Keine zwei Stunden – so kurz hatte das Fieber noch nie gedauert. Es war aber auch nie so heftig gewesen. Das empfänglichste eine Prozent der Bevölkerung war vier Stunden lang einfach weggetreten, und beinahe jeder hatte schwere Wirkungen verspürt.
Ich gehörte zu den Glücklicheren, weil ich nach dem Fieber nur in meinem Zimmer saß und nicht mehr davongetragen hatte als eine Beule am Kopf. Ich war nicht eingeklemmt in einem verunglückten Omnibus, nicht mit einem Düsenflugzeug abgestürzt, war nicht von einem steuerlosen Auto angefahren worden oder verblutete nicht auf einem Operationstisch, während Chirurgen und Krankenschwestern sich hilflos am Boden krümmten. Alles, was ich hinter mir hatte, waren eine Stunde, einundfünfzig Minuten und vierundvierzig Sekunden qualvoller Fieberphantasien, und selbst diese waren verwässert, weil ich sie mit elf Milliarden anderer Menschen geteilt hatte.
Selbstverständlich versuchten alle elf Milliarden gleichzeitig, sämtliche anderen Menschen zu erreichen, sodass nirgends ein Durchkommen war. Harriet nahm im Holotank Gestalt an, um mir mitzuteilen, dass mindestens fünfundzwanzig Anfragen für mich gekommen seien – mein Wissenschaftsprogramm, mein Rechtsprogramm, drei oder vier Finanzprogramme von meinen Beteiligungen und eine ganze Reihe wirklicher, lebendiger Menschen. Keiner davon sei Essie, sagte sie bedauernd, als ich danach fragte; die Leitungen nach Tucson seien derzeit alle unterbrochen, und ich könne auch von hier aus nicht anrufen. Keine der Maschinen war von der Wirrnis befallen worden. Das kam nie vor. Bei ihnen gab es Defekte nur dann, wenn eine lebendige Person sich in die Leitung eingeschaltet hatte, zur Wartung oder Reparatur. Aber da das der Statistik nach auf der ganzen Welt in der Minute millionenmal vorkam und zahllose Maschinen betroffen waren, durfte man sich nicht darüber wundern, dass manches einige Zeit brauchte, um wieder voll zu funktionieren.
Das Geschäftliche hatte Vorrang; ich musste die Scherben einsammeln. Ich gab Harriet eine Rangliste der Dringlichkeit, und sie begann mich mit Berichten zu füttern. Kurzmeldung von den Nahrungsgruben: kein wesentlicher Schaden. Grundbesitz: in kleinerem Maß Brände und Überschwemmungen; nichts, was ins Gewicht fiel. In den Fischfabriken hatte jemand eine Schleuse offen stehen lassen, und sechshundert Millionen Setzlinge schwammen ins offene Meer hinaus, um in diesem zu verschwinden; aber dort war ich ohnehin nur Kleinaktionär. Alles in allem hatte ich das Fieber blendend überstanden, schien mir, oder jedenfalls viel besser als andere. Das Fieber hatte den indischen Subkontinent erfasst, nachdem er bereits am Tag zuvor einen der schlimmsten Orkane erlebt hatte, wie er in der Bucht von Bengalen seit fünfzig Jahren nicht mehr vorgekommen war. Die Zahl der Todesopfer war riesengroß. Zwei Stunden lang waren alle Rettungsaktionen einfach zum Stillstand gekommen. Zig, vielleicht hunderte von Millionen Menschen waren einfach unfähig gewesen, sich auf höher gelegenes Land zu schleppen, und das südliche Bangladesh war übersät mit Leichen. Dazu kamen unter anderem eine Raffinerieexplosion in Kalifornien, ein Zugunglück in Wales und ein paar bis jetzt noch nicht registrierte Katastrophen – die Computer konnten noch keine Schätzung über die Zahlen der Opfer liefern, aber die Medienmeldungen sprachen bereits vom schlimmsten aller bisherigen Ereignisse.
Bis ich alle ganz dringenden Meldungen durchgegangen war, funktionierten die Lifte wieder. Ich war kein Gefangener mehr. Als ich zum Fenster hinausschaute, konnte ich sehen, dass die Straßen von Washington ganz normal aussahen. Meine Reise nach Tucson dagegen stieß auf größte Schwierigkeiten. Da die Hälfte der in der Luft befindlichen Düsenflugzeuge zwei Stunden mit Autopiloten gesteuert worden waren, was den Treibstoffvorrat aller Maschinen stark verringert hatte, waren sie gelandet, wo sie konnten, und die Fluglinien hatten ihr Gerät überall dort, wo es nicht hingehörte. Die Flugpläne waren völlig durcheinander geraten. Harriet buchte für mich das Beste, was sie finden konnte, aber der erste mögliche Flug ging erst am Mittag des folgenden Tages. Das war nur ein Ärgernis, kein Problem. Ich konnte Essie nicht einmal anrufen, weil die Leitungen immer noch besetzt waren. Wenn ich wirklich durchkommen wollte, besaß ich Dringlichkeitsvorrechte – die Reichen haben ihre Vergünstigungen. Sie haben aber auch ihre Freuden, und ich entschied, dass es Spaß machen würde, Essie zu überraschen, indem ich unangemeldet bei ihr auftauchte.
Inzwischen blieb mir Zeit, die es zu vertreiben galt.
Und die ganze Zeit über konnte mein Wissenschaftsprogramm kaum noch an sich halten, mir alles Mögliche mitzuteilen. Ich hatte das aufgeschoben, bis mir Zeit für eine ausführliche Unterhaltung blieb, und der Moment war jetzt gekommen.
»Harriet«, sagte ich, »jetzt her mit ihm.« Und Albert Einstein nahm im Holotank Gestalt an. Er beugte sich vor, während es in seinem Gesicht vor Erregung zuckte. »Was gibt es, AE«, fragte ich, »etwas Gutes?«
»Klare Sache, Robin! Wir haben herausbekommen, wo das Fieber herkommt – von der Nahrungsfabrik!«
Es war meine eigene Schuld. Hätte ich mir von Albert sofort mitteilen lassen, was er meinte, dann wäre ich nicht praktisch der letzte Mensch auf der Erde gewesen, der erfuhr, dass mir das gehörte, wo das Ganze herkam. Das war das Erste, was mich betroffen machte, und ich dachte die ganze Zeit, während er mir alles erklärte, über eine mögliche Haftbarkeit nach und versuchte Vorteile zu erschnuppern. Das Erste und Schlüssige war natürlich die Aufzeichnung vom Ort des Geschehens selbst: der Nahrungsfabrik.
»Hätte ich die Zeitpunkte nur genau überprüft«, machte Albert sich selbst Vorwürfe, »dann hätten wir die Quelle schon vor Jahren finden müssen. Und es gab auch noch viele andere Hinweise, die mit dem Photonenursprung zusammenhängen.«
»Mit was für einem Ursprung?«
»Die Erscheinungen sind elektromagnetischer Natur, Robin«, erläuterte er. Er stopfte Tabak in seine Pfeife und griff nach einem Streichholz. »Es ist Ihnen natürlich klar, dass das durch die Übertragungszeit nachgewiesen wird – wir empfingen das Signal, das den Wahnsinn hervorrief, zur selben Zeit, wie das der Übertragung nach stattfand.«
»Augenblick. Wenn die Hitschi ÜLG-Funk haben, warum ist das dann nicht dasselbe?«
»Ah, Robin, wenn wir das wüssten!«, sagte er augenzwinkernd, während er seine Pfeife anzündete. »Ich kann nur vermuten …«, paff, paff, »dass diese spezielle Auswirkung nicht vereinbar ist mit ihrer anderen Methode der Übertragung, aber über die Gründe dafür kann ich im Augenblick nicht einmal Mutmaßungen anstellen. Und selbstverständlich«, fuhr er fort, »erheben sich sofort bestimmte Fragen, auf die wir noch keine Antworten wissen.«
»Selbstverständlich«, sagte ich, aber ich fragte ihn nicht, welche das seien. Ich beschäftigte mich mit etwas anderem. »Albert, zeig mir die Schiffe und Stationen im Weltraum, von denen du Informationen bezogen hast.«
»Klare Sache, Robin.« Das zerzauste Haar und das faltige, heitere Gesicht verschwanden, und der holographische Tank füllte sich mit einer Darstellung des Weltraums, der die Sonne umgab. Neun Planeten. Ein Asteroidengürtel und eine pulverdünne Schale weit draußen, die Oort’sche Wolke. Und ungefähr vierzig Punkte farbigen Lichts. Die Darstellung war im logarithmischen Maßstab gehalten, um alles zu erfassen; die Größe der Planeten und künstlichen Gebilde ging weit über den Maßstab hinaus. Alberts Stimme erklärte: »Die vier grünen Schiffe sind von uns, Robin. Die elf blauen Objekte sind Hitschi-Anlagen; die runden sind erst vor kurzem entdeckt worden, die sternförmigen haben bereits Besuch erhalten und sind meistens bemannt. Alle übrigen sind Schiffe, die anderen Unternehmen oder Regierungen gehören.«
Ich studierte die graphische Darstellung. Nicht viele der Funken befanden sich in der Nähe des grünen Schiffs und blauen Sterns, die den Ort der Nahrungsfabrik bezeichneten.
»Albert? Wenn jemand ein anderes Schiff zur Nahrungsfabrik schicken müsste, welches könnte am schnellsten dort sein?«
Er erschien in der unteren Ecke der Projektion, runzelte die Stirn und sog an seinem Pfeifenstiel. In der Nähe der Saturnringe begann ein goldener Punkt zu blinken.
