Kapitel 39
Donnerstagnacht
»Ich bin mir sicher«, sagte Harry im Dunkel des Schlafzimmers.
»Motiv?«, fragte Rakel und schmiegte sich an ihn.
»Othello. Oleg hatte recht. Es geht nicht um Eifersucht. Nicht in erster Linie. Es geht um Ehrgeiz.«
»Redest du noch immer von Othello? Und bist du dir wirklich sicher, dass wir das Fenster nicht zumachen sollten, es kann heute Nacht richtig kalt werden. Bis minus fünfzehn.«
»Nein.«
»Du bist dir nicht sicher, ob es richtig ist, das Fenster zu schließen, wohl aber, dass du weißt, wer der Architekt hinter den Vampiristenmorden ist?«
»Ja.«
»Und dir fehlt nur noch die kleine Bagatelle namens Beweis?«
»Exakt.« Harry zog sie an sich. »Und deshalb brauche ich ein Geständnis.«
»Dann bitte doch Katrine Bratt, ihn vorzuladen.«
»Ich habe doch gesagt, dass Bellman niemanden mehr an den Fall heranlässt.«
»Und was machst du dann?«
Harry starrte an die Decke und spürte die Wärme ihres Körpers. Würde das reichen, oder sollten sie das Fenster schließen?
»Ich verhöre ihn selbst. Ohne dass er weiß, dass es sich um ein Verhör handelt.«
»Darf ich dich als Juristin daran erinnern, dass ein inoffizielles Geständnis nur dir gegenüber wertlos ist?«
»Dann müssen wir dafür sorgen, dass nicht nur ich das zu hören bekomme.«
Ståle Aune drehte sich im Bett um und griff zum Telefon. Als er sah, von wem der Anruf kam, nahm er ihn entgegen. »Ja?«
»Ich dachte, du schläfst.« Harrys rauhe Stimme.
»Und du hast trotzdem angerufen?«
»Du musst mir helfen.«
»Noch immer dir und nicht euch?«
»Noch immer der Menschheit. Erinnerst du dich daran, dass wir über Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten gesprochen haben?«
»Ja.«
»Ich brauche deine Hilfe bei einer Affenfalle auf Hallsteins Disputation.«
»Ach ja? Und wer ist daran beteiligt? Du, ich, Hallstein und wer noch?«
Ståle Aune hörte Harry tief Luft holen.
»Ein Arzt.«
»Und das ist eine Person, die du mit dem Fall in Verbindung bringen kannst?«
»In gewisser Weise.«
Ståle spürte, wie sich die Haare auf seinem Arm aufrichteten. »Und das heißt?«
»Das heißt, dass ich in Rakels Krankenzimmer ein Haar gefunden habe, das ich in einem Anfall von Paranoia habe analysieren lassen. Es zeigte sich, dass das Haar an diesem Ort durchaus eine Daseinsberechtigung hatte, es stammte nämlich von dem behandelnden Arzt. Aber dann hat sich gezeigt, dass sein DNA-Profil ihn auch in Verbindung zu den Tatorten der Vampiristenmorde bringt.«
»Was?«
»Und dass es eine Verbindung zwischen diesem Arzt und einem jungen Kommissar gibt, der die ganze Zeit bei allem dabei war.«
»Was sagst du da? Du hast Beweise dafür, dass der Arzt und der Kommissar etwas mit den Morden zu tun haben?«
»Nein«, seufzte Harry.
»Nein? Das musst du mir erklären.«
Als Ståle zwanzig Minuten später auflegte, lauschte er der Stille in seinem Haus. Dem Frieden. Alle schliefen. Alle außer ihm, und daran würde sich für den Rest der Nacht auch nichts mehr ändern.