III.

Die Lektüre hatte ungefähr eine Stunde gedauert. Tichon hatte langsam und manche Stellen vielleicht zweimal gelesen. Die ganze Zeit über hatte Stawrogin schweigend und regungslos dagesessen. Merkwürdig: der ungeduldige, zerstreute, gewissermaßen fieberhafte Ausdruck, den sein Gesicht diesen ganzen Morgen über getragen hatte, war fast ganz verschwunden, und an seine Stelle war eine ruhige, sozusagen offenherzige Miene getreten, was ihm beinahe ein würdevolles Aussehen verlieh. Tichon nahm die Brille ab, zögerte ein Weilchen, hob dann endlich die Augen zu ihm in die Höhe und begann als erster mit einiger Behutsamkeit zu reden.

»Könnte man nicht in diesem Schriftstücke einige Korrekturen vornehmen?«

»Wozu? Ich habe alles wahrheitsgemäß geschrieben,« antwortete Stawrogin.

»Man könnte im Stil ein wenig ändern ...«

»Ich habe vergessen, Sie vorher darauf aufmerksam zu machen,« erwiderte er schnell in scharfem Tone, wobei er mit dem ganzen Oberkörper einen Ruck nach vorn machte, »daß alle Ihre Worte vergeblich sein werden; ich werde meine Absicht nicht aufgeben; geben Sie sich keine Mühe, sie mir auszureden. Ich werde es publizieren.«

»Sie haben nicht vergessen, mich schon vorhin, vor dem Durchlesen, darauf aufmerksam zu machen.«

»Ganz gleich,« unterbrach ihn Stawrogin schroff. »Ich wiederhole es Ihnen noch einmal: mögen Ihre Einwendungen auch noch so stark sein, ich werde von meiner Absicht nicht Abstand nehmen. Notabene: durch diese ungeschickte oder auch geschickte Phrase (urteilen Sie darüber, wie Sie wollen) will ich durchaus nicht bewirken, daß Sie so schnell wie möglich mit Ihren Einwendungen und Bitten anfangen.«

»Ihnen Einwendungen machen und namentlich Sie bitten, daß Sie Ihre Absichten aufgeben möchten, das könnte ich auch gar nicht. Dieser Gedanke ist ein großer Gedanke, und der Grundgedanke des Christentums kann gar nicht in vollkommnerer Weise zum Ausdruck gelangen. Weiter als bis zu einer derartigen erstaunlichen Tat, wie Sie sie vorhaben, kann die Reue nicht gehen, wenn es nur ...«

»Wenn nur was?«

»Wenn es nur wirklich Reue und wirklich der Grundgedanke des Christentums wäre.«

»Ich habe es mit aller Aufrichtigkeit geschrieben.«

»Sie wollen sich scheinbar absichtlich roher hinstellen, als es Ihr Herz wünschen würde ...« sagte Tichon, der immer mutiger wurde. Offenbar hatte das »Schriftstück« auf ihn einen starken Eindruck gemacht.


»Mich hinstellen? Ich wiederhole es Ihnen: ich habe mich nicht ›hingestellt‹ und namentlich nicht geschauspielert.«

Tichon schlug schnell die Augen nieder.

»Dieses Schriftstück ist geradeswegs aus dem Bedürfnisse eines tödlich verwundeten Herzens hervorgegangen, – fasse ich das richtig auf?« sagte er nachdrücklich und mit besonderer Wärme. »Ja, das ist Reue und das natürliche Bedürfnis nach Reue, das Sie überwunden hat, und Sie sind auf einen herrlichen Weg geraten, auf einen seltenen Weg. Aber wie es scheint, hegen Sie bereits im voraus Haß und Verachtung gegen alle diejenigen, die das hier Erzählte lesen werden, und fordern sie zum Kampfe heraus. Da Sie sich nicht schämen, das Verbrechen zu bekennen, warum schämen Sie sich der Reue?«

»Ich schäme mich?«

»Ja, Sie schämen sich und fürchten sich!«

»Ich fürchte mich?«

»Ja, Sie fürchten sich gewaltig. ›Mögen sie auf mich schauen!‹ sagen Sie; nun aber Sie selbst, wie werden Sie auf jene schauen? Manche Stellen in Ihrer Erzählung sind durch den Stil verstärkt; Sie scheinen Ihre Seelenkunde zu bewundern und greifen nach jeder Kleinigkeit, nur um den Leser durch eine Gefühllosigkeit in Erstaunen zu versetzen, die in Wirklichkeit bei Ihnen gar nicht vorhanden ist. Was ist das anderes als eine hochmütige Herausforderung, die der Schuldige an den Richter richtet?«

»Wo steckt denn da die Herausforderung? Ich habe alle Beurteilungen von meiner Person ferngehalten.«

Tichon schwieg. Seine blassen Wangen überzog sogar eine leise Röte.