»Da ist ein brasilianischer Kreuzer auf Thetys, der es in achtzehn Monaten schaffen könnte«, sagte er. »Ich habe nur die Schiffe gezeigt, die meine Funkpeilung erreicht. Es gibt einige andere …«, verstreut im Tank flammten neue Lichter auf, »… die schneller sein könnten, vorausgesetzt, sie verfügen über genug Treibstoff und Vorräte. Aber keines in weniger als einem Jahr.«
Ich seufzte.
»Mach das weg, Albert«, sagte ich. »Die Sache ist die: Wir sind in etwas hineingeraten, womit ich nicht gerechnet hatte.«
»Was meinen Sie, Robin?«, fragte er, wieder den ganzen Tank ausfüllend, während er behaglich die Hände über dem Bauch faltete.
»Dieser Kokon. Ich weiß nicht, was man damit machen soll. Ich sehe nicht einmal den Sinn. Wozu soll das gut sein, Albert? Hast du irgendeine Meinung?«
»Klare Sache, Robin«, sagte er, fröhlich nickend. »Meine sinnvollsten Vermutungen besitzen eine ziemlich geringe Wahrscheinlichkeit, aber das liegt nur daran, dass es so viele Unbekannte gibt. Drücken wir es so aus: Angenommen, Sie wären ein Hitschi – vielleicht ein Anthropologe – und interessierten sich dafür, eine sich entwickelnde Zivilisation im Auge zu behalten. Die Evolution braucht viel Zeit, sodass Sie nicht einfach nur dasitzen und zuschauen wollen. Am liebsten wäre Ihnen eine rasche Schätzung, vielleicht alle tausend Jahre oder so, sozusagen eine Stichprobe. Nun, wenn Sie so etwas haben wie den Kokon, könnten Sie ab und zu jemanden zur Nahrungsfabrik hinüberschicken, vielleicht alle tausend Jahre oder in noch größeren Abständen, damit der Betreffende in die Liege kriecht und auf der Stelle erfährt, was vorgeht. Das würde nur Minuten dauern.« Er schwieg kurze Zeit und überlegte, bevor er weitersprach. »Dann – aber das ist Spekulation auf der Grundlage einer Vermutung, ich würde das nicht einmal eine Wahrscheinlichkeitseinstufung nennen wollen –, wenn Sie dann etwas Interessantes finden, könnten Sie weiter nachforschen. Sie könnten sogar noch etwas anderes tun. Das ist wirklich weit hergeholt, Robin. Sie könnten sogar Empfehlungen geben. Der Kokon ist zugleich Sender und Empfänger, daher kommt das Fieber. Vielleicht kann er auch Begriffe und Vorstellungen übermitteln. Wir wissen, dass in der Menschheitsgeschichte viele große Erfindungen auf der ganzen Welt parallel, unabhängig voneinander gemacht worden sind, vielleicht sogar gleichzeitig. Sind das Hitschi-Empfehlungen, von der Liege aus gemacht?«
Er saß da, paffte seine Pfeife und lächelte mich an, während ich darüber nachdachte.
Alles Nachdenken der Welt machte keine klare, angenehme Sache daraus. Aufregend mochte sie gewiss sein, aber nichts, wobei man sich hätte erholen können. Seitdem die ersten Astronauten Hitschi-Grabungen auf der Venus entdeckt hatten, war mit der Welt eine grundlegende Veränderung vorgegangen, und je mehr wir forschten, desto größer wurden die Veränderungen. Ein verirrter Jugendlicher, mit Dingen spielend, die er nicht verstand, hatte die ganze Menschheit über ein Jahrzehnt lang in wiederkehrenden Wahnsinn gestürzt. Wenn wir weiterhin mit Dingen spielten, die wir nicht begriffen, was würden die Hitschi uns als Zugabe liefern?
Ganz zu schweigen von dem Unbehagen bei der Theorie, diese Wesen hätten uns hunderttausende von Jahren nachspioniert – uns vielleicht hier und da sogar einen Brosamen hingeworfen, um zu sehen, was wir damit anfangen würden.
Ich bat Albert, mich über alles andere zu unterrichten, was er über die Vorgänge in der Nahrungsfabrik wusste, und während er die Fakten aufführte, rief ich Harriet. Sie erschien in einer Ecke des Tanks und sah mich fragend an, während Albert weitermachte. Ich bestellte Abendessen bei ihr. Albert überwachte fortwährend sämtliche Übertragungen, noch während er über sie berichtete, und zeigte mir ausgewählte Szenen mit dem Jungen, den Herter-Halls, dem Inneren des künstlichen Gebildes. Das verdammte Ding beharrte nach wie vor auf seinem eigenen Weg. Die genauesten Kursberechnungen gingen davon aus, dass es auf einen Kometenhaufen, einige Millionen Kilometer entfernt, zuflog – beim derzeitigen Tempo würde es diesen in einigen Monaten erreichen.
»Und was dann?«, fragte ich scharf.
Albert zuckte bedauernd die Achseln.
»Vermutlich wird die Fabrik dort bleiben, bis sie den ganzen CHON-Inhalt verarbeitet hat.«
»Dann können wir sie steuern?«
»Dafür gibt es keinen Nachweis, Robin, aber möglich ist es. Weil wir gerade davon sprechen: Ich habe eine Theorie über die Steuerung der Hitschi-Raumschiffe. Wenn eines davon ein funktionierendes Gebilde erreicht – die Nahrungsfabrik, Gateway, was auch immer –, wird die Steuerung entsperrt, und man kann eine andere Richtung bestimmen. Ich halte es jedenfalls für möglich, dass es das war, was mit Mrs. Patricia Bover geschehen sein könnte – und auch das lässt gewisse Schlussfolgerungen zu«, ergänzte er augenzwinkernd.
Ich lasse einem Computerprogramm nicht gern die Meinung, es sei schlauer als ich.
»Du meinst, es könnte in der ganzen Galaxis eine Menge von verirrten Gateway-Astronauten geben, deren Steuerung entsperrt wurde? Und sie wussten dann nicht, wie sie zurückfliegen sollten?«
»Klare Sache, Robin«, sagte er anerkennend. »Das könnte erklären, was Wan als die ›Toten Menschen‹ bezeichnet. Wir haben übrigens einige Gespräche mit ihnen erhalten. Ihre Antworten sind manchmal ganz irrational, und wir sind natürlich dadurch behindert, dass wir mit ihnen nicht selbst kommunizieren können. Aber es hat den Anschein, dass sie menschliche Wesen sind oder waren.«
»Willst du damit sagen, dass sie lebendig waren?«
»Klare Sache, Robin, oder zumindest insoweit, als Enrico Carusos Stimme auf einem Tonband einmal die Stimme eines lebenden neapolitanischen Tenors gewesen ist. Ob sie jetzt ›lebendig‹ sind, ist eine Frage der Definition. Sie könnten die gleiche Frage …«, paff, paff, »bei mir stellen.«
»Hm.« Ich dachte eine Weile nach. »Warum sind sie so verrückt?«
»Unvollkommene Übertragung, würde ich sagen. Aber das ist nicht das Wichtige.« Ich wartete, bis er an seiner Pfeife gesogen hatte, um mir das Wichtige mitzuteilen. »Es scheint ziemlich sicher zu sein, Robin, dass die Übertragung durch eine Art chemischer Entleerung der eigentlichen Gehirne erfolgte, die den Prospektoren gehörten.«
»Du meinst, die Hitschi brachten sie um und schütteten ihre Gehirne in eine Flasche?«
»Keineswegs, Robin! Erstens möchte ich die Vermutung wagen, dass die Prospektoren eines natürlichen Todes gestorben und nicht umgebracht worden sind. Das würde die Chemie der Speicherung im Gehirn schädigen und zum Verfall der Information beitragen. Und ganz bestimmt nicht in eine Flasche! In eine Art chemischer Analogie vielleicht. Aber die eigentliche Frage ist doch: Wie kam es dazu?«
Ich stöhnte.
»Möchtest du, dass ich dein Programm lösche, Al? Ich könnte das alles durch eine optische Zusammenfassung viel schneller erfahren.«
»Klare Sache, Robin, dass Sie das könnten, aber es wäre vielleicht nicht so unterhaltsam.« Er zwinkerte mir zu. »Jedenfalls ist die Frage die: Wie kamen die Hitschi zu Geräten, mit denen sie den Inhalt eines menschlichen Gehirns lesen und speichern konnten? Denken Sie darüber nach, Robin. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Chemie der Hitschi dieselbe sein sollte wie die eines Menschen. Ähnlich, ja. Wir wissen aus allgemeinen Überlegungen heraus etwa, was sie geatmet und gegessen haben. Im Grunde war ihre Chemie von der unsrigen nicht so sehr verschieden. Aber Peptide sind sehr komplizierte Moleküle. Es dürfte nicht viel dafür sprechen, dass eine Verbindung, die beispielsweise für die Fähigkeit steht, eine Stradivari gut zu spielen, oder auch nur für Stubenreinheit, in ihrer Chemie dieselbe wäre wie bei uns.« Er begann erneut seine Pfeife anzuzünden, sah meinen Blick und fügte hastig hinzu: »Ich komme also zu dem Schluss, Robin, dass diese Maschinen nicht für Hitschi-Gehirne geschaffen wurden.«
Damit überraschte er mich.
