Fünfunddreißig

Sie lagen weit verstreut am Strand einer nahe gelegenen Insel. Es sah aus, als hätte es dort so viele Tote gegeben, dass niemand übrig geblieben war, um die Leichen wegzuräumen.

»Unsere Marker wussten nicht, dass wir so nah an Croatoan herangetrieben sind, während wir uns unterhalten haben«, flüsterte Brendan. »Sie haben alles versucht, um nicht daran zu denken. Es regelrecht aus ihren Gedanken verbannt.«

»Weil es zu schrecklich ist«, stimmte ihm Antonio zu.

»Hat Zwei das angerichtet?«, fragte Jonas, in dem der Zorn aufstieg. »Dieses Massaker?«

»Nein, nein«, sagte Brendan.

Katherine atmete tief aus, als hätte sie die Luft angehalten.

»Das sind keine Menschenknochen«, sagte sie. »Ich dachte schon, sie stammen von Menschen!«

Jonas blinzelte. Er verstand, warum Katherine das gedacht hatte. Fast wäre es ihm ebenso ergangen. Trotzdem fühlte er sich keineswegs erleichtert, als seine Augen ihm bestätigten, dass dort nur Tierkadaver vor ihnen lagen: Schädel und Rumpfskelette, die von Rehen, Füchsen, Wölfen und Bibern stammen mussten, aber nicht von Menschen. Die Knochen waren so zahlreich, dass sie zu flüstern schienen: Tod, Tod, alle tot...

»Das ist so abartig«, sagte Brendan mit belegter Stimme. »Ein Gräuel.«

»Eine Schändung«, sagte Antonio.

Jonas vermutete, dass sie zu Algonkin übergewechselt waren, um das zu sagen, weil die englischen Worte vielleicht nicht stark genug waren.

»Das verstehe ich nicht«, sagte Katherine. »Ihr habt doch selbst schon Tiere getötet. Eure Marker, meine ich damit. Und nicht nur Fische. Wir haben gesehen, wie die Marker auf Roanoke das Reh geschossen haben. Sie . sie haben es geschlachtet.«

»Nachdem sie es um Erlaubnis gebeten haben«, sagte Brendan.

»Hör auf es erklären zu wollen«, sagte Antonio barsch. »Sie werden es doch nicht verstehen!«

»Nein, ich muss das erklären«, erwiderte Brendan. Er sah Katherine in die Augen. »Unser Stamm sieht sich im Einklang mit der Natur. Wenn wir ein Leben nehmen, tun wir das mit Respekt. Auch die Tiere behandeln wir so, selbst im Tod.« Er machte ein bedauerndes Gesicht. »Egal wie es für euch ausgesehen haben mag, wir sind keine Wilden.«

»Die Weißen sind die Wilden!«, sagte Antonio. »Die Art, wie sie töten, ohne jeden Respekt .«

»Du bist auch ein Weißer, Antonio!«, sagte Jonas, der es nicht länger aushielt.

»Das habe ich aufgegeben«, sagte Antonio mit todernstem Gesicht. »Ich bin jetzt ein Stammesmensch.«

Und plötzlich wusste Jonas nichts mehr zu sagen. Es war offensichtlich, dass es Antonio nicht um die Hautfarbe ging, sondern um die Denkart, die Einstellung zum Leben.

»Also haben Europäer das getan?«, fragte Katherine verwirrt. Sie wies mit der Hand auf die Skelette, die das Ufer säumten. »Waren es die Engländer? Die Spanier? Oder...«

»Ja und nein«, sagte Brendan.

»Meine Leute sind dafür verantwortlich«, sagte Andrea gequält. »Die Kolonisten von Roanoke. Wir haben den Tod mitgebracht, als wir kamen. Seuchen. Ich habe alles über die Krankheiten gelesen, aber mir war nicht klar .«

Jonas hatte sich so sehr auf die vor ihm liegende Szenerie konzentriert, dass er Andrea fast vergessen hatte. Sie hatte so still dagesessen. Selbst jetzt sah sie aus wie eine Statue: Ihr Gesicht war ganz bleich unter dem Sonnenbrand und in ihren Augen brannte der Schmerz. Jonas verstand nichts von Kunst und er dachte auch nicht oft darüber nach, doch er konnte sich vorstellen, dass jemand in diesem Moment eine Skulptur nach ihr fertigen würde.

