Vorige. Julia.
Julia (affectiert hereintretend). Der Graf bot mir sein Palais an, den Zug nach dem Rathhaus zu sehen. Die Zeit wird mir lang werden. Eh die Chocolade gemacht ist, Madame, unterhalten Sie mich. (Bella entfernt sich, kommt sogleich wieder.)
Leonore. Befehlen Sie, dass ich Gesellschaft hieher bitte?
Julia. Abgeschmackt. Als wenn ich die hier suchen muesste? Sie werden mich zerstreuen, Madame. (Auf und ab, sich den Hof machend.) Wenn Sie das koennen, Madame-denn ich habe nichts zu versaeumen.
Arabella (boshaft). Desto mehr dieser kostbare Mohr, Signora. Wie grausam, bedenken Sie! die Perspectivchen der jungen Stutzer um diese schoene Prise zu bringen? Ah! und das blitzende Spiel der Perlen, das Einem die Augen bald wund brennt.-Beim grossmaechtigen Gott! haben Sie nicht das ganze Meer ausgepluendert?
Julia (vor einem Spiegel). Das ist Ihr wohl eine Seltenheit, Mamsell? Aber hoere Sie, Mamsell, hat Sie Ihrer Herrschaft auch die Zunge verdingt? Scharmant, Madame! Ihre Gaeste durch Domestiken becomplimentieren zu lassen.
Leonore. Es ist mein Unglueck, Signora, dass meine Laune mir das Vergnuegen Ihrer Gegenwart schmaelert.
Julia. Eine graessliche Unart ist das, die Sie schwerfaellig und albern macht. Rasch! lebhaft und witzig! Das ist der Weg nicht, Ihren Mann anzufesseln.
Leonore. Ich weiss nur einen, Graefin. Lassen Sie den Ihrigen immer ein sympathetisches Mittel bleiben.
Julia (ohne darauf achten zu wollen). Und, wie Sie sich tragen, Madame! Pfui doch! Auch auf Ihren Koerper wenden Sie mehr. Nehmen Sie zur Kunst Ihre Zuflucht, wo die Natur an Ihnen Stiefmutter war. Einen Firniss auf diese Wangen, woraus die missfaerbige Leidenschaft kraenkelt. Armes Geschoepf! So wird Ihr Gesichtchen nie einen Kaeufer finden.
Leonore (munter zu Bella). Wuensche mir Glueck, Maedchen. Unmoeglich hab' ich meinen Fiesco verloren, oder ich habe nichts an ihm verloren. (Man bringt Chocolade, Bella giesst ein.)
Julia. Von Verlieren murmeln Sie etwas? Aber mein Gott! wie kam Ihnen auch der tragische Einfall, den Fiesco zu nehmen?-Warum auf diese Hoehe, mein Kind, wo Sie nothwendig gesehen werden muessen? verglichen werden muessen?-Auf Ehre, mein Schatz, das war ein Schelm oder ein Dummkopf, der Sie dem Fiesco kuppelte. (Mitleidig ihre Hand ergreifend.) Gutes Thierchen, der Mann, der in den Assembleen des guten Tons gelitten wird, konnte nie deine Partie sein. (Sie nimmt eine Tasse.)
Leonore (laechelnd auf Arabellen). Oder er wuerde in diesen Haeusern des guten Tons nicht gelitten sein wollen.
Julia. Der Graf hat Person-Welt-Geschmack. Der Graf war so gluecklich, Connaissancen von Rang zu machen. Der Graf hat Temperament, Feuer. Nun reisst er sich warm aus dem delicatesten Zirkel. Er kommt nach Hause. Die Ehfrau bewillkommt ihn mit einer Werkeltagszaertlichkeit, loescht seine Gluth in einem feuchten, frostigen Kuss, schneidet ihm ihre Caressen wirthschaftlich, wie einem Kostgaenger, vor. Der arme Ehmann! Dort lacht ihm ein bluehendes Ideal-hier ekelt ihn eine graemliche Empfindsamkeit an. Signora, um Gotteswillen! wird er nicht den Verstand verlieren, oder was wird er waehlen?
Leonore (bringt ihr eine Tasse). Sie, Madame, wenn er ihn verloren hat.
Julia. Gut. Dieser Biss sei in dein eigenes Herz gegangen. Zittre um diesen Spott, aber eh du zitterst, erroethe.
Leonore. Kennen Sie das Ding auch, Signora? Doch warum nicht? Es ist ja ein Toilettenpfiff.
Julia. Man sehe doch! Erzuernen muss man das Wuermchen, will man ihm ein Fuenkchen Mutterwitz abjagen. Gut fuer jetzt. Es war Scherz, Madame. Geben Sie mir Ihre Hand zur Versoehnung.
Leonore (gibt ihr die Hand mit vielsagendem Blick). Imperiali!-vor meinem Zorn haben Sie Ruhe.
Julia. Grossmuethig, allerdings! Doch sollt' ich's nicht auch sein koennen, Graefin? (Langsam und lauernd.) Wenn ich den Schatten einer Person bei mir fuehre, muss es nicht folgen, dass das Original mir werth ist? Oder was meinen Sie?
Leonore (roth und verwirrt). Was sagen Sie? Ich hoffe, dieser Schluss ist zu rasch.
Julia. Das denk' ich selbst. Das Herz ruft nie die Sinne zu Hilfe. Wahre Empfindung wird sich nie hinter Schmuckwerk verschanzen.
Leonore. Grosser Gott! Wie kommen Sie zu dieser Wahrheit?
Julia. Mitleid, blosses Mitleid-Denn sehen Sie, so ist es auch umgekehrt wahr-und Sie haben Ihren Fiesco noch. (Sie gibt ihr ihre Silhouette und lacht boshaft auf.)
Leonore (mit auffahrender Erbitterung). Mein Schattenriss? Ihnen? (Wirft sich schmerzvoll in einen Sessel.) O der heillose Mann!
Julia (frohlockend). Hab' ich vergolten? hab' ich? Nun, Madame, keinen Nadelstich mehr in Bereitschaft? (Laut in die Scene.) Den Wagen vor! Mein Gewerb ist bestellt. (Zu Leonoren, der sie das Kinn streicht.) Troesten Sie sich, mein Kind. Er gab mir die Silhouette im Wahnwitz. (Ab.)