»Also für Menschen? Aber warum? Woher wussten sie …«
»Bitte, Robin. Auf Ihre Anweisungen hin hat Ihre Frau mich so programmiert, dass ich aus kleinen Daten große Schlüsse ziehe. Ich kann deshalb nicht alles rechtfertigen, was ich sage. Aber«, fügte er weise nickend hinzu, »ich vertrete diese Meinung, ja.«
»Menschenskind«, sagte ich. Er schien dem nichts hinzufügen zu wollen, also schob ich das beiseite und befasste mich mit der nächsten Sorge. »Was ist mit den Alten? Glauben Sie, dass sie Menschen sind?«
Er klopfte seine Pfeife aus und griff nach dem Tabakbeutel.
»Ich würde meinen, das sind sie nicht«, sagte er schließlich.
Ich fragte ihn nicht nach der Alternative. Ich wollte sie nicht hören.
Als Albert sich für den Augenblick verausgabt hatte, bat ich Harriet, mein juristisches Programm zuzuschalten. Ich konnte aber nicht gleich mit Morton sprechen, weil gerade mein Essen kam und der Kellner ein menschliches Wesen war. Er fragte mich, wie ich das Fieber überstanden hatte, damit er mir erzählen konnte, wie es ihm ergangen war, und das nahm Zeit in Anspruch. Aber endlich setzte ich mich vor den Holotank, schnitt in mein Hühnersteak und sagte: »Also, Morton, was gibt es Unerfreuliches?«
»Sie erinnern sich an die Klage von Bover?«, sagte er vorsichtig.
»Was für ein Bover?«
»Trish Bovers Ehemann. Oder Witwer, je nach Standpunkt. Wir haben das Erscheinen beantragt, aber leider hatte der Richter einen schlimmen Fieberanfall, und – tja, er ist vom Recht her auf dem falschen Weg, Robin, aber er hat unseren Antrag auf eine Hauptverhandlung abgelehnt und summarisch dagegen entschieden.«
Ich hörte auf zu kauen.
»Kann er denn das?«, brüllte ich, den Mund voll Hühnerfleisch.
»Hm, ja, oder zumindest hat er es getan. Aber wir kriegen ihn in der Berufung, nur wird es da ein bisschen komplizierter. Der gegnerische Anwalt durfte Ausführungen machen und betonte, dass Trish einen Flugbericht erstattet hat. Es steht also ein wenig infrage, ob sie den Auftrag tatsächlich ausgeführt hat, verstehen Sie? Inzwischen …«
Manchmal finde ich Morton zu menschlich programmiert; er versteht es zu gut, eine Diskussion in die Länge zu ziehen.
»Inzwischen was, Morton?«
»Nun, seit der letzten, äh, Episode scheint es eine neue Komplikation zu geben. Die Gateway-Gesellschaft möchte sich zurückhalten, bis man genau weiß, wo man mit dieser Fiebergeschichte steht; sie hat deshalb eine einstweilige Verfügung akzeptiert. Weder Sie noch die Nahrungsfabrik GmbH dürfen mit der Ausbeutung der Fabrik fortfahren.«
Ich ging in die Luft.
»Verdammt noch mal, Morton! Du meinst, wir können sie nicht nutzen, sobald wir sie den weiten Weg hierher geschleppt haben?«
»Ich fürchte, es bedeutet noch mehr«, sagte er bedauernd. »Sie dürfen sie nicht bewegen. Sie dürfen in keiner Weise in ihre normalen Funktionen eingreifen, bis zu einem Haupturteil jedenfalls nicht. Das ist Bovers Bestreben, mit der Begründung, dass Sie seine Interessen gefährden, wenn Sie die Fabrik daran hindern, Nahrung zu erzeugen, indem sie sich zu einem neuen Kometenhaufen begibt. Das können wir aufheben lassen, davon bin ich überzeugt. Aber bis dahin wird die Gateway-Gesellschaft eine Verfügung erhalten haben, alles zu unterlassen, bis man mit dem Fieber klarkommt.«
»O Gott.« Ich legte meine Gabel weg. Ich hatte keinen Hunger mehr. »Das einzig Gute daran ist, dass niemand die Einhaltung erzwingen kann«, meinte ich.
»Weil es so lange dauert, eine Nachricht an die Herter-Halls zu geben, Robin, ja«, sagte er mit einem Nicken. »Auf die …«
Er verschwand, sst. Er glitt seitlich aus dem Tank, und Harriet tauchte auf. Sie sah schrecklich aus. Ich habe gute Programme als Computerhilfe. Aber sie bringen nicht immer gute Nachrichten.
»Robin!«, rief sie. »Eine Nachricht vom Mesa General Hospital in Arizona – Ihre Frau!«
»Essie? Essie? Ist sie krank?«
»Ach, viel schlimmer, Robin. Totaler somatischer Stillstand. Sie wurde bei einem Autounfall getötet. Man hat sie in einem Lebenserhaltungssystem, aber – es gibt keine Prognose, Robin. Sie reagiert nicht.«
Ich nutzte meine Vergünstigungen nicht. Ich wollte mir die Zeit nicht nehmen. Ich wandte mich sofort an das Washingtoner Büro der Gateway-Gesellschaft, das mir über den Verteidigungsminister Platz in einem Sanitätsflugzeug verschaffte. Es startete fünfundzwanzig Minuten später auf dem Flugplatz Bolling, und ich schaffte es.
Der Flug dauerte drei Stunden, und ich war die ganze Zeit kaum bei mir. Es gab keine Nachrichtenverbindungen für Passagiere in der Maschine. Ich wollte gar keine. Ich wollte nur hinkommen. Als meine Mutter starb und mich allein ließ, schmerzte das, aber ich war durcheinander und an Schmerz gewöhnt. Als meine große Liebe oder jedenfalls die Frau, die das zu werden schien, mich ebenfalls verließ – ohne ganz zu sterben, weil sie in irgendeiner grauenhaften astrophysikalischen Anomalie gefangen blieb und für immer weit außer Reichweite war –, tat das auch weh. Aber damals kannte ich nichts anderes als Schmerz. Ich war an das Glücklichsein nicht gewöhnt, hatte mir das noch nicht zur Gewohnheit gemacht. Für Schmerz gibt es ein Carnot’sches Gesetz. Er wird nicht nach absoluten Werten gemessen, sondern nach dem Unterschied zwischen Quelle und Umwelt, und meine Umwelt war zu gesichert und zu lange zu schön gewesen, um mich auf solche Dinge vorzubereiten. Ich war im Schockzustand.
Das Mesa-General-Krankenhaus war ein niedriger Trakt, eingegraben in die Wüste vor Tucson. Als wir hinkamen, konnte man nicht mehr sehen als die Solaranlagen auf dem »Dach«, aber darunter befanden sich auf sechs unterirdischen Etagen Krankenzimmer, Labors und Operationssäle. Sie waren alle voll. Tucson ist eine Pendlerstadt, und der Wahnsinn hatte während der Stoßzeit zugeschlagen.
Als ich endlich eine Stationsschwester erwischte, erfuhr ich, dass Essie noch an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen war, aber jeden Augenblick von ihr getrennt werden konnte. Es war eine Frage der Auswahl. Die Maschinen mochten bessere Verwendung finden bei anderen Patienten, die viel günstigere Aussichten hatten.
Ich schäme mich zuzugeben, wie rasch Begriffe von Gerechtigkeit sich verflüchtigten, wenn es um die eigene Frau ging, die an den Maschinen hing. Ich suchte ein leeres Arztzimmer auf, warf den Versicherungsregulierer hinaus, der sich den Schreibtisch ausgeborgt hatte, und hängte mich an die Leitungen. Ich sprach mit zwei Senatoren gleichzeitig, bevor Harriet mit einem Bericht unseres Medizinprogramms dazwischenging. Essies Puls hatte zu schlagen begonnen. Man hielt ihre Chancen jetzt immerhin für groß genug, dass man ihr die zusätzliche Gelegenheit, noch eine Weile an den Maschinen zu bleiben, zugestehen wollte.
Medizinischer Vollschutz war natürlich von Nutzen. Aber im Wartesaal draußen waren alle Plätze von Leuten besetzt, die auf ihre Behandlung warteten, und ich konnte an den Halsbändern erkennen, dass manche von ihnen ebenfalls medizinischen Vollschutz genossen.
Ich durfte nicht zu ihr. Auf der Intensivstation waren Besuche nicht zugelassen, und das galt sogar für mich; an der Tür stand ein Polizist aus Tucson, der sich nach einem langen, harten Tag zwang, wach zu bleiben. Er war entsprechend gelaunt. Ich spielte am Schreibtischgerät des abwesenden Arztes herum, bis ich eine interne Leitung fand, durch die man die Intensivstation überwachte. Ich konnte aber nicht sehen, wie gut sich Essie hielt. Ich konnte nicht einmal genau erkennen, welche der Mumien sie eigentlich war. Aber ich starrte sie an. Harriet rief von Zeit zu Zeit an, um kleine Nachrichten weiterzugeben. Mit guten und sorgenvollen Wünschen gab sie sich gar nicht ab; davon gab es viele, aber Essie hatte mir ein Robinette-Broadhead-Programm für den Umgang mit derlei Dingen geschrieben, und Harriet lieferte Anrufern ein Bild und ein besorgtes Lächeln, dazu ein Dankeschön, ohne sich die Mühe zu machen, mich zuzuschalten. Essie hatte solche Programmierungen sehr gut beherrscht.
Vergangenheit. Als ich bemerkte, dass ich an eine Essie in der Vergangenheitsform dachte, fühlte ich mich erst richtig mies.
