Boehmer & Bossange

In aller Frühe des folgenden Tages zog das neue Personal in die Königlich Portugiesische Gesandtschaft ein. Beausire wies einem jeden seinen Posten zu. Den Schweizer entließ Ducorneau persönlich mit der Begründung, daß er nicht hinreichend Portugiesisch spreche.

So war vorerst dafür gesorgt, daß die langen Ohren und die Argusaugen der Herren von der Polizei nicht zu schnell hinter die Geheimnisse des wieder zum Leben erwachten Hauses kamen.

Dom Manoel war der Ansicht, daß mit einiger Kühnheit verhindert werden könnte, die Recherchen der Polizei vor acht Tagen zum Verdacht und vom Verdacht zur Gewißheit werden zu lassen, ehe vierzehn Tage um wären; daß folglich die Operationen der Mannschaft vor zehn Tagen nicht behindert sein würden; doch sollte das Unternehmen möglichst binnen einer Woche abgeschlossen sein.

Gegen Mittag bestieg der Gesandte eine vornehme Karosse, die Beausire gemietet hatte, um die Juweliere der Krone, die Herren Boehmer & Bossange, am Quai de l'Ecole aufzusuchen.

Der Kammerdiener klopfte bescheiden an die Tür, die mit starken Schlössern und dicken Nagelköpfen besetzt war wie eine Gefängnistür. Niemals würden Bohrer, Sägen oder Feilen gegen diese Panzerung ankommen, stellte Beausire fest, und seine Beobachtung bestätigte sich bei Ansicht der schweren Riegel und Sicherheitsvorrichtungen an der Innentür, nachdem man dem Botschafter geöffnet hatte.

Sogleich erschien Herr Boehmer persönlich und erging sich in tausend Entschuldigungen. Beausire erklärte dem Juwelier, daß Seine Exzellenz nicht Französisch verstehe, daß er die Verhandlung dolmetschen werde, und er fragte nach dem berühmten Diamantenkollier, das der Herr Gesandte für Ihre Majestät, die Allerchristlichste Königin von Portugal, zu kaufen beauftragt sei. Boehmer musterte seine Kunden mit geübtem Blick.

Dom Manoel als hochadliger Herr hatte sofort Platz genommen und ließ sein Auge blasiert über die Wandgemälde des Empfangssalons schweifen, dann schaute er gelangweilt hinaus auf das Seineufer. Beausire, der sich als Privatsekretär des Gesandten vorgestellt hatte, bemühte sich um gute Haltung.

Herr Boehmer machte einige Umstände und gebrauchte wieder und wieder forschend seine Augen. Aber der Gesandte bekundete Ungeduld, und Boehmer ließ sich endlich herbei, seinem Kompagnon zu läuten, da er ohne diesen die Juwelen zu zeigen nicht befugt sei.

Bossange trat ein. Boehmer unterrichtete ihn in zwei Worten über den Wunsch der Besucher. Bossange, nicht ohne seinerseits die Herren einer unauffälligen Musterung unterzogen zu haben, verlangte von seinem Kompagnon den Schlüssel zum Panzerschrank. Zehn Minuten später kehrte er zurück, in der Linken ein Etui, die Rechte unterm Rock verborgen, und Beausire erkannte die Formen zweier Pistolen unter dem Tuch.

Dom Manoel beobachtete die Juweliere, wenn er portugiesisch sprach, um festzustellen, ob sie die Sprache nicht etwa verstünden. Aber von daher drohte offenkundig keine Gefahr.

Endlich wurde das Etui geöffnet, das Halsband war in gleißender Pracht zu sehen, und vertrauensvoll überreichte Bossange das Behältnis samt dem Schmuck Dom Manoel.

Der aber stieß das Etui nach kurzer Betrachtung auf den Tisch.

»Ich will Diamanten sehen, und man zeigt mir Straß«, sagte er zornig. »Sagen Sie den Schuften, daß ich mich im Ministerium über sie beschweren werde.«

Beausire brauchte nicht lange zu übersetzen, Geste und Ton Seiner Exzellenz waren deutlich genug.

Die Juweliere überstürzten sich in Entschuldigungen und erklärten, daß es in Frankreich üblich sei, Modelle vorzuweisen.

Doch der Gesandte Portugals schritt bereits zur Tür, und stolz folgte ihm Beausire.

»Das Geschäft ist verpfuscht«, fluchte der Kommandeur.

»Das Geschäft ist gelaufen!« triumphierte Beausire.

