Erster Auftritt.

Leonore maskiert, Rosa, Arabella fliehen zerstoert auf die Buehne.

Leonore (reisst die Maske ab). Nichts mehr! Kein Wort mehr! Es ist am Tag. (Sie wirft sich in einen Sessel.) Das wirft mich nieder.

Arabella. Gnaedige Frau-Leonore (aufstehend). Vor meinen Augen! eine stadtkundige Kokette! im Angesicht des ganzen Adels von Genua! (Wehmuetig.) Rosa! Bella! und vor meinen weinenden Augen.

Rosa. Nehmen Sie die Sache fuer Das, was sie wirklich war-eine Galanterie-Leonore. Galanterie?-und das emsige Wechselspiel ihrer Augen? das aengstliche Lauern auf ihre Spuren? der lange verweilende Kuss auf ihren entbloessten Arm, dass noch die Spur seiner Zaehne im flammrothen Fleck zurueckblieb? Ha! und die starre tiefe Betaeubung, worein er, gleich dem gemalten Entzuecken, versunken sass, als waer' um ihn her die Welt weggeblasen und er allein mit dieser Julia im ewigen Leeren? Galanterie?-gutes Ding, das noch nie geliebt hat, streite mir nicht ueber Galanterie und Liebe.

Rosa. Desto besser, Madonna. Einen Gemahl verlieren heisst zehen Cicisbeo Profit machen.

Leonore. Verlieren?-ein kleiner aussetzender Puls der Empfindung und Fiesco verloren? Geh, giftige Schwaetzerin-komm mir nie wieder vor die Augen!-eine unschuldige Neckerei-vielleicht eine Galanterie? Ist es nicht so, meine empfindende Bella?

Arabella. O ja! ganz zuverlaessig so!

Leonore (in Tiefsinn versunken). Dass sie darum in seinem Herzen sich wuesste?-dass hinter jedem seiner Gedanken ihr Name im Hinterhalt laege?-ihn anspraeche in jeder Fusstapfe der Natur?-Was ist das? wo gerath' ich hin? Dass ihm die schoene majestaetische Welt nichts waere, als der praechtige Demant, worauf nur ihr Bild-nur ihr Bild gestochen ist?-dass er sie liebte?-Julien! O deinen Arm her-halte mich, Bella!

(Pause. Die Musik laesst sich von Neuem hoeren.)

Leonore (aufgefahren). Horch! War das nicht die Stimme Fiescos, die aus dem Laerme hervordrang? Kann er lachen, wenn seine Leonore im Einsamen weinet? Nicht doch, mein Kind! Es war Gianettino Dorias baeurische Stimme.

Arabella. Sie war's, Signora! Aber kommen Sie in ein anderes Zimmer.

Leonore. Du entfaerbst dich, Bella! du luegst-ich lese in euren Augen-in den Gesichtern der Genueser ein Etwas-ein Etwas. (Sich verhuellend.) O gewiss! diese Genueser wissen mehr, als fuer das Ohr einer Gattin taugt.

Rosa. O der Alles vergroessernden Eifersucht!

Leonore. (schwermuethig schwaermend). Da er noch Fiesco war-dahertrat im Pomeranzenhain, wo wir Maedchen lustwandeln gingen, ein bluehender Apoll, verschmolzen in den maennlich-schoenen Antinous. Stolz und herrlich trat er daher, nicht anders, als wenn das durchlauchtige Genua auf seinen jungen Schultern sich wiegte; unsere Augen schlichen diebisch ihm nach und zuckten zurueck, wie auf dem Kirchenraub ergriffen, wenn sein wetterleuchtender Blick sie traf. Ach, Bella! wie verschlangen wir seine Blicke! wie parteiisch zaehlte sie der aengstliche Neid der Nachbarin zu! Sie fielen unter uns wie der Goldapfel des Zanks, zaertliche Augen brannten wilder, sanfte Busen pochten stuermischer, Eifersucht hatte unsere Eintracht zerrissen.

Arabella. Ich besinne mich. Das ganze weibliche Genua kam in Aufruhr um diese schoene Eroberung.

Leonore (begeistert). Und nun mein ihn zu nennen! verwegenes, entsetzliches Glueck! Mein Genuas groessten Mann, (mit Anmuth) der vollendet sprach aus dem Meissel der unerschoepflichen Kuenstlerin, alle Groessen seines Geschlechts im lieblichsten Schmelze verband-Hoeret, Maedchen! kann ich's nun doch nicht mehr verschweigen!-Hoeret, Maedchen, ich vertraue euch etwas, (geheimnissvoll) einen Gedanken-als ich am Altar stand neben Fiesco-seine Hand in meine Hand gelegt-hatt' ich den Gedanken, den zu denken dem Weibe verboten ist-dieser Fiesco, dessen Hand jetzt in der deinigen liegt-dein Fiesco-aber still! dass kein Mann uns belausche, wie hoch wir uns mit dem Abfall seiner Vortrefflichkeit bruesten-dieser dein Fiesco-Weh euch, wenn das Gefuehl euch nicht hoeher wirft!-wird-uns Genua von seinen Tyrannen erloesen!

Arabella (erstaunt). Und diese Vorstellung kam einem Frauenzimmer am Brauttag?

Leonore. Erstaune, Bella! Der Braut in der Wonne des Brauttags! (Lebhafter.) Ich bin ein Weib-aber ich fuehle den Adel meines Bluts, kann es nicht dulden, dass dieses Haus Doria ueber unsre Ahnen hinauswachsen will. Jener sanftmuethige Andreas-es ist eine Wollust, ihm gut zu sein-mag immer Herzog von Genua heissen, aber Gianettino ist sein Neffe-sein Erbe-und Gianettino hat ein freches, hochmuethiges Herz. Genua zittert vor ihm, und Fiesco, (in Wehmuth hinabgefallen) Fiesco-weinet um mich-liebt seine Schwester.

Arabella. Arme, unglueckliche Frau-Leonore. Geht jetzt und sehet diesen Halbgott der Genueser im schamlosen Kreis der Schwelger und Buhldirnen setzen, ihre Ohren mit unartigem Witze kitzeln, ihnen Maerchen von verwuenschten Prinzessinnen erzaehlen-das ist Fiesco!-Ach, Maedchen! nicht Genua allein verlor seinen Helden-auch ich meinen Gemahl!

Rosa. Reden Sie leiser. Man koemmt durch die Galerie.

Leonore (zusammenschreckend). Fiesco kommt. Flieht! flieht! Mein Anblick koennte ihm einen trueben Augenblick machen. (Sie entspringt in ein Seitenzimmer. Die Maedchen ihr nach.)

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