Herr de Crosne triumphiert

Der Prozeß wurde mit all dem Eifer vorbereitet, den ruinierte Kaufleute, beschuldigte Adlige und angstgequälte Richter aufwenden, in deren Hände die Ehre und das Leben einer Königin gelegt worden ist.

Ein Aufschrei ging durch ganz Frankreich. An seinem unterschiedlichen Klang konnte die Königin ihre Parteigänger und ihre Feinde erkennen.

Seit Herr de Rohan in der Bastille war, verlangte er, Madame de La Motte gegenübergestellt zu werden. Jetzt, da auch Jeanne gefangen saß, sollte diese Genugtuung ihm gewährt werden. Der Fürst lebte in der Bastille wie ein großer Herr in einem Haus, das er gemietet hat. Außer der Freiheit wurde ihm alles bewilligt.

In Anbetracht des Standes der Personen, die in diesen Prozeß verwickelt waren, haftete diesem von Anbeginn der Geruch der Erbärmlichkeit an. Man wunderte sich, wie ein Rohan des Diebstahls bezichtigt werden konnte. Darum bezeigten der Gouverneur und die Offiziere der Bastille dem Kardinal alle Ehrfurcht und Sympathie, die man dem Unglück entgegenbringt. Für sie war er kein Angeklagter, sondern ein Opfer höfischer Intrigen. Und diese Ansicht verbreitete sich schnell auch in der Öffentlichkeit. Man ergriff sogar begeistert für ihn Partei. Herr de Rohan, einer der Vornehmsten des Reiches, verstand nicht, daß die Liebe des Volkes einzig deshalb sich ihm zuwandte, weil er von noch Höheren verfolgt wurde. Fürst Louis de Rohan, das letzte Opfer des Despotismus, war in Wahrheit und ohne es zu ahnen, einer der ersten Revolutionäre in Frankreich.

Seine Aussprache mit Madame de La Motte brachte indes nicht das ersehnte Ergebnis. Die Gräfin verlangte, mit dem Kardinal unter vier Augen zu sprechen. Dies wurde ihr verweigert, doch sollte der Rechtsbeistand des Kardinals mit der Gräfin allein reden können.

Nach dem Verbleib des Halsbands gefragt, antwortete sie diesem, sie wisse darüber nichts, doch hätte man es ihr mit Fug und Recht schenken können. Die Dienste, die sie der Königin und dem Kardinal geleistet habe, seien wohl anderthalb Millionen wert.

Als dem Kardinal diese Worte überbracht wurden, erblaßte er tödlich und begriff, daß er in die Schlinge gegangen war. Er erwog einen Verzicht auf weitere Verteidigung, um die Königin nicht zu ruinieren, aber seine Freunde und Verwandten drängten ihn, den Kampf auszutragen. Sie gaben ihm zu bedenken, daß seine Ehre auf dem Spiel stand und daß seine Unschuld ohne einen formellen Freispruch nicht bestätigt werden konnte. Sollte aber seine Unschuld erwiesen werden, mußten die Beziehungen des Kardinals zu Marie-Antoinette öffentlich erörtert werden.

Jeanne erklärte, daß sie niemals die Königin anklagen werde, ebensowenig den Kardinal; doch wenn man fortfahre, ihr die Verantwortung für das Halsband aufzulasten, würde sie beweisen, daß die Königin wie der Kardinal interessiert seien, sie der Lüge zu beschuldigen.

Als man diese Äußerungen Herrn de Rohan mitteilte, erklärte der Fürst, er verstehe das Betragen Jeannes bis zu einem gewissen Punkt, das der Königin aber gar nicht. Diese Äußerung kam Marie-Antoinette zu Ohren und brachte sie außer Rand und Band. Sie forderte, daß die Aufmerksamkeit der Untersuchungsrichter sich vornehmlich diesen geheimnisvollen Punkten zuwende. So wurden nun doch jene nächtlichen Zusammenkünfte ans

Tageslicht gezogen und der öffentlichen Neugier und Spekulation preisgegeben.

