WIE GATEWAY UNTERHALTEN WIRD

Um die Kosten des Betriebs von Gateway zu decken, haben alle Personen pro Kopf einen täglichen Betrag für Luft, Temperatursteuerung, Verwaltung und andere Dienstleistungen zu entrichten.

Wenn Sie Gast sind, werden diese Kosten in Ihrer Hotelrechnung enthalten sein.

Der Tarif für andere Personen ist durch Anschlag bekannt gemacht. Die Steuer kann nach Wunsch bis zu einem Jahr im Voraus entrichtet werden. Bei Nichtentrichtung der täglichen Kopfsteuer wird die sofortige Verweisung von Gateway ausgesprochen.

Hinweis: Die Verfügbarkeit eines Schiffes für ausgewiesene Personen kann nicht garantiert werden.

Was ich wirklich sehen wollte, war ein Schiff.

Als dieser Gedanke heraufgebrodelt war, begriff ich sofort, dass mir das sehr am Herzen lag. Ich überlegte, wie ich zur Oberfläche kommen sollte, wo die Schiffsdocks waren. Während ich mich mit einer Hand an einem Geländer festhielt, versuchte ich mit der anderen die Karte offen zu halten. Es dauerte nicht lange, bis ich mich zurechtgefunden hatte. Ich war an einer Kreuzung mit fünf Abzweigungen, die auf der Karte mit ›Ost Stern Babe G‹ bezeichnet zu sein schien. Einer der fünf Tunnels führte zu einem Fallschacht, aber ich konnte nicht erkennen, welcher.

Ich versuchte es aufs Geratewohl, landete in einer Sackgasse und kratzte auf dem Rückweg an einer Tür, um mir den Weg erklären zu lassen. Sie ging auf.

»Entschuldigen Sie«, sagte ich … und verstummte.

Der Mann, der die Tür geöffnet hatte, schien so groß zu sein wie ich, war es aber nicht. Seine Augen befanden sich auf einer Höhe mit den meinen. Aber an den Hüften hörte er auf. Er hatte keine Beine.

Er sagte etwas, aber ich verstand es nicht; es war nicht in Englisch. Es hätte auch keine Rolle gespielt. Meine Aufmerksamkeit war ganz gefangen genommen. Er trug gazeartiges, buntes Tuch von den Handgelenken bis zu den Hüften und flatterte leicht mit den Flügeln, um sich in der Luft zu halten. Bei Gateways niedriger Schwerkraft war das nicht schwierig. Aber es war verblüffend, das zu sehen.

»Verzeihung«, sagte ich. »Ich wollte nur wissen, wie ich Etage Tanja erreiche.« Ich gab mir Mühe, ihn nicht anzustarren, aber ohne Erfolg.

Er lächelte. Weiße Zähne in einem faltenlosen, alten Gesicht. Unter kurzen, weißen Haaren hatte er kohlschwarze Augen. Er schwebte an mir vorbei hinaus in den Korridor und sagte in ausgezeichnetem Englisch: »Gewiss. Die erste Biegung rechts, dann bis zum nächsten Stern und die zweite Abzweigung links. Sie ist gekennzeichnet.« Er zeigte mit dem Kinn die Richtung zum Stern an.

Ich bedankte mich und ließ ihn hinter mir schwebend zurück. Ich hätte mich am liebsten umgedreht, aber das entsprach wohl nicht den guten Manieren. Merkwürdig. Ich war nicht auf den Gedanken gekommen, dass es auf Gateway Krüppel geben könnte.

So naiv war ich damals noch.

Nachdem ich ihn gesehen hatte, kannte ich Gateway auf eine Weise, wie ich es aus den Statistiken nicht gekannt hatte. Die Statistiken sind ganz klar, und wir studierten sie, alle von uns, die als Prospektoren heraufkamen, und alle jene, die es sich nur wünschen konnten. Ungefähr achtzig Prozent der Flüge von Gateway erbringen nichts. Ungefähr fünfzehn Prozent kommen überhaupt nicht zurück. Es kommt also von zwanzig Personen im Durchschnitt eine von einem Flug mit etwas zurück, bei dem Gateway – bei dem die Menschheit im Allgemeinen – einen Gewinn erzielen kann. Und die meisten können noch von Glück sagen, wenn sie genug einnehmen, um auch nur die Kosten für ihre Anreise decken zu können.

