Aufforderung abzuwarten, noch vor dem Wirte hin. Nikolai Wsewolodowitsch setzte sich ihm schräg gegenüber auf die Chaiselongue, blickte Mawriki Nikolajewitsch aufmerksam an, schwieg und wartete.
»Wenn Sie können, so heiraten Sie Lisaweta Nikolajewna!« sagte Mawriki Nikolajewitsch auf einmal, und, was das merkwürdigste war, an dem Tone, in dem er das sagte, ließ sich nicht erkennen, was es eigentlich war, eine Bitte, eine Empfehlung, ein Zugeständnis oder ein Befehl.
Nikolai Wsewolodowitsch fuhr fort zu schweigen; aber der Gast hatte offenbar bereits alles gesagt, weswegen er gekommen war, und blickte in Erwartung einer Antwort seinem Gegenüber ins Gesicht.
»Wenn ich mich nicht irre (übrigens ist die Sache ja sehr sicher), so ist Lisaweta Nikolajewna bereits mit Ihnen verlobt,« erwiderte Stawrogin endlich.
»Sie ist in aller Form mit mir verlobt,« bestätigte Mawriki Nikolajewitsch mit fester, deutlicher Stimme.
»Haben Sie ... sich entzweit? ... Verzeihen Sie die Frage, Mawriki Nikolajewitsch!«
»Nein. Sie ›liebt und achtet‹ mich; das sind ihre eigenen Worte. Und ihre Worte sind absolut zuverlässig.«
»Daran ist kein Zweifel.«
»Aber wissen Sie: wenn sie in der Kirche schon am Lesepult unter der Brautkrone dastehen wird und Sie sie rufen, dann wird sie mich und alle im Stich lassen und zu Ihnen hingehen.«
»Von der Trauung weg?«
»Ja, und auch nach der Trauung.«
»Irren Sie sich auch nicht?«
»Nein. Unter dem ununterbrochenen, aufrichtigen, starken Hasse, den sie gegen Sie empfindet, leuchtet alle Augenblicke die Liebe und ... der Wahnsinn hervor ... die aufrichtigste, maßlose Liebe und ... der Wahnsinn! Umgekehrt leuchtet aus der Liebe, die sie ebenso aufrichtig zu mir fühlt, jeden Augenblick der größte Haß hervor! Ich hätte mir früher all diese Metamorphosen niemals vorstellen können.«
»Aber ich wundere mich darüber, wie Sie herkommen konnten, um über Lisaweta Nikolajewnas Hand zu verfügen. Haben Sie ein Recht dazu? Oder hat sie Ihnen eine Vollmacht erteilt?«
Mawriki Nikolajewitsch machte ein finsteres Gesicht und senkte einen Augenblick den Kopf.
»Das sind ja von Ihrer Seite nur Worte,« sagte er dann plötzlich, »rachsüchige, triumphierende Worte; ich bin überzeugt, Sie verstehen auch das, was ich unausgesprochen lasse; und ist denn hier wirklich der Ort für kleinliche Prahlerei? Ist Ihnen diese Genugtuung noch nicht ausreichend? Soll ich denn wirklich alles ausführlich und haarklein darlegen? Nun gut, ich werde es tun, wenn Ihnen an meiner Demütigung soviel gelegen ist: ein Recht habe ich nicht; eine Vollmacht ist ein Ding der Unmöglichkeit; Lisaweta Nikolajewna weiß von nichts, sondern ihr Bräutigam hat den letzten Rest von Verstand verloren und ist reif für das Irrenhaus, und um allem die Krone aufzusetzen, kommt er selbst her, um Ihnen davon Meldung abzustatten. Auf der ganzen Welt können nur Sie allein sie glücklich und nur ich allein sie unglücklich machen. Sie machen sie mir streitig, Sie verfolgen sie; aber, ich weiß nicht warum, Sie heiraten sie nicht. Wenn der Grund