6 Infrage gestellte Absichten

Morgase Trakand, einst Königin von Andor, servierte Tee. In dem großen Pavillon, den Perrin aus Maiden mitgenommen hatte, ging sie von einem zum anderen. Die Wände konnte man aufrollen, und es gab keinen Tuchboden.

So groß das Zelt auch war, war doch kaum genug Platz für alle, die bei der Zusammenkunft dabei sein wollten. Perrin und Faile waren natürlich da und saßen auf dem Boden. Neben ihnen saßen der goldäugige Elyas und Tarn al’Thor, der Bauer mit den breiten Schultern und der ruhigen Art. War dieser Mann tatsächlich der Vater des Wiedergeborenen Drachen? Natürlich war Morgase Rand al’Thor einmal begegnet, und auch der Junge hatte nun gar nicht wie ein Bauer ausgesehen.

Neben Tarn saß Perrins verstaubter Sekretär Sebban Balwer. Wie viel wusste Perrin wohl über dessen Vergangenheit? Jur Grady in seinem schwarzen Mantel mit dem silbernen Schwertanstecker am Kragen war auch da. Sein ledriges Bauerngesicht war hohläugig und noch immer blass von der Krankheit, die er kürzlich ausgestanden hatte. Neald, der andere Asha’man, war nicht da. Er hatte sich von seinen Schlangenbissen noch nicht erholt.

Alle drei Aes Sedai waren da. Seonid und Masuri saßen bei den Weisen Frauen, und Annoura saß neben Berelain und warf den sechs Weisen Frauen gelegentlich finstere Blicke zu. Gallenne saß auf Berelains anderer Seite. Ihnen gegenüber saßen Alliandre und Arganda.

Die Offiziere ließen Morgase an Gareth Bryne denken. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, nicht seit sie ihn aus Gründen ins Exil geschickt hatte, die sie sich noch immer nicht so richtig erklären konnte. Nur wenig aus dieser Zeit ihres Lebens ergab jetzt noch einen Sinn. War sie wirklich so in einen Mann vernarrt gewesen, dass sie Aemlyn und Ellorien verbannt hatte?

Aber wie dem auch sei, diese Tage waren Vergangenheit. Jetzt suchte sich Morgase vorsichtig ihren Weg durch den Raum und achtete darauf, dass die Tassen gefüllt blieben.

»Eure Arbeit dauerte länger, als ich erwartet hätte«, sagte Perrin.

»Ihr habt uns eine Pflicht aufgetragen, Perrin Aybara«, erwiderte Nevarin. »Wir haben sie vollbracht. Wir haben dafür so viel Zeit gebraucht, wie nötig war, um es korrekt zu erledigen. Sicherlich wollt Ihr nicht andeuten, dass wir das nicht haben.« Die Weise Frau mit dem sandfarbenen Haar saß direkt vor Seonid und Masuri.

»Lasst es gut sein, Nevarin«, grunzte Perrin, während er eine Karte vor sich auf dem Boden entrollte; Balwer hatte sie nach den Anweisungen der Ghealdaner gezeichnet. »Ich habe Euch nicht infrage gestellt. Ich habe gefragt, ob es bei dem Verbrennen Probleme gab.«

»Das Dorf gibt es nicht mehr«, sagte Nevarin. »Und jede Pflanze, die wir auch nur mit einem Hauch von Fäulnis fanden, wurde zu Asche verbrannt. Was gut war. Ihr Feuchtländer hättet große Probleme, mit etwas so Tödlichem wie der Fäule zurechtzukommen.«

»Ich glaube«, sagte Faile, »Ihr wärt überrascht.«

Morgase sah Faile an, die sich mit der Weisen Frau mit Blicken maß. Faile saß da wie eine Königin, endlich ihrer Stellung gemäß in einem schönen grünvioletten Kleid, das an den Seiten plissiert war und in einem Reitrock endete. Merkwürdigerweise schien sich Failes Gespür für Führung durch ihre Zeit bei den Shaido verbessert zu haben.

Sie und Faile waren schnell wieder in ihre Rollen von Herrin und Dienerin verfallen. Tatsächlich hatte ihr Leben hier verblüffende Ähnlichkeit mit dem im Lager der Shaido.

Sicher, manche Dinge waren anders; zum Beispiel würde man Morgase hier kaum prügeln. Das änderte nichts an der Tatsache, dass sie und die anderen vier Frauen zumindest eine Weile gleichgestellt gewesen waren. Das war vorbei.

Morgase blieb neben Lord Gallenne stehen und füllte seine Tasse nach, dabei griff sie auf dieselben Fertigkeiten zurück, die sie bei der Bedienung von Sevanna kultiviert hatte. Manchmal schien man als Diener mehr Verstohlenheit zu brauchen als ein Kundschafter. Sie durfte nicht wahrgenommen werden, durfte nicht ablenken. Hatten sich ihre Diener in ihrer Nähe ebenfalls so verhalten?

