Ich liege auf der Matte und fühle mich nicht sehr behaglich. Körperlich, meine ich. Vor kurzem bin ich operiert worden, und die Fäden sind vermutlich noch nicht ganz absorbiert.

Sigfrid sagt: »Wir sprachen von deiner Arbeit, Bob.«

Das ist langweilig genug. Aber sicher genug.

»Ich hasste meine Arbeit«, antworte ich. »Wer würde die Nahrungsgruben nicht hassen?«

»Aber du hast weitergemacht. Du hast nie auch nur versucht, etwas anderes zu bekommen. Du hättest vielleicht auf einer Meeresfarm unterkommen können. Und du bist vorzeitig von der Schule abgegangen.«

»Soll das heißen, dass ich steckengeblieben bin?«

»Es soll gar nichts heißen, Bob. Ich frage dich, was du fühlst.«

»Hm. In gewissem Sinne stimmt es. Ich dachte an einen Wechsel. Ich dachte viel darüber nach«, sage ich und erinnere mich, wie es in dieser hellen, frühen Zeit mit Sylvia gewesen ist. Ich erinnere mich, wie wir in einer Januarnacht in der Kanzel eines abgestellten Segelflugzeugs gesessen sind – wir hatten keine andere Unterkunft – und uns über die Zukunft unterhalten haben. Was wir tun würden. Wie wir uns durchsetzen würden. Soweit ich sehen kann, ist da nichts für Sigfrid dabei. Ich habe Sigfrid alles erzählt über Sylvia, die schließlich einen Börsenmakler heiratete. Aber zwischen uns war lange vorher Schluss gewesen.

»Ich hatte wohl eine Art Todestrieb«, sage ich, indem ich mich unterbreche, um zu versuchen, bei dieser Sitzung auf meine Kosten zu kommen.

»Es ist mir lieber, wenn du keine psychiatrischen Begriffe verwendest, Bob.«

»Na ja, du verstehst, was ich meine. Ich wusste, dass die Zeit verrann. Je länger ich in den Gruben blieb, desto schwerer würde es sein herauszukommen. Aber es gab nichts, was besser aussah. Und es gab Entschädigungen. Sylvia, meine Freundin. Meine Mutter, solange sie lebte. Freunde. Sogar Vergnügungen. Segelfliegen. Das ist herrlich; wenn man hoch genug ist, sieht Wyoming nicht so scheußlich aus, und das Öl kann man kaum noch riechen.«

»Du hast von Sylvia gesprochen. Bist du gut mit ihr ausgekommen?«

Ich zögerte und rieb mir den Bauch. Ich habe da fast einen halben Meter neuen Darm. Dergleichen kostet ungeheuer viel, und manchmal bekommt man das Gefühl, dass der frühere Eigentümer es zurückhaben möchte. Man fragt sich, wer er war. Oder sie. Wie er gestorben ist. Ist er gestorben? Kann es sein, dass er noch lebt, so arm, dass er Teile von sich selbst verkauft, wie ich es von hübschen Mädchen gehört habe, die eine wohlgeformte Brust oder ein Ohr verkaufen?

»Hast du dich mit Mädchen leicht angefreundet, Bob?«

»Jetzt ja.«

»Nicht jetzt, Bob. Ich glaube, du hast gesagt, als Kind hättest du nicht leicht Freunde gefunden.«

»Wer tut das schon?«

»Wenn ich diese Frage recht verstehe, Robbie, fragst du, ob irgendjemand sich an seine Kindheit als etwas vollkommen Schönes und Müheloses erinnert, und die Antwort lautet natürlich ›nein‹. Aber manche Menschen scheinen die Auswirkungen stärker mit ins Leben mitzunehmen als andere.«

»Ja. Wenn ich so nachdenke, hatte ich wohl ein bisschen Angst vor meiner Altersgruppe – entschuldige, Sigfrid, ich meine die anderen Kinder. Sie schienen einander alle zu kennen. Sie hatten die ganze Zeit etwas miteinander zu besprechen. Geheimnisse. Gemeinsame Erlebnisse. Interessen. Ich war ein Einzelgänger.«

»Bist du ein Einzelkind gewesen, Robbie?«

»Das weißt du doch. Ja. Vielleicht lag es daran. Meine Eltern arbeiteten beide. Und sie wollten nicht, dass ich in Grubennähe spielte. Gefährlich. Es war ja wirklich gefährlich für Kinder. Man kann sich wehtun an den Maschinen, oder auch, wenn die Schieferabfälle abrutschen oder es zu einem Gasausbruch kommt. Ich blieb viel zu Hause, sah fern, spielte Kassetten. Und aß. Ich war ein dickes Kind, Sigfrid. Ich liebte das ganze stärkehaltige, zuckrige Zeug mit den vielen Kalorien. Sie verwöhnten mich und kauften mir mehr Nahrung, als ich brauchte.«


