Ein lavendelfarbener Tintenfisch – na ja, nicht wirklich ein Tintenfisch, aber einem Tintenfisch so ähnlich, dass die Menschen es mit nichts anderem vergleichen konnten – war gerade mit einem anstrengenden, langwierigen Projekt beschäftigt, als Audee Walthers seinen kleinen Unfall mit dem TPSE hatte. Da der TPSE in beide Richtungen funktionierte, ist er zwar eine grandiose Waffe, aber ein miserables Überwachungsinstrument. Etwa so, als ob man die Person, die man ausspioniert, anruft und sagt: »Hallo! Wollte Ihnen nur mitteilen, dass ich Sie im Auge habe.« Als Walthers mit dem Kopf anstieß, wurde diese Berührung auch anderswo gespürt. Und dieses Anderswo lag wirklich sehr anderswo. Es war beinahe tausend Lichtjahre von der Erde entfernt, nicht weit von der geodätischen Flugroute zwischen Peggys Planet und Erde – das war auch der Grund, warum Walthers nah genug war, um die Berührung zu spüren.
Mein Freund Robin hat mehrere Fehler. Einer davon ist eine Art verspielter Sprödigkeit, die für andere allerdings nicht so ergötzlich ist, wie er denkt. Auf welche Weise er über die Segelschiffleute Bescheid wusste – wie über die meisten anderen Ereignisse, bei denen er nicht Augenzeuge war –, kann man leicht erklären. Er will es nur nicht erklären. Die Erklärung besteht darin, dass ich ihm alles erzählte. Das macht die Sache viel einfacher und entspricht auch fast der Wahrheit. Ist verspielte Sprödigkeit ansteckend?
Zufällig weiß ich nun eine ganze Menge über diesen lavendelfarbenen Tintenfisch – oder Beinahe-Tintenfisch. Man könnte sein Aussehen genauso gut mit dem einer zappeligen, fetten Orchidee vergleichen. Damals war ich ihm natürlich noch nicht begegnet; aber jetzt kenne ich ihn so gut, dass ich weiß, wie er heißt, woher er kam, warum er dort war und – was am kompliziertesten ist – was er dort machte. Diese Tätigkeit kann man sich am besten vorstellen, wenn man an das Malen einer Landschaft denkt. Erschwerend war aber dabei, dass es in jeder Richtung auf Lichtjahre hin niemanden gab, der diese betrachten konnte, am wenigsten mein Freund, der Tintenfisch, weil er nicht die richtigen Augen hatte, um damit etwas aufzunehmen.
Dennoch hatte er seine Gründe. Es war eine Art religiöse Handlung und ging zurück auf die ältesten Überlieferungen seiner Rasse, die wirklich uralt waren. Es hatte mit dem theologisch entscheidenden Augenblick in ihrer Geschichte zu tun, als die Angehörigen dieser Rasse mitten in ihrer gewohnten Umgebung aus Gittern und gefrorenen Gasen bei schlechtester Sicht zum ersten Mal erkannten, dass »Sehen« das empfangende Ende einer bedeutungsvollen Kunstform werden konnte.
Ihm lag sehr viel daran, dass das Gemälde vollkommen wurde. Als er sich nun plötzlich von einem Fremden beobachtet fühlte, führte dieser Schock dazu, dass er einige der sauber getrennten Pulver, mit denen er malte, an die falschen Stellen versprühte. Die falsche Farbmischung regte ihn schrecklich auf. Ein Quadrathektar war ruiniert! Ein Priester auf der Erde hätte seine Gefühle verstehen können, wenn auch nicht die Gründe. Es war so, als ob beim Messopfer die Hostie heruntergefallen und zertreten worden wäre.
Das Wesen hieß LaDzhaRi. Seine Leinwand war ein elliptisches Segel aus monomolekularem Gewebe, fast dreißigtausend Kilometer lang. Sein Werk war noch nicht einmal zu einem Viertel fertig. Dabei hatte er fünfzehn Jahre gebraucht, um so weit zu kommen. LaDzhaRi war es egal, wie lange er brauchte. Er hatte jede Menge Zeit. Sein Raumschiff würde am Bestimmungsort erst in weiteren achthundert Jahren eintreffen.