Wenn man draußen verletzt wird … nun, das ist Pech. Das Terminal-Hospital ist so gut eingerichtet wie nur irgendeines sonst, aber man muss hingelangen, damit einem das etwas nützt. Man kann Monate unterwegs sein. Wenn man am anderen Ende der Reise verletzt wird – und da passiert das gewöhnlich –, kann für einen nicht viel getan werden, bis man nach Gateway zurückkommt. Und bis dahin kann es zu spät sein, einen wieder halbwegs zusammenzuflicken, und oft ist es auch zu spät, einen am Leben zu erhalten.

Für den Rückflug dahin, wo man hergekommen ist, wird übrigens nichts verlangt. Die Raketen kommen immer voller herauf, als sie zurückfliegen. Schwund nennt sich das.

Der Rückflug ist frei … aber wohin?


Ich ließ das Abwärts-Kabel in der Etage Tanja los, bog in einen Tunnel ein und stieß auf einen Mann mit Mütze und Armbinde. Firmenpolizei. Er sprach kein Englisch, deutete aber, und seine Größe war überzeugend; ich packte das Aufwärts-Kabel, fuhr eine Etage hinauf, suchte einen anderen Fallschacht und versuchte es noch einmal.

Der einzige Unterschied war, dass der Wachtposten diesmal Englisch sprach.

»Hier können Sie nicht durch«, sagte er.

»Ich möchte nur die Schiffe sehen.«

»Klar. Geht aber nicht. Sie brauchen ein blaues Abzeichen«, sagte er und tippte auf das seine. »Das sind Spezialisten des Unternehmens, Schiffsbesatzungen oder VIPs.«

»Ich gehöre zu einer Besatzung.«

Er grinste.

»Sie sind ein neuer Fisch von der Erde, nicht? Freund, Besatzungsmitglied sind Sie, wenn Sie für einen Flug eingeteilt sind, und nicht vorher. Gehen Sie wieder hinauf.«

»Sie verstehen doch, was mich bewegt, oder?«, erwiderte ich vernünftig. »Ich möchte nur mal einen Blick riskieren.«

»Das geht nicht, bis Sie Ihren Lehrgang abgeschlossen haben, aber bei dem kommen Sie manchmal hier herunter. Danach sehen Sie mehr, als Sie wollen.«

Ich debattierte noch ein bisschen, aber er hatte zu viele Argumente auf seiner Seite. Als ich nach dem Aufwärts-Kabel griff, schien aber der Tunnel plötzlich zu schwanken, und meine Trommelfelle dröhnten. Im ersten Augenblick dachte ich, der Asteroid explodiere. Ich starrte den Posten an, der nicht unfreundlich die Achseln zuckte.

»Ich habe nur gesagt, Sie können sie nicht sehen«, meinte er. »Ich sage nicht, Sie könnten sie nicht hören.«

Ich verbiss mir das ›Mensch!‹ oder ›Du guter Gott!‹, was ich eigentlich sagen wollte, und fragte: »Wohin fliegt das wohl?«

»Kommen Sie in einem halben Jahr wieder. Vielleicht wissen wir es bis dahin.«

Nun, das bot keinen Anlass zur Hochstimmung. Trotzdem erfüllte sie mich. Nach all den Jahren in den Nahrungsgruben war ich hier – nicht nur auf Gateway, sondern zur Stelle, wenn einige dieser furchtlosen Prospektoren sich auf eine Reise machten, die ihnen Ruhm und unvorstellbaren Reichtum bringen würde. Da kam es auf die Chancen nicht an. Das war wirklich Leben auf der Gipfelhöhe.

Ich achtete also nicht besonders auf den Weg und verirrte mich deshalb noch einmal. Ich erreichte Etage Babe zehn Minuten zu spät.

Dane Metschnikow entfernte sich von meiner Tür den Tunnel hinunter. Er schien mich nicht zu erkennen. Ich glaube, er wäre an mir vorbeigegangen, wenn ich nicht den Arm ausgestreckt hätte.

