Neunter Auftritt

Fiesco. Der Mohr tritt schuechtern herein und sieht sich ueberall sorgfaeltig um.

Fiesco (fasst ihn scharf und lang ins Auge). Was willst du, und wer bist du?

Mohr (wie oben). Ein Sklave der Republik.

Fiesco. Sklaverei ist ein elendes Handwerk. (Immer ein scharfes Aug auf ihn.) Was suchst du?

Mohr. Herr, ich bin ein ehrlicher Mann.

Fiesco. Haeng' immer diesen Schild vor dein Gesicht hinaus, das wird nicht ueberfluessig sein-aber was suchst du?

Mohr (sucht ihm naeher zu kommen, Fiesco weicht aus). Herr, ich bin kein Spitzbube.

Fiesco. Es ist gut, dass du das beifuegst, und-doch wieder nicht gut. (Ungeduldig.) Aber was suchst du?

Mohr (rueckt wieder naeher). Seid Ihr der Graf Lavagna?

Fiesco (stolz). Die Blinden in Genua kennen meinen Tritt.-Was soll dir der Graf?

Mohr. Seid auf Eurer Hut, Lavagna. (Hart an ihn.)

Fiesco (springt auf die andere Seite). Das bin ich wirklich.

Mohr (wie oben). Man hat nichts Guts gegen Euch vor, Lavagna.

Fiesco (retiriert sich wieder). Das seh' ich.

Mohr. Huetet Euch vor dem Doria.

Fiesco (tritt ihm vertraut naeher). Freund! sollt' ich dir doch wohl Unrecht getan haben? Diesen Namen fuerchte ich wirklich.

Mohr. So flieht vor dem Mann. Koennt Ihr lesen?

Fiesco. Eine kurzweilige Frage. Du bist bei manchem Cavalier herumgekommen. Hast du was Schriftliches?

Mohr. Euren Namen bei armen Suendern. (Er reicht ihm einen Zettel und nistet sich hart an ihn. Fiesco tritt vor einen Spiegel und schielt ueber das Papier. Der Mohr geht lauernd um ihn herum, endlich zieht er den Dolch und will stossen.)

Fiesco (dreht sich geschickt und faehrt nach dem Arm des Mohren). Sachte, Canaille! (Entreisst ihm den Dolch.)

Mohr (stampft wild auf den Boden). Teufel-Bitt' um Vergebung. (Will sich abfuehren.)

Fiesco (packt ihn, mit starker Stimme). Stephano! Drullo! Antonio! (Den Mohren an der Gurgel.) Bleib, guter Freund! Hoellische Bueberei! (Bediente.) Bleib und antworte! Du hast schlechte Arbeit gemacht; an wen hast du dein Taglohn zu fordern?

Mohr (nach vielen vergeblichen Versuchen, sich wegzustehlen, entschlossen). Man kann mich nicht hoeher haengen, als der Galgen ist.

Fiesco. Nein, troeste dich! Nicht an die Hoerner des Monds, aber doch hoch genug, dass du den Galgen fuer einen Zahnstocher ansehen sollst. Doch deine Wahl war zu staatsklug, als dass ich sie deinem Mutterwitz zutrauen sollte. Sprich also, wer hat dich gedungen?

Mohr. Herr, einen Schurken koennt ihr mich schimpfen, aber den Dummkopf verbitt' ich.

Fiesco. Ist die Bestie stolz. Bestie, sprich, wer hat dich gedungen?

Mohr (nachdenkend). Hum! so waer' ich doch nicht allein der Narr! -wer mich gedungen hat?-und waren's doch nur hundert magre Zechinen! -Wer mich gedungen hat?-Prinz Gianettino.

Fiesco (erbittert auf und nieder). Hundert Zechinen und nicht mehr fuer des Fiesco Kopf. (Haemisch.) Schaeme dich, Kronprinz von Genua. (Noch einer Schatulle eilend.) Hier, Bursche, sind tausend, und sag deinem Herrn-er sei ein knickiger Moerder!

(Mohr betrachtet ihn vom Fuss bis zum Wirbel.)

Fiesco. Du besinnst dich, Bursche?

Mohr (nimmt das Geld, setzt es nieder, nimmt es wieder und besieht ihn mit immer steigendem Erstaunen).

Fiesco. Was machst, Bursche?

Mohr (wirft das Geld entschlossen auf den Tisch). Herr-das Geld hab' ich nicht verdient.

Fiesco. Schafskopf von einem Jauner! den Galgen hast du verdient. Der entruestete Elephant zertritt Menschen, aber nicht Wuermer. Dich wuerd' ich haengen lassen, wenn es mich nur so viel mehr als zwei Worte kostete.

Mohr (mit einer frohen Verbeugung). Der Herr sind gar zu guetig.

Fiesco. Behuete Gott! nicht gegen dich. Es gefaellt mir nun eben, dass meine Laune einen Schurken, wie du bist, zu etwas und nichts machen kann, und darum gehst du frei aus. Begreife mich recht. Dein Ungeschick ist mir ein Unterpfand des Himmels, dass ich zu etwas Grossem aufgehoben bin, und darum bin ich gnaedig, und du gehst frei aus.