Zumindest dachte er, er habe viel Zeit … bis er spürte, dass ihn ein Fremder beobachtete. Jetzt sah er sich zur Eile gezwungen. Schnell sammelte er seine Malutensilien ein, wobei er aber seine hohe Eigengeschwindigkeit beibehielt – inzwischen war es der 21. August –, zurrte sie fest – 22. August – und stieß sich vom Schmetterlingsflügelsegel ab. Dann glitt er dahin, bis er einen ausreichenden Abstand erreicht hatte. Am 1. September war er weit genug entfernt, um seinen Düsenantrieb einzuschalten und mit hoher Geschwindigkeit zu der kleinen zylindrischen Blechdose zurückzukehren, die sich im Zentrum einer Ansammlung von Schmetterlingsflügeln befand.
Obwohl es ihn sehr viel kostete, blieb er auf hoher Geschwindigkeit, als er durch die Eingangshöhlen raste, hinein in den Salzschlamm, der seine heimische Umgebung war. So laut er konnte, rief er seinen Gefährten etwas zu.
Nach menschlichem Maßstab war diese Stimme außergewöhnlich laut. Große Walfische auf der Erde haben solch kräftige Stimmen, dass ihre Rufe von anderen Walen aufgefangen und erwidert werden können, die Ozeane entfernt sind. So auch bei LaDzhaRis Leuten. In den winzigen Abteilen des Raumschiffs ließ seine Stimme die Wände beben. Instrumente zitterten. Möbel verrutschten. Die weiblichen Teilnehmer flohen in Panik, aus Angst, aufgefressen oder geschwängert zu werden.
Für die sieben Männchen war es beinahe ebenso schlimm. So schnell er konnte, raffte sich einer von ihnen auf, seine Eigenschwingung so zu verstärken, dass er LaDzhaRi antworten konnte. Sie wussten, was geschehen war. Auch sie hatten den Eindringling gespürt. Natürlich hatten sie alles Notwendige getan. Die gesamte Mannschaft hatte auf Hoch umgeschaltet und das Signal ausgesendet, das sie ihren Vorfahren verdankten. Dann waren alle wieder auf Normal heruntergegangen – und hofften, dass LaDzhaRi hoffentlich sofort das Gleiche machen und aufhören würde, die Weibchen zu erschrecken.
LaDzhaRi wurde langsamer und gestattete sich »Atem zu holen« – wenn auch dieser Ausdruck bei seinen Leuten nicht verwendet wurde. Es war nicht gut, im Schlamm auf Hochtouren längere Zeit herumzusausen. Er hatte bereits einige bedenkliche Aushöhlungen verursacht, sodass ihr glitschiger Lebensraum bedroht war. Kleinlaut arbeitete er mit den anderen, bis alles wieder festgezurrt war und auch die Weibchen aus ihren Verstecken hervorgekommen waren. Eines servierte das Essen. Die gesamte Mannschaft ließ sich nieder, um über die wahnsinnige Berührung zu sprechen, die so völlig überraschend und grauenvoll in ihren Verstand gedrungen war. Dazu brauchten sie den gesamten September und den ersten Teil vom Oktober.
Dann war das Schiff wieder einigermaßen zu seinem normalen Leben zurückgekehrt, und LaDzhaRi wandte sich wieder seiner Malerei zu. Er neutralisierte die Ladungen auf dem ruinierten Teil des großen Flügels der Photonenfalle. Mit großer Mühe und Sorgfalt sammelte er den pigmentierten Staub ein, der weggeflogen war. Schließlich konnte man es nicht riskieren, so viel Masse zu verschwenden.
Er war schon eine sparsame Seele, dieser LaDzhaRi! Ich muss zugeben, dass ich ihn bewundernswert fand. Er blieb den Traditionen seiner Leute auch unter Umständen treu, die den Menschen wohl zu bedrohlich vorgekommen wären, als dass sie sie ertragen hätten. Obwohl LaDzhaRi kein Hitschi war, wusste er, wo er die Hitschi erreichen konnte, und war sich sicher, dass auf die Nachricht, die seine Schiffsgefährten ausgeschickt hatten, früher oder später eine Antwort folgen würde.
Gerade als er wieder begonnen hatte, den verpatzten Teil seiner Arbeit neu zu malen, spürte er wieder eine Berührung. Diesmal aber hatte er sie erwartet. Viel näher. Viel stärker. Weitaus nachdrücklicher und viel, viel furchteinflößender.