Siebzehnter Auftritt

Voriger. Verrina. Romano mit einem Tableau. Sacco. Bourgognino. Calcagno. Alle verneigen sich.

Fiesco (ihnen entgegen, voll Heiterkeit). Willkommen, meine wuerdigen Freunde! Welche wichtige Angelegenheit fuehrt Sie so vollzaehlig zu mir-Du auch da, theurer Bruder Verrina? Ich wuerde bald verlernt haben, dich zu kennen, waeren meine Gedanken nicht fleissiger um dich, als meine Augen. War's nicht seit dem letzten Ball, dass ich meinen Verrina entbehrte?

Verrina. Zaehl' ihm nicht nach, Fiesco. Schwere Lasten haben indess sein graues Haar gebeugt. Doch genug hievon.

Fiesco. Nicht genug fuer die wissbegierige Liebe. Du wirst mir mehr sagen muessen, wenn wir allein sind. (Zu Bourgognino.) Willkommen, junger Held! Unsre Bekanntschaft ist noch gruen, aber meine Freundschaft ist zeitig. Haben Sie Ihre Meinung von mir verbessert?

Bourgognino. Ich bin auf dem Wege.

Fiesco. Verrina, man sagt mir, dass dieser junge Cavalier dein Tochtermann werden soll. Nimm meinen ganzen Beifall zu dieser Wahl. Ich hab' ihn nur einmal gesprochen, und doch wuerd' ich stolz sein, wenn er der meinige waere.

Verrina. Dieses Urtheil macht mich eitel auf meine Tochter.

Fiesco (zu den Andern). Sacco? Calcagno?-Lauter seltne Erscheinungen in meinen Zimmern. Beinahe moechte ich mich meiner Dienstfertigkeit schaemen, wenn Genuas edelste Zierden sie voruebergehen-Und hier begruesse ich einen fuenften Gast, mir zwar fremd, doch empfohlen genug durch diesen wuerdigen Zirkel.

Romano. Es ist ein Maler schlechtweg, gnaediger Herr, Romano mit Namen, der sich vom Diebstahl an der Natur ernaehrt, kein Wappen hat, als seinen Pinsel, und nun gegenwaertig ist, (mit einer tiefen Verbeugung) die grosse Linie zu einem Brutuskopfe zu finden.

Fiesco. Ihre Hand, Romano. Ihre Meisterin ist eine Verwandte meines Hauses. Ich liebe sie bruederlich. Kunst ist die rechte Hand der Natur. Diese hat nur Geschoepfe, jene hat Menschen gemacht. Was malen Sie aber, Romano?

Romano. Scenen aus dem nervigten Alterthum. Zu Florenz steht mein sterbender Hercules, meine Kleopatra zu Venedig, der wuethende Ajax zu Rom, wo die Helden der Vorwelt-im Vatican wieder auferstehen.

Fiesco. Und was ist wirklich Ihres Pinsels Beschaeftigung?

Romano. Er ist weggeworfen, gnaediger Herr. Das Licht des Genies bekam weniger Fett, als das Licht des Lebens. Ueber einen gewissen Punkt hinaus brennt nur die papierne Krone. Hier ist meine letzte Arbeit.

Fiesco (aufgeraeumt). Sie koennte nicht erwuenschter gekommen sein. Ich bin heute ganz ungewoehnlich heiter, mein ganzes Wesen feiert eine gewisse heroische Ruhe, ganz offen fuer die schoene Natur. Stellen Sie Ihr Tableau auf. Ich will mir ein rechtes Fest daraus bereiten. Tretet herum, meine Freunde. Wir wollen uns ganz dem Kuenstler schenken. Stellen Sie Ihr Tableau auf.

Verrina (winkt den Andern). Nun merket auf, Genueser!

Romano (stellt das Gemaelde zurecht). Das Licht muss von der Seite spielen. Ziehen Sie jenen Vorhang auf. Diesen lassen Sie fallen. Gut. (Er tritt auf die Seite.) Es ist die Geschichte der Virginia und des Appius Claudius.

(Lange ausdrucksvolle Pause, worin alle die Malerei betrachten.)

Verrina (in Begeisterung). Spritz zu, eisgrauer Vater!-Zuckst du, Tyrann?-Wie so bleich steht ihr Kloetze Roemer-ihm nach, Roemer-das Schlachtmesser blinkt-Mir nach, Kloetze Genueser-Nieder mit Doria! Nieder! nieder! (Er haut gegen das Gemaelde.)

Fiesco (laechelnd zum Maler.) Fordern Sie mehr Beifall? Ihre Kunst macht diesen alten Mann zum bartlosen Traeumer.

Verrina (erschoepft). Wo bin ich? Wo sind sie hingekommen? Weg, wie Blasen? Du hier, Fiesco? Der Tyrann lebt noch, Fiesco?

Fiesco. Siehst du? Ueber vielem Sehen hast du die Augen vergessen. Diesen Roemerkopf findest du bewundernswerth? Weg mit ihm! Hier das Maedchen blick' an! Dieser Ausdruck, wie weich, wie weiblich! Welche Anmuth auch aus den welkenden Lippen? Welche Wollust im verloeschenden Blick?-Unnachahmlich! goettlich, Romano!-Und noch die weisse, blendende Brust, wie angenehm noch von des Athems letzten Wellen gehoben! Mehr solche Nymphen, Romano, so will ich vor Ihren Phantasieen knieen und der Natur einen Scheidebrief schreiben.

Bourgognino. Verrina, ist das deine gehoffte herrliche Wirkung?

Verrina. Fasse Muth, Sohn. Gott verwarf den Arm des Fiesco, er muss auf den unsrigen rechnen.

Fiesco (zum Maler). Ja, es ist Ihre letzte Arbeit, Romano. Ihr Markt ist erschoepft. Sie ruehren keinen Pinsel mehr an. Doch ueber des Kuenstlers Bewunderung vergess' ich das Werk zu verschlingen. Ich koennte hier stehen und hingaffen und ein Erdbeben ueberhoeren. Nehmen Sie Ihr Gemaelde weg. Sollt' ich Ihnen diesen Virginiakopf bezahlen, muesst' ich Genua in Versatz geben. Nehmen Sie weg.

Romano. Mit Ehre bezahlt sich der Kuenstler. Ich schenke es Ihnen. (Er will hinaus.)

Fiesco. Eine kleine Geduld, Romano. (Er geht mit majestaetischem Schritt im Zimmer und scheint ueber etwas Grosses zu denken. Zuweilen betrachtet er die Andern fliegend und scharf, endlich nimmt er den Maler bei der Hand, fuehrt ihn vor das Gemaelde.) Tritt her, Maler! (Aeusserst stolz und mit Wuerde.) So trotzig stehst du da, weil du Leben auf todten Tuechern heuchelst und grosse Thaten mit kleinem Aufwand verewigst. Du prahlst mit Poetenhitze, der Phantasie marklosem Marionettenspiel, ohne Herz, ohne thatenerwaermende Kraft; stuerzest Tyrannen auf Leinwand;-bist selbst ein elender Sklave? Machst Republiken mit einem Pinsel frei;-kannst deine eignen Ketten nicht brechen? (Voll und befehlend.) Geh! Deine Arbeit ist Gaukelwerk-der Schein weiche der That-(Mit Groesse, indem er das Tableau umwirft.) Ich habe gethan, was du-nur maltest. (Alle erschuettert. Romano traegt sein Tableau mit Bestuerzung fort.)

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