Nach einer Stunde fand mich eine Frau vom Küchenpersonal und gab mir Brühe und Kekse, und etwas später verbrachte ich fünfundvierzig Minuten in einer Schlange vor der öffentlichen Herrentoilette; das war praktisch die ganze Ablenkung, die ich in der dritten Etage der Klinik hatte, bis endlich eine Mexikanerin den Kopf zur Tür hereinsteckte und sagte: »Señor Broad’ead? Por favor.« Der Polizist stand immer noch vor dem Eingang der Intensivstation und fächelte sich mit seinem verschwitzten Stetson Luft zu, um wach zu bleiben, aber als die Mexikanerin mich am Arm hineinführte, erhob er keine Einwände.
Essie lag unter einer Druckblase. Über ihrem Gesicht gab es eine durchsichtige Stelle, sodass ich aus ihrer Nase einen Schlauch ragen sah, während ein Verband die linke Gesichtshälfte verdeckte. Ihre Augen waren geschlossen. Ihr schmutziggoldenes Haar hatte man in ein Netz verpackt. Sie war nicht bei Bewusstsein.
Zwei Minuten waren alles, was sie erlaubten, und das reichte für gar nichts. Nicht einmal dafür, sich vorzustellen, was all die klumpigen, gewölbten Gegenstände unter dem durchsichtigen Teil der Kugel zu bedeuten hatten. Ganz und gar nicht genug war es, damit Essie sich aufrichten und mit mir sprechen oder ein anderes Gesicht aufsetzen konnte.
Draußen im Flur gab mir der Arzt eine Minute. Er war ein kleiner alter Farbiger mit dickem Bauch, der blaue Kontaktlinsen trug, und blickte auf einen Zettel, um festzustellen, mit wem er sprach.
»Ah ja, Mr. Blackett«, sagte er. »Ihre Frau hat die beste Pflege, sie spricht auf die Behandlung an, es besteht eine Chance, dass sie gegen Abend zu sich kommen wird.«
Ich machte mir gar nicht die Mühe, ihn wegen des Namens zu korrigieren, und stellte die drei wichtigsten Fragen: »Wird sie Schmerzen haben? Was ist mit ihr geschehen? Braucht sie irgendetwas? … Ich meine, was es auch ist.«
Er seufzte und rieb sich die Augen. Offenkundig trug er die Kontaktlinsen schon zu lange.
»Mit Schmerzen werden wir fertig, und sie hat ja medizinischen Vollschutz. Wie man hört, sind Sie ein einflussreicher Mann, Mr. Blackett. Aber es gibt nichts, was Sie tun können. Vielleicht braucht sie morgen oder übermorgen etwas. Heute nicht. Ihre ganze linke Seite ist zerquetscht worden, als der Bus auf sie fiel. Sie war in dieser Lage sechs oder sieben Stunden eingeklemmt, bis jemand sie herausholen konnte.«
Ich wusste nicht, dass ich einen Laut von mir gegeben hatte, aber der Arzt hörte etwas. Durch die Kontaktlinsen kam ein wenig Mitgefühl, als er zu mir aufsah.
»Das war eigentlich zu ihrem Vorteil, wissen Sie. Vermutlich hat ihr dies das Leben gerettet. Es wirkte sich aus, als hätte sie Druckverbände bekommen, sonst wäre sie verblutet.« Seine Lider zuckten ein paarmal, während er auf seinen Zettel blickte. »Hm. Sie wird, mal sehen, ein neues Hüftgelenk brauchen. Ersatz für zwei Rippen. Zwanzig, vierzig, achtzig – vielleicht hundert Quadratzentimeter neue Haut, und die linke Niere ist massiv geschädigt. Ich glaube, da wird eine Verpflanzung nötig sein.«
»Wenn es irgendetwas gibt …«
»Überhaupt nicht, Mr. Blackett«, sagte er und faltete das Blatt Papier zusammen. »Im Augenblick nichts. Gehen Sie, bitte. Kommen Sie um sechs Uhr wieder, wenn Sie wollen, dann können Sie vielleicht kurz mit ihr sprechen. Aber im Augenblick brauchen wir den Platz, den Sie besetzen.«
Harriet hatte bereits veranlasst, dass das Hotel Essies Sachen aus ihrem Zimmer hatte holen und in eine Penthouse-Suite bringen lassen; sie hatte sogar Waschzeug und Sachen zum Umziehen bestellt und liefern lassen. Dort vergrub ich mich. Ich wollte nicht aus dem Zimmer gehen. Es machte mir keinen Spaß, die fröhlichen Zecher in der Hotelbar zu sehen oder die Straßen voll von Menschen, die das Fieber unbeschadet überstanden hatten und einander mitteilen wollten, wie knapp es für sie abgegangen war.
Ich zwang mich zum Essen. Dann zwang ich mich zum Schlafen. So viel gelang mir, aber natürlich nicht, länger zu schlafen. Ich nahm ein heißes Sprudelbad und ließ Musik dazu spielen; es war ein sehr schönes Hotel. Aber als man von Strawinsky auf Carl Orff kam, zwang mich der lustige, sinnliche lateinische Text, an die letzte Gelegenheit zu denken, bei der ich mit meiner lebensfrohen, sinnlichen und jetzt ernsthaft gefährdeten Frau gespielt hatte.
»Abschalten«, zischte ich, und die stets wachsame Harriet ließ die Stimmen mitten im Gesang verstummen.
»Nehmen Sie Mitteilungen an, Robin?«, fragte sie aus demselben Lautsprecher.
Ich trocknete mich sorgfältig ab und sagte dann: »Gleich nachher. Warum nicht?« Abgetrocknet, gebürstet, in frischen Sachen setzte ich mich vor das Kommunikationssystem des Hotels. Man war nicht so gut ausgestattet, dass man den Gästen eine vollständige Holodarstellung hätte bieten können, aber Harriet wirkte vertraut genug, als sie aus einem Flachschirm blickte. Sie beruhigte mich, was Essie anging. Sie überwachte ständig alles, und alles verlief ganz gut – natürlich im Rahmen. Aber es stand nicht schlecht. Essies eigene Ärztin aus Fleisch und Blut war unterrichtet, und Harriet übermittelte eine aufgezeichnete Mitteilung von ihr: Ich solle mir keine Sorgen machen. Oder genauer: Machen Sie sich nicht solche Sorgen, wie Sie glauben, sich machen zu müssen.
Harriet hatte eine Reihe von Mitteilungen für mich, die eine Entscheidung verlangten. Ich genehmigte eine weitere halbe Million Dollar für die Brandbekämpfung in den Nahrungsgruben, wies Morton an, für unseren Mann in Brasilia einen Termin bei der Gateway-Gesellschaft zu vereinbaren, teilte meinem Makler mit, was er verkaufen sollte, damit ich ein wenig flüssiger war, um gegen bisher unbekannte Fieberschäden gesichert zu sein. Dann ließ ich die interessantesten Programme berichten und schloss mit Alberts neuester Zusammenfassung über die Nahrungsfabrik. Ich tat das alles mit großer Klarheit und Übersicht, wohlgemerkt. Ich ging davon aus, dass Essies Überlebensaussichten die ganze Zeit über merklich zunahmen, sodass ich keine Energie für seelischen Kummer aufzubringen brauchte. Und ich hatte mir bewusst nicht genau vor Augen geführt, wie viele Klumpen Fleisch und Knochen aus dem wunderschönen Körper meiner geliebten Frau gerissen worden waren. Das ersparte mir alle möglichen Anstrengungen für Gefühle, die ich nicht näher kennen lernen wollte.
Es hat eine Zeit gegeben, in der ich mehrere lange Jahre eine Psychoanalyse durchgestanden hatte, wobei ich dahinter kam, dass es in meinem Kopf sehr viele Dinge gab, die ich dort lieber nicht gehabt hätte. Das ist in Ordnung. Sobald man sie herausholt und betrachtet – nun, sie sind ziemlich übel, aber wenigstens am Tageslicht, nicht mehr versteckt in dir, wo sie dich vergiften. Mein altes Psychiaterprogramm, Sigfrid Seelenklempner, wie ich es nannte, behauptete, das sei genauso, als entleere man seine Eingeweide.
Er hatte in gewissem Sinne Recht – etwas, das ich an Sigfrid als unsympathisch empfand, war, dass er auf ärgerliche Weise viel zu oft zuverlässig Recht hatte. Was er nicht sagte, war, dass man nie damit fertig wurde, sich zu entleeren. Ich hatte immer Neues auszuscheiden, und es ist einfach so, dass einem das nie gefällt, selbst wenn man noch so oft damit zu tun hat.
Ich schaltete Harriet ab und ließ sie nur in Bereitschaft für dringende Fälle, dann sah ich mir eine Weile Piezovisions-Lustspiele an. Ich mixte mir an der gut ausgestatteten Bar etwas zu trinken und füllte nach. Ich achtete nicht auf das PV, und das Getränk schmeckte nicht. In Wahrheit befasste ich mich mit einem weiteren Haufen Fäkalien, der aus meinem Kopf kam. Meine innig geliebte, angebetete Frau lag zerfetzt und zerschlagen auf der Intensivstation, und ich dachte an jemand anderen.
Ich schaltete das PV-Gerät ab und rief Albert Einstein. Er erschien auf dem Schirm mit wehenden weißen Haaren und seiner alten Pfeife in der Hand.
»Was kann ich für Sie tun, Robin?«, fragte er strahlend.
»Ich möchte, dass du mit mir über Schwarze Löcher redest«, erklärte ich.
»Klare Sache, Robin. Aber wir haben das schon sehr oft gemacht, wissen Sie …«
»Lass den Quatsch, Albert, und mach es. Ich meine, nicht mathematisch, sondern so einfach ausgedrückt, wie das möglich ist.« Irgendwann würde ich Essie bitten, Alberts Programm umzuschreiben, damit es weniger exzentrisch war.
