Zimmer bei Verrina.
Bertha ruecklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen. Verrina duester hereintretend.
Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!
Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater erschrickt meine Tochter?
Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich, mein Vater.
Verrina. Meinem einzigen Kinde?
Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie muessen noch eine Tochter haben.
Verrina. Drueckt dich meine Zaertlichkeit zu schwer?
Bertha. Zu Boden, Vater.
Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach Hause kam, Berge auf meinem Herzen, huepfte mir meine Bertha entgegen, und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich, Tochter. An dieser gluehenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen, das am Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe heute Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (aeusserst schwer) nur du bist mir geblieben.
Bertha (misst ihn mit einem langen Blick). Ungluecklicher Vater!
Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha! meine letzte uebrige Hoffnung!-Genuas Freiheit ist dahin-Fiesco hin-(indem er sie heftiger drueckt, durch die Zaehne) Werde du eine Hure-Bertha (reisst sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie wissen?-Verrina (steht bebend still). Was?
Bertha. Meine jungfraeuliche Ehre-Verrina (wuethend). Was?
Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?
Bertha. Gewalt! (Sinkt am Sopha nieder.)
Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme). Noch ein Athemzug, Tochter-den letzten! (Mit hohlem gebrochnem Ton.) Wer?
Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er stammelt und zittert.
Verrina. Ich wuesste doch nicht-meine Tochter! Wer?
Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.
Verrina. Um Gotteswillen-Wer? (will vor ihr niederfallen.)
Bertha. Eine Maske.
Verrina (tritt zurueck, nach einem stuermischen Nachdenken). Nein! das kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht grass auf.) Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der Kroete spritzte? (Zu Bertha gefasster.) Die Person, wie die meinige, oder kleiner?
Bertha. Groesser.
Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?
Bertha. Kohlschwarz und kraus.
Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf-die Stimme?
Bertha. Rauh, eine Bassstimme.
Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr hoeren!-der Mantel-von welcher Farbe?
Bertha. Der Mantel gruen, wie mich daeuchte.
Verrina (haelt beide Haende vors Gesicht und wankt in den Sopha). Sei ruhig. Es ist nur ein Schwindel, meine Tochter. (Laesst die Haende sinken; ein Todtengesicht.)
Bertha (die Haende ringend). Barmherziger Himmel! das ist mein Vater nicht mehr.
Verrina (nach einer Pause mit bitterm Gelaechter). Recht so! recht so! Memme Verrina!-dass der Bube in das Heiligthum der Gesetze griff-diese Aufforderung war dir zu matt-der Bube musste noch ins Heiligthum deines Bluts greifen-(Springt auf.) Geschwind! rufe den Nicolo-Blei und Pulver-oder halt! halt! ich besinne mich eben anders-besser-Hole mein Schwert herbei, bet' ein Vaterunser. (Die Hand vor die Stirne.) Was will ich aber?
Bertha. Mir ist sehr bange, mein Vater.
Verrina. Komm, setzt dich zu mir. (Bedeutend.) Bertha, erzaehle mir-Bertha, was that jener eisgraue Roemer, als man seine Tochter auch so-wie nenn ich's nun-auch so artig fand, seine Tochter? Hoere Bertha, was sagte Virginius zu seiner verstuemmelten Tochter?
Bertha (mit Schaudern). Ich weiss nicht, was er sagte.
Verrina. Naerrisches Ding-Nichts sagte er. (Ploetzlich auf, fasst ein Schwert.) Nach einem Schlachtmesser griff er-Bertha (stuerzt ihm erschrocken in die Arme). Grosser Gott! was wollen Sie thun?
Verrina (wirft das Schwert ins Zimmer). Nein! noch ist Gerechtigkeit in Genua!