Die Akademie des Herrn Beausire

Was hatte den eifersüchtigen Beausire veranlassen können, seine Freundin auf dem Opernball allein zu lassen?

Der blaue Domino hatte ihn nach der Rue Pot-de-Fer geschickt, in seine langvertraute Spielhölle: dort, so hatte er ihm gesteckt, würde in dieser Nacht ein Zweimillionengeschäft beraten.

Ebenso bestürzt, daß die Mitglieder seiner »Akademie« ihn davon nicht in Kenntnis gesetzt hatten, wie begierig, an dem großen Fischzug teilzunehmen, war Beausire mittels einer Droschke bald an seinem Ziel.

Sowenig er bei seiner Freundin galt, unter den Mitgliedern der Akademie genoß er den Ruf eines wilden Mannes. Schließlich war er Gefreiter gewesen, hatte die Uniform getragen und verstand es, bei dem geringsten mißliebigen Wort auf eine gewisse Art den Hut in die Stirn zu drücken, die eine Hand an die Hüfte, die andere ans Stichblatt des Degens zu legen, so daß Leute, die die Neugier der Polizei zu fürchten hatten, es lieber nicht auf einen Beweis seiner Tapferkeit ankommen ließen.

Entschlossen, den sauberen Kollegen für ihren Verrat gehörig aufzuwarten, setzte Beausire schon unterwegs die finsterste Miene auf, über die er verfügte, da er wegen des Dominos weder Hut noch Degen, die üblichen Requisiten seiner Drohgebärden, bei sich trug.

Sein Eintritt in den Spielsaal erregte Aufsehen. In dem grau tapezierten Raum saßen um kleine Spieltische oder um den großen

Pharaotisch in der Mitte etwa zwanzig Spieler, tranken Bier oder Saft und lächelten einigen schrecklich geschminkten Frauenzimmern zu, die in die Karten schielten. Die Einsätze waren dürftig, die Stimmung entsprechend flau.

Beausires Erscheinen im Kostüm und sein düsteres Gesicht boten Abwechslung. Man zog ihn auf, die Frauen bedauerten ihn, doch niemand schien zu begreifen, was seine immer wütender geäußerten Anspielungen auf Untreue und Verrat bedeuten sollten.

Er wollte den Hut in die Stirn drücken, zog aber nur seine Kapuze breit, und man lachte. Er wollte nach dem Degen greifen, faßte aber nur seinen Geldbeutel, der dank Olivas Einnahmen prall war. Und man drängte ihn, doch lieber einen Louisdor zu setzen, anstatt seine böse Laune spazierenzuführen.

»Ich spiele nur um Millionen!« schrie Beausire erbittert, »denn um Millionen geht es hier doch, meine Herrn; glaubt nicht, ich wüßte nicht, wovon ich rede!«

Beausire war von der Vorstellung riesiger Summen so besessen, daß er jede Vorsicht vergaß, denn schließlich gehörten nur einige der Anwesenden zu der geheimen Gesellschaft. Da aber traf ihn von hinten ein scharfer Fußtritt, so daß er verstummte.

Als er sich umwandte, sah er in ein olivfarbenes, pockennarbiges Gesicht und zwei funkelnde schwarze Augen.

»Der Portugiese!« stammelte Beausire eingeschüchtert, und der andere erwiderte mit einer zeremoniösen Verneigung und einem Blick, lang wie ein Rapier.

Beausire kannte den Portugiesen als einen der Bundesgenossen. Im Spielsaal gab er vor, nicht Französisch zu sprechen, und diente als Lockvogel für die Stamm- und Zufallsgäste. Er ließ sich von ihnen rupfen, damit die anderen Mitglieder sie desto leichter ausnehmen konnten. Sein Verlust war im voraus auf etwa hundert Louisdors pro Woche festgesetzt. Auch diesmal verlor er, bis um drei Uhr morgens der Spielsaal schloß und die Gäste aufbrachen.

Der Bankhalter ließ das liegende Geld durch eine Klappe in den doppelten Boden des Tisches fallen, denn die Statuten der Genossenschaft gründeten sich nicht auf gegenseitiges Vertrauen der Mitglieder. Das Grundkapital wurde von allen überwacht. Der Bankhalter durfte keine langen Ärmel tragen, und den Akademikern stand es frei, ihn nach Ausübung seines Amtes zu durchsuchen.

Als Fenster und Türen dicht verschlossen waren, nahm der Portugiese den Platz des Bankhalters ein, und weitere elf Herren, darunter Beausire, setzten sich um den Tisch.

»Ein Glück«, begann der Portugiese, »daß ich rechtzeitig gekommen bin, um Beausire zum Schweigen zu bringen. Still, mein Bester! Sie haben von meinem Plan Wind bekommen, gut. Sie sind ein Schlaukopf. Aber das war kein Grund, das Geschäft zu gefährden.«

»Was für ein Geschäft?« fragten die Versammelten.

»Ein Zweimillionengeschäft!« schrie Beausire begeistert.

»Sie übertreiben«, sagte der Portugiese mit eisiger Ruhe, »das Halsband ist nur anderthalb Millionen wert.«

»Halsband?« fragte Beausire, denn so weit war er nicht unterrichtet worden.

»Meinten Sie etwas anderes?«

Beausire schwieg, der Portugiese zuckte die Achseln.

»Nun, die Zeit drängt«, fuhr er fort, »zur Sache jetzt: Die Herren Boehmer & Bossange haben der Königin ein Diamantenhalsband angeboten. Sie hat es abgelehnt. Die Juweliere halten den Schmuck in ihrem Panzerschrank verschlossen. Aber sie würden ihn nur zu gern in flüssiges Kapital umsetzen. Wir werden mit ihnen in Verhandlung treten, denn ich habe den geeigneten Käufer gefunden: die Königin von Portugal.«

Die Runde hatte atemlos gelauscht. Jetzt fragten alle durcheinander, wie dieser »Kauf« vonstatten gehen solle.

Dom Manoel erläuterte seinen Plan. Die portugiesische Botschaft war derzeit unbesetzt. Der neue Gesandte würde erst in acht Tagen eintreffen. Eine ausgewählte Mannschaft solle die Botschaft besetzen. Man müsse dem französischen Bürovorsteher, der als einziger im Hause wachte und übrigens sehr schlecht portugiesisch sprach, die Komödie des vorzeitig eingetroffenen Gesandten vorspielen.

Als alle Einzelheiten besprochen, die Rollen und Aufträge verteilt waren, wurden die zwölf Schlösser des Spieltisches geöffnet und das vorhandene Geld zum Zweck der Vorbereitungen ausgezahlt.

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