Lomellin ausser Athem, erschrocken. Gianettino sieht dem Herzog gluehend und sprachlos nach.
Lomellin. Was hab' ich gesehen? was angehoert? Jetzt! Jetzt! Fliehen Sie, Prinz! Jetzt ist Alles verloren.
Gianettino (mit Ingrimm). Was war zu verlieren?
Lomellin. Genua, Prinz. Ich komme vom Markt. Das Volk draengte sich um einen Mohren, der an Stricken dahin geschleift wurde; der Graf von Lavagna, ueber die dreihundert Nobili ihm nach bis ins Richthaus, wo die Verbrecher gefoltert werden. Der Mohr war ueber einem Meuchelmord ertappt worden, den er an dem Fiesco vollstrecken sollte.
Gianettino (stampft mit dem Fuss). Was? Sind heut alle Teufel los?
Lomellin. Man inquirierte scharf, wer ihn bestochen. Der Mohr gestand nichts. Man brachte ihn auf die erste Folter. Er gestand nichts. Man brachte ihn auf die zweite. Er sagte aus, sagte aus-gnaediger Herr, wo gedachten Sie hin, da Sie Ihre Ehre einem Taugenichts preisgaben?
Gianettino (schnaubt ihn wild an). Frage mich nichts!
Lomellin. Hoeren Sie weiter. Kaum war das Wort Doria ausgesprochen-lieber haett' ich meinen Namen auf der Schreibtafel des Teufels gelesen, als hier den Ihren gehoert-so zeigte sich Fiesco dem Volk. Sie kennen ihn, den Mann, der befehlend flehet, den Wucherer mit den Herzen der Menge. Die ganze Versammlung hing ihm odemlos in starren, schrecklichen Gruppen entgegen; er sprach wenig, aber streifte den blutenden Arm auf, das Volk schlug sich um die fallenden Tropfen, wie um Reliquien. Der Mohr wurde seiner Willkuer uebergeben, und Fiesco-ein Herzstoss fuer uns-Fiesco begnadigte ihn. Jetzt raste die Stille des Volks in einen bruellenden Laut aus, jeder Odem zernichtete einen Doria, Fiesco wurde auf tausendstimmigem Vivat nach Hause getragen.
Gianettino (mit einem dumpfen Gelaechter). Der Aufruhr schwelle mir an die Gurgel!-Kaiser Karl! Mit dieser einzigen Silbe will ich sie niederwerfen, dass in ganz Genua auch keine Glocke mehr summen soll.
Lomellin. Boehmen liegt weit von Italien-Wenn Karl sich beeilt, kann er noch zeitig genug zu Ihrem Leichenschmaus kommen.
Gianettino (zieht einen Brief mit grossem Siegel hervor). Glueck genug also, dass er schon hier ist!-Verwundert sich Lomellin? Glaubte er mich tolldreist genug, wuethige Republikaner zu reizen, wenn sie nicht schon verkauft und verrathen waeren?
Lomellin (betreten). Ich weiss nicht, was ich denke.
Gianettino. Ich denke Etwas, das du nicht weisst. Der Schluss ist gefasst. Uebermorgen fallen zwoelf Senatoren. Doria wird Monarch, und Kaiser Karl wird ihn schuetzen-Du trittst zurueck?
Lomellin. Zwoelf Senatoren! Mein Herz ist nicht weit genug, eine Blutschuld zwoelfmal zu fassen.
Gianettino. Naerrchen, am Thron wirft man sie nieder. Siehst du, ich ueberlegte mit Karls Ministern, dass Frankreich in Genua noch starke Parteien haette, die es ihm zum zweiten Mal in die Haende spielen koennten, wenn man sie nicht mit der Wurzel vertilgte. Das wurmte beim alten Karl. Er unterschrieb meinen Anschlag-und du schreibst, was ich dictiere.
Lomellin. Noch weiss ich nicht-Gianettino. Setze dich! Schreib!
Lomellin. Was schreib' ich aber? (Setzt sich.)
Gianettino. Die Namen der zwoelf Candidaten-Franz Zenturione.
Lomellin (schreibt). Zum Dank fuer sein Votum fuehrt er den Leichenzug.
Gianettino. Cornelio Calva.
Lomellin. Calva.
Gianettino. Michael Zibo.
Lomellin. Eine Abkuehlung auf die Procuratur.
Gianettino. Thomas Asserato mit drei Bruedern (Lomellin haelt inne.)
Gianettino (nachdruecklich). Mit drei Bruedern.
Lomellin (schreibt). Weiter.
Gianettino. Fiesco von Lavagna.
Lomellin. Geben Sie Acht! geben Sie Acht! Sie werden ueber diesem schwarzen Stein noch den Hals brechen.
Gianettino. Scipio Bourgognino.
Lomellin. Der mag anderswo Hochzeit halten.
Gianettino. Wo ich Brautfuehrer bin-Raphael Sacco.
Lomellin. Dem sollt' ich Pardon auswirken, bis er mir meine fuenftausend Scudi bezahlt hat. (Schreibt.) Der Tod macht quitt.
Gianettino. Vincent Calcagno.
Lomellin. Calcagno-den Zwoelften schreib' ich auf meine Gefahr, oder unser Todfeind ist vergessen.
Gianettino. Ende gut, Alles gut. Joseph Verrina.
Lomellin. Das war der Kopf des Wurms. (Steht auf, streut Sand, fliegt die Schrift durch, reicht sie dem Prinzen.) Der Tod gibt uebermorgen praechtige Gala und hat zwoelf genuesische Fuersten geladen.
Gianettino (tritt zum Tisch, unterzeichnet). Es ist geschehen-In zwei Tagen ist Dogewahl. Wenn die Signoria versammelt ist, werden die Zwoelf auf das Signal eines Schnupftuchs mit einem ploetzlichen Schuss gestreckt, wenn zugleich meine zweihundert Deutsche das Rathhaus mit Sturm besetzen. Ist das vorbei, tritt Gianettino Doria in den Saal und laesst sich huldigen. (Klingelt.)
Lomellin. Und Andreas?
Gianettino (veraechtlich). Ist ein alter Mann. (Ein Bedienter.) Wenn der Herzog fragt, ich bin in der Messe. (Bedienter ab.) Der Teufel, der in mir steckt, kann nur in Heiligenmaske incognito bleiben.
Lomellin. Aber das Blatt, Prinz?
Gianettino. Nimmst du, laessest es durch unsre Partei circulieren. Dieser Brief muss mir Extrapost nach Levanto. Er unterrichtet den Spinola von Allem und heisst ihn frueh acht Uhr in der Hauptstadt hier eintreffen. (Will fort.)
Lomellin. Ein Loch im Fass, Prinz! Fiesco besucht keinen Senat mehr.
Gianettino (zurueckrufend). Doch noch einen Meuter wird Genua haben?-Ich sorge dafuer. (Ab in ein Seitenzimmer, Lomellin fort durch ein anderes.)