Sich vor den Hitschi zu fürchten war nicht nur auf der S. Ya. ein beliebter Zeitvertreib. Selbst ich gab mich ihm ziemlich oft hin. Jeder tat es. Wir taten es sehr häufig, als ich noch ein Kind war, obwohl man damals die Hitschi für nichts anderes als merkwürdige, verschwundene Kreaturen hielt, denen es Spaß gemacht hatte, vor hunderttausenden von Jahren auf dem Planeten Venus Tunnel zu graben. Wir taten es, als ich ein Gateway-Prospektor war – mein Gott, und wie! Wir vertrauten uns alten Hitschi-Schiffen an und flitzten durch das Universum zu Orten, die kein Mensch je gesehen hatte. Und dabei machten wir uns dauernd Gedanken, ob die Eigentümer der Schiffe am Ende einer solchen Fahrt auftauchen würden – und was sie dann machen würden! Wir zerbrachen uns noch mehr über sie die Köpfe, als es uns gelungen war, ihre alten Himmelsatlanten so weit zu entschlüsseln, dass wir wussten, wo sie sich versteckt hatten, tief im Kern unserer Galaxis.

Damals verschwendeten wir keinen Gedanken darauf, wovor sie sich versteckten.

Aber das war keineswegs alles, was ich tat. Meine Tage waren mit vielem anderen ausgefüllt. Da war meine unentwegte Beschäftigung mit meinem wackeligen Gesundheitszustand, der sich mir stets, wenn ihm danach war, aufdrängte, und das immer häufiger. Aber das war nur der Anfang. Ich war mit so vielen, unzähligen, verschiedenen Dingen beschäftigt, wie es einem Menschen nur möglich war.

Wenn man an einem beliebigen Tag das Leben des alternden Tycoons Robinette Broadhead unter die Lupe nahm und ihn in seinem luxuriösen Landhaus über dem großen Tappan-See, nördlich von New York City, besuchte, machte er vielleicht gerade mit seiner reizenden Frau Essie einen Spaziergang am Flussufer … oder er widmete sich in seiner überreichlich ausgestatteten Küche gewagten kulinarischen Experimenten in der Kochkunst des Malaiischen Archipels, Islands oder Ghanas … oder er unterhielt sich mit dem klugen Datenbeschaffungssystem Albert Einstein … oder er beantwortete seine Post:

»An das Jugendzentrum auf Grenada. Moment mal. Ja. Der Scheck über dreihunderttausend Dollar liegt bei, wie versprochen. Aber benennen Sie das Zentrum bloß nicht nach mir. Von mir aus nach meiner Frau, wenn Sie wollen. Wir werden beide selbstverständlich versuchen, zur Eröffnung zu kommen.«

»An Pedro Lammartine, Generalsekretär der Vereinten Nationen. Lieber Pete, ich bearbeite die Amerikaner, dass sie ihre Unterlagen auch den Brasilianern zur Verfügung stellen, um das Terroristenschiff ausfindig zu machen. Jetzt muss aber jemand den Brasilianern einheizen. Würden Sie, bitte, Ihren Einfluss geltend machen. Es ist von allgemeinem Interesse. Wenn die Terroristen nicht gestoppt werden, weiß der liebe Himmel, wo wir alle noch enden werden.«

»An Ray McLean, wo immer er sich aufhält. Lieber Ray, selbstverständlich können Sie unsere Anlegeplätze bei der Suche nach Ihrer Frau benutzen. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen viel Glück etc. etc.«

»An Gorman und Ketchin, Bauunternehmer. Sehr geehrte Herren, das von Ihnen vorgeschlagene Datum – 1. Oktober – für die Fertigstellung meines Schiffes ist vollkommen inakzeptabel. Es ist auch völlig unzumutbar. Ich hatte Ihnen bereits einen Aufschub gewährt. Das ist alles, was Sie bekommen. Ich erinnere Sie an die hohen, im Vertrag festgelegten Konventionalstrafen, falls es zu einer weiteren Verzögerung kommen sollte.«

»An den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Lieber Ben, wenn das Terroristenschiff nicht umgehend ausgemacht und neutralisiert wird, ist der Friede der gesamten Welt bedroht, gar nicht zu reden von den Verlusten an Vermögen, dem Verlust von Leben und allem anderen, das auf dem Spiel steht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Brasilianer einen Richtungsfinder für Signale von einem Schiff im ÜLG-Flug entwickelt haben und dass unsere eigenen Militärs über ein Verfahren für die ÜLG-Navigation verfügen, mit dem sie einfliegen können. Sollte da keine Zusammenarbeit möglich sein? Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte brauchen Sie doch nur dem Hohen Pentagon diese Zusammenarbeit zu befehlen. Auf die Brasilianer wird auch starker Druck ausgeübt, ihren Teil beizutragen. Aber die warten auf ein Zeichen von uns.«