dafür ein Liebeszank ist, der im Auslande stattgefunden hat, und wenn, um ihn zu beenden, ich zum Opfer gebracht werden muß, so bringen Sie mich zum Opfer! Sie ist sehr unglücklich, und ich kann das nicht ertragen. Meine Worte sind keine Erlaubnis, keine Vorschrift und enthalten daher auch nichts, was für Ihr Selbstgefühl verletzend sein könnte. Wenn es in Ihrer Absicht läge, meinen Platz am Kirchenpult einzunehmen, so hätten Sie das ohne jede Erlaubnis von meiner Seite tun können, und ich hätte dann keinen Anlaß gehabt, mit diesem verdrehten Anliegen zu Ihnen zu kommen. Um so mehr, da auch unsere Hochzeit nach meinem jetzigen Schritte schon unmöglich geworden ist. Ich kann sie doch nicht zum Altare führen, wenn ich ein gemeiner Mensch bin! Und das, was ich jetzt tue, indem ich sie Ihnen, vielleicht ihrem unversöhnlichsten Feinde, übergebe, ist eine solche Gemeinheit, daß ich sie selbstverständlich nicht überstehen werde.«
»Sie werden sich erschießen, wenn wir getraut werden?«
»Nein, erst weit später. Wozu soll ich ihr Hochzeitskleid mit meinem Blute beflecken? Vielleicht werde ich mich überhaupt nicht erschießen, weder jetzt noch später.«
»Durch diese letzte Bemerkung wollen Sie mich wohl beruhigen?«
»Sie beruhigen? Was macht es Ihnen denn aus, ob etwas Blut mehr vergossen wird?« Er war blaß geworden, und seine Augen fingen an zu funkeln. Es folgte ein Stillschweigen, das wohl eine Minute lang dauerte.
»Verzeihen Sie mir die Fragen, die ich Ihnen vorlegte,« begann Stawrogin von neuem. »Einige derselben Ihnen vorzulegen war ich nicht berechtigt; aber zu einer andern Frage habe ich, wie ich meine, ein volles Recht: sagen Sie mir: durch welche Tatsachen sind Sie veranlaßt worden, auf meine Gefühle gegen Lisaweta Nikolawjewna zu schließen? Ich meine auf einen solchen Grad dieser Gefühle, daß die Überzeugung von deren Vorhandensein Ihnen erlaubte, zu mir zu kommen ... und einen solchen Vorschlag zu riskieren?«
»Wie?« rief Mawriki Nikolajewitsch und zuckte dabei sogar ein wenig zusammen; »haben Sie sich denn nicht um sie beworben? Bewerben Sie sich nicht um sie, und wollen Sie sich nicht um sie bewerben?«
»Über meine Gefühle gegen diese oder jene Frau kann ich überhaupt nicht laut zu einem Dritten sprechen, wer es auch sein mag, sondern nur zu der betreffenden Frau. Verzeihen Sie, das ist nun einmal eine Eigentümlichkeit meines Organismus. Aber dafür will ich Ihnen im übrigen die volle Wahrheit sagen: ich bin verheiratet, und es ist mir daher nicht mehr möglich, mich zu verheiraten oder mich zu ›bewerben‹.«
Mawriki Nikolajewitsch war dermaßen erstaunt, daß er gegen die Rückenlehne des Sessels zurückschwankte und seinem Gegenüber eine Zeitlang ins Gesicht sah ohne sich zu rühren.
»Denken Sie sich, das habe ich wirklich in keiner Weise gedacht,« murmelte er. »Sie sagten damals, an jenem Vormittag, Sie seien nicht verheiratet ... und daher glaubte ich, daß es nicht der Fall sei.«
Er war furchtbar blaß geworden; auf einmal schlug er aus voller Kraft mit der Faust auf den Tisch.