»Lassen wir das!« schnitt Stawrogin dieses Thema scharf ab. »Gestatten Sie, daß ich nunmehr meinerseits Ihnen eine Frage vorlege: da reden wir nun nach der Lektüre dieser Blätter« (er wies durch eine Kopfbewegung danach hin) »schon fünf Minuten lang, und ich sehe an Ihnen immer noch keinen Ausdruck von Abscheu und Scham ... Sie sind, wie es scheint, nicht ekel ...«

Er sprach nicht zu Ende.

»Ich werde Ihnen nichts verbergen: ich bin erschrocken über die große, müßige Kraft, die hier absichtlich auf Gemeinheiten verwendet worden ist. Was das Verbrechen selbst anlangt, so sündigen auch viele andere in gleicher Weise, leben aber mit ihrem Gewissen in Ruhe und Frieden und halten das sogar für unvermeidliche Fehltritte der Jugend. Es gibt sogar Greise, die in gleicher Weise sündigen, und es sogar wie ein Amüsement, wie ein Spiel ansehen. Die ganze Welt ist voll von all solchen schrecklichen Dingen. Sie aber haben die ganze Tiefe dieses Abgrundes erkannt, was in solchem Grade nur sehr selten vorkommt.«

»Am Ende haben Sie gar nach der Lektüre dieser Blätter angefangen mich zu achten?« fragte Stawrogin mit einem schiefen Lächeln.

»Darauf werde ich nicht geradezu antworten. Aber ein größeres, furchtbareres Verbrechen als das, welches Sie an dem kleinen Mädchen begangen haben, kann es natürlich nicht geben.«

»Wir wollen das nicht mit dem Zollstock abmessen. Ich leide vielleicht nicht so arg, wie ich es hier dargestellt habe, und habe vielleicht wirklich vieles zu meinem Nachteil erlogen,« fügte er unerwartet hinzu.

Tichon schwieg wieder.

»Aber dieses junge Mädchen,« begann Tichon von neuem, »mit dem Sie in der Schweiz gebrochen haben, wo befindet es sich in diesem Augenblicke ... wenn ich mir die Frage erlauben darf?«

»Hier.«

Wiederum folgte Stillschweigen.

»Ich habe Sie vielleicht zu meinem Nachteil stark belogen,« wiederholte Stawrogin noch einmal nachdrücklich. »Übrigens, was schadet es, daß ich die Menschen durch die Roheit meiner Beichte herausfordere, wenn Sie die Herausforderung nun doch schon bemerkt haben? Ich werde sie veranlassen, mich noch mehr zu hassen, weiter nichts. Mir aber wird davon leichter ums Herz werden.«

»Das heißt, der Haß der Menschen gegen Sie wird als Erwiderung bei Ihnen einen Haß gegen die Menschen hervorrufen, und wenn Sie sie hassen, so wird Ihnen leichter ums Herz sein, als wenn Sie ihr Mitleid entgegennähmen.«

»Sie haben recht. Wissen Sie,« fuhr er, plötzlich auflachend, fort, »man wird mich wegen dieses Schriftstücks vielleicht einen Jesuiten und scheinheiligen Heuchler nennen, hahaha! Meinen Sie nicht?«

»Gewiß, eine solche Auffassung wird zweifellos eintreten. Gedenken Sie denn aber, diese Absicht bald zur Ausführung zu bringen?«

»Heute, morgen, übermorgen; wie kann ich das wissen? Aber jedenfalls sehr bald. Sie haben recht: ich meine, es wird gerade so kommen, daß ich es plötzlich veröffentliche, und zwar gerade in einem Augenblicke der Rachsucht und des Hasses, in einem Augenblicke, wo ich die Menschen am ärgsten hassen werde.«

