Leonore. Fiesco.
Leonore (tritt ihm aengstlich naeher). Fiesco?-Fiesco?-Ich verstehe Sie nur halb, aber ich fange an zu zittern.
Fiesco (wichtig). Leonore-ich sahe Sie einst einer Genueserin zur Linken gehen-Ich sahe Sie in den Assembleen des Adels mit dem zweiten Handkuss der Ritter vorlieb nehmen. Leonore-das that meinen Augen weh. Ich beschloss, es soll nicht mehr sein-es wird aufhoeren. Hoeren Sie das kriegerische Getoese in meinen Schloss? Was Sie fuerchten, ist wahr-Gehn Sie zu Bette, Graefin-morgen will ich-die Herzogin wecken.
Leonore (schlaegt beide Arme zusammen und wirft sich in einen Sessel). Gott! meine Ahnung! Ich bin verloren!
Fiesco (gesetzt, mit Wuerde). Lassen Sie mich ausreden, Liebe! Zwei meiner Ahnherrn trugen die dreifache Krone; das Blut der Fiesker fliesst nur unter dem Purpur gesund. Soll Ihr Gemahl nur geerbten Glanz von sich werfen? (Lebhafter.) Was? Soll er sich fuer all seine Hoheit beim gaukelnden Zufall bedanken, der in einer ertraeglichen Laune aus modernden Verdiensten einen Johann Ludwig Fiesco zusammenflickte? Nein, Leonore! Ich bin zu stolz, mir etwas schenken zu lassen, was ich noch selbst zu erwerben weiss. Heute Nacht werf' ich meinen Ahnen den geborgten Schmuck in ihr Grab zurueck-Die Grafen von Lavagna starben aus-Fuersten beginnen.
Leonore (schuettelt den Kopf, still phantasierend). Ich sehe meinen Gemahl an tiefen toedtlichen Wunden zu Boden fallen-(Hohler.) Ich sehe die stummen Traeger den zerrissenen Leichnam meines Gemahls mir entgegen tragen. (Erschrocken aufspringend.) Die erste-einzige Kugel fliegt durch die Seele Fiescos.
Fiesco (fasst sie liebevoll bei der Hand). Ruhig, mein Kind. Das wird die einzige Kugel nicht.
Leonore (blickt ihn ernsthaft an). So zuversichtlich ruft Fiesco den Himmel heraus? Und waere der tausendmaltausendste Fall nur der moegliche, so koennte der tausendmaltausendste wahr werden, und mein Gemahl waere verloren-Denke, du spieltest um den Himmel, Fiesco. Wenn eine Billion Gewinnste fuer einen einzigen Fehler fiel', wuerdest du dreist genug sein, die Wuerfel zu schuetteln und die freche Wette mit Gott einzugehen? Nein, mein Gemahl! wenn auf dem Brett Alles liegt, ist jeder Wurf Gotteslaesterung.
Fiesco (laechelt). Sei unbesorgt, das Glueck und ich stehen besser.
Leonore. Sagst du das-und standest bei jenem geisterverzerrenden Spiele-ihr nennt es Zeitvertreib-sahest zu der Betruegerin, wie sie ihren Guenstling mit kleinen Glueckskarten lockte, bis er warm ward, aufstand, die Bank forderte-und ihn jetzt im Wurf der Verzweiflung verliess-O mein Gemahl! du gehst nicht hin, dich den Genuesern zu zeigen und angebetet zu werden. Republikaner aus ihrem Schlaf aufzujagen, das Ross an seine Hufe zu mahnen, ist kein Spaziergang, Fiesco. Traue diesen Rebellen nicht. Die Klugen, die dich aufhetzten, fuerchten dich. Die Dummen, die dich vergoetterten, nuetzen dir wenig, und wo ich hinsehe ist Fiesco verloren.
Fiesco (mit starken Schritten im Zimmer). Kleinmuth ist die hoechste Gefahr. Groesse will auch ein Opfer haben.
Leonore. Groesse, Fiesco?-Dass dein Genie meinem Herzen so uebel will! -Sieh! Ich vertraue deinem Glueck, du siegst, will ich sagen-Weh dann mir Aermsten meines Geschlechts! Unglueckselig, wenn es misslingt! wenn es glueckt, unglueckseliger! Hier ist keine Wahl, mein Geliebter! Wenn er den Herzog verfehlt, ist Fiesco verloren. Mein Gemahl ist hin, wenn ich den Herzog umarme.
Fiesco. Das verstehe ich nicht.
