Der Brief und die Quittung

Unterdessen war der Tag heran, an dem die Zahlung fällig war, die das Schreiben der Königin den Juwelieren Boehmer & Bossange versprochen hatte. Da Ihre Majestät sich strengste Diskretion ausbedungen hatte, warteten die Kaufleute den ganzen Tag geduldig, daß man ihnen das Geld ins Haus brächte. Aber die Quittung über fünfhunderttausend Francs, die sie für diesen Fall bereithielten, blieb unbenutzt.

Die Morgenröte des folgenden Tages befreite Boehmer & Bossange von ihren schimärischen Hoffnungen. Sie fuhren nach Versailles; Bossange sollte Boehmer im Wagen erwarten. Es war kein leichtes, ohne Audienzbrief vorgelassen zu werden. Aber Boehmer kannte die Bräuche und verteilte in den Vorzimmern Kleinigkeiten, was ihm die Erlaubnis eintrug, um zwei Uhr vor der Königin zu erscheinen.

Marie-Antoinette konnte sich nicht erklären, was Boehmer von ihr wollte.

»Wollen Sie mir wieder Juwelen anbieten?« fragte sie lächelnd den Kaufmann. »Sie wissen doch, ich habe kein Geld.«

Boehmer schwitzte. Er glaubte, es sei jemand hinter den Vorhängen verborgen und Ihre Majestät wage deshalb nicht, offen zu sprechen. Betreten blickte er sich nach allen Seiten um.

»Was suchen Sie denn nur?« fragte ihn die Königin verwundert. »Gibt es schon wieder Geheimnisse? Schon wieder irgen-dein unvergleichliches Stück? Fürchten Sie sich doch nicht, niemand kann uns hören, mein lieber Herr Boehmer.«

»Wenn dem so ist«, hob Boehmer ermutigt an, »dann möchte ich mir zu bemerken erlauben, daß Eure Majestät uns gestern vergessen haben.«

»Vergessen? Wieso denn?«

»Insofern, als gestern der Termin ...«

»Was für ein Termin?«

»Ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, daß ich . Ich weiß wohl, daß es eine Unbescheidenheit ist, und vielleicht ist die Königin nicht vorbereitet. Das wäre ein großes Unglück, aber schließlich .«

»Boehmer, ich begreife von alledem kein Wort. Erklären Sie sich deutlicher.«

»Nun, Eure Majestät haben vergessen, daß gestern die erste Rate für das Halsband fällig war«, kam Boehmer endlich schüchtern heraus.

Marie-Antoinette begriff noch immer nicht, Boehmer erklärte den Fall; Marie-Antoinette geriet außer sich, und Boehmer schlotterte, blieb aber fest bei seiner Behauptung. Marie-Antoinette wies ihren Empfangsschein vor, Boehmer leugnete, diese Quittung ausgestellt und unterzeichnet zu haben. Er präsentierte seinerseits das Schriftstück Ihrer Majestät. Marie-Antoinette las es.

»Das ist nicht meine Schrift!« sagte sie.

»Es ist unterzeichnet«, stöhnte Boehmer.

»Marie-Antoinette von Frankreich ... Sie sind wohl verrückt? Darf ich >von Frankreich< unterschreiben? Ich bin Erzherzogin von Österreich, mein Herr. Die Falle ist zu plump, sagen Sie das Ihren Fälschern.«

»Meinen Fälschern?« stammelte der Juwelier, einer Ohnmacht nahe. »Eure Majestät verdächtigen mich, Boehmer?«

»Und Sie verdächtigen mich, Marie-Antoinette?«

Die Königin und der Juwelier blickten einander an, und beide zwangen sich zu klarer Überlegung. Boehmer holte Bossange zur Verstärkung. Die Königin befragte die Herren, wann und durch wen sie ihr Schriftstück erhalten hatten, und schloß, daß sie sowohl als die Juweliere hintergangen worden waren. Sie läutete und verlangte, ungesäumt die Gräfin de La Motte zu sehen, aber die Gräfin war bei Hofe nicht erschienen. Noch wollte die Königin ihre Vertraute in dieser Sache nicht offen verdächtigen, aber sie versprach den Juwelieren, sie der Person zu konfrontieren, der sie das Halsband zur Rückgabe überantwortet hatte. Inzwischen sollten die Herren zum Kardinal Rohan gehen. Er werde sicherlich in allem Klarheit schaffen, sagte sie ruhig, doch war ihre Ruhe vorgetäuscht, und sie sandte Bote auf Bote zu Madame de La Motte.

Der Kardinal fiel ebenso aus den Wolken wie die Königin, als Boehmer & Bossange ihm den Fall darstellten. Auch er erkannte das vorgebliche Schriftstück Ihrer Majestät sofort für eine Fälschung, als er die Unterschrift Marie-Antoinette von Frankreich las. Doch verbot er den Juwelieren streng, seine Freundin, Madame de La Motte, mit einem Verdacht zu belasten. Sein ganzer Zorn richtete sich gegen die Königin, denn ihre Antworten auf seine leidenschaftlichen Briefe waren mit jedem Mal kühler, strenger und zuletzt gänzlich abweisend ausgefallen. Marie-Antoinette erschien dem tief beleidigten Mann wortbrüchig, ehrlos und frivol. Selbstverständlich verbarg der Fürst seine Gefühle vor den Kaufleuten, aber sein Bescheid lautete, er werde morgen, bevor er um elf Uhr in der Kapelle von Versailles das Hochamt halte, die Königin fragen, ob sie das Halsband besitze. Die Juweliere möchten sich dann in der Nähe halten.

»Sie werden ja sehen, was sie antwortet«, sagte er. »Wenn sie vor mir leugnet . Nun, meine Herren, ich bin ein Rohan, dann bezahle ich.«

Diese Worte hatte er mit einer Grandezza gesprochen, die sich in schlichter Prosa gar nicht wiedergeben läßt. Ihr Sinn war Zweifel an der Königin.

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