»Wenn Sie nach diesem Bekenntnis nicht von Lisaweta Nikolajewna ablassen und sie absichtlich unglücklich machen, so werde ich Sie mit dem Stocke totschlagen, wie einen Hund am Zaun!«
Er sprang auf und verließ schnell das Zimmer. Als Peter Stepanowitsch hereingelaufen kam, fand er Stawrogin in einer ganz unerwarteten Gemütsverfassung.
»Ah, Sie sind da!« rief dieser, laut lachend. Er lachte anscheinend nur über Peter Stepanowitschs Figur, der mit allen Zeichen neugieriger Aufregung hereingelaufen kam.
»Haben Sie an der Tür gehorcht? Warten Sie mal, warum sind Sie doch gekommen? Ich habe Ihnen ja etwas versprochen ... Ach ja, ich erinnere mich: wir wollten zu den ›Unsrigen‹! Gehen wir; ich freue mich sehr darauf, und Sie hätten nichts ersinnen können, was mir jetzt gelegener käme.«
Er griff nach seinem Hute, und beide verließen ohne Verzug das Haus.
»Sie lachen schon im voraus darüber, daß Sie die ›Unsrigen‹ zu sehen bekommen werden?« fragte Peter Stepanowitsch, lustig umherscherwenzelnd, indem er bald neben seinem Gefährten auf dem schmalen Ziegeltrottoir zu gehen suchte, bald sogar auf den Straßendamm geradezu in den Schmutz lief, weil sein Gefährte es gar nicht gewahr wurde, daß er allein gerade in der Mitte des Trottoirs ging und es somit mit seiner eigenen Person allein einnahm.
»Ich lache durchaus nicht,« antwortete Stawrogin laut und fröhlich. »Ich bin im Gegenteil davon überzeugt, daß ich bei Ihnen dort sehr ernste Leute finden werde.«
»›Ingrimmige Dummköpfe‹, wie Sie sich einmal auszudrücken beliebten.«
»Es gibt nichts Amüsanteres als so einen ingrimmigen Dummkopf.«
»Ah, damit zielen Sie auf Mawriki Nikolajewitsch! Ich bin überzeugt, daß er soeben zu Ihnen gekommen war, um Ihnen seine Braut abzutreten, wie? Dazu habe ich ihn direkt aufgehetzt, wie Sie sich vorstellen können. Und wenn er sie Ihnen nicht abtritt, dann nehmen wir sie ihm einfach weg, nicht wahr?«
Peter Stepanowitsch wußte natürlich, was er riskierte, wenn er sich auf solche Wendungen einließ; aber da er selbst sehr aufgeregt war, so wollte er lieber nötigenfalls alles riskieren, als länger in Ungewißheit bleiben. Nikolai Wsewolodowitsch lachte nur.
»Spekulieren Sie immer noch darauf, mir zu helfen?« fragte er.
»Sobald Sie rufen werden. Wissen Sie aber, daß es einen sehr guten Weg gibt?«
»Ich kenne Ihren Weg.«
»Nein doch, das ist vorläufig noch ein Geheimnis. Aber vergessen Sie nicht, daß das Geheimnis Geld kostet!«
»Ich weiß, wieviel es kostet,« brummte Stawrogin vor sich hin, beherrschte sich aber und sprach nicht weiter.
»Wieviel? Was sagten Sie?« fragte Peter Stepanowitsch aufgeregt.