Und sie würde den Titel tragen: Am Boden zerstört.

»Ihr meint, die Kolonisten von Roanoke haben eine Seuche eingeschleppt, eine Krankheit, die alle diese Tiere umgebracht hat?«, fragte Katherine, die immer noch verwirrt klang.

»Nein, ihre Krankheiten haben Menschen getötet«, sagte Brendan. »Massen von Menschen. In manchen Dörfern sind so viele gestorben, dass die Überlebenden geflohen sind und die Leichen einfach an Ort und Stelle zurückgelassen haben.«

»Das ist für uns Stammesmenschen eine schreckliche Sünde«, erklärte Antonio. »Ein Sakrileg.«

»Unsere Marker vermeiden diese Dörfer«, sagte Bren-dan. »Sie glauben, dass die bösen Geister sich dort noch aufhalten.«

Jonas fiel auf, dass Antonio Brendan diesmal nicht korrigierte, als er die Bazillen böse Geister nannte.

»Aber der schlimmste Ort von allen ist hier auf Croa-toan«, fuhr Brendan fort. »Als die Menschen starben, legten sie die Tierkadaver an den Strand, um Reisende abzuschrecken und sie vor dem Bösen zu warnen. Denn Tiere so zu behandeln ist ebenfalls böse.«

Er zeigte auf die Skelette, die endlosen Reihen der Toten.

»Wenn die Menschen alle gestorben sind, dann sind ihre Gebeine auch noch hier, nicht?«, fragte Katherine entsetzt.

Brendan zuckte hilflos die Schultern.

»Unsere Marker glauben das«, sagte er.

»Lasst meinen Großvater das nicht sehen«, entfuhr es Andrea. »Bitte, ich flehe euch an, lasst nicht zu, dass eure Marker ihm zeigen, was hier passiert ist.«

An die Marker hatte Jonas gar nicht mehr gedacht. Es war ihm völlig entfallen, dass sie hierhergekommen waren, weil John White Geht Voller Stolz und Der Vieles

Überlebt gebeten hatte, ihn nach Croatoan zu bringen. Weil John White glaubte, dass er hier seine Familie und seine Freunde wiederfinden würde.

Jonas zwang sich über die am Strand verstreuten Skelette hinwegzusehen. Gleich hinter der Uferlinie befand sich eine Reihe Hütten, die langsam verfielen und offensichtlich verlassen waren. Sie sahen noch trostloser aus als das Indianerdorf auf Roanoke. Noch trauriger.

An diesem Ort würde es nicht zu dem glücklichen Familientreffen kommen, das John White - und Andrea -so sehr herbeisehnten.

»Andrea«, sagte Brendan bedauernd. »Wir können unseren Markern nichts vorschreiben. Wir wissen nicht, wie wir sie aufhalten sollen.«

Andrea beugte sich hinab und umarmte John White.

»Oh, Großvater, ich bin so froh, dass du nicht wirklich wach bist!«, sagte sie. »Ich bin so froh, dass du das hier nicht miterlebst!«

Im Augenblick war er ganz und gar mit seinem Marker vereint und die Augen des Markers ebenso fest geschlossen wie die des echten Mannes.

»Haben die Markerjungen ihm denn nicht gesagt, was ihn hier erwartet?«, fragte Katherine. »Haben sie ihn nicht vorgewarnt?«

Antonio schüttelte den Kopf.

»Sie haben es versucht, aber . die Verständigung klappt nicht besonders gut«, sagte er. »Unsere Marker sprechen kein Englisch und John White versteht kaum Algonkin.«

Jonas wurde bewusst, dass er während der ganzen Zeit, in der Antonio und Brendan mit ihren Markern zusammen gewesen waren, tatsächlich kaum einen Wortwechsel zwischen den Jungen und John White mitbekommen hatte.

»Aber auf Roanoke hat es so ausgesehen, als würden alle Marker miteinander reden«, wandte er ein. »Und sich verstehen. Als John White die Markerjungen gebeten hat, seine Schatztruhe zu holen ... und nach Croatoan zu fahren ...«

Jonas fiel ein, wie langsam und bedächtig die Markerjungen genickt hatten. Hatten sie davor oder danach irgendetwas gesagt oder zu erklären versucht? Er hatte nicht allzu sehr darauf geachtet, weil die Aussicht, nach Croatoan zu fahren, ihn und die Mädchen gehörig in Aufregung versetzt hatte.