»Hm«, knurrte er. »Verspätung.«

»Ich war unten in Etage Tanja und wollte mir die Schiffe ansehen.«

»Hm. Da können Sie nicht hinunter, wenn Sie kein blaues Abzeichen oder eine Spange haben.«

Das hatte ich inzwischen schon selbst festgestellt. Ich schloss mich ihm an, ohne Energie für weitere Gesprächsversuche zu vergeuden.

Metschnikow war ein blasser Mann, bis auf den großartig gelockten Backenbart. Er erweckte den Eindruck, gewachst zu sein, sodass jede Locke von eigenem Leben erfüllt zu sein schien. ›Gewachst‹ war falsch. Außer Haaren enthielt der Bart noch etwas, aber was es auch sein mochte, es war nicht steif. Das ganze Ding bewegte sich mit ihm, und wenn er redete oder lächelte, ließen die Kiefermuskeln den Bart wogen und fließen. Er lächelte dann schließlich auch, als wir die ›Blaue Hölle‹ erreichten. Er bezahlte das erste Getränk und erläuterte sorgfältig, dass das der Brauch sei, der Brauch aber nur ein Getränk vorsehe. Ich bezahlte das zweite. Das Lächeln erschien, als ich außerhalb der Reihe auch das dritte bezahlte.

Bei dem Lärm in der ›Blauen Hölle‹ war eine Unterhaltung nicht einfach, aber ich erzählte ihm, dass ich einen Start gehört hätte.

»Richtig«, sagte er und hob sein Glas. »Hoffentlich haben sie einen guten Flug.« Er trug sechs blauleuchtende Hitschi-Metallarmspangen, kaum dicker als Draht. Sie klirrten schwach, als er das Glas zur Hälfte leerte.

»Sind die das, was ich vermute?«, fragte ich. »Eine für jede Reise nach draußen?«

Er leerte das Glas ganz.

»Richtig. Jetzt tanze ich«, sagte er. Meine Augen folgten seinem Rücken, als er sich auf eine Frau in leuchtend rosarotem Sari stürzte. Ein großer Redner war er nicht, das stand fest.

Auf der anderen Seite konnte man bei diesem Lärmpegel ohnehin nicht viel miteinander reden. Übrigens auch kaum tanzen. Die ›Blaue Hölle‹ war in der Mitte von Gateway untergebracht und gehörte zu der spindelförmigen Höhle. Die Rotationsschwerkraft war so gering, dass wir nicht mehr wogen als zwei, drei Pfund; hätte jemand versucht, Walzer oder Polka zu tanzen, wäre er davongeflogen. Man begnügte sich also mit diesen berührungslosen Oberschultänzen, die erfunden zu sein scheinen, damit vierzehnjährige Jungen nicht zu steil zu den vierzehnjährigen Mädchen hinaufschielen müssen, mit denen sie tanzen. Man blieb mit den Füßen vorwiegend am Platz, und Kopf, Arme, Schultern und Hüften gingen, wohin sie wollten. Ich bin für Berührung. Aber man kann nicht alles haben. Ich tanze jedenfalls gern.

Ich sah Sheri auf der anderen Seite, mit einer älteren Frau, die ihr Proktor zu sein schien, und tanzte einmal mit ihr.

»Wie gefällt es dir denn bis jetzt?«, schrie ich aus vollem Hals, um die Tonbandmusik zu übertönen. Sie nickte und schrie etwas zurück, ich könnte nicht sagen, was. Ich tanzte dann mit einer unförmigen Farbigen, die zwei blaue Armspangen trug, hierauf wieder mit Sheri, dann mit einem Mädchen, das Dane Metschnikow mir anhängte, anscheinend, weil er sie loswerden wollte, zuletzt mit einer großen, markant aussehenden Frau mit den schwärzesten, buschigsten Brauen, die ich je unter einer weiblichen Frisur gesehen hatte. (Sie trug das Haar zurückgebunden zu zwei Pferdeschwänzen, die hinter ihr in der Luft schwebten.) Auch sie trug zwei Armspangen. Und zwischen den Tänzen trank ich.