»Klare Sache, Robin«, sagte er, ohne auf meine Gereiztheit einzugehen. Er zog die buschigen Brauen zusammen. »M-hm«, fuhr er fort. »M-hm. Also, mal sehen.«
»Ist das eine schwere Frage für dich?«, fragte ich, eher überrascht als sarkastisch.
»Natürlich nicht, Robin. Ich habe mir überlegt, wie weit ich zurückgehen soll. Also, fangen wir mit dem Licht an. Sie wissen, dass Licht aus Partikeln besteht, die man Photonen nennt. Es besitzt Masse und übt Druck aus …«
»Bitte, nicht so weit zurück, Albert.«
»Gut. Aber ein Schwarzes Loch entsteht durch das Nachlassen des Drucks, der vom Licht ausgeht. Nehmen wir einen großen Stern – einen blauen Über-Überriesen von der Leuchtkraftklasse 0, sagen wir. Zehnmal so massiv wie die Sonne. Verbrennt seinen nuklearen Brennstoff so rasch, dass er nur etwa eine Milliarde Jahre lebt. Was ihn am Zusammenstürzen hindert, ist der Strahlungsdruck – nennen wir ihn den ›Lichtdruck‹ – von der Nuklearreaktion des Wasserstoffs, der im Inneren zu Helium verwandelt wird. Aber dann geht der Wasserstoff zu Ende. Der Druck hört auf. Der Stern stürzt in sich zusammen. Er tut das sehr, sehr schnell, Robin, vielleicht innerhalb von Stunden. Und ein Stern, der einen Durchmesser von Millionen Kilometern hatte, ist plötzlich nur noch dreißig Kilometer groß. Sind Sie so weit im Bilde, Robin?«
»Ich glaube schon. Weiter, bitte.«
»Tja«, sagte er, zündete sich seine Pfeife an und paffte ein paarmal – ich frage mich immer wieder, ob sie ihm schmeckt –, »das ist eine der Arten, wie Schwarze Löcher entstehen. Die klassische Art und Weise, könnte man sagen. Behalten Sie das im Gedächtnis, dann kommen wir zum nächsten Abschnitt: der Fluchtgeschwindigkeit.«
»Was Fluchtgeschwindigkeit ist, weiß ich.«
»Klare Sache, Robin«, sagte er nickend, »ein alter Gateway-Prospektor wie Sie. Gut. Nehmen wir an, als Sie auf Gateway waren, hätten Sie einen Stein senkrecht in die Luft geworfen. Er wäre vermutlich zurückgekommen, weil sogar ein Asteroid eine gewisse Schwerkraft besitzt. Aber wenn Sie ihn schnell genug werfen könnten – vielleicht vierzig oder fünfzig Kilometer in der Stunde –, würde er nicht wieder kommen. Er würde die Fluchtgeschwindigkeit erreichen und einfach für immer davonfliegen. Auf dem Mond müssten Sie ihn noch viel schneller fliegen lassen, sagen wir, zwei oder drei Kilometer in der Sekunde. Auf der Erde noch schneller – über elf Kilometer in der Sekunde.
Und nun«, sagte er und streckte die Hand aus, um Glut aus der Pfeife zu klopfen und sie wieder anzuzünden, »wenn Sie …«, klopf, klopf, »wenn Sie auf der Oberfläche eines Himmelskörpers stehen würden, der eine sehr, sehr hohe Oberflächen-Schwerkraft besitzt, wäre es noch schlimmer. Angenommen, die Schwerkraft wäre so groß, dass die Fluchtgeschwindigkeit wirklich hoch sein würde, sagen wir um die dreihundertzehntausend Kilometer in der Sekunde. Einen Stein könnten Sie nicht so schnell werfen. Selbst Licht ist nicht ganz so schnell. Es kann also …«, paff, paff, »nicht einmal das Licht entkommen, weil seine Geschwindigkeit um zehntausend Kilometer in der Sekunde zu langsam ist. Und wie wir wissen, kann, wenn kein Licht hinausgelangt, nichts entkommen; laut Einstein. Wenn mir die Anmaßung nachgesehen wird.« Er zwinkerte mich über seine Pfeife hinweg tatsächlich an. »Das ist dann ein Schwarzes Loch. Es ist schwarz, weil es keinerlei Strahlung abgeben kann.«
»Und Hitschi-Raumschiffe?«, sagte ich. »Sie fliegen schneller als das Licht.«
Albert grinste schief.
»Da weiß ich nichts zu antworten, Robin, aber wir wissen nicht, um wie viel schneller sie fliegen als Licht. Vielleicht kann ein Hitschi aus einem Schwarzen Loch entkommen, wer weiß? Aber wir haben keine Hinweise darauf gefunden, dass es je einem von ihnen gelungen wäre.«
Ich dachte kurz darüber nach.
»Noch nicht«, sagte ich.
»Hm, ja, Robin«, gab er zu. »Das Problem, schneller zu sein als das Licht, und das Problem, aus einem Schwarzen Loch zu entkommen, sind beide im Grund ein und dasselbe.« Er machte eine Pause. Eine lange Pause. Dann meinte er bedauernd: »Ich glaube, das ist praktisch alles, was wir im Augenblick an Sinnvollem zu dem Thema sagen können.«
Ich stand auf und füllte mein Glas auf, während er ruhig sitzen blieb und geduldig seine Pfeife rauchte. Manchmal fiel es schwer, daran zu denken, dass da in Wahrheit gar nichts war, nichts als ein paar Interferenzmuster parallel gesteuerter Lichtstrahlen, hinter sich ein paar Tonnen Metall und Kunststoff.
»Albert«, sagte ich, »erzähl mir etwas. Ihr Computer seid angeblich blitzschnell. Warum brauchst du manchmal so lange zu einer Antwort? Nur der Wirkung wegen?«
»Tja, Bob, manchmal schon«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Aber ich bin nicht sicher, ob Sie begreifen, wie schwer es für mich ist zu ›plaudern‹. Wenn Sie Informationen über, sagen wir, Schwarze Löcher haben wollen, kann ich die liefern. Sechs Millionen Bits in der Sekunde, wenn Sie wollen. Aber um sie in eine Form zu bringen, die Sie verstehen können, mehr noch, um sie in Gesprächsform zu bringen, wird mehr von mir verlangt als eine Speicherabtastung. Ich muss in Literatur und aufgezeichneten Gesprächen nach den richtigen Worten suchen. Ich muss Analogien und Vergleiche und Metaphern an Ihren eigenen Kenntnissen messen. Ich muss Einschränkungen beachten, die von Ihren festgelegten Normen für mein Verhalten gesetzt sind und die sich auf die ganze Art der jeweiligen Unterhaltung beziehen. Es ist nicht leicht, Robin.«
»Du bist schlauer, als du aussiehst, Albert«, meinte ich.
Er klopfte seine Pfeife aus und sah mich unter seinem zottigen weißen Haar an.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich Ihnen das zurückgebe, Bob?«
Ich ließ ihn mit den Worten: »Du bist eine gute, alte Maschine, Albert« verschwinden und streckte mich auf dem Geleebett aus, mein Glas in der Hand. Wenigstens hatte er mich eine Weile von Essie abgelenkt, aber in mir wühlte unablässig eine Frage. Irgendwo, irgendwann hatte ich zu einem anderen Programm das Gleiche gesagt, und ich konnte mich nicht erinnern, wann das gewesen war.
Harriet weckte mich und teilte mit, dass ein persönlicher Anruf von unserer Ärztin vorliege – nicht vom Programm, sondern von der echten, lebenden Frau Dr. Wilma Liederman, die ab und zu bei uns erschien, um sich zu vergewissern, dass die Maschinen alles richtig machten.
»Robin«, sagte sie, »ich glaube, Essie ist außer Gefahr.«
»Das ist … phantastisch!«, erwiderte ich und wünschte mir, dass ich mir Worte wie »phantastisch« für Gelegenheiten aufgespart hätte, bei denen ich sie ernst meinte. Jetzt wurde solch ein Wort dem, was ich empfand, nicht gerecht. Unser Programm hatte die Schaltungen der Mesa-Klinik natürlich schon angezapft. Wilma wusste über ihren Zustand ebenso viel wie der kleine Farbige, mit dem ich gesprochen hatte – und hatte selbstverständlich alles über Essies medizinische Vorgeschichte in die Datenspeicher der Klinik übermittelt. Wilma erbot sich, selbst mit dem Flugzeug zu kommen, wenn wir das wünschten. Ich erklärte ihr, das müsse sie wissen, und sie erwiderte, sie werde stattdessen eine Kollegin von ihr in Tucson bitten, Essie zu besuchen.
»Aber gehen Sie heute Abend nicht zu ihr, Robin«, sagte sie. »Sprechen Sie am Telefon mit ihr, wenn Sie wollen – das empfehle ich –, aber ermüden Sie sie nicht. Bis morgen – nun, ich glaube, da wird sie kräftiger sein.«
Ich rief also Essie an und sprach drei Minuten lang mit ihr – sie war halb betäubt, wusste aber, was vorging. Dann versank ich wieder in Schlaf, und gerade als ich einschlief, fiel mir ein, dass Albert »Bob« zu mir gesagt hatte.
Es gab ein anderes Programm, mit dem ich vor langer Zeit in freundschaftlicher Beziehung gestanden hatte und das manchmal »Robin« und manchmal »Bob« oder sogar »Bobby« zu mir gesagt hatte. Mit diesem Programm hatte ich schon geraume Zeit nicht mehr gesprochen, weil ich es nicht nötig zu haben geglaubt hatte. Vielleicht änderte sich das aber jetzt.