»John White hat alles, was er gesagt hat, auf Algon-kin und auf Englisch gesagt«, erklärte Brendan.

»Ach so! Deshalb konnte ich ihn verstehen!«, sagte Andrea, als habe sie sich darüber schon den Kopf zerbrochen.

»Sein Algonkin klingt zwar eher wie Babysprache, aber unsere Marker können trotzdem einiges davon verstehen«, erklärte Antonio. »Allerdings hat er kaum etwas von dem verstanden, was sie ihm sagten, obwohl sie ganz einfache Worte benutzt haben. Also dachten sie . dass sie es ihm zeigen müssen.«

Jonas hoffte ein wenig, sie würden immer weiter vom Übersetzen und anderen langweiligen, nutzlosen Dingen reden. Doch Brendans und Antonios Marker hatten aufgehört wortlos die Skelette anzustarren. Die beiden Markerjungen machten entschlossene Mienen und pressten die Zähne aufeinander - kleine, fast unmerkliche Anzeichen dafür, dass sie sich für eine unangenehme Aufgabe wappneten. Dann setzten sie sich zurecht, um auf das Ufer von Croatoan zuzupaddeln.

Brendan und Antonio selbst rührten sich nicht.

»Wir müssen dafür nicht unbedingt mit unseren Markern zusammenbleiben«, sagte Brendan leise. »Sie haben nicht vor, sich auf Croatoan lange aufzuhalten. Wir können einfach im Kanu bleiben und auf sie warten.«

Alle drehten sich zu Andrea um, als herrsche ein stilles Einverständnis unter ihnen, dass es ihr zufiel, diese Entscheidung zu treffen.

»Nein«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Wir sollten . Ich muss das sehen. Ihr anderen könnt hier beim Kanu bleiben, aber ich muss dorthin .«

Ohne ein weiteres Wort drehte Antonio sich um. Mit ein paar geschickten Paddelschlägen hatte er seinen Marker eingeholt. Jonas hörte, wie Brendan hinter ihm im Kanu sachte das Paddel eintauchte.

Viel zu schnell erreichten sie das Ufer und viel zu zügig befestigten Antonio und Brendan das Kanu an einem Baum.

Ich bin noch nicht bereit, mir das anzusehen, dachte Jonas.

»John White kann sicher nicht unterscheiden zwischen englischen Skeletten und denen, die von hier stammen, oder?«, fragte Andrea verzagt.

»Das . glaube ich nicht«, antwortete Katherine ohne eine Spur ihrer üblichen Zuversicht.

»Ich will einfach nicht, dass er die Skelette sieht und weiß Das hier war meine Tochter oder Das hier war mein Schwiegersohn und Das hier ...«, Andreas Stimme schwankte, trotzdem zwang sie sich weiterzusprechen: »... war meine Enkeltochter.«

»Dein Skelett ist nicht hier, Andrea«, sagte Jonas. »Du hast gesagt, du fühlst dich wohl in diesem Zeitalter. Weißt du noch? Also bist du auch noch am Leben. Virginia Dare ist noch am Leben. Dein Marker ist irgendwo da draußen.«

Es war schwer, über diese Insel des Todes hinauszudenken. Trotzdem würden sie weiter nach Andreas Marker suchen müssen . irgendwo.

Selbst wenn ihnen nichts mehr einfiel.

Andrea zuckte zusammen.

»Im Moment fühle ich mich . überhaupt nicht gut«, sagte sie und versuchte tapfer ein Lächeln zustande zu bringen.

Sie stieg dicht hinter Brendan und Antonio aus dem Kanu. Dare sprang neben ihr heraus und rieb winselnd den Kopf an ihrem Bein, als begreife er, dass ihr etwas Schreckliches bevorstand.

In der Zwischenzeit hatte sich Antonio hinuntergebeugt, um John White aus dem Kanu zu heben. Doch dann trat er zurück, sodass lediglich sein Marker den Marker von John White heraushob.

»Wir lassen den echten Mann hier im Kanu weiterschlafen«, murmelte er und bei Jonas regte sich ein we-nig das schlechte Gewissen, weil er Antonio für nichts als einen Widerling gehalten hatte.

