Siebenundzwanzig

»Was ist das?«, murmelte Jonas. »Ketchup und Senf für die kleinen Trockennahrungspellets?«

Er zog den Korkstopfen aus einem der Gefäße und roch an der sämigen, lila scheinenden Flüssigkeit: Es war Farbe.

Die beiden Gefäße waren identisch mit jenen, die sich in John Whites Truhe befanden.

»Sie haben einen echt kranken Humor, Zwei«, murmelte Jonas. »Wenn man bedenkt, was wir alles nicht haben - von den vielen Antworten, die uns fehlen, mal ganz abgesehen -, und Ihnen fällt nichts anderes ein, als uns noch mehr Farbe zu schicken?«

»Jonas! Was machst du da? Komm her!«, rief Katherine von draußen. »Die Markerjungen gehen los!«

Jonas trat aus der Hütte und schwenkte die Farbtöpfe.

»Seht mal, was Zwei uns noch dagelassen hat«, sagte er. »>Mit besten Grüßen<, schreibt er. Ich würde sagen, jetzt bekennen wir Farbe: Wir wollen Ihre blöden Geschenke nicht, Zwei!«

Damit warf er die Töpfe wieder in die Melonenpflanze. Sie brachen mehrere Blätter ab, sodass eine ganze Reihe Markerblätter entstand.

Katherine sah ihren Bruder stirnrunzelnd an.

»Nein, warte«, sagte sie. »Wir sollten sie mitnehmen. Damit wir nicht mehr Zeitschlamassel hinterlassen als unbedingt nötig.«

»Ja, schon gut«, murmelte Jonas. Er klaubte die Töpfe wieder zwischen den Blättern hervor. Dann ging er zur Truhe hinüber und ließ sie zu John Whites anderen Malutensilien fallen.

»Ich bin froh, dass wir von dieser unheimlichen Insel, dieser unheimlichen Hütte und den Geschenken dieses unheimlichen Kerls fortkommen«, sagte er. Aus irgendeinem Grund war er sicher, dass es auf Croatoan anders sein würde.

»Wie wär's mit Anpacken?«, brummelte Katherine.

Jonas sah, dass sie und Andrea Anstalten machten, John White über die Lichtung zu schleifen, um dem Jungen zu folgen, der den Marker des alten Mannes forttrug.

»Ach ja. Tut mir leid«, sagte Jonas.

Er ging zu den Mädchen hinüber. Sie hatten bereits versucht den Mann zu ziehen, indem sie ihn unter den Achseln packten, doch zu dritt gelang es ihnen, ihn mehr oder weniger in eine aufrechte Position zu bringen. John White sackte der Kopf auf die Brust und seine Beine schleiften nutzlos über den Boden.

»Wir . müssen ihn wieder . mit seinem Marker zusammenbringen!«, stöhnte Andrea.

Weiter vorn legte der Markerjunge John Whites Marker wieder in die Gabelung des Asts, auf dem sie ihn am Vorabend transportiert hatten. Jonas, Katherine und

Andrea platzierten den echten Mann deutlich weniger elegant an der gleichen Stelle.

»Jetzt sieht er viel besser aus«, sagte Andrea.

Es stimmte. John Whites Gesicht nahm auf der Stelle Farbe an. Die Schweißperlen verschwanden. Und obwohl seine Augen weiterhin geschlossen blieben, machte er insgesamt einen friedlicheren Eindruck.

Hilft es John White wirklich so sehr, mit seinem Marker zusammen zu sein, wie Andrea glaubt?, fragte sich Jonas. Oder sehen wir einfach nur, dass der Marker gesünder ist?

Dare fing an zu bellen. Der zweite Junge trug die Markertruhe herüber, um sie neben John White auf den Ast zu stellen.

»Stimmt. Keine Sorge, ich hole sie, alter Junge«, murmelte Jonas.