Mohr (treuherzig). Schlagt ein, Lavagna! Eine Ehre ist der andern werth. Wenn Jemand auf dieser Halbinsel eine Gurgel fuer Euch ueberzaehlig hat, befehlt! und ich schneide sie ab, unentgeldlich.

Fiesco. Eine hoefliche Bestie! Sie will sich mit fremder Leute Gurgeln bedanken.

Mohr. Wir lassen uns nichts schenken, Herr! Unser eins hat auch Ehre im Leibe.

Fiesco. Die Ehre der Gurgelschneider?

Mohr. Ist wohl feuerfester als Eurer ehrlichen Leute: sie brechen ihre Schwuere dem lieben Herrgott; wir halten sie puenktlich dem Teufel.

Fiesco. Du bist ein drolligter Jauner.

Mohr. Freut mich, dass Ihr Geschmack an mir findet. Setzt mich erst auf die Probe, Ihr werdet einen Mann kennen lernen, der sein Exercitium aus dem Stegreif macht. Fordert mich auf. Ich kann Euch von jeder Spitzbubenzunft ein Testimonium aufweisen, von der untersten bis zur hoechsten.

Fiesco. Was ich nicht hoere! (Indem er sich niedersetzt.) Also auch Schelmen erkennen Gesetzt und Rangordnung? Lass mich doch von der untersten hoeren.

Mohr. Pfui, gnaediger Herr! das ist das veraechtliche Heer der langen Finger. Ein elend Gewerb, das keinen grossen Mann ausbruetet, arbeitet nur auf Karbatsche und Raspelhaus und fuehrt-hoechstens zum Galgen.

Fiesco. Ein reizendes Ziel. Ich bin auf die bessre begierig.

Mohr. Das sind die Spionen und Maschinen. Bedeutende Herren, denen die Grossen ein Ohr leihen, wo sie ihre Allwissenheit holen; die sich wie Blutigel in Seelen einbeissen, das Gift aus dem Herzen schluerfen und an die Behoerde speien.

Fiesco. Ich kenne das-fort!

Mohr. Der Rang trifft nunmehr die Meuter, Giftmischer und Alle, die ihren Mann lang hinhalten und aus dem Hinterhalt fassen. Feige Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit ihrer armen Seele bezahlen. Hier thut die Gerechtigkeit schon etwas Uebriges, strickt ihre Knoechel aufs Rad und pflanzt ihre Schlaukoepfe auf Spiesse. Das ist die dritte Zunft.

Fiesco. Aber, sprich doch, wann wird die deinige kommen?

Mohr. Blitz, gnaediger Herr! das ist eben der Pfiff. Ich bin durch diese alle gewandert. Mein Genie geilte fruehzeitig ueber jedes Gehege. Gestern Abend macht' ich mein Meisterstueck in der dritten, vor einer Stunde war ich-ein Stuemper in der vierten.

Fiesco. Diese waere also?

Mohr (lebhaft). Das sind Maenner, (in Hitze) die ihren Mann zwischen vier Mauern aufsuchen, durch die Gefahr eine Bahn sich hauen, ihm gerade zu Leib gehen, mit dem ersten Gruss ihm den Grossdank fuer den zweiten ersparen. Unter uns! man nennt sie nur die Extrapost der Hoelle. Wenn Mephistopheles einen Gelust bekommt, braucht's nur einen Wink, und er hat den Braten noch warm.

Fiesco. Du bist ein hartgesottener Suender. Einen solchen vermisste ich laengst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten.

Mohr. Ernst oder Spass?

Fiesco. Mein voelliger Ernst, und gebe dir tausend Zechinen des Jahrs.

Mohr. Topp, Lavagna! Ich bin Euer, und zum Henker fahre das Privatleben. Braucht mich, wozu Ihr wollt. Zu Eurem Spuerhund, zu Eurem Parforce-Hund, zu Eurem Fuchs, zu Eurer Schlange, zu Eurem Kuppler und Henkersknecht. Herr, zu allen Commissionen, nur bei Leibe! zu keiner ehrlichen-dabei benehm' ich mich plump wie Holz.

Fiesco. Sei unbesorgt! Wem ich ein Lamm schenken will, lass' ich's durch keinen Wolf ueberliefern. Geh also gleich morgen durch Genua und suche die Witterung des Staats. Lege dich wohl auf Kundschaft, wie man von der Regierung denkt und vom Haus Doria fluestert, sondiere daneben, was meine Mitbuerger von meinem Schlaraffenleben und meinem Liebesroman halten. Ueberschwemme ihre Gehirne mit Wein, bis ihre Herzensmeinungen ueberlaufen. Hier hast du Geld. Spende davon unter den Seidenhaendlern aus.

Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht werden. Es ist nichts Ehrliches-Geh! rufe deine ganze Bande zu Hilfe. Morgen will ich deine Zeitungen hoeren. (Er geht ab.)

Mohr (ihm nach). Verlasst Euch auf mich. Jetzt ist's frueh vier Uhr. Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal siebenzig Ohren geht. (Ab.)

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