»Antworten Sie mir auf eine Frage, aber aufrichtig, mir allein, nur mir,« sagte Tichon mit ganz anders klingender Stimme: »Wenn Ihnen jemand dies hier« (Tichon wies auf die bedruckten Bogen) »verziehe, und zwar nicht etwa einer von denen, vor welchen Sie Hochachtung oder Furcht empfinden, sondern ein Unbekannter, den Sie nie kennen lernen werden, und der schweigend Ihre furchtbare Beichte gelesen hat: würde Ihnen dann von diesem Gedanken leichter ums Herz werden, oder wäre es Ihnen ganz gleichgültig?«

»Es würde mir leichter ums Herz werden,« antwortete Stawrogin halblaut. »Wenn Sie mir verziehen, würde mir viel leichter ums Herz werden,« fügte er mit niedergeschlagenen Augen hinzu.

»Unter der Voraussetzung, daß auch Sie mir ebenso verzeihen,« erwiderte Tichon mit gerührter Stimme.

»Das ist eine häßliche Demut. Wissen Sie, diese mönchischen Formeln sind recht unschön. Ich will Ihnen die volle Wahrheit sagen: ich möchte, daß Sie mir verziehen. Und mit Ihnen zusammen ein zweiter, ein dritter; aber die Gesamtheit, die Gesamtheit, die mag mich lieber hassen. Aber ich wünsche das in der Absicht, es mit Demut zu ertragen.«

»Aber das allgemeine Mitleid mit Ihnen würden Sie nicht mit derselben Demut ertragen können?«

»Vielleicht würde ich es nicht können. Sie machen sich sehr fein an mich heran. Aber wozu tun Sie das?«

»Ich fühle den hohen Grad Ihrer Offenherzigkeit, und es tut mir wirklich sehr leid, daß ich es nicht verstehe, an die Menschen heranzukommen. Ich habe das immer als einen großen Mangel an mir empfunden,« sagte Tichon offen und herzlich, wobei er Stawrogin gerade in die Augen sah. »Ich habe das nur gesagt, weil ich für Sie fürchte,« fügte er hinzu. »Vor Ihnen liegt ein beinah unüberschreitbarer Abgrund.«

»Ich werde es nicht ertragen? Ich werde den Haß der Menschen nicht ertragen?« rief Stawrogin auffahrend.

»Es handelt sich nicht allein um den Haß.«

»Um was denn noch?«

»Um das Gelächter der Menschen,« erwiderte Tichon halb flüsternd; es schien, als ob er diese Worte nur mit großer Aufregung herausbrächte.

Stawrogin geriet in Aufregung; eine starke Unruhe prägte sich auf seinem Gesichte aus.

»Ich habe es geahnt,« sagte er. »Also hat die Lektüre meines Schriftstücks die Wirkung gehabt, daß ich Ihnen als eine sehr komische Person erscheine. Seien Sie unbesorgt, werden Sie nicht verlegen; ich hatte das erwartet.«

»Entsetzen wird es darüber allerorten geben; aber dieses Entsetzen wird natürlich mehr fingiert als aufrichtig sein. Furchtsam sind die Menschen nur dem gegenüber, was direkt ihre persönlichen Interessen bedroht. Ich rede nicht von den reinen Seelen: diese werden sich im stillen entsetzen und sich selbst beschuldigen; aber von ihnen wird man nichts merken, weil sie schweigen werden. Das Gelächter aber wird ein allgemeines sein.«

»Ich wundere mich, wie schlecht und mißgünstig Sie von den Menschen denken,« sagte Stawrogin, wie es schien, mit einem gewissen Ingrimm.

»Aber glauben Sie mir: ich habe mehr nach mir selbst geurteilt, als daß ich an die Menschen gedacht hätte,« rief Tichon.

