Marie-Antoinette und Madame de La Motte

Die Königin bestellte Madame de La Motte zu sich und unterrichtete sie betrübt über ihr Mißgeschick.

»Fahren Sie schnell nach Paris«, sagte sie, »und sagen Sie dem Kardinal, daß ich die fünfhunderttausend Francs für die erste Rate von ihm annehme, bis ich sie zurückzahlen kann.«

»Ach, Madame«, erwiderte Jeanne, »dann sind wir verloren. Der Kardinal hat kein Geld mehr. Eine vergessene Schuldforderung ist präsentiert worden, er konnte nicht anders. Es war sein letztes Geld.«

Die Königin fuhr auf, als wäre sie beschimpft worden. Dann versank sie in Schweigen.

»Das ist eine furchtbare Lektion«, sagte sie schließlich, »ich werde bestraft, weil ich Geheimnisse vor dem König hatte und mein Begehren unbedingt befriedigen wollte. Ich brauchte dieses Halsband ja gar nicht.«

»Gewiß, Madame, aber wenn eine Königin nur ihre Bedürfnisse, nicht aber ihre Neigungen befriedigen darf .«

»Ich hätte zuerst an die Ruhe und den Frieden meines Hauses denken müssen. Diese Niederlage soll mich lehren, welchen Peinlichkeiten ich mich nur zu leicht hätte aussetzen können. Nein, opfern wir unsere Eitelkeit auf dem Altar der Pflicht. Dieses Halsband, so schön es war, ist von nun an für mich nur mehr ein Haufen Steine, und mit Steinen tut man, was die Kinder tun, wenn sie damit gespielt haben, man wirft sie weg oder vergißt sie.«

»Was wollen Majestät damit sagen?«

»Daß Sie, liebe Gräfin, das Etui mit dem Schmuck, das Herr de Rohan mir überreicht hat, den Juwelieren Boehmer & Bossange zurückbringen sollen.«

»Aber Eure Majestät haben zweihundertfünfzigtausend Francs angezahlt!«

»Desto besser, so gewinne ich eine Viertelmillion zurück und bin mit meinen Finanzen im Einklang.«

»Madame«, rief die Gräfin, »die Viertelmillion werden Sie verlieren! Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Juweliere über das Geld schon verfügt haben und sich weigern, es wieder herauszugeben.«

»Dann überlasse ich es ihnen als Angeld, wenn sie nur von dem Vertrag zurücktreten. Mit zweihundertfünfzigtausend Francs Reugeld sind sie gut bedient, sie werden sich nicht beklagen, und niemand wird von der Geschichte etwas erfahren. Tragen Sie das Halsband fort, Gräfin, und danken Sie Herrn de Rohan für seinen guten Willen. Er ist ein verständiger Mann und ein Priester, er wird meine Handlung billigen.«

Die Königin verfügte so gebieterisch, daß Jeanne keinen weiteren Einspruch wagte. Sie versprach, zuerst nach Hause zu fahren, ehe sie die Juweliere aufsuchte, um nicht den Argwohn der Polizei zu erregen, und barg das Etui in ihrer Mantille.

Anderntags erhielt die Königin ein Schreiben von Jeanne, dem der Empfangsschein der Juweliere beigefügt war. Dieses wichtige Dokument lautete:

»Die Unterzeichneten bestätigen, das Diamantenhalsband, das Ihrer Majestät der Königin zum Preis von einer Million sechshunderttausend Francs verkauft worden war, zurückgenommen zu haben, da die Diamanten Ihrer Majestät nicht mehr gefielen. Die uns geleistete Anzahlung von zweihundertfünfzigtausend Francs ist uns als Entschädigung und Reugeld überlassen worden.«

Beruhigt verschloß die Königin diese Quittung in einer Schublade und dachte nicht weiter daran.

Daß der König jenen Betrag auf Herrn de Calonnes Liste gestrichen hatte, war schon anderntags in Paris das Tagesgespräch. Der Kardinal Rohan geriet in schwere Besorgnis. Als er zwei Tage später den Juwelieren Boehmer & Bossange einen Besuch machte, um zu hören, ob die Zahlung der ersten Rate, für die er sich verbürgt hatte, seitens Ihrer Majestät dennoch erfolgt war, vernahm er, daß die Herren zwar kein Geld, dafür aber ein Schriftstück der Königin erhalten hatten, worin sie um einen Zahlungsaufschub gebeten wurden. Es war eine Schuldverschreibung, die sie vollkommen zufriedenstellte. Boehmer & Bossange versicherten dem Kardinal, daß sie sich geehrt fühlten, von Ihrer Majestät der Königin einen solchen Vertrauensbeweis empfangen zu haben. Sie gelobten, das unbedingte Stillschweigen über diese Affäre, zu dem die Königin sie verpflichtet habe, getreulich einzuhalten, und erfreut schied der Kardinal von den Juwelieren.

Jeanne de La Motte aber war nach ihrem Besuch bei der Königin nach Hause gefahren, wie es ihr befohlen war, dann hatte sie nach stundenlangem Brüten eine unscheinbare Robe angelegt und war zu später Abendzeit in einem Fiaker zum Haus des Zeitungsschreibers Reteaux de La Villette geeilt.

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