»Ich sagte: Gehen Sie zum Teufel mit Ihrem Geheimnisse! Sagen Sie mir lieber, wen ich da jetzt treffen werde. Ich weiß, daß wir zur Feier eines Namenstages gehen; aber wer ist denn eigentlich da?«
»Oh, ein äußerst bunter Mischmasch! Selbst Kirillow wird da sein.«
»Lauter Komiteemitglieder?«
»Donnerwetter, haben Sie es aber eilig! Hier hat sich noch kein einziges Komitee gebildet.«
»Wie haben Sie es denn dann fertigbekommen, so viele Proklamationen zu verbreiten?«
»Dort, wohin wir gehen, sind nur vier Komiteemitglieder. Die übrigen bespionieren einander vorläufig um die Wette und erstatten mir Bericht. Es sind Leute, von denen man sich viel versprechen kann. Das ist lauter Material, das man organisieren muß; dann allerdings muß man sich davonmachen. Übrigens haben Sie ja selbst das Statut verfaßt; da brauche ich Ihnen nichts weiter auseinanderzusetzen.«
»Wie ist es? Die Sache geht wohl schwer? Hapert es?«
»Wie es geht? So leicht, wie man es sich nur denken kann. Ich werde Sie zum Lachen bringen: das erste, was gewaltig wirkt, das sind die Ämter. Die sind das stärkste Zugmittel. Ich ersinne absichtlich Titel und Obliegenheiten: ich habe Sekretäre, geheime Kundschafter, Kassierer, Vorsitzende, Registratoren und Gehilfen all dieser Chargen; das gefällt sehr und ist sehr gut aufgenommen worden. Dann folgt natürlich als zweites kräftiges Moment die Sentimentalität. Wissen Sie, der Sozialismus verdankt seine Verbreitung bei uns vorzugsweise der Sentimentalität. Aber das Malheur ist, daß sich auch Unterleutnants finden, die zu beißen anfangen; da kann man leicht hereinfallen. Darauf folgen die reinen Schurken; na, die sind ein ganz braves Völkchen und manchmal sehr nützlich; nur muß man auf sie viel Zeit verwenden; sie verlangen eine unaufhörliche Überwachung. Na, und dann schließlich das Hauptmoment, der alles bindende Zement, das ist die Scheu vor einer eigenen Meinung. Sehen Sie, das ist etwas, was stark wirkt! Und wer hat das durch seine Arbeit herbeigeführt? Welcher ›liebe Mensch‹ hat es durch seine Bemühungen dahin gebracht, daß kein einziger eigener Gedanke in jemandes Kopfe übriggeblieben ist? Selbständiges Denken betrachten sie geradezu als eine Schande.«
»Wenn es so dürftige Menschen sind, warum geben Sie sich dann mit ihnen soviel Mühe?«
»Aber wenn sie doch so einfach daliegen und einen gleichsam mit aufgesperrtem Munde dazu einladen, wie sollte man sie da nicht in die Tasche stecken! Es klingt, als ob Sie an die Möglichkeit des Gelingens nicht ernsthaft glaubten? Oder vielmehr, der Glaube ist schon da, es fehlt jedoch am rechten Wollen. Aber gerade mit solchen Leuten ist ein Gelingen möglich. Ich sage Ihnen, meine Kerle gehen durch Wasser und Feuer; ich brauche ihnen nur zuzurufen, sie seien nicht fortschrittlich genug. Die Dummköpfe werfen mir vor, ich hätte sie alle hier mit dem Zentralkomitee und den ›zahllosen Verzweigungen‹ hinters Licht geführt. Auch Sie selbst haben mich einmal deswegen gescholten; aber wie kann da von Täuschung die Rede sein: das Zentralkomitee sind Sie und ich, und Verzweigungen wird es so viele geben, als man nur will.«
»Und alles, was Sie hier haben, ist solcher Pöbel!«
»Es ist Material. Auch die sind zu brauchen.«
»Und Sie spekulieren immer noch auf mich?«
»Sie sind der Chef, Sie sind die bewegende Kraft; ich werde Ihnen nur zur Seite stehen, etwa als Sekretär. Wissen Sie, wir werden in einen Nachen steigen, dessen Ruder von Ahornholz, dessen Segel von Seide sind, und am Steuer sitzt ein schönes Mädchen, die liebe Lisaweta Nikolajewna ... oder wie das da in jenem Liede heißt ...«
»Da ist er stecken geblieben!« lachte Stawrogin. »Nein, da will ich Ihnen lieber noch ein gutes Mittel angeben. Sie zählen an den Fingern die wirksamen Umstände auf, durch die die Komitees gebildet und zusammengehalten werden. All dieses Beamtenwesen und diese Sentimentalität, das ist wohl ein guter Kleister; aber es gibt noch einen besseren Kunstgriff: bereden Sie vier Komiteemitglieder, das fünfte zu ermorden, unter dem Vorgeben, dieses sei ein Denunziant, und sofort werden Sie sie mittels des vergossenen Blutes wie mit einem Strick zusammenknoten. Sie werden Ihre Sklaven werden und nicht wagen, sich zu empören oder Rechenschaft zu fordern. Ha-ha-ha!«
»Aber«, dachte Peter Stepanowitsch für sich, »aber für diese Worte sollst du mir büßen, und noch heute abend. Du erlaubst dir denn doch schon gar zu viel!«
So oder fast so mochte Peter Stepanowitsch denken. Übrigens näherten sie sich schon dem Hause Wirginskis.