»Wirklich? Steckt denn auch in Ihrer Seele etwas, was Sie an meinem Unglück Ihr Vergnügen haben läßt?«

»Wer weiß, vielleicht ist auch das der Fall. Oh, vielleicht ist auch das der Fall!«

»Genug! Aber zeigen Sie mir doch, wodurch ich mich eigentlich in meinem Manuskripte lächerlich gemacht habe. Ich weiß selbst, wodurch; aber ich möchte, daß Sie es mir mit Ihrem Finger zeigten. Und sagen Sie es in recht zynischer Weise, sagen Sie es namentlich mit all der Offenherzigkeit, deren Sie fähig sind. Und ich wiederhole Ihnen noch einmal, daß Sie ein höchst wunderlicher Kauz sind.«

»Schon in der Form dieser Ihrer großen Beichte liegt etwas Lächerliches. O, glauben Sie nicht, daß Sie nicht siegen werden!« rief er plötzlich beinahe begeistert. »Sogar diese Form wird siegen« (er wies auf die gedruckten Bogen), »wenn Sie es nur mit aufrichtiger Demut hinnehmen, daß man Sie ohrfeigt und anspeit. Das Ende ist immer gewesen, daß das schmachvollste Kreuz zu einem großen Ruhme und zu einer großen Kraft wurde, wenn die Demut der Tat aufrichtig war. Vielleicht werden Sie sogar schon bei Ihren Lebzeiten getröstet werden! ...«

»Also finden Sie vielleicht nur in der Form etwas lächerlich?« fragte Stawrogin beharrlich.

»Auch im Inhalte. Die Häßlichkeit tötet,« flüsterte Tichon mit niedergeschlagenen Augen.

»Die Häßlichkeit! Was für eine Häßlichkeit?«

»Die Häßlichkeit des Verbrechens. Es gibt wahrhaft häßliche Verbrechen. Die Verbrechen, von welcher Art sie auch sein mögen, sind, je mehr Blut und Entsetzliches dabei vorkommt, um so eindrucksvoller, sozusagen um so malerischer; aber es gibt auch Verbrechen, die, von allem Entsetzlichen abgesehen, schämenswert, schmachvoll, ja sozusagen sogar geschmackswidrig sind ...«

Tichon sprach nicht zu Ende.

»Das heißt,« fiel Stawrogin aufgeregt ein, »Sie finden, daß ich eine sehr komische Figur machte, als ich dem schmutzigen kleinen Mädchen die Hände küßte ... Ich verstehe Sie sehr wohl, und Sie verzweifeln an mir gerade deswegen, weil es häßlich, garstig, nein, nicht garstig, sondern schämenswert, lächerlich ist, und Sie glauben, daß es dies ist, was ich am wenigsten werde ertragen können.«

Tichon schwieg.

»Ich verstehe, warum Sie nach dem Fräulein aus der Schweiz fragten, ob sie hier sei.«

»Sie sind nicht vorbereitet, nicht abgehärtet,« flüsterte Tichon schüchtern und schlug die Augen nieder. »Sie sind von Ihrem Nährboden losgerissen, Sie glauben nicht.«

»Hören Sie, Vater Tichon: ich will mir selbst verzeihen, und das ist mein hauptsächlichstes Ziel, mein ganzes Ziel!« sagte Stawrogin auf einmal; in seinen Augen war eine düstere Begeisterung zu lesen. »Ich weiß, daß nur dann die Vision verschwinden wird. Das ist der Grund, weswegen ich auch ein maßloses Leiden suche, es selbst suche. Schrecken Sie mich nicht davon ab; sonst werde ich in meiner Schlechtigkeit zugrunde gehen.«

Diese Offenherzigkeit war so unerwartet, daß Tichon aufstand.

»Wenn Sie glauben, daß Sie imstande sind sich selbst zu verzeihen und diese Selbstverzeihung auf dieser Welt durch Leiden zu erreichen, und wenn Sie sich ein solches Ziel in gläubiger Gesinnung setzen, so glauben Sie schon an alles!« rief Tichon begeistert. »Wie konnten Sie nur sagen, daß Sie nicht an Gott glaubten?«

Stawrogin gab keine Antwort.

»Gott wird Ihnen Ihren Unglauben verzeihen; denn Sie verehren den Heiligen Geist, ohne ihn zu kennen.«

»Apropos, wird mir Christus verzeihen?« fragte Stawrogin mit einem schiefen Lächeln und in schnell verändertem Tone; aus dem Tone der Frage konnte man einen leisen Beiklang von Ironie heraushören.

