Julia erhitzt. Fiesco, der einen weissen Mantel traegt, eilt ihr nach.
Julia. Lakaien! Laeufer!
Fiesco. Graefin, wohin? Was beschliessen Sie?
Julia. Nichts, im mindesten nichts. (Bediente.) Mein Wagen soll vorfahren.
Fiesco. Sie erlauben-er soll nicht. Hier ist eine Beleidigung.
Julia. Pah! doch wohl das nicht-Weg! Sie zerren mir ja die Garnierung in Stuecken-Beleidigung? Wer ist hier, der beleidigen kann? So gehen Sie doch.
Fiesco (auf einem Knie.) Nicht, bis Sie mir den Verwegenen sagen.-Julia (steht still mit angestemmten Armen). Ah, schoen! schoen! sehenswuerdig! Rufe doch Jemand die Graefin von Lavagna zu diesem reizenden Schauspiel!-Wie, Graf? wo bleibt der Gemahl? Diese Stellung taugte ausnehmend in das Schlafgemach Ihrer Frau, wenn sie im Kalender ihrer Liebkosungen blaettert und einen Bruch in der Rechnung findet. Stehen Sie doch auf. Gehen Sie zu Damen, wo Sie wohlfeiler markten. So stehen Sie doch auf. Oder wollen Sie die Impertinenzen Ihrer Frau mit Ihren Galanterieen abbuessen?
Fiesco (springt auf). Impertinenzen? Ihnen?
Julia. Aufzubrechen-den Sessel zurueckzustossen-der Tafel den Ruecken zu kehren-der Tafel, Graf! an der ich sitze.
Fiesco. Es ist nicht zu entschuldigen.
Julia. Und mehr ist es nicht?-Ueber die Fratze! und ist es denn meine Schuld, (sich belaechelnd) dass der Graf seine Augen hat?
Fiesco. Das Verbrechen Ihrer Schoenheit, Madonna, dass er sie nicht ueberall hat.
Julia. Keine Delicatesse, Graf, wo die Ehre das Wort fuehrt. Ich fordre Genugthuung. Finde ich sie bei Ihnen? oder hinter den Donnern des Herzogs?
Fiesco. In den Armen der Liebe, die Ihnen den Misstritt der Eifersucht abbittet.
Julia. Eifersucht? Eifersucht? Was will denn das Koepfchen? (Vor einem Spiegel gesticulierend.) Ob sie wohl eine bessere Fuersprache fuer ihren Geschmack zu erwarten hat, als wenn ich ihn fuer den meinigen erklaere? (Stolz.) Doria und Fiesco?-ob sich die Graefin von Lavagna nicht geehrt fuehlen muss, wenn die Nichte des Herzogs ihre Wahl beneidenswuerdig findet? (Freundlich, indem sie dem Grafen ihre Hand zum Kuessen reicht.) Ich setze den Fall, Graf, dass ich sie so faende.
Fiesco (lebhaft). Grausamste, und mich dennoch zu quaelen!-Ich weiss es, goettliche Julia, dass ich nur Ehrfurcht gegen Sie fuehlen sollte. Meine Vernunft heisst mich das Knie des Unterthans vor dem Blut Dorias beugen, aber mein Herz betet die schoene Julia an. Eine Verbrecherin ist meine Liebe, aber eine Heldin zugleich, die kuehn genug ist, die Ringmauer des Rangs durchzubrechen und gegen die verzehrende Sonne der Majestaet anzufliegen.
Julia. Eine grosse, grosse, graefliche Luege, die auf Stelzen heranhinkt-Seine Zunge vergoettert mich, sein Herz huepft unter dem Schattenriss einer Andern.
Fiesco. Oder besser, Signora, es schlaegt unwillig dagegen und will ihn hinwegdruecken. (Indem er die Silhouette Leonorens, die an einem himmelblauen Bande haengt, herabnimmt und sie der Julia ueberliefert.) Stellen Sie Ihr Bild an diesem Altar auf, so koennen Sie diesen Goetzen zerstoeren.
Julia (steckt das Bild hastig zu sich, vergnuegt). Ein grosses Opfer, bei meiner Ehre, das meinen Dank verdient. (Sie haengt ihm die ihrige um.) So, Sklave! trage die Farbe deines Herrn. (Sie geht ab.)
Fiesco (mit Feuer). Julia liebt mich! Julia! Ich beneide keinen Gott. (Frohlockend im Saal.) Diese Nacht sei eine Festnacht der Goetter, die Freude soll ihr Meisterstueck machen. Holla! holla! (Menge Bediente.) Der Boden meiner Zimmer lecke cyprischen Nektar, Musik laerme die Mitternacht aus ihrem bleiernen Schlummer auf, tausend brennende Lampen spotten die Morgensonne hinweg-Allgemein sei die Lust, der bacchantische Tanz stampfe das Todtenreich in polternde Truemmer!
(Er eilt ab. Rauschendes Allegro, unter welchem der Mittelvorhang aufgezogen wird und einen grossen illuminierten Saal eroeffnet, worin viele Masken tanzen. Zur Seite Schenk-und Spieltische von Gaesten besetzt.)