507 THEMA .REIFE. ZU 26,830 + M 88 26,835 508 ,C, Vielleicht ist Reife ›Wollen, 26,840 was man will‹, 26,845 statt zu wollen, was einem 26,850 jemand anderer sagt, dass man 26,855 wollen soll. 26,860 511 EXTERNE WENN ZU && 26,865 512 ,V, Vielleicht, Sigfrid, lieber 26,870 alter Blechgötze, aber es 26,875 kommt einem vor, als sei Reife Tod. 26,880

Ich lasse mich noch immer gern verwöhnen. Jetzt bekomme ich höherklassiges Essen, nicht so dick machendes, ungefähr tausendmal so teueres. Ich habe echten Kaviar gegessen. Oft. Er wird vom Aquarium bei Galveston eingeflogen. Ich habe echten Champagner gehabt, und Butter …

»Ich erinnere mich, im Bett gelegen zu haben«, sage ich. »Ich war wohl noch sehr klein, an die drei Jahre alt. Ich hatte einen Teddy-Sprecher. Ich nahm ihn mit ins Bett, er erzählte mir kleine Geschichten, und ich steckte Bleistifte in ihn hinein und versuchte, ihm die Ohren auszureißen. Ich habe das Ding geliebt, Sigfrid.«

Ich verstumme, und Sigfrid fragt sofort: »Warum weinst du, Robbie?«

»Ich weiß es nicht«, plärre ich, während mir die Tränen über das Gesicht laufen, und ich schaue auf die Uhr. Die hüpfenden grünen Ziffern verschwimmen vor den Tränen. »Ach«, sage ich, ganz im Gesprächston, und setze mich auf, während die Tränen immer noch rinnen, aber allmählich versiegen, »ich muss jetzt wirklich gehen, Sigfrid. Ich habe eine Verabredung. Sie heißt Tania. Schönes Mädchen. Vom Houston-Symphonie-Orchester. Sie liebt Mendelssohn und Rosen, und ich möchte versuchen, ihr eine von den dunkelblauen Hybriden mitzubringen, die zu ihren Augen passen.«

»Rob, wir haben noch fast zehn Minuten.«

»Ich gleiche das ein andermal aus.« Ich weiß, dass das nicht möglich ist, darum füge ich schnell hinzu: »Darf ich deine Toilette benützen? Ich muss.«

»Willst du deine Gefühle ausscheiden, Rob?«

»Ach, sei nicht überschlau. Ich weiß, was du sagen willst. Ich weiß, dass das wie ein typischer Verdrängungsmechanismus aussieht …«

»Rob!«

»… schon gut, ich meine, es sieht so aus, als wollte ich mich drücken. Aber ich muss wirklich gehen. Auf die Toilette, meine ich. Und auch ins Blumengeschäft. Tani ist etwas ganz Besonderes. Eine wunderbare Person. Ich spreche nicht vom Sex, aber der ist auch wunderbar. Sie kann g… Sie kann …«

»Rob? Was willst du sagen?«

Ich atme tief ein und bringe heraus: »Sie ist großartig bei oralem Sex, Sigfrid.«

»Rob?«

Den Ton kenne ich. Sigfrids Repertoire an Stimmfärbungen ist ziemlich groß, aber manches kenne ich schon. Er glaubt, er wäre auf eine Spur gestoßen.

»Was ist?«

»Bob, wie nennst du es, wenn eine Frau dir oralen Sex bietet?«

»Ach, Mensch, Sigfrid, was soll denn der Unfug?«

»Wie nennst du es, Bob?«

»Ah! Das weißt du so gut wie ich.«

»Bitte, sag mir, wie du es nennst, Bob.«

»Man sagt auch ›französisch‹ dazu.«

»Welchen Ausdruck gibt es noch, Bob?«

»Eine Menge! ›Lutschen‹ ist einer. Ich glaube, ich habe tausend Ausdrücke dafür gehört.«

»Welchen noch, Bob?«

Ich habe mich in Wut und Schmerz hineingesteigert, und plötzlich kocht alles über.

»Hör auf mit diesen beschissenen Spielen, Sigfrid!« Mein Bauch schmerzt, und ich fürchte, dass ich mich besudle; es ist, als wäre ich wieder ein Säugling. »Mensch, Sigfrid! Als ich klein war, sprach ich mit meinem Teddy. Jetzt bin ich fünfundvierzig und spreche noch immer mit einer idiotischen Maschine, als lebte sie!«

»Aber es gibt noch einen anderen Ausdruck, nicht wahr, Bob?«

»Es gibt tausende! Welchen willst du hören?«

»Ich will den Ausdruck, den du verwenden wolltest und nicht verwendet hast, Bob. Bitte, versuch ihn auszusprechen. Der Ausdruck bedeutet für dich etwas Besonderes, deshalb kannst du die Worte nicht so leicht aussprechen.«

Ich sinke auf der Matte zusammen, und nun weine ich echt.

»Bitte, sag es, Bob. Wie lautet der Ausdruck?«

»Hol dich der Teufel, Sigfrid! Runtergehen. Das ist er. Runtergehen, runtergehen, runtergehen!«

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