Sobald sich sein Marker aufrichtete, verschmolz Antonio mit ihm. Auch Jonas und Katherine kletterten aus dem Kanu.

»Ihr müsst euch das wirklich nicht alle ansehen«, sagte Andrea. »Es reicht, wenn die Marker und ich es tun.«

»In dieser Sache stecken wir zusammen drin«, sagte Katherine und ausnahmsweise war Jonas völlig ihrer Meinung. Er vergaß sogar, sich darüber zu ärgern, dass er es nicht selbst gesagt hatte.

Antonio trug John Whites Marker mit äußerster Behutsamkeit an den Tierskeletten vorbei, die über das Ufer verstreut lagen. Die anderen blieben dicht in seiner Nähe und suchten sich ihren Weg zwischen den Knochen hindurch. Antonio ging so vorsichtig - und so anmutig -, dass John Whites Marker einfach weiterschlief und leise vor sich hin schnarchte. Nein, verbesserte sich Jonas. Antonio hat keinen Einfluss auf den Marker. Er könnte ihn nicht aufwecken, selbst wenn er es versuchen würde! Dennoch bewegte sich Antonio derart synchron mit seinem Marker, dass es aussah, als gäbe es tatsächlich eine Verbindung zwischen dem Jungen und dem Marker des alten Mannes. Als sie die Reihe der baufälligen Hütten erreichten, kniete sich Antonio mit dem Markermann hin, um ihn zu wecken und so hinzusetzen, dass er die Knochen am Strand im Rücken hatte.

»Er ist so umsichtig«, schwärmte Andrea. »Er versucht wirklich John White den schlimmsten Anblick zu ersparen!«

Nein, hätte Jonas auch sie am liebsten korrigiert. Es ist Antonios Marker, der umsichtig ist. Doch im Moment waren Antonio und sein Marker eins, daher war es unmöglich, sie sich getrennt vorzustellen.

Dann ließ der Anblick des Dramas, das sich vor seinen Augen abspielte, ihn alles andere vergessen. Bren-dan verschmolz ebenfalls mit seinem Marker und kauerte sich auf die andere Seite von John Whites Marker.

»Das hier Croatoan«, sagte er sanft mit der Stimme seines Markers. Jonas merkte, wie sehr Brendan sich bemühte angesichts der beschränkten Algonkin-Kenntnis-se von John White langsam und in einfachen Worten zu sprechen. »Verstehen? Alle fort. Vielleicht alle tot. Vielleicht nur weg.«

»Tot?«, wiederholte John Whites Marker benommen. Seine Gesichtszüge waren ausnahmsweise so scharf, dass Jonas sicher war, ihm genau von den Lippen ablesen zu können. »Tot heißt .«

John Whites Marker versuchte sich aufzurichten. Einen Moment lang hatte es den Anschein, als wollte Antonio ihn davon abhalten, doch dann sagte Brendan: »Er wird uns nicht glauben, wenn er es nicht mit eigenen Augen sieht.«

Antonio half dem Marker des alten Mannes auf die Beine und legte ihm den Arm um die Schulter. Brendan umfasste den Marker von der anderen Seite und gemeinsam führten ihn die beiden zur nächstgelegenen Hütte.

Jonas konnte nicht anders, als sie dafür zu bewundern, wie sie John Whites Marker eskortierten und ver-hinderten, dass er die Tierskelette sah. Doch was sollte das nutzen, wenn er dafür in der Hütte menschliche Skelette entdecken würde?

Nervös schlich er sich von hinten an Antonio, Bren-dan und den Marker heran und versuchte an ihnen vorbei in die Hütte zu spähen.

»Huch!«, rief Brendan und wandte sich von seinem Marker ab. »Hier sind gar keine Skelette!«

Jonas sah hinein - es war nur eine leere Hütte.

Auch die nächste Hütte war leer, ebenso wie die dritte und die vierte. Dann kamen sie zu einem andersgearteten Gebäude, an dessen Wänden sich eine Art Holzgerüst entlangzog. In Tierfelle gehüllte längliche Bündel lagen auf sämtlichen Ebenen des Gerüsts. Konnten diese Bündel Skelette sein?