Er war froh, dass Andrea und Katherine mit John White beschäftigt waren und nicht mitbekamen, dass er die Truhe nur zog. Nein, jetzt schauten die Mädchen nach vorn durch die Bäume. Als Jonas die Truhe auf den Ast hievte und ihn dabei fast durchbrach, wurde ihm klar, dass die Mädchen zu einem schmalen Streifen Wasser hinüberschauten, der durch die Bäume zu sehen war.

»Glauben die Marker vielleicht, dass dieser Ast schwimmen kann?«, fragte Andrea. »Wenn wir zu einer anderen Insel übersetzen .«

Daran hatte Jonas noch gar nicht gedacht. Es gab einfach zu viel, was sie im Auge behalten mussten.

»John White würde runterfallen«, sagte Katherine.

»Er schafft es nicht mal über eine Pfütze, wenn ihn nicht mehr an Ort und Stelle hält als das hier.«

»Sicher...«, begann Andrea.

Sie brach ab, weil einer der Markerjungen den Ast vorwärtsschob - ganz allein.

»Angeber«, murmelte Jonas.

Der andere Junge ging zum Wasser hinunter.

»Wir müssen auch schieben!«, sagte Andrea. »Wir dürfen nicht zulassen, dass mein Großvater von seinem Marker getrennt wird!«

Sie mussten zu dritt drücken und stoßen, um den Ast wieder mit seinem Gegenstück übereinzubringen. Zum Glück ging es von da an leicht bergab, sodass das Hauptproblem darin bestand, den Ast kontrolliert abrutschen zu lassen.

Als Jonas das nächste Mal aufsah, hatten sie das Wasser erreicht und der zweite Markerjunge stand nur wenige Meter entfernt am Ufer. Kurz darauf verschwand er hinter einem Baum und tauchte wenig später auf dem Wasser wieder auf - in einem Markerkanu.

»Ach, es gibt ein Kanu«, sagte Jonas. »So soll es also ablaufen.«

Er ärgerte sich ein bisschen über Andrea und Kathe-rine, die ihn so erschreckt hatten. Natürlich würden die Markerjungen nicht versuchen, einen alten Mann und eine Schatzkiste auf einem brüchigen, kippligen Ast von einer Insel zur nächsten zu schippern.

Jonas sauste zu dem Baum hinüber, vor dem der Markerjunge noch kurz zuvor gestanden hatte. Es war wie bei der Suche nach John Whites Schatztruhe. Er musste einfach nur dort nachschauen, wo sich ein Marker befunden hatte. Der Junge war zwar hinter dem Baum verschwunden, doch er war mit dem Kanu so schnell wieder aufgetaucht, dass das echte Gegenstück nicht weit weg sein konnte.

Jonas sah nach unten.

Kein Kanu.

Er sah nach rechts.

Nichts.

Nach links.

Nichts.

Er sah das Ufer auf und ab, dann, so weit er konnte, aufs Wasser hinaus. Nichts, nichts, nichts. Ein echtes Kanu war weit und breit nicht zu sehen.

»O nein«, stöhnte Jonas, von Verzweiflung gepackt. »O nein.«

Es erschien so logisch, dass die Markerjungen ein Kanu hatten. Schließlich waren sie allein auf einer Insel gewesen. Irgendwie mussten sie ja dorthin gekommen sein.

Aber sie waren nicht wirklich hier, dachte Jonas verwirrt. In unserer Version der Zeit waren sie nicht hier. War . ihr Kanu dann auch nicht da?

Er wollte sich auf diesen Schluss lieber nicht einlassen. Matt lehnte er sich an einen Baum und versuchte alles noch einmal zu durchdenken und zu einer anderen Antwort zu gelangen.

Der Markerjunge lenkte das Kanu dicht ans Ufer und hielt es ruhig, während der andere Junge John Whites

Marker beim Hineinklettern behilflich war. Dann lud der zweite Junge die Truhe und den Beutel mit dem Trockenfleisch ein. Er schob das Kanu ins tiefe Wasser, ehe er selbst hineinsprang und ein Paddel ergriff.

Dann paddelten die beiden Jungen, ohne sich umzublicken, mit John Whites Marker davon.

Загрузка...