»Sie haben mich da gewiß für ein Mitglied ausgegeben, das aus dem Auslande kommt und mit der Internationale in Verbindung steht, für einen Revisor?« fragte Stawrogin.
»Nein, für einen Revisor nicht; den Revisor sollen nicht Sie, sondern ein anderer spielen; Sie werden ein zu den Gründern gehöriges, aus dem Auslande eingetroffenes Mitglied sein, dem gewisse höchst wichtige Geheimnisse bekannt sind; das ist Ihre Rolle. Sie werden natürlich reden?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie sind jetzt verpflichtet zu reden.«
Stawrogin blieb vor Verwunderung mitten auf der Straße stehen, nicht weit von einer Laterne. Peter Stepanowitsch hielt seinen Blick dreist und ruhig aus. Stawrogin spuckte aus und ging weiter.
»Aber Sie selbst, werden Sie reden?« fragte er auf einmal Peter Stepanowitsch.
»Nein, ich werde Ihnen zuhören.«
»Hol Sie der Teufel! Sie bringen mich wirklich auf eine Idee!«
»Auf was für eine?« fragte Peter Stepanowitsch hastig.
»Ich werde da reden, meinetwegen; aber dafür werde ich Sie nachher durchprügeln, und wissen Sie, gehörig durchprügeln.«
»Apropos, ich habe vorhin von Ihnen zu Karmasinow gesagt, Sie hätten über ihn geäußert, man müsse ihn durchpeitschen, aber nicht einfach, um ihm eine Unehre anzutun, sondern wie man einen Bauer durchpeitscht, schmerzhaft.«
»Aber ich habe das ja nie gesagt, ha-ha!«
»Das tut nichts. Se non è vero ...«
»Nun, ich danke Ihnen, ich danke Ihnen aufrichtig.«
»Noch eins; wissen Sie, was Karmasinow sagte? In der Hauptsache sei unsere Lehre eine Verneinung der Ehre, und mit dem offen verkündeten Recht auf Ehrlosigkeit könne man den Russen am leichtesten anlocken und mit sich ziehen.«
»Ein vorzüglicher Gedanke! Ein goldener Gedanke!« rief Stawrogin. »Da hat er den Nagel auf den Kopf getroffen! Das Recht auf Ehrlosigkeit, – ja, dann werden alle zu uns gelaufen kommen, und kein einziger wird auf der anderen Seite bleiben! Aber hören Sie mal, Werchowenski, gehören Sie auch nicht zur Geheimpolizei, was?«
»Aber wem solche Fragen im Kopfe herumgehen, der spricht sie doch nicht aus.«
»Ich verstehe; aber wir sind ja unter uns.«
»Nein, vorläufig gehöre ich noch nicht zur Geheimpolizei. Aber nun genug; wir sind am Ziele. Machen Sie Ihr Gesicht zurecht, Stawrogin; ich tue das auch immer, wenn ich zu ihnen hineingehe. Recht viel finsteren Ernst; weiter ist nichts nötig; es ist kein Kunststück.«