Sooft man Jeanne in die Enge trieb, entgegnete sie dasselbe: »Man möge mich in Ruhe lassen, wenn man nicht will, daß ich zuviel sage!«

Diese Andeutungen verschafften ihr beinahe den Ruf einer Heldin und verwirrten die Fäden der Untersuchung immer aufs neue. Kein Untersuchungsrichter mochte mit der gefährlichen Frau zu tun haben.

Heraus kam bei alledem, daß die Königin keine Verteidiger mehr fand. Alle früheren Verleumdungen und Beschuldigungen, die sie lange tapfer bekämpft hatte, schienen durch die Ergebnisse der Untersuchungen bestätigt. Jetzt war es nicht mehr die Frage, ob die Königin das Halsband unterschlagen hatte, man verlangte zu wissen, ob sie es durch jemanden hatte stehlen lassen, der in die Umstände ihres Ehebruchs eingeweiht war.

So weit hatte es Madame de La Motte gebracht. Schon glaubte die Königin, ihr bleibe kein anderer Ausweg als die Schmach, da traf die Nachricht ein, daß die Polizei das Fräulein Oliva gefaßt hatte.

Man errät, mit welch vergnügtem Händereiben Herr de Crosne der Königin eine Überraschung versprach und mit welcher Freude sie diese Ankündigung aufnahm. Sie hatte seit geraumer Zeit nur mehr düstere Mienen um sich gesehen.

Mit einem hermetisch verschlossenen Wagen, der seiner Kutsche folgte, fuhr Herr de Crosne nach Versailles. Die Königin wies ihn an, ihr seine Überraschung in der Bibliothek ihres Lieblingsschlosses Trianon vorzuführen, wo sie durch ein Guckloch in der Wand sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.

Wenig später stand die Königin mit klopfendem Herzen an ihrem Beobachtungsposten. Da wurde eine verschleierte Gestalt in den Nebenraum geführt. Der begleitende Beamte zog der Person den Schleier ab; und die Königin verhielt nur mit Mühe einen Schrei der Überraschung. Oliva trug eins der Lieblingskleider Marie-Antoinettes, ein grünes Kleid mit breiten, schwarzen Moirebändern. Die hohe Frisur, die grünseidenen Pantoffeln mit den Stöckelabsätzen, auch alles Beiwerk waren genau nach dem Vorbild der Königin gewählt. Entgeistert betrachtete sie ihr leibhaftiges Spiegelbild.

»Nun, was sagen Majestät zu dieser Ähnlichkeit?« fragte Herr de Crosne hochbefriedigt.

Die Königin bezeugte dem Polizeichef ihre große Dankbarkeit. Jetzt könnte die Aufklärung aller Mysterien vonstatten gehen, meinte sie und wünschte, daß der König und ganz besonders ihr böswilliger Schwager, der Graf de Provence, schnellstens sähen, was sie soeben gesehen hatte.

»Weiß Herr de Rohan bereits um Ihren Fund?«

»Herr de Rohan ist vollkommen ahnungslos.«

»Nun, jetzt ist es erwiesen«, sagte die Königin, »diese Frau ist der ganze Irrtum des Kardinals.«

»Wenn sie der Irrtum des Kardinals ist, so ist sie auch das Verbrechen anderer.«

»Suchen Sie gut, Monsieur, die Ehre der französischen Dynastie liegt in Ihren Händen.«

»Eure Majestät möge überzeugt sein, daß sie da gut aufgehoben ist.«

»Was wissen Sie von Madame de La Motte?«

»Noch weiß auch sie nicht, daß ich diese Frau gefunden habe. Bislang behauptet sie, der Graf de Cagliostro habe dem Kardinal den Kopf verdreht. Herr de Cagliostro wird heute bei mir erscheinen und mir Rede stehen.«

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