»Es steht ja in der Bibel geschrieben: ›Wenn ihr einen dieser Geringsten ärgert,‹ Sie besinnen sich wohl auf die Stelle. Nach dem Evangelium gibt es kein größeres Verbrechen ...«1

»Sie wollen ganz einfach einen Skandal vermeiden und stellen mir eine Falle, mein guter Vater Tichon,« sagte Stawrogin unter Kaubewegungen geringschätzig und ärgerlich und gab sich einen Ruck, um aufzustehen. »Kurz, Sie möchten, daß ich solide werde, womöglich heirate, mein Leben als Mitglied des hiesigen Klubs beschließe und an jedem Festtage Ihr Kloster besuche. Na, also eine Kirchenbuße! Nicht wahr? Übrigens ahnen Sie als Herzenskundiger vielleicht schon, daß es sich zweifellos so begeben wird, und sagen sich, daß es nur darauf ankommt, mich jetzt um des Anstandes willen hübsch zu bitten, da es mich ja selbst sehnlich danach verlangt. Nicht wahr?«

Er lächelte spöttisch.

»Nein, nicht eine solche Kirchenbuße; ich plane eine andere!« fuhr Tichon mit Wärme fort, ohne dem Lachen und der Bemerkung Stawrogins auch nur die geringste Beachtung zu schenken. »Ich kenne einen Ältesten, nicht hier, aber auch nicht weit von hier, einen Einsiedler und Asketen, einen Mann von einer solchen christlichen Weisheit, daß wir beide, Sie und ich, gar keine Vorstellung davon haben können. Er wird meinen Bitten Gehör schenken. Ich werde ihm alles über Sie sagen. Gehen Sie zu ihm, um unter seiner Anleitung zu büßen, auf fünf, sechs Jahre, auf so lange, wie Sie selbst es in der Folge werden für erforderlich halten. Legen Sie ein Gelübde ab, und durch dieses große Opfer werden Sie alles erkaufen, wonach Sie dürsten, und sogar was Sie nicht erwarten; denn Sie können jetzt gar noch nicht begreifen, was Sie empfangen werden.«

Stawrogin hatte ihm mit ernstem Gesichte zugehört.

»Sie schlagen mir vor, als Mönch in jenes Kloster einzutreten?«

»Sie brauchen nicht im Kloster zu leben, Sie brauchen nicht Mönch zu werden; werden Sie nur Novize, geheimer, nicht offenkundiger Novize; das läßt sich so machen, daß Sie dabei vollständig in der Welt weiterleben können ...«

»Hören Sie auf damit, Vater Tichon!« unterbrach ihn Stawrogin mißmutig und erhob sich von seinem Stuhle. Tichon stand ebenfalls auf.

»Was ist Ihnen?« schrie Stawrogin plötzlich auf, indem er Tichon beinah entsetzt ansah. Dieser stand vor ihm, die Hände mit den Innenseiten vor der Brust zusammengelegt, und ein schmerzhafter Krampf, der vom größten Entsetzen verursacht zu sein schien, lief einen Augenblick lang über sein Gesicht.

»Was ist Ihnen? Was ist Ihnen?« wiederholte Stawrogin und stürzte zu ihm hin, um ihn zu halten. Er hatte den Eindruck, als ob jener umfallen werde.

»Ich sehe ... ich sehe, wie mit wirklichen Augen,« rief Tichon mit herzzerschneidender Stimme und mit dem Ausdrucke des tiefsten Grames, »daß Sie armer, verlorener Jüngling noch nie einem neuen, noch schrecklicheren Verbrechen so nahe gewesen sind wie in diesem Augenblicke.«

»Beruhigen Sie sich!« bat Stawrogin, der sich wirklich um ihn sehr ängstigte. »Ich werde die Veröffentlichung vielleicht noch aufschieben ... Sie haben recht ...«

»Nein, nicht nach der Veröffentlichung, sondern noch vorher, einen Tag, eine Stunde vielleicht vor dem großen Schritte, werden Sie sich in ein neues Verbrechen hineinstürzen, das Sie für einen Ausweg halten, und werden es einzig und allein in der Absicht begehen, der Veröffentlichung dieser Bogen zu entgehen.«

Stawrogin zitterte nur so vor Zorn und beinah auch vor Entsetzen.

»Verdammter Psychologe!« rief er plötzlich in heller Wut und verließ, ohne sich umzusehen, die Zelle.


Fußnoten


1 Zwischen dem Ende der vierzehnten Kolumne, die hier schließt, und dem Anfange der folgenden fünfzehnten fehlt der Zusammenhang.

Anmerkung des russischen Herausgebers.


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