»Du siehst müde aus, Bob«, sagt Sigfrid.
Nun, das war verständlich genug. Ich war übers Wochenende auf Hawaii gewesen. Von meinem Geld steckte dort etwas im Tourismus, also konnte ich alles von der Steuer absetzen. Aber wenn man zurückkommt, gerät die innere Uhr durcheinander, und ich war erschöpft.
»Ich bin wirklich müde, Sigfrid«, sage ich, »aber wozu das Geplänkel? Komm lieber gleich auf meinen Ödipuskomplex.«
»Hast du einen gehabt, Bobby?«
»Hat den nicht jeder?«
»Willst du darüber sprechen, Bobby?«
»Nicht unbedingt.«
Wir warten. Sigfrid hat wieder einmal die Einrichtung verändert. Der Raum sieht jetzt aus wie das Zimmer eines Jungen vor vierzig Jahren. Ping-Pong-Schläger, gekreuzt, als Hologramm an der Wand. Ein imitiertes Fenster mit imitierter Aussicht auf die Rocky-Mountains von Montana im Schneesturm. Alles sehr gemütlich, aber keine Ähnlichkeit mit meinem Zimmer damals.
»Weißt du, worüber du sprechen willst, Rob?«, fragt Sigfrid.
»Gewiss.« Dann überlege ich. »Das heißt, nein. Ich bin mir nicht sicher.« Dabei weiß ich es doch. Auf dem Rückflug habe ich fast ununterbrochen geweint, außer, wenn mich die hübsche Stewardess ansah.
»Möchtest du einfach sagen, was du in diesem Augenblick empfindest, Bob?«
»Das würde ich sofort tun, wenn ich wüsste, was ich empfinde, Sigfrid.«
»Weißt du es wirklich nicht? Kannst du dich wirklich nicht erinnern, woran du eben gedacht hast, als du still warst?«
»Doch!« Ich zögere, dann sage ich: »Ach, ich habe wohl nur auf einen Anstoß gewartet, Sigfrid. Ich hatte neulich eine Einsicht, und die hat wehgetan. Du glaubst nicht, wie weh. Ich habe geweint wie ein kleines Kind.«
»Was war das für eine Einsicht, Bob?«
»Es … nun, es hing teilweise mit meiner Mutter zusammen. Aber auch mit Dane Metschnikow. Ich hatte diese … diese …«
»Ich glaube, du willst sagen, dass du die Phantasievorstellungen über einen Geschlechtsverkehr mit Dane meinst, nicht?«
»Ja. Du kannst dich gut erinnern. Als ich weinte, ging es um meine Mutter. Zum Teil …« Ich verstumme.
»Vielleicht kann ich dir helfen, Bob«, sagt er. »Was hat das Weinen um deine Mutter mit den Sexualphantasien zu tun, in denen Dane vorkommt?«
Ich spüre, dass in mir etwas geschieht. Es ist, als brodle das weiche, feuchte Innere meines Brustraums in meine Kehle hinauf. Ich weiß, dass meine Stimme schwankend und verloren klingen wird, wenn ich mich nicht beherrsche. Ich gebe mir Mühe und sage sachlich: »Meine Mutter hat mich geliebt, Sigfrid. Das wusste ich. Sie hatte keine andere Wahl. Und Freud hat einmal gesagt, kein Junge, der sich sicher ist, der Liebling seiner Mutter gewesen zu sein, wird je neurotisch. Nur …«
»Bitte, Robbie, das ist nicht ganz richtig, und außerdem spielst du den Intellektuellen. Du weißt, dass du diese Vorreden alle gar nicht brauchst. Du hältst mich hin, nicht wahr?«
»Nun gut«, sage ich nachgiebig. »Aber ich wusste wirklich, dass meine Mutter mich liebte. Sie konnte nicht anders. Ich war ihr einziger Sohn. Mein Vater war tot – räuspere dich nicht, Sigfrid, ich komme schon darauf. Es war eine logische Notwendigkeit, dass sie mich liebte, und so begriff ich es auch, ohne jeden Zweifel in mir, aber sie hat es nie gesagt. Nicht ein einziges Mal.«
»Du meinst, sie hat in deinem ganzen Leben nie zu dir gesagt: ›Ich liebe dich, mein Sohn‹?«