Leonore. Doch, mein Fiesco! In dieser stuermischen Zone des Throns verdorret das zarte Pflaenzchen der Liebe. Das Herz eines Menschen, und waer' auch selbst Fiesco der Mensch, ist zu enge fuer zwei allmaechtige Goetter-Goetter, die sich so gram sind. Liebe hat Thraenen, und kann Thraenen verstehen; Herrschsucht hat eherne Augen, worin ewig nie die Empfindung perlt-Liebe hat nur ein Gut, thut Verzicht auf die ganze uebrige Schoepfung: Herrschsucht hungert beim Raube der ganzen Natur-Herrschsucht zertruemmert die Welt in ein rasselndes Kettenhaus, Liebe traeumt sich in jede Wueste Elysium.-Wolltest du jetzt an meinem Busen dich wiegen, pochte ein stoerriger Vasalle an dein Reich-Wollt' ich jetzt in deine Arme mich werfen, hoerte deine Despotenangst einen Moerder aus den Tapeten hervorrauschen und jagte dich fluechtig von Zimmer zu Zimmer. Ja, der grossaeugige Verdacht steckte zuletzt auch die haeusliche Eintracht an-Wenn deine Leonore dir jetzt einen Labetrank braechte, wuerdest du den Kelch mit Verzuckungen wegstossen und die Zaertlichkeit eine Giftmischerin schelten.
Fiesco (bleibt mit Entsetzen stehen). Leonore, hoer auf! Das ist eine haessliche Vorstellung-Leonore. Und doch ist das Gemaelde nicht fertig. Ich wuerde sagen, opfre die Liebe der Groesse, opfre die Ruhe-wenn nur Fiesco noch bleibt-Gott! das ist Radstoss!-Selten stiegen Engel auf den Thron, seltner herunter. Wer keinen Menschen zu fuerchten braucht, wird er sich eines Menschen erbarmen? Wer an jeden Wunsche einen Donnerkeil heften kann, wird er fuer noethig finden, ihm ein sanftes Woertchen zum Geleite zu geben? (Sie haelt inne, dann tritt sie bescheiden zu ihm und fasst seine Hand; mit feinster Bitterkeit.) Fuersten, Fiesco? diese missrathenen Projecte der wollenden und nicht koennenden Natur-sitzen so gern zwischen Menschheit und Gottheit nieder;-heillose Geschoepfe! schlechtere Schoepfer!
Fiesco (stuerzt sich beunruhigt durchs Zimmer). Leonore, hoer' auf! Die Bruecke ist hinter mir abgehoben-Leonore (blickt ihn schmachtend an). Und warum, mein Gemahl? Nur Thaten sind nicht mehr zu tilgen. (Schmelzend zaertlich und etwas schelmisch.) Ich hoerte dich wohl einst schwoeren, meine Schoenheit habe alle deine Entwuerfe gestuerzt-du hast falsch geschworen, du Heuchler, oder sie hat fruehzeitig abgeblueht-Frage dein Herz, wer ist schuldig? (Feuriger, indem sie ihn mit beiden Armen umfasst.) Komm zuruecke! Ermanne dich! Entsage! Die Liebe soll dich entschaedigen. Kann mein Herz deinen ungeheuren Hunger nicht stillen-o Fiesco! das Diadem wird noch aermer sein. -(Schmeichelnd.) Komm! ich will alle deine Wuensche auswendig lernen, will alle Zauber der Natur in einen Kuss der Liebe zusammenschmelzen, den erhabenen Fluechtling ewig in diesen himmlischen Banden zu halten-dein Herz ist unendlich-auch die Liebe ist es, Fiesco. (Schmelzend.) Ein armes Geschoepf gluecklich zu machen-ein Geschoepf, das seinen Himmel an deinem Busen lebt-sollte das eine Luecke in deinem Herzen lassen?
Fiesco (durch und durch erschuettert). Leonore, was hast du gemacht? (Er faellt ihr kraftlos um den Hals.) Ich werde keinem Genueser mehr unter die Augen treten-Leonore (freudig rasch). Lass uns fliehen, Fiesco, lass in den Staub uns werfen all diese prahlenden Nichts, lass in romantischen Fluren ganz der Liebe uns leben! (Sie drueckt ihn an ihr Herz mit schoener Entzueckung.) Unsre Seelen, klar, wie ueber uns das heitre Blau des Himmels, nehmen dann den schwarzen Hauch des Grams nicht mehr an-Unser Leben rinnt dann melodisch wie die floetende Quelle zum Schoepfer-(Man hoert den Kanonenschuss. Fiesco springt los. Alle Verschwornen treten in den Saal.)