Medizinischer Vollschutz ist … nun ja, medizinischer Vollschutz. Einfach alles. Wenn es irgendeinen Weg gibt, dich gesund und vor allem am Leben zu erhalten, steht er dir zu. Und es gibt viele Wege. Medizinischer Vollschutz kostet im Jahr hunderttausende Dollar. Nicht sehr viele Menschen können sich das leisten – selbst in den entwickelten Ländern nur weniger als ein Promille. Aber man erwirbt viel damit. Gleich nach dem nächsten Mittagessen brachte man Essie zu mir ins Hotel.
Wilma sagte, es sei in Ordnung, und alle anderen bestätigten es. In Tucson lief alles wieder normal, was bedeutete, dass man wieder die Zeit hatte, das zu liefern, wofür die Menschen bezahlten. Zur Mittagszeit transportierte also ein privater Krankenwagen Bett, Herz-Lungen-Maschine, Dialysegerät und alles andere heran. Um halb ein Uhr bezog ein Trupp Krankenschwestern die gegenüberliegende Hotelsuite, und um Viertel nach zwei Uhr kam im Frachtaufzug mit sechs Kubikmetern Gerät meine Frau herauf.
Zu allem, was medizinischer Vollschutz einbrachte, gehörten auch ein Strom von Schmerzmitteln und Stimmungslenkern, Kortikosteroiden, zur Beschleunigung des Heilungsprozesses, und Dämpfern, um zu verhindern, dass die Kortikosteroide ihre Zellen schädigten, außerdem vierhundert Kilogramm Apparaturen unter dem Bett, um alles zu überwachen und zu messen, was Essie tat, und einzugreifen und ihr zu helfen, wenn sie es nicht bewältigte. Es erforderte schon eineinhalb Stunden, sie von der Reisemaschine an die im großen Schlafzimmer anzuschließen, wobei Wilmas Kollegin ein ganzes Team von Ärzten und Sanitätern befehligte. Sie warfen mich hinaus, während das stattfand, und ich trank unten in der Hotelhalle zwei Tassen Kaffee und sah zu, wie die tropfenförmigen Aufzüge an den Innenwänden auf und ab glitten. Als ich annahm, dass ich zurückdurfte, begegnete ich in der Halle dem Arzt aus der Klinik. Es war ihm gelungen, ein bisschen zu schlafen, und er trug statt der Kontaktlinsen eine Nickelbrille.
»Ermüden Sie sie nicht«, sagte er.
»Ich bin es langsam müde, das zu hören.«
Er grinste und setzte sich auf eine dritte Tasse Kaffee zu mir. Er erwies sich als ausgesprochen netter Kerl und war als Student außerdem der beste kleine Basketball-Mittelstürmer gewesen, den Tempe je besessen hatte. Ein Mann von 1,60 m, der in die Basketballmannschaft kommt, hat etwas an sich, das mir gefällt, und wir schieden als Freunde. Das war das Beruhigendste von allem. Er hätte die ganze Aktion nicht zugelassen, wenn er nicht ziemlich sicher gewesen wäre, dass Essie es schaffen würde.
Ich begriff damals noch nicht, wie viel sie da »schaffen« musste.
Sie lag immer noch in der Druckkugel, was mir ersparte, sehen zu müssen, wie mitgenommen sie aussah. Die Tagschwester zog sich in den Salon zurück, nachdem sie mir erklärt hatte, ich dürfe Essie nicht ermüden, und wir unterhielten uns eine Weile. Im Grunde sagten wir nichts. S. Ya. gehört nicht zu den gesprächigen Typen. Sie fragte mich, was es Neues in der Nahrungsfabrik gäbe, und als ich ihr eine Zusammenfassung von dreißig Sekunden darüber gegeben hatte, wollte sie wissen, wie es jetzt mit dem Wissen über das Fieber stehe. Bis ich auf ihre aus einem Satz bestehenden Fragen minutenlang geantwortet hatte, begann mir zu dämmern, dass das Sprechen wirklich eine Anstrengung war und ich sie nicht ermüden durfte.
Aber sie redete und tat das sogar verständlich und schien sich kein Kopfzerbrechen zu machen. Ich ging also zurück an meine Konsole und machte mich wieder an die Arbeit.
Es galt den üblichen Stapel Berichte durchzugehen und Entscheidungen zu treffen. Als das getan war, hörte ich mir eine Weile Alberts neueste Erkenntnisse über die Nahrungsfabrik an und sah endlich ein, dass es Zeit für mich wurde zu schlafen.
Ich lag geraume Zeit im Bett. Ich war nicht ruhelos. Ich war nicht erschöpft. Ich ließ nur die Anspannung aus mir entweichen. Im Salon konnte ich die Nachtschwester rumoren hören. Auf der anderen Seite, aus Essies Zimmer, tönte das unaufhörliche leise Seufzen, Summen und Gurgeln der Maschinen herüber, die meine Frau am Leben erhielten. Die Welt war mir weit vorausgeeilt. Ich konnte nicht alles aufnehmen. Essie. Ich hatte immer noch nicht ganz begriffen, dass Essie achtundvierzig Stunden zuvor tot gewesen war. Aus. Schluss. Nicht mehr am Leben. Ohne medizinischen Vollschutz und sehr viel Glück wäre ich jetzt dabei gewesen, den Anzug für ihre Beerdigung herauszusuchen.
Und im Inneren meines Kopfes gab es eine kleine Minderheit von Gehirnzellen, die das begriffen und dachten, na ja, weißt du, vielleicht, nur vielleicht, wäre es insgesamt praktischer gewesen, wenn man sie nicht ins Leben zurückgeholt hätte.
Das hatte nichts damit zu tun, dass ich Essie liebte, dass ich sie sehr liebte, dass ich ihr nichts als Gutes wünschte, dass ich einen Schock erlitten hatte, als ich von ihrem Unfall erfuhr. Die Minderheitsfraktion in meinem Gehirn sprach nur für sich selbst. Jedes Mal, wenn die Frage auftauchte, stimmte eine donnernd laute Mehrheit dafür, Essie zu lieben.
Ich war nie so ganz sicher gewesen, was das Wort »Liebe« bedeutet. Vor allem wenn es sich auf mich selbst bezog. Kurz vor dem Einschlafen überlegte ich mir, ob ich Albert anwählen und ihn bitten sollte, es zu erklären. Aber ich tat es nicht. Albert war dafür das falsche Programm, und mit dem richtigen wollte ich nicht anfangen.
Die Zusammenfassungen liefen ein, und ich verfolgte, was sich mit der Nahrungsfabrik tat, wobei ich mir vorkam wie ein Anachronismus. Vor einigen Jahrhunderten trafen die weltumspannenden Mächte England und Spanien Entscheidungen in einem Abstand von ein, zwei Monaten zu den aktuellen Ereignissen. Keine Telegramme, keine Satelliten. Ihre Befehle gingen auf Segelschiffen hinaus, und die Antworten gingen ein, wann sie dazu imstande waren. Ich wünschte mir das auch. Die fünfzig Tage Gesamtübertragungszeit zwischen uns und den Herter-Halls erschienen wie eine Ewigkeit. Hier saß ich in Gent, und Andy Jackson verprügelte die Briten, Wochen nachdem der Krieg in New Orleans zu Ende gegangen war. Natürlich hatte ich augenblicklich Befehle hinausgeschickt, wie sie sich zu verhalten hätten. Welche Fragen sie Wan stellen sollten. Welche Versuche sie zu unternehmen hätten, die Nahrungsfabrik von ihrem Kurs abzubringen. Und fünftausend astronomische Einheiten entfernt taten sie, was ihnen gerade einfiel, und bis meine Befehle eintrafen, hatten sich alle Fragen erledigt.
In dem Maß, wie Essie gesundete, hob sich auch meine Stimmung. Ihr Herz arbeitete von selbst. Ihre Lunge versorgte sie mit Atemluft. Man entfernte die Druckkugel, und ich konnte Essie berühren und ihre Wange küssen, und sie begann sich für das, was ringsum vorging, zu interessieren. Sie hatte es die ganze Zeit getan; als ich sagte, es sei zu bedauerlich, dass sie ihre Konferenz versäumt hätte, grinste sie mich an.
»Alles auf Band, lieber Robin. Ich habe es abspielen lassen, während du beschäftigt warst.«
»Aber du hast deinen Vortrag nicht halten können.«
»Meinst du? Warum denn nicht? Ich habe für dich ein ›Robinette Broadhead‹-Programm geschrieben. Hast du nicht gewusst, dass ich auch eines habe? Die Tagung setzte ein großes Hologerät ein, und S. Ya. Laworowna-Broadhead gab in Gestalt einer Projektion ihren ganzen Text zum Besten. Unter beträchtlichem Beifall. Ich beantwortete sogar Fragen«, prahlte sie, »indem ich mir dein Albert-Programm ausborgte; verkleidet, versteht sich.«
Sie ist ja wirklich eine erstaunliche Person, was ich immer schon wusste. Der Haken dabei ist, dass ich das von ihr erwarte, und als ich mit ihrem Arzt sprach, holte er mich auf den Boden. Er war auf dem Weg zurück in die Klinik, und ich fragte ihn, ob ich sie mit heimnehmen dürfe. Er zögerte und starrte mich durch die blauen Kontaktlinsen an.