Es gab Tische, aber die waren für Gruppen von acht oder zehn Leuten gedacht; solche Gruppen gab es jedoch nicht. Die Leute saßen, wo sie wollten, und nahmen einander die Plätze weg, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob der Besitzer zurückkam oder nicht. Eine Weile saß ein halbes Dutzend Besatzungsmitglieder in brasilianischem Marineweiß bei mir und unterhielt sich auf Portugiesisch. Eine Zeit lang setzte sich auch ein Mann mit einem goldenen Ohrring zu mir, den ich nicht verstehen konnte. (Ich begriff aber ziemlich gut, was er meinte.)

Dieses Problem gab es die ganze Zeit über, während ich auf Gateway war. Es besteht immer. Gateway hört sich an wie eine internationale Konferenz nach dem Zusammenbruch der Simultan-Dolmetscheranlage. Es gibt eine Art Hilfssprache, die man viel hört, Fetzen aus einem Dutzend verschiedener Sprachen, bunt zusammengewürfelt, wie: ›Ecoutez, gospodin, tu es verrückt.‹ Ich tanzte zweimal mit einer der Brasilianerinnen, einem mageren, dunkelhäutigen, kleinen Mädchen mit Hakennase und schönen braunen Augen, und versuchte ein paar schlichte Worte zu sagen. Vielleicht verstand sie mich. Einer der Männer, mit denen sie beisammen war, sprach gut Englisch und stellte sich und die anderen vor. Ich verstand keinen der Namen außer seinem: Francesco Hereira. Er spendierte mir ein Glas und ließ mich eine Runde für den Tisch bezahlen, dann begriff ich, dass ich ihn schon einmal gesehen hatte: bei dem Trupp, der uns nach der Ankunft durchsucht hatte.

Während wir darüber sprachen, beugte Dane sich herüber und knurrte mir ins Ohr: »Ich gehe spielen. Adieu – außer Sie wollen unbedingt mitkommen.«

Es war nicht die herzlichste Einladung, aber der Lärm in der ›Blauen Hölle‹ wurde immer ärger. Ich folgte ihm deshalb und entdeckte neben der ›Blauen Hölle‹ ein komplettes Spielkasino mit Kartentischen, Poker, einem Zeitlupen-Roulette mit einer großen, schweren Kugel, Würfeltischen, wo die Würfel eine Ewigkeit brauchten, bis sie zum Stillstand kamen, und sogar einem abgeteilten Bakkarat-Bereich. Metschnikow ging zu den Blackjack-Tischen und trommelte mit den Fingern auf die Rückenlehne eines besetzten Stuhles. Schließlich bemerkte er, dass ich mitgegangen war.

»Oh.« Er schaute sich im Saal um. »Was wollen Sie spielen?«

»Hab’ alles gespielt«, sagte ich mit ein wenig verwaschener Sprache. Prahlerei war auch dabei. »Vielleicht etwas Bakkarat.«

Er sah mich an, zuerst mit Respekt, dann belustigt.

»Fünfzig sind der Mindesteinsatz.«

Auf meinem Konto standen noch fünf- oder sechstausend Dollar. Ich zuckte die Achseln.

»Fünfzigtausend, meine ich«, sagte er.

Mir blieb die Luft weg. Als er hinter einen Spieler trat, dessen Jetons zur Neige gingen, sagte er zerstreut: »Sie können beim Roulette für zehn Dollar mitmachen. Bei den meisten anderen Spielen sind hundert Dollar der Mindesteinsatz. Ach, irgendwo muss es noch einen Zehndollar-Spielautomaten geben.« Er sprang zu einem leeren Stuhl, und das war das Letzte, was ich von ihm sah.

Ich schaute kurze Zeit zu und bemerkte, dass das Mädchen mit den schwarzen Augenbrauen am gleichen Tisch saß und die Karten studierte. Sie hob den Kopf nicht.

Ich konnte erkennen, dass ich mir hier nicht viel Glücksspiel würde leisten können. An diesem Punkt begriff ich, dass ich mir in Wirklichkeit auch gar nicht die vielen Getränke leisten konnte, für die ich bezahlt hatte, dann begann mein inneres Wahrnehmungssystem mir klarzumachen, wie viel ich schon getrunken hatte. Das Letzte, was ich begriff, war, dass ich zusehen musste, möglichst schnell in mein Zimmer zu kommen.

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