Der Gesandte

Am Tag darauf, als es bereits dunkelte, fuhr ein staubiger, kotbespritzter Reisewagen, dessen Wappen nicht zu erkennen war, durch die Barriere d'Enfer in Paris ein.

Er hielt vor einem stattlichen Gebäude in der Rue de la Jussienne.

Am Tor warteten zwei Männer, der eine in Empfangsgala, der andere in der üblichen Livree eines Schweizers.

Der Wagen fuhr in den Hof, und das vergitterte Tor wurde sofort wieder vor den Neugierigen verschlossen.

Ehrfürchtig näherte sich der Mann in Gala dem Wagenschlag und begann mit meckernder Stimme eine Rede auf portugiesisch.

»Wer sind Sie?« wurde aus dem Wageninnern gefragt.

»Ich bin der Kanzleivorsteher der Gesandtschaft, Exzellenz.«

»Sehr schön. Aber unsere Sprache scheint Ihnen wenig zu liegen! Wo soll ich aussteigen?«

»Hier bitte, Monseigneur!«

»Mein Gott, was für ein trauriger Empfang«, seufzte Dom Manoel, der von seinem Sekretär - Herrn Beausire - und seinem Kammerdiener - einem weiteren Mitglied der Akademie, genannt der »Kommandeur« - umständlich sich aus der Kutsche helfen ließ.

»Exzellenz mögen gütigst verzeihen«, stotterte der Bürovorsteher, »aber der Kurier, der uns die Ankunft Eurer Exzellenz meldete, ist erst vor zwei Stunden eingetroffen. Ich selbst war in Geschäften abwesend. Als ich zurückkam, fand ich den Brief Eurer Exzellenz, und da war nur noch Zeit, in aller Eile die Zimmer aufschließen zu lassen.«

»Gut, gut«, war die Antwort, »keine weiteren Umstände. Zeigen Sie mir das Schlafzimmer, ich bin erschöpft von der Reise. Verständigen Sie sich dann mit meinem Sekretär, er wird Ihnen meine Wünsche bekanntgeben.«

Der Kanzleivorsteher verneigte sich respektvoll vor Beausire, der den Gruß leutselig erwiderte und den Mann aufforderte, er möge nur getrost französisch sprechen, das werde ihm leichter fallen. Im übrigen solle er die Ankunft des Herrn Gesandten vorerst nicht öffentlich bekanntmachen, bis aus Lissabon neue Order eingetroffen sei.

Der gutgläubige Franzose war entzückt, nicht weiter in der fremden Sprache radebrechen zu müssen, und als Beausire ihm versicherte, daß er, Monsieur Ducorneau, in Lissabon sehr gut angeschrieben sei für seine gewissenhaften Dienste, fand der wak-kere Mann die neuen Herren höchst sympathisch.

Der Gesandte, nunmehr in einen prächtigen Schlafrock gehüllt, verlangte nach dem Souper. Herr Ducorneau erbot sich, aus einem nahen Restaurant einige Köstlichkeiten herbeischaffen zu lassen; einige Flaschen Landwein wollte er sich erlauben, aus dem eigenen Weinkeller beizusteuern.

»Gut, Herr Du Corno«, sagte Dom Manoel gnädig, »sorgen Sie für alles und soupieren Sie dann mit uns.«

»Eine so hohe Ehre ...«, stammelte Herr Ducorneau.

»Ganz ohne Etikette; heute bin ich noch Reisender, erst morgen werde ich Gesandter sein. Dann wollen wir über die Geschäfte sprechen.«

Beglückt eilte Ducorneau davon, und die drei Gauner inspizierten ihren neuen Wirkungsbereich.

»Schläft der Bürovorsteher hier?« fragte Dom Manoel.

»Nein, er hat einen guten Weinkeller zu Haus und sicherlich auch eine Freundin.«

»Und der Schweizer?«

»Den müssen wir uns vom Halse schaffen.«

»Die übrigen Diener?«

»Sind Lohndiener. Wir lassen sie morgen durch unsere Leute ersetzen.«

»Und die Kasse?«

»Das ist der heikle Punkt. Wir werden den Bürovorsteher zum Reden bringen.«

Atemlos kam Ducorneau zurück. Das Essen werde gleich gebracht, meldete er, und strahlend wies er sechs Weinflaschen von ehrwürdigem Ansehen vor.

»Setzen Sie sich doch, Herr Du Corno«, sagte Manoel, »solange mein Diener aufdeckt, und sagen Sie mir, wann die letzten Depeschen eingelaufen sind.«

»Am Tag vor der Abreise des Vorgängers Eurer Exzellenz.«

»Ist alles in guter Ordnung?«

»Gewiß, Monseigneur.«

»Auch die Kasse? Keine Schulden? Denn gäbe es welche, müßten wir sie sofort bezahlen. Mein Vorgänger ist ein so vollendeter Ehrenmann, daß ich unbedingt für ihn einstehen würde.«

»Gott sei Dank werden Monseigneur das nicht nötig haben; die Kredite wurden vor drei Wochen sämtlich beglichen, und am Tag nach der Abreise des früheren Herrn Gesandten sind hunderttausend Francs eingetroffen.«

»Hunderttausend Francs?«

»In Gold, ja, Monseigneur.«

»Die Kasse enthält also ...«, sagte Beausire mit kaum verhohlener Spannung.

»Hunderttausenddreihundertachtzig Livres, Herr Sekretär.«

Nach dieser Auskunft verlief das Souper in vortrefflicher Stimmung. Herr Ducorneau segnete den Himmel, daß er ihm einen so zugänglichen Gesandten geschickt hatte. Er aß für zehn spanische Granden, sein Wein erhielt großes Lob, und er schwelgte in Seligkeit, als man ihn mahnte, zu Bett zu gehen.

Nach seinem Verschwinden wurden die Maßnahmen für den nächsten Tag abgesprochen.

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