Verrina. Fiesco im herzoglichen Schmuck. (Beide treffen auf einander.)
Fiesco. Verrina! Erwuenscht. Eben war und aus, dich zu suchen.
Verrina. Das war auch mein Gang.
Fiesco. Merkt Verrina keine Veraenderung an seinem Freunde?
Verrina (zurueckhaltend). Ich wuensche keine.
Fiesco. Aber siehst du auch keine?
Verrina (ohne ihn anzusehen). Ich hoffe, nein!
Fiesco. Ich frage, findest du keine!
Verrina (nach einem fluechtigen Blick). Ich finde keine.
Fiesco. Nun, siehst du, so muss es doch wahr sein, dass die Gewalt nicht Tyrannen macht. Seit wir uns Beide verliessen, bin ich Genuas Herzog geworden, und Verrina (indem er ihn an die Brust drueckt) findet meine Umarmung noch feurig wie sonst.
Verrina. Desto schlimmer, dass ich sie frostig erwiedern muss; der Anblick der Majestaet faellt wie ein schneidendes Messer zwischen mich und den Herzog! Johann Ludwig Fiesco besass Laender in meinem Herzen-jetzt hat er Genua erobert, und ich nehme mein Eigenthum zurueck.
Fiesco (betreten). Das wolle Gott nicht! Fuer ein Herzogthum waere der Preis zu juedisch.
Verrina (murmelt duester). Hum! Ist denn etwa die Freiheit in der Mode gesunken, dass man dem Ersten dem Besten Republiken um ein Schandengeld nachwirft.
Fiesco (beisst die Lippen zusammen). Das sag du Niemand, als dem Fiesco.
Verrina. O natuerlich! Ein vorzueglicher Kopf muss es immer sein, von dem die Wahrheit ohne Ohrfeige wegkommt-Aber Schade! der verschlagene Spieler hat's nur in einer Karte versehen. Er calculierte das ganze Spiel des Neides, aber der raffinierte Witzling liess zum Unglueck die Patrioten aus. (Sehr bedeutend.) Hat der Unterdruecker der Freiheit auch einen Kniff auf die Zuege der roemischen Tugend zurueckbehalten? Ich schwoer' es beim lebendigen Gott, eh die Nachwelt meine Gebeine aus dem Kirchhof eines Herzogthums graebt, soll sie sie auf dem Rade zusammenlesen!
Fiesco (nimmt ihn mit Sanftmuth bei der Hand). Auch nicht, wenn der Herzog dein Bruder ist? wenn er sein Fuerstenthum nur zur Schatzkammer seiner Wohlthaetigkeit macht, die bis jetzt bei seiner haushaelterischen Duerftigkeit betteln ging? Verrina, auch dann nicht?
Verrina. Auch dann nicht-und der verschenkte Raub hat noch keinem Dieb von dem Galgen geholfen. Ueberdies ging diese Grossmuth bei Verrina fehl. Meinem Mitbuerger konnt' ich schon erlauben, mir Gutes zu thun-meinem Mitbuerger hofft' ich es wett machen zu koennen. Die Geschenke eines Fuersten sind Gnade-und nur Gott ist mir gnaedig.
Fiesco (aergerlich). Wollt ich doch lieber Italien vom Atlantermeer abreissen, als diesen Starrkopf von seinem Wahn.
Verrina. Und abreissen ist doch sonst deine schlechteste Kunst nicht, davon weiss das Lamm Republik zu erzaehlen, das du dem Wolf Doria aus dem Rachen nahmst-es selbst aufzufressen.-Aber genug! Nur im Vorbeigehen, Herzog, sage mir, was verbrach denn der arme Teufel, den ihr am Jesuiterdom aufknuepftet?
Fiesco. Die Canaille zuendete Genua an.
Verrina. Aber doch die Gesetze liess die Canaille ganz?
Fiesco. Verrina brandschatzt meine Freundschaft.
