Voriger. Leonore tritt herein mit merklicher Angst.
Leonore. Vergeben Sie, Graf. Ich fuerchte, Ihre Morgenruhe zu stoeren.
Fiesco (tritt hoechst betreten zurueck.) Gewiss, gnaedige Frau, Sie ueberraschen mich seltsam.
Leonore. Das begegnet nur den Liebenden nie.
Fiesco. Schoene Graefin, Sie verrathen Ihre Schoenheit an den feindlichen Morgenhauch.
Leonore. Auch wuesst' ich nicht, warum ich den wenigen Rest fuer den Gram schonen sollte.
Fiesco. Gram, meine Liebe? Stand ich bisher im Wahn, Staaten nicht umwuehlen wollen, hiesse Gemuethsruhe?
Leonore. Moeglich-Doch fuehl' ich, dass meine Weiberbrust unter dieser Gemuethsruhe bricht. Ich komme, mein Herr, Sie mit einer nichtsbedeutenden Bitte zu belaestigen, wenn Sie Zeit fuer mich wegwerfen moechten. Seit sieben Monaten hatt' ich den seltsamen Traum, Graefin von Lavagna zu sein. Er ist verflogen. Der Kopf schmerzt mir davon. Ich werden den ganzen Genuss meiner unschuldigen Kindheit zurueckrufen muessen, meine Geister von diesem lebhaften Phantome zu heilen. Erlauben Sie darum, dass ich in die Arme meiner guten Mutter zurueckkehre?
Fiesco (aeusserst bestuerzt). Graefin?
Leonore. Es ist ein schwaches, verzaerteltes Ding, mein Herz, mit dem Sie Mitleiden haben muessen. Auch die geringsten Andenken des Traums koennten meiner kranken Einbildung Schaden thun. Ich stelle desswegen die letzten ueberbliebenen Pfaender ihrem rechtmaessigen Besitzer zurueck. (Sie legt einige Galanterieen auf ein Tischchen.) Auch diesen Dolch, der mein Herz durchfuhr-(seinen Liebesbrief) auch diesen-und (indem sie sich laut weinend hinausstuerzen will) behalte nichts, als die Wunde!
Fiesco (erschuettert, eilt ihr nach, haelt sie auf). Leonore! Welch ein Auftritt! Um Gotteswillen!
Leonore (faellt matt in seinen Arm). Ihre Gemahlin zu sein, hab' ich nicht verdient, aber Ihre Gemahlin haette Achtung verdient-Wie sie jetzt zischen, die Laesterzungen! Wie sie auf mich herabschielen, Genuas Damen und Maedchen! »Seht, wie sie wegblueht, die Eitle, die den Fiesco heirathete.«-Grausame Ahndung meiner weiblichen Hoffart! Ich hatte mein ganzes Geschlecht verachtet, da mich Fiesco zum Brautaltar fuehrte.
Fiesco. Nein, wirklich, Madonna! dieser Auftritt ist sonderbar.
Leonore. Ah, erwuenscht. Er wird blass und roth. Jetzt bin ich muthig.
Fiesco. Nur zwei Tage, Graefin, und dann richten Sie mich.
Leonore. Aufgeopfert!-Lass mich es nicht vor dir aussprechen, jungfraeuliches Licht! Aufgeopfert einer Buhlerin. Nein, sehen Sie mich an, mein Gemahl! Wahrhaftig, die Augen, die ganz Genua in knechtisches Zittern jagen, muessen sich jetzt vor den Thraenen eines Weibes verkriechen.-Fiesco (aeusserst verwirrt). Nicht mehr, Signora. Nicht weiter.
Leonore (mit Wehmuth und etwas bitter). Ein schwaches Weiberherz zu zerfleischen! O es ist des starken Geschlechts so wuerdig.-Ich warf mich in die Arme dieses Mannes. An diesen Starken schmiegten sich wolluestig alle meine weiblichen Schwaechen. Ich uebergab ihm meinen ganzen Himmel-Der grossmuethige Mann verschenkte ihn an eine-Fiesco (stuerzt ihr mit Heftigkeit ins Wort). Meine Leonore! nein-Leonore. Meine Leonore?-Himmel, habe Dank! das war wieder echter Goldklang der Liebe. Hassen sollt' ich dich, Falscher, und werfe mich hungrig auf die Brosamen deiner Zaertlichkeit-Hassen? Sagte ich hassen, Fiesco? O glaub' es nicht! Sterben lehrt mich dein Meineid, aber nicht hassen. Mein Herz ist betrogen. (Man hoert den Mohren.)
Fiesco. Leonore, erfuellen Sie mir eine kleine kindische Bitte.
Leonore. Alles, Fiesco, nur nicht Gleichgueltigkeit.
Fiesco. Was Sie wollen, wie Sie wollen-(Bedeutend.) Bis Genua um zwei Tage aelter ist, fragen Sie nicht, verdammen Sie nicht! (Er fuehrt sie mit Anstand in ein anderes Zimmer.)