»Ja, das würde schon gehen«, meinte er. »Aber ich bin nicht sicher, dass Sie begriffen haben, wie schwer ihre Verletzungen sind, Mr. Broadhead. Im Moment baut sie lediglich einige Kraftreserven auf. Sie wird sie brauchen.«
»Ja, das weiß ich, Doktor. Es wird noch eine Operation nötig sein …«
»Nein. Nicht eine, Mr. Broadhead. Ich glaube, Ihre Frau wird die nächsten Monate im Operationssaal und in der Rekonvaleszenz verbringen. Und ich möchte nicht, dass Sie davon ausgehen, alles sei schon gelaufen«, ermahnte er mich. »Ein Risiko besteht bei allem, und sie hat Schweres vor sich. Wir haben sie nach einem Herzstillstand gerettet. Ich garantiere nicht dafür, dass das jedes Mal der Fall sein wird.«
Ich ging also eher geknickt zu Essie hinein. Die Schwester stand an ihrem Bett, und die beiden verfolgten Essies Bandaufzeichnungen von der Computertagung auf ihrem Schirmgerät. Da Essies Schirm mit dem großen vollholographischen Gerät in meinem Zimmer verbunden war, leuchtete in der Ecke ein kleines, gelbes Lämpchen, das mich meinte. Harriet hatte mir etwas mitzuteilen. Das hatte Zeit; wichtig wurde es erst, wenn das Lämpchen zu flackern begann und rot wurde, und im Augenblick stand Essie auf meiner Dringlichkeitsliste obenan.
»Sie können uns eine Weile allein lassen, Alma«, sagte Essie. Die Schwester warf einen Blick auf mich und zuckte die Achseln zu einem »Warum nicht?«, also ließ ich mich auf dem Stuhl am Bett nieder und griff nach Essies Hand.
»Es ist schön, dich wieder berühren zu können«, sagte ich.
Essies Stimme klingt tief und heiser, wenn sie leise in sich hineinlacht. Ich war froh, das zu hören.
»In ein paar Wochen kannst du mehr berühren«, meinte sie. »Inzwischen ist Küssen nicht verboten.«
Also küsste ich sie natürlich – so fest, dass ihre Messgeräte offenbar reagierten, weil die Tagschwester den Kopf zur Tür hereinsteckte, um festzustellen, was los sei. Sie unterbrach uns aber nicht. Wir taten das von selbst. Essie hob die rechte Hand – die linke lag immer noch in Gips – und strich sich die dunkelblonden Haare mit den andersfarbigen Strähnen aus dem Gesicht.
»Sehr schön«, sagte sie kritisch. »Willst du erfahren, was Harriet zu sagen hat?«
»Nicht unbedingt.«
»Stimmt nicht«, sagte sie. »Ich sehe, du hast mit Doktor Ben gesprochen, und er hat dir gesagt, du sollst lieb zu mir sein. Aber das bist du immer, Robin, nur merkt es nicht jeder.« Sie grinste mich an und drehte den Kopf zum Schirm. »Harriet!«, rief sie. »Robin ist hier!«
Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht gewusst, dass mein Sekretariatsprogramm auf die Befehle meiner Frau ebenso reagierte wie auf meine. Mir war aber auch nicht bekannt gewesen, dass Essie sich mein Wissenschaftsprogramm ausborgen konnte. Vor allem, ohne dass ich etwas davon merkte. Als Harriets heiteres Gesicht den Bildschirm ausfüllte, sagte ich zu ihr: »Wenn es etwas Geschäftliches ist, höre ich es mir später an – außer, es ist dringend.«
»O nein, nichts dergleichen«, erwiderte Harriet. »Aber Albert will unbedingt mit Ihnen sprechen. Er hat gute Nachrichten von der Nahrungsfabrik.«
»Das machen wir im Nebenzimmer«, begann ich, aber Essie legte ihre freie Hand auf meine.
»Nein, hier, Robin. Mich interessiert das auch.«
Ich bat Harriet also weiterzumachen, und Alberts Stimme meldete sich. Sein Gesicht tauchte nicht auf.
»Sehen Sie sich das an«, sagte er, und der Bildschirm zeigte so etwas wie ein altes amerikanisches Familienporträt. Einen Mann und eine Frau – eigentlich doch nicht –, ein männliches und ein weibliches Wesen, nebeneinander stehend. Sie hatten Gesichter und Arme und Beine, und die Frau besaß Brüste. Beide trugen verfilzte Bärte und hatten lange, geflochtene Haare, und sie waren bekleidet mit Wickelkleidern in der Art von Saris, auf denen Farbpunkte die triste Kleidung auflockerten.
Ich hielt den Atem an. Die Bilder hatten mich überrascht.
Albert erschien in der unteren Ecke des Bildschirms.
»Sie sind nicht ›echt‹, Robin«, sagte er. »Das sind einfach Nachbildungen, aufgrund Wans Beschreibungen vom Schiffscomputer geschaffen. Der Junge behauptet aber, sie wären ziemlich ähnlich.«
Ich schluckte und schaute mich nach Essie um. Ich musste erst meine Atmung unter Kontrolle bringen, bevor ich fragen konnte: »Sehen so … sehen so die Hitschi aus?«
Er zog die Brauen zusammen und kaute an seinem Pfeifenstiel. Die Gestalten auf dem Bildschirm drehten sich feierlich um sich selbst, als führten sie einen langsamen Volkstanz vor, damit wir sie von allen Seiten sehen konnten.
»Es gibt einige Abweichungen von der Norm, Robin. Zum Beispiel die berühmte Frage nach dem Hitschi-Hintern. Wir haben einige Hitschi-Möbel, etwa die Sessel vor den Steuerkonsolen in ihren Raumschiffen. Aus diesen wurde der Schluss gezogen, dass das Hitschi-Gesäß nicht dem menschlichen entspricht, weil es Platz für ein langes, pendelndes Gebilde zu geben scheint, vielleicht für einen gespaltenen Leib wie bei einer Wespe, unter dem Becken und zwischen den Beinen hängend. Davon ist im computererzeugten Abbild nichts zu sehen. Aber … denken Sie an Wilhelm von Occam, Robin.«
»Wenn ich dir nur die Gelegenheit dazu gebe, erklärst du mir das«, warf ich ein.
»Klare Sache, Robin, aber das ist ein Gesetz der Logik, das Sie gewiss kennen. Wenn konkretes Material fehlt, ist es am besten, die einfachste Erklärung zu unterstellen. Wir kennen in der Geschichte des Universums nur zwei intelligente Arten. Diese Wesen scheinen nicht der unsrigen anzugehören – die Form des Schädels und vor allem des Unterkiefers ist eine andere, eher affen- als menschenartig, und das Gebiss weicht völlig von der Norm ab. Es spricht daher vieles dafür, dass sie der anderen Art angehören.«
»Ist ein wenig erschreckend«, meinte Essie leise. Das war es auch, vor allem für mich, weil man behaupten konnte, dass das meine Verantwortung war. Ich war derjenige, welcher die Herter-Halls aufgefordert hatte, hinauszufliegen und sich umzusehen, und wenn sie dabei die Hitschi gefunden hatten …
Ich war noch nicht so weit, dass ich darüber nachzudenken wagte, was das bedeuten mochte.
»Was ist mit den Toten Menschen? Weißt du über sie etwas?«
»Klare Sache, Robin«, sagte er und nickte mit seinem Wuschelkopf. »Sehen Sie sich das an!«
Das Bild erlosch, und auf dem Bildschirm rollte Text ab:
Flugbericht
Raumfahrzeug 5-2, Flug 08 D 31.
Besatzung A. Meacham, D. Filgren, H. Meacham.
Mission war als wissenschaftliches Experiment gedacht, die Besatzung wurde verringert, damit mehr Instrumente und Computeranlagen mitgenommen werden konnten. Maximale Zeit für Lebenserhaltung geschätzt auf 800 Tage. Fahrzeug am Tag 1200 noch immer vermisst.
»Es ging nur um eine Prämie von fünfzigtausend Dollar – nicht viel, aber eine der ersten, die es auf Gateway gab«, sagte Albert, während der Text ablief. »Die als ›H. Meacham‹ bezeichnete Person scheint der ›Tote Mensch‹ zu sein, den Wan Henrietta nennt. Sie war eine Art BAD-Astrophysikerin – Sie wissen schon, Robin, ›Bis auf die Dissertation‹. Die ging ihr daneben. Als sie sich rechtfertigen wollte, hieß es, es läge mehr am Psychologischen als an der Physik, und sie ging nach Gateway. Die Pilotin hieß mit Vornamen Doris, und die andere Person war Henriettas Ehemann Arnold.«
»Du hast also jemanden identifiziert? Es hat diese Leute wirklich gegeben?«
»Klare Sache, Robin – jedenfalls neunundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit. Diese Toten Menschen sind manchmal irrational«, beklagte er sich, als er wieder auf dem Bildschirm auftauchte. »Und wir hatten natürlich keine Gelegenheit zu einer direkten Befragung. Der Bordcomputer ist einer solchen Aufgabe eigentlich nicht gewachsen. Abgesehen vom Nachweis der Namen scheint die Mission aber zu stimmen. Es handelte sich um ein astrophysikalisches Unternehmen, und Henriettas Reden enthalten häufige Hinweise auf astrophysikalische Themen. Wenn man die sexuellen außer Acht lässt, versteht sich«, meinte er augenzwinkernd, während er sich mit dem Pfeifenstiel am Kiefer kratzte. »Ein Beispiel. ›Sagittarius A West‹ – eine Radioquelle im Mittelpunkt der Galaxis. ›NGC 1199.‹ Eine elliptische Riesengalaxis, Teil eines großen Sternhaufens. ›Durchschnittliche Radialgeschwindigkeit von Kugelhaufen‹ – in unserer Galaxis sind das etwa 50 Kilometer in der Sekunde. ›Rotverschiebung‹ …«
»Du brauchst nicht alles aufzuführen«, warf ich hastig ein. »Weißt du, was das alles bedeutet? Ich meine, wenn du über alle diese Dinge sprechen würdest, was wäre gemeint?«
Eine Pause – aber eine kurze; er ging nicht die ganze Literatur über das Thema durch; das hatte er schon getan.