Verrina. Hinweg mit der Freundschaft! ich sage dir ja, ich liebe dich nicht mehr; ich schwoere dir, dass ich dich hasse-hasse wie den Wurm des Paradieses, der den ersten falschen Wurf in der Schoepfung that, worunter schon das fuenfte Jahrtausend blutet-Hoere, Fiesco-nicht Unterthan gegen Herrn-nicht Freund gegen Freund-Mensch gegen Mensch red' ich zu dir. (Scharf und heftig.) Du hast eine Schande begangen an der Majestaet des wahrhaftigen Gottes, dass du dir die Tugend die Haende zu deinem Bubenstueck fuehren und Genuas Patrioten mit Genua Unzucht treiben liessest-Fiesco, waer' auch ich der Redlichdumme gewesen, den Schalk nicht zu merken, Fiesco! bei allen Schauern der Ewigkeit, einen Strick wollt' ich drehen aus meinen eigenen Gedaermen und mich erdrosseln, dass meine fliehende Seele im gichtrischen Schaumblasen dir zuspritzen sollte. Das fuerstliche Schelmenstueck drueckt wohl die Goldwage menschlicher Suenden entzwei, aber du hast den Himmel geneckt, und den Prozess wird das Weltgericht fuehren.
(Fiesco erstaunt und sprachlos misst ihn mit grossen Augen.)
Verrina. Besinne dich auf keine Antwort. Jetzt sind wir fertig. (Nach einigem Auf-und Niedergehen.) Herzog von Genua, auf den Schiffen des gestrigen Tyrannen lernt' ich eine Gattung armer Geschoepfe kennen, die eine verjaehrte Schuld mit jedem Ruderschlag wiederkaeuen und in den Ocean ihre Thraenen weinen, der wie ein reicher Mann zu vornehm ist, sie zu zaehlen-Ein guter Fuerst eroeffnet sein Regiment mit Erbarmen. Wolltest du dich entschliessen, die Galeerensklaven zu erloesen?
Fiesco (scharf). Sie seien die Erstlinge meiner Tyrannei-Geh und verkuendige ihnen Allen Erloesung.
Verrina. So machst du deine Sache nur halb, wenn du ihre Freude verlierst. Versuch' es und gehe selbst. Die grossen Herren sind so selten dabei, wenn sie Boeses thun; sollten sie auch das Gute im Hinterhalt stiften?-Ich daechte, der Herzog waere fuer keines Bettlers Empfindung zu gross.
Fiesco. Mann, du bist schrecklich, aber ich weiss nicht, warum ich folgen muss. (Beide gehen dem Meer zu.)
Verrina (haelt still, mit Wehmuth). Aber, noch einmal umarme mich, Fiesco! Hier ist ja Niemand, der den Verrina weinen sieht und einen Fuersten empfinden. (Er drueckt ihn innig.) Gewiss, nie schlugen zwei groessere Herzen zusammen; wir liebten uns doch so bruederlich warm-(Heftig an Fiescos Halse weinend.) Fiesco! Fiesco! du raeumst einen Platz in meiner Brust, den das Menschengeschlecht, dreifach genommen, nicht mehr besetzen wird.
Fiesco (sehr geruehrt). Sei-mein-Freund!
Verrina. Wirf diesen haesslichen Purpur weg, und ich bin's-Der erste Fuerst war ein Moerder und fuehrte den Purpur ein, die Flecken seiner That in dieser Blutfarbe zu verstecken-Hoere, Fiesco-ich bin ein Kriegsmann, verstehe mich wenig auf nasse Wangen-Fiesco-das sind meine ersten Thraenen-Wird diesen Purpur weg!
Fiesco. Schweig!
Verrina (heftiger). Fiesco-lass hier alle Kronen dieses Planeten zum Preis, dort zum Popanz all seine Foltern legen, ich soll knieen vor einem Sterblichen-ich werde nicht knieen-Fiesco! (indem er niederfaellt) es ist mein erster Kniefall-Wirf diesen Purpur weg!
Fiesco. Steh auf und reize mich nicht mehr!
Verrina (entschlossen). Ich steh' auf, reize dich nicht mehr (Sie stehen an einem Brett, das zu einer Galeere fuehrt.) Der Fuerst hat den Vortritt. (Gehen ueber das Brett.)
Fiesco. Was zerrst du mich so am Mantel?-er faellt!
Verrina (mit fuerchterlichem Hohn). Nun, wenn der Purpur faellt, muss auch der Herzog nach! (Er stuerzt ihn ins Meer.)
Fiesco (ruft aus den Wellen). Hilf, Genua! Hilf! Hilf deinem Herzog! (Sinkt unter.)