»In einer Stunde sind die Gauner bei uns.«

In der Tat ließen sich die Herren Boehmer & Bossange etwa eine Stunde darauf im Gesandtschaftspalais melden. Um ihr Mißtrauen einzuschläfern, wies ihnen Beausire die Tür mit dem Bemerken, daß Seine Exzellenz nicht mehr mit ihnen zu verhandeln wünsche.

»Wie empfindlich diese Ausländer sind!« sagte Boehmer, der selbst ein Deutscher war.

Die Maßnahme blieb nicht ohne Wirkung. Die Gelegenheit, den überaus kostbaren Schmuck, die derzeit in Europa schönste Verbindung von Diamanten verkaufen zu können, wollten die Juweliere nicht verscherzen. Das Kollier, ursprünglich von Ludwig XV. für Madame Dubarry bestimmt, war ihnen durch den Tod des Königs liegengeblieben. Nun hatte es Marie-Antoinette abgelehnt. Die Reisen in alle Welt, um die Steine zu beschaffen, die teuren Juwelen selbst, die kunstreiche Arbeit, die man auf sie verwandt hatte, mußten einmal Entschädigung finden. So kam es, daß gegen Abend desselben Tages in der Gesandtschaft ein Brief überreicht wurde, in dem Herr Boehmer unter Versicherung sei-nes untertänigsten Respekts sich erbot, Seiner Exzellenz das originale Stück zur Besichtigung vorzulegen.

»Das Halsband haben wir«, sagte Dom Manoel voller Genugtuung.

»Wir müssen es nur noch bezahlen«, bemerkte Beausire ironisch. Es ärgerte ihn, daß der Portugiese sich mehr und mehr begnügte, seine Rolle zu spielen, und die Hauptlast des Unternehmens ihm, Beausire, überließ. Schließlich war er es, der die Kollegen in ihrem verschiedenen Tun im Haus überwachte, damit Ungeschicklichkeiten vermieden wurden. Er hatte dem Kanzleivorsteher den Kassenschlüssel für kurze Zeit abgelistet, um ihn in Wachs abzudrücken. Er mußte jetzt, wenn Herr Boehmer mit dem Halsband käme, die schwierige Verhandlung über die Bezahlungsweise des Schmucks führen. Kurz, er fühlte sich als die entscheidende Figur in dem Millionenspiel.

Nun, es zeigte sich, daß Herr Boehmer nicht nur den Schmuck, sondern auch die Bereitschaft mitbrachte, auf die Angebote der Herren einzugehen. Eine Baranzahlung von hunderttausend Francs bei Vertragsschluß war ihm genehm. Von seiner Glaubwürdigkeit als Gesandter zunehmend überzeugt, erwartete Dom Manoel, daß das Kollier ihm damit in die Hände fiele. Wenn die Juweliere die restliche Million vierhunderttausend Francs von dem ehrwürdigen Bankhaus Nünez Balboa in Lissabon einfordern würden, wäre man mit dem Schmuck über alle Berge. Boehmer jedoch verhandelte zähe, verlangte Sicherheiten, wollte Erkundungen in Lissabon einziehen, so daß Beausire vorschlug, Herr Boehmer sollte, selbstverständlich auf Kosten der Gesandtschaft, in Begleitung eines der Herren nach Lissabon reisen, um Ihrer Majestät die Diamanten persönlich zu überreichen und die Restzahlungen in Empfang zu nehmen.

Boehmer schien den Vorschlag gutzuheißen. Er versprach, seinen Kompagnon zur Annahme dieser Bedingungen zu bewegen. Bevor er sich verabschiedete, erbat er sich aber eine Frist von drei Tagen. Der Respekt vor Ihrer Majestät, der Königin von Frankreich, zwinge ihn, den Schmuck nicht außer Landes gehen zu lassen, ohne die Königin wenigstens davon benachrichtigt zu haben.

Dom Manoel entließ den Juwelier mit gnädiger Gebärde; er wünschte, sagte er, es handelten alle Kaufleute so loyal. Aber kaum war Boehmer gegangen, forderte er, außer sich vor Wut, Beausire zur Rechenschaft für seine Eigenmächtigkeit.

»Eine Reise nach Lissabon, sind Sie verrückt geworden? War nicht ausgemacht, daß Sie die Übergabe der Diamanten bei der Anzahlung erreichen sollten?«

»Kommandeur«, rief Beausire den Kammerdiener, »du hast doch mitgehört. Was meinst du, hätte uns der Deutsche den Schmuck für die hunderttausend ausgeliefert?«

»Boehmer hat das Palais die ganze Zeit überwachen lassen. Mißtrauen gehört zu seinem Gewerbe. Unsere einzige Möglichkeit, an die Steine zu kommen«, schloß grinsend der Kommandeur, »ist ein kleiner Überfall auf der Reise.«

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