»Kosmologie«, sagte er. »Ich glaube, ich würde vor allem von der klassischen Hoyle-Öpik-Gamow-Kontroverse sprechen, das heißt, ob das Universum geschlossen oder offen oder zyklisch ist. Ob es stationär ist oder mit einem Urknall begonnen hat.« Er machte wieder eine Pause, diesmal aber, um mir Zeit zum Nachdenken zu lassen. Ich tat es, doch ohne großen Erfolg.
»Das scheint nicht viel zu bringen«, meinte ich.
»Mag sein, Robin. Es besteht aber ein gewisser Zusammenhang mit Ihren Fragen bezüglich der Schwarzen Löcher.«
Na, hol dich der Teufel, du berechnender Kerl, dachte ich, ohne das freilich auszusprechen. Er blickte unschuldig wie ein Lamm und paffte ruhig und ernsthaft seine Pfeife.
»Das wäre vorerst alles«, erklärte ich und blickte, als er fort war, noch lange auf den leeren Schirm, für den Fall, dass Essie sich erkundigen sollte, weshalb ich über Schwarze Löcher hatte informiert werden wollen.
Sie tat es nicht. Sie ließ sich zurücksinken und blickte in die Spiegel an der Decke. Nach einiger Zeit sagte sie: »Lieber Robin, weißt du, was ich mir wünsche?«
Ich war darauf vorbereitet.
»Was denn, Essie?«
»Dass ich mich kratzen könnte.«
Alles, was ich herausbrachte, war ein gequältes »Oh«. Ich fühlte mich klein und hässlich – nein, verstopft. Ich war ganz darauf vorbereitet gewesen, mich zu verteidigen – mit aller gebotenen Zurückhaltung, versteht sich, mit Rücksicht auf Essies Zustand. Und ich brauchte es nicht zu tun. Ich griff nach ihrer Hand.
»Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, meinte ich.
»Ja, ich auch«, meinte sie. »Sag mal, Robin, ist das wahr, dass die Fieberanfälle durch eine Art Gedankenübertragung von den Hitschi verursacht werden?«
»Etwas in der Art, nehme ich an. Albert meint, das sei etwas Elektromagnetisches, mehr weiß ich auch nicht.« Ich streichelte die Adern auf ihrem Handrücken, und sie bewegte sich unruhig. Aber nur vom Hals aufwärts.
»Die Hitschi beunruhigen mich, Robin«, sagte sie.
»Sehr vernünftig. Was mich angeht, so kann ich vor Angst kaum laufen.« So war es tatsächlich; ich zitterte buchstäblich. Das kleine gelbe Lämpchen unten am Bildschirm leuchtete auf.
»Jemand will mit dir sprechen, Robin.«
»Das hat Zeit. Ich spreche mit der Frau, die ich liebe.«
»Danke. Robin? Wenn du vor den Hitschi so viel Angst hast wie ich, wie kommt es, dass du einfach weitermachst?«
»Tja, Süßes, was bleibt mir anderes übrig? Fünfzig Tage lang rührt sich gar nichts. Was wir eben gehört haben, ist uralt, fünfundzwanzig Tage her. Wenn ich sie anweisen würde, sofort abzubrechen und heimzufliegen, würde es fünfundzwanzig Tage dauern, bis sie das überhaupt hören.«
»Gewiss. Aber würdest du aufhören, wenn du könntest?«
Ich antwortete nicht. Ich hatte ein ganz seltsames Gefühl – ein wenig verschreckt, ganz und gar nicht meine Gewohnheit.
»Was ist, wenn die Hitschi uns nicht leiden können, Robin?«, meinte sie.
Das war allerdings eine gute Frage. Ich stellte sie mir schon seit dem allerersten Tag, an dem ich erwogen hatte, in ein Prospektorschiff von Gateway zu steigen und auf eigene Faust hinauszufliegen. Was, wenn wir den Hitschi begegnen und sie uns nicht mögen? Was, wenn sie uns zerquetschen wie Fliegen, uns foltern, uns versklaven, mit uns Versuche anstellen – was, wenn sie uns einfach übersehen? Den Blick auf den gelben Punkt gerichtet, der langsam zu blinken begann, sagte ich, sie bemutternd: »Na, es besteht nicht viel Aussicht, dass sie uns wirklich etwas tun …«
»Mich brauchst du nicht zu beruhigen, Robin.« Sie war entschieden nervös, genau wie ich. Ihre Messgeräte mussten erneut reagiert haben, weil die Tagschwester wieder hereinblickte, unentschlossen an der Tür verharrte und dann ging.
»Essie, es steht zu viel auf dem Spiel«, erklärte ich. »Erinnerst du dich an vergangenes Jahr in Kalkutta?«
Wir waren damals zu einem ihrer Lehrgänge geflogen und hatten den Aufenthalt abgebrochen, weil wir den Anblick der im Elend versunkenen Stadt mit zweihundert Millionen Armen nicht ertragen konnten.
Sie hatte den Blick auf mich gerichtet und die Brauen zusammengezogen.
»Ja, ich weiß, der Hunger. Den hat es immer gegeben, Robin.«
»Nicht so! Nicht auf die Art und Weise, wie er bald werden wird, wenn nichts geschieht, um ihn zu verhindern! Die Welt platzt aus den Nähten! Albert sagt …« Ich zögerte. Ich wollte ihr eigentlich gar nicht sagen, was Albert gesagt hatte. Sibirien erzeugte schon keine Nahrungsmittel mehr; wegen der Überbelastung sah das allzu beanspruchte Land aus wie die Wüste Gobi. Der Humus im Mittelwesten Amerikas war nur noch Zentimeter hoch, und die Nahrungsgruben unternahmen bereits alle Anstrengungen, um die Nachfrage zu befriedigen. Albert hatte gesagt, es blieben uns vielleicht noch zehn Jahre. Die Signallampe leuchtete jetzt rot und blinkte rasch, aber ich wollte mich nicht unterbrechen.
»Essie«, sagte ich, »wenn wir erreichen können, dass die Nahrungsfabrik arbeitet, können wir allen Verhungernden CHON-Nahrung geben, und das bedeutet, dass niemand mehr hungern muss. Und das ist erst der Anfang. Wenn wir lernen, selbst Hitschi-Raumschiffe zu bauen und sie dahin zu steuern, wohin wir wollen, dann können wir neue Planeten kolonisieren. So viele wir wollen. Mehr als das. Mit der Hitschi-Technologie können wir alle Asteroiden im Sonnensystem in Gateways verwandeln und Lebensräume im Weltall daraus machen. Planeten der Erde nachbilden. Wir könnten für das Millionenfache der Erdbevölkerung auf eine Jahrmillion ein Paradies schaffen.«
Ich verstummte, weil mir klar wurde, dass ich einfach dahinplapperte. Ich fühlte mich plötzlich traurig und wirr, von Sorgen gequält und … lüstern; und nach dem Ausdruck auf Essies Gesicht hatte auch sie merkwürdige Empfindungen.
»Das sind sehr gute Gründe, Robin«, sagte sie, aber weiter kam sie nicht. Die Signallampe war leuchtend rot und flackerte wie ein Pulsar, dann erlosch sie, und Albert Einsteins sorgenvolle Miene erschien auf dem Bildschirm. Ich hatte vorher noch nie erlebt, dass er unaufgefordert aufgetaucht war.
»Robin«, rief er, »das Fieber hat sich wieder bemerkbar gemacht!«
Ich stand zitternd auf.
»Aber es ist doch noch gar nicht Zeit«, wandte ich dummerweise ein.
»Es ist passiert, Robin, und zwar auf sehr merkwürdige Weise. Der Höhepunkt wurde, Augenblick, vor knapp hundert Sekunden erreicht. Ich glaube … ja«, er nickte, während er einer unhörbaren Stimme zu lauschen schien, »es lässt nach.«
Und ich fühlte mich auch schon weniger seltsam. Kein Anfall war je so kurz gewesen, keiner hatte je solche Gefühle geweckt. Anscheinend probierte eine andere Person die Liege aus.
»Albert«, sagte ich, »schick eine Prioritätsnachricht an die Nahrungsfabrik. Sofort aufhören, und zwar auf der Stelle, sofort damit aufhören, die Liege zu irgendeinem Zweck zu benutzen! Notfalls demontieren, ohne sie zu beschädigen, damit sie nicht mehr verwendbar ist! Alle Bezahlungen und Prämien verfallen, wenn gegen diese Anweisung verstoßen wird! Verstanden?«
»Schon unterwegs, Robin«, sagte er und verschwand.
Essie und ich wechselten einen Blick.
»Aber du hast nicht verlangt, dass sie die Expedition abbrechen und sofort zurückkommen sollen«, meinte sie nach einer Weile.
Ich zog die Schultern hoch.
»Das ändert nichts«, erklärte ich.
»Nein«, gab sie zu. »Und du hast mir sehr gute Gründe genannt, Robin. Aber sind das wirklich deine?«
Ich antwortete nicht.
Ich wusste, welche Gründe Essie mir dafür unterstellte, dass ich den Hitschi-Weltraum weiter erkunden wollte, ohne Rücksicht auf Fieberanfälle, Kosten oder Gefahren. Sie glaubte, meine Gründe hätten einen Namen, und dieser Name lautete »Gelle-Klara Moynlin«. Und manchmal war ich nicht sicher, ob sie sich irrte.