»An Wie-heißt-er-Gleich, Luqman. Lieber Luqman, danke für die guten Nachrichten. Ich bin der Meinung, wir sollten das Ölfeld umgehend erschließen. Bringen Sie deshalb bei Ihrem nächsten Besuch die Pläne für Förderung und Verschiffung samt Kostenvoranschlägen und Kapitalertragsplan mit. Jedes Mal, wenn die S. Ya. leer zurückkommt, verlieren wir Geld …«

Und so ging es immer weiter – ich war beschäftigt! Ich musste mich wirklich um eine Menge Dinge kümmern. Hier zähle ich noch gar nicht die Kontrolle über meine Investitionen und das Rudel meiner Manager mit. Dabei verbringe ich keineswegs viel Zeit mit geschäftlichen Angelegenheiten. Ich sage immer, dass der verrückt sein muss, der etwas nur wegen des Geldes macht, obwohl er seine ersten hundert Millionen schon verdient hat. Man braucht natürlich Geld. Denn ohne Geld fehlt einem die Freiheit, sich den Dingen zu widmen, an denen einem wirklich etwas liegt. Aber wenn man diese Freiheit bereits hat? Wozu braucht man dann noch mehr Geld? Ich überließ daher die meisten meiner Geschäfte meinen Finanzprogrammen und meinen Angestellten – bis auf die, welche ich nicht so sehr das Geldes wegen betrieb, sondern weil sie etwas darstellten, das ich wirklich erreichen wollte.

Wenn auch der Begriff Hitschi nirgends auf der Liste meiner täglichen Angelegenheiten auftauchte, war er immer vorhanden. Am Ende lief doch alles immer auf die Hitschi hinaus. Mein Schiff, das ich draußen im Orbitaldock bauen ließ, war von Menschenhand geplant und wurde von Menschen gebaut; aber der Großteil der Bauweise sowie der gesamte Antrieb und alle Kommunikationssysteme gingen auf Hitschi-Entwürfe zurück. Die S. Ya., die ich auf den beinahe leeren Rückfahrten von Peggys Planet mit Öl beladen wollte, war ein Hitschi-Artefakt. Ja, eigentlich war Peggys Planet auch ein Geschenk der Hitschi, da sie die Navigation ermöglicht hatten, den Planeten zu finden und Schiffe dorthin zu schicken. Essies Schnellimbisskette verwendete Hitschi-Maschinen, um CHON-Nahrung aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff in den gefrorenen Gasen von Kometen herzustellen. Wir haben auch auf der Erde einige dieser Nahrungsfabriken gebaut – eine steht vor der Küste von Sri Lanka. Sie bezieht Stickstoff und Sauerstoff aus dem Indischen Ozean und den Kohlenstoff aus allem, was an unglücklichen Pflanzen, Tieren oder kohlensauren Salzen durch die Ansaugventile schlüpft. Jetzt, da die Gateway AG so viel Geld besaß, dass sie nicht mehr wusste, wohin damit, konnte sie einiges davon sinnvoll investieren – in systematische Erkundungsfahrten. Als einer der Hauptaktionäre der Gateway AG ermutigte ich sie weiterzumachen. Sogar die Terroristen verwendeten ein gestohlenes Hitschi-Schiff und einen gestohlenen Hitschi-Telempathisch-Psychokinetischen Sender-Empfänger, um der Welt die fürchterlichsten Wunden beizubringen – alles Hitschi!

Kein Wunder, dass es auf der ganzen Erde religiöse Kultverbände gab, welche die Hitschi anbeteten. Schließlich trafen auf sie sämtliche objektiven Kriterien von Göttlichkeit zu. Sie waren launisch, mächtig – und unsichtbar. Es gab Zeiten, vor allem in den langen Nächten, in denen mein Bauch wehtat und alles nicht so richtig zu laufen schien, wo ich beinahe versucht war, auch ein kleines Gebet an den Vater Unser, Der Du Bist Im Kern, loszuschicken. Schaden konnte es nicht, oder?

Doch. Es könnte. Es könnte meine Selbstachtung verletzen. Und für uns menschliche Wesen in dieser quälenden, reichen Galaxis, welche die Hitschi uns – wenn auch nur Stückchen um Stückchen – überlassen hatten, wurde es immer schwieriger, Selbstachtung zu bewahren.

Natürlich war mir zu diesem Zeitpunkt noch kein echter, lebendiger Hitschi unter die Augen gekommen.


Ich hatte überhaupt noch keinen getroffen. Aber der, welcher später in meinem Leben (ich werde keine weiteren Haarspaltereien wegen der Terminologie betreiben!) eine große Rolle spielen sollte, der Kapitän genannt wurde, der war schon auf halbem Weg zum Durchbruchspunkt, wo das normale All begann. Unterdessen bekam Audee Walthers an Bord der S. Ya. einen solchen Riesenanschiss, dass er es für wenig aussichtsreich hielt, feste Pläne für eine zukünftige Anstellung auf dem Schiff zu schmieden. Und unterdessen …

Nun, wie immer, gab es eine Menge Unterdessen. Von diesen hätte Audee am meisten interessiert, dass unterdessen seine herumvagabundierende Frau immer mehr wünschte, sie wäre nicht durchgebrannt.

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