Die Versucherin

»Guten Tag, die Herren Juweliere«, begrüßte Marie-Antoinette die Eintretenden. »Was bringen Sie mir Neues? Sie wissen doch, ich habe kein Geld.«

Madame de La Motte hatte ihren Posten wieder eingenommen; bescheiden und wachsam blieb sie abseits stehen.

Die Herren, in Gala, näherten sich unter wiederholten Verneigungen dem Lehnstuhl Ihrer Majestät.

»Madame«, nahm Herr Boehmer als Sprecher der Firma das Wort, »wir sind nicht gekommen, um Eurer Majestät Waren anzubieten, wir müßten sonst befürchten, Ihnen aufdringlich zu erscheinen. Wir erfüllen mit unserem Kommen eine Pflicht, und dieses Bewußtsein hat uns ermutigt.«

Umständlich erklärten sie nun, daß das schöne Halsband, das die Majestät ausgeschlagen hatte, das zu tragen jedoch einzig Ihre Majestät würdig wäre, nunmehr verkauft werde.

Die Neugier der Königin ruhte nicht, ehe sie die Juweliere, die sich auf ein Staatsgeheimnis beriefen, dahin gebracht hatte zu verraten, daß der Käufer der portugiesische Gesandte sei.

Madame de La Motte war nicht entgangen, mit welchem Bedauern die Königin von dem Geschmeide sprach, und als sich zeigte, daß die Herren es noch einmal zur Ansicht mit sich führten und daß die Königin dem Verlangen, es abermals zu betrachten, nicht widerstehen konnte, genoß Jeanne die Lust, dieses

Prachtstück zu bewundern und die Begehrlichkeit der Königin aufs neue zu erwecken.

»Herrlich! Wundervoll!« rief sie hingerissen ein übers andre Mal.

»Nun ja«, versetzte die Königin, auch sie war von dem Schauspiel der tausendfältig gleißenden, sprühenden, flammenden Steine wiederum in Bann geschlagen wie beim erstenmal, »das wären anderthalb Millionen, die ich in meiner hohlen Hand halten könnte. Glück für die Königin von Portugal. Es sind in der Tat wundervolle Steine, aber reden wir nicht mehr davon.«

Jeanne fand im Gegenteil, daß man sehr viel von ihnen sprechen sollte, in ihrem Kopf regten und kreuzten sich neue Ideen, und sie gab die Hoffnung nicht auf, die Königin zu überzeugen.

»Der Herr Juwelier hat recht«, sagte sie, »es gibt auf der Welt nur eine Königin, die würdig ist, diesen Schmuck zu tragen: Eure Majestät.«

»Und doch wird meine Majestät ihn nicht tragen«, erwiderte Marie-Antoinette mit erkünsteltem Phlegma.

»Wir durften ihn indessen aus Frankreich nicht fortgehen lassen«, bemerkte der Juwelier, »ohne Eurer Majestät wenigstens unser tiefes Bedauern zu Füßen zu legen. Dies ist ein Schmuckstück, das jetzt in ganz Europa bekannt ist und um das man viel Aufsehen macht. Unser nationaler Stolz erlaubt nicht, daß eine andere Fürstin sich damit schmücke, ehe Sie, Madame, nicht noch einmal, endgültig und unwiderruflich Ihre Ablehnung bekundet haben.«

»Ich habe sie bereits ausgesprochen«, entgegnete die Königin, »und man hat mich in der Öffentlichkeit zu sehr dafür gelobt, als daß ich sie bereuen könnte.«

»Majestät, wenn das Volk es edel gefunden hat, daß Sie ein Kriegsschiff einem Halsband vorzogen, so hätte der Adel, der ebenso französisch gesinnt ist, nichts Erstaunliches daran ge-funden, wenn die Königin von Frankreich ein Halsband gekauft hätte, nachdem sie ein Kriegsschiff gekauft hat.«

»Sprechen wir nicht mehr davon«, sagte Marie-Antoinette mit einem letzten Blick auf die Steine. Jeanne seufzte.

»Sie seufzen, Gräfin; aber Sie an meiner Stelle würden nicht anders handeln als ich.«

»Ich weiß nicht«, murmelte Jeanne.

»Haben Sie sich satt gesehen?« fragte die Königin.

»Das ist unmöglich, Madame.«

»Lassen Sie diese Neugierige die Steine noch ein wenig bewundern, meine Herren. Die Diamanten verlieren dadurch ja nichts. Sie sind leider immer noch eineinhalb Millionen wert.«

Dieses Wort bot Jeanne den erwarteten Anlaß einzugreifen.

»Gewiß, eineinhalb Millionen Francs, Madame. Sie würden, wenn, Sie sie an Ihrem Halse trügen, die Eifersucht aller Frauen der Welt erregen ...«

Damit nahm sie das Halsband so behende aus dem Etui und legte es so flink um den samtenen Hals Marie-Antoinettes, daß diese sich jäh von einem phosphoreszierenden Gefunkel überflutet sah.

»Oh! Eure Majestät sehen herrlich aus«, rief Jeanne.

Marie-Antoinette eilte vor einen Spiegel und stand geblendet.

Ihr schlanker, geschmeidiger Hals, zart wie der Stengel einer Lilie und doch bestimmt, unterm Eisen zu fallen, schwang sich anmutig auf aus der glitzernden Flut.

Jeanne hatte gewagt, die Schultern der Königin zu entblößen, so daß die äußerste Reihe der Steine auf ihren Busen fiel. In strahlender Schönheit erblickte sich die Königin, erblickte sich das Weib. Liebhaber oder Untertane, alle wären jetzt vor ihr in die Knie gesunken.

Marie-Antoinette vergaß sich für Augenblicke in der Bewunderung ihrer selbst. Dann, von Angst erfaßt, wollte sie das Halsband von ihren Schultern reißen.

»Genug«, rief sie, »genug!«

»Es hat Eure Majestät berührt«, rief Boehmer aus, »es darf niemand anderem mehr gehören!«

»Ausgeschlossen«, entschied die Königin mit fester Stimme, »ich habe ein wenig mit diesen Diamanten gespielt, aber es wäre ein Fehler, dieses Spiel fortzusetzen.«

»Wir lassen Ihrer Majestät jede erforderliche Zeit, sich mit dem Gedanken zu befreunden«, sagte Boehmer mit schwingender Stimme, noch immer hoffend, die Königin werde sich anders besinnen.

Marie-Antoinette aber ließ sich von nun an nicht mehr in ihrem Beschluß beirren, mochten die Juweliere das Geschmeide noch so kunstreich in ihren Händen spielen lassen, mochte Jeanne de La Motte ihre Überredungskunst noch so geschickt einsetzen - die Königin verabschiedete sie endlich, erschöpft von diesem Ringen gegen die gefährliche Versuchung.

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