John Whites Marker nickte, als habe er verstanden. Doch er wirkte nicht erschüttert. Er öffnete den Mund und sagte etwas. Jonas wünschte inständig verstehen zu können, was der Marker sagte. Doch ohne den echten John White blieb sein Marker natürlich vollkommen lautlos.

»Oh, wie merkwürdig! Jetzt spricht er Englisch und mein Marker kann ihn nicht verstehen. Aber ich verstehe, was mein Marker hört«, berichtete Brendan. »John White sagt, er kennt den Tempel der Bewohner von Croa-toan, in dem sie die Leiber ihrer verstorbenen Anführer aufbewahren. Das hat er schon in anderen Dörfern, auf früheren Reisen nach Amerika, gesehen. Er sagt, das Gleiche würden sie auch in England machen, wo sie die bedeutenden Toten in Kathedralen in Krypten legen.«

Jonas war in einer solchen Krypta gewesen. Im fünfzehnten Jahrhundert, auf seiner letzten Reise durch die Zeit. Und dieser Dorftempel erschien ihm nicht unheimlicher als diese.

Sie verließen den Tempel und Jonas, Katherine und Andrea liefen voraus, um Antonio und Brendan nicht davon abzuhalten, mit ihren Markern zusammenzubleiben. Die beiden Jungen führten John Whites Marker auf ein offenes Feld.

»Das hier ist die Begräbnisstätte für die anderen Toten«, sagte Antonio und sprach durch seinen Marker.

John White sagte etwas, das Brendan übersetzte: »Er fragt: >Viele, viele Generationen?<«

»Nein«, erklärte ihm Antonio. »Viele starben auf einmal.«

Der Kummer, der sein Gesicht überschattete, verriet Jonas, dass John White verstand.

»Aber einige haben überlebt«, sagte Antonio. »Sie haben überlebt und ihre Toten begraben, ehe sie fortgingen.«

Wieder sagte John Whites Marker etwas und Jonas konnte sich auch ohne Brendans Übersetzung denken, was es war: »Wohin sind sie gegangen?«

Antonio zuckte die Achseln.

»Das wissen wir nicht«, sagte er sanft. »Niemand weiß es. Bis jetzt wussten wir nicht einmal, dass jemand überlebt hat.«

John Whites Marker wandte sich ab. Seine Miene war traurig und nachdenklich, aber nicht hoffnungslos. Er sprach.

»Er sagt: >Meine Suche geht weiter. Ich wusste, dass es nicht leicht wird<«, flüsterte Brendan.

Andrea gab einen kleinen Laut von sich. Sie hatte Tränen in den Augen, aber sie nickte.

Auch sie hatte immer noch Hoffnung.

Während sich die anderen wieder dem Dorf zuwandten, wanderte Jonas ein wenig weiter auf das Feld hinaus.

Auch nicht anders als ein Friedhof, dachte er. Nur ohne gruselige Grabsteine mit Namen und so. Vielleicht war es den Indianern nicht so wichtig, wie man sich an sie erinnert?

Die Sonne schien Jonas auf den Kopf; hohes Gras wogte im heißen Sommerwind. Ohne die menschlichen Skeletthaufen, mit denen Jonas gerechnet hatte, war dieser Teil der Insel Croatoan überhaupt nicht schrecklich. Er war ... friedlich. Jonas wusste, dass der Tod hier zugeschlagen hatte - viele, viele Male -, doch das war lange her. Die Leichen, die an diesem Ort begraben lagen, ruhten schon seit Jahren friedlich in der Erde.

Oder etwa nicht?

Ein Grabhügel am Ende des Feldes fiel Jonas ins Auge. Der Boden enthielt hier mehr Sand als Erde, und wer immer diesen Hügel aufgeworfen hatte, hatte ihn ordentlich festklopfen müssen, damit er nicht abrutschte.

Jonas dachte an Sandburgen am Strand und dass diejenigen, die man am Anfang der Ferien baute, gegen Ende der Woche bereits wieder zerfielen. Konnte ein Grabhügel aus Sand, der schon vor Jahren errichtet worden war, immer noch so kompakt aussehen?

Nein, kann er nicht, dachte Jonas. Er starrte auf den Hügel vor sich und versuchte aus den Sandkörnern zu lesen. Sie waren wirklich fest zusammengepackt. Nichts war zerfallen.

Bedeutete das nicht, dass zumindest dieses Grab . frisch war?

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