»Nun«, sagte Arganda, »falls sich jemand fragt, in welche Richtung wir unterwegs sind, dann ist der Rauch von diesem Feuer ein sicherer Hinweis.«

»Wir sind viel zu viele Menschen, um daran denken zu können, uns zu verbergen«, sagte Seonid. Kürzlich hatte man ihr und Masuri die Erlaubnis erteilt, sprechen zu dürfen, ohne von den Weisen Frauen gerügt zu werden, obwohl die Grüne immer noch zu den Aiel blickte, bevor sie das Wort ergriff. Das zu sehen ärgerte Morgase maßlos. Schwestern aus der Weißen Burg, die man zu den Lehrlingen einer Horde Wilden machte? Angeblich war das aufgrund von Rand al’Thors Befehl geschehen, aber wie konnte ein Mann zu so etwas nur fähig sein? Selbst wenn es sich um den Wiedergeborenen Drachen handelte?

Es bereitete ihr Unbehagen, dass sich die beiden Aes Sedai nicht länger gegen ihre Stellung aufzulehnen schienen. Die Stellung eines jeden konnte sich dramatisch ändern. Diese Lektion hatten Gaebril und dann Valda Morgase erteilt. Die Gefangenschaft bei den Aiel war lediglich ein weiterer Schritt in diesem Prozess gewesen.

Jede dieser Erfahrungen hatte sie weiter von der Königin entfernt, die sie einst gewesen war. Sie sehnte sich nicht länger nach schönen Dingen oder ihrem Thron. Sie wollte nur etwas Beständigkeit. Anscheinend war das eine Handelsware, die noch kostbarer als Gold war.

»Das spielt keine Rolle«, sagte Perrin und tippte auf die Karte. »Also, sind wir uns einig? Wir jagen hinter Gill und den anderen her, schicken mit Wegetoren Kundschafter aus, um sie nach Möglichkeit zu finden. Hoffentlich erwischen wir sie, bevor sie Lugard erreichen. Wie lange dauert es bis zu der Stadt, was meint Ihr, Arganda?«

»Kommt auf den Schlamm an«, sagte der sehnige Soldat. »Es gibt einen Grund, warum wir diese Jahreszeit Versumpfen nennen. Schlaue Männer reisen nicht während dieser Frühlingschmelze.«

»Weisheit ist für die, die Zeit dafür haben«, murmelte Perrin und zählte mit den Fingern die Distanz auf der Karte.

Morgase ging los, um Annouras Tasse aufzufüllen. Tee einzugießen war komplizierter, als sie j e gedacht hätte. Sie musste wissen, welche Tasse man zur Seite nehmen und dort nachfüllen musste, und welche man füllen konnte, solange sie sie hielten. Sie musste ganz genau wissen, wie weit sie eine Tasse füllen durfte, ohne dass sie überlief, und wie man den Tee eingießen musste, ohne gegen das Porzellan zu stoßen oder etwas zu verschütten. Sie wusste, wann man sie nicht wahrnehmen sollte und wann man ein kleines Schauspiel abziehen musste für den Fall, dass sie Leute übersehen, sie vergessen oder ihre Bedürfnisse falsch eingeschätzt hatte.

Vorsichtig hob sie Perrins Tasse vom Boden neben ihm auf. Er gestikulierte gern, wenn er sprach, und konnte ihr die Tasse aus der Hand schlagen, wenn sie nicht aufpasste. Alles in allem war Tee zu reichen eine erstaunliche Kunst – eine ganze Welt, die Morgase die Königin sich nie die Mühe gemacht hatte wahrzunehmen.

Sie füllte Perrins Tasse auf und stellte sie wieder neben ihm ab. Perrin stellte weitere Fragen über die Karte – in der Nähe befindliche Städte, potenzielle Möglichkeiten, sich zu versorgen. Er war ein vielversprechender Anführer, selbst wenn er ziemlich unerfahren darin war. Ein paar kleine Ratschläge von Morgase…

Sie verwarf den Gedanken. Perrin Aybara war ein Rebell.

Die Zwei Flüsse waren ein Teil von Andor, und er hatte sich zu seinem Lord ernannt, führte dieses Wolfskopfbanner. Wenigstens hatte man die Flagge von Manetheren eingeholt. Sie zu führen war so gut wie eine offene Kriegserklärung gewesen.

Morgase ärgerte sich nicht länger jedes Mal, wenn ihn jemand Lord nannte, aber sie hatte auch nicht vor, ihm Hilfe anzubieten. Nicht bis sie entschieden hatte, wie sie ihn wieder unter den Mantel der andoranischen Monarchie bekam.

Außerdem ist Faile schlau genug, um genau den Rat zu gehen, den ich auch gegeben hätte, gestand sich Morgase widerstrebend ein.

Tatsächlich war Faile eine perfekte Ergänzung für Perrin. Wo er eine stumpfe und gesenkte Lanze bei einem Sturmangriff war, verkörperte sie einen vielseitigen Kavalleriebogen. Aber es war die Kombination aus ihnen beiden – dazu kamen ja noch Failes Verbindungen zum saldaeanischen Thron -, die Morgase wirklich Sorgen bereitete. Ja, er hatte das Banner von Manetheren eingeholt, aber er hatte schon vorher befohlen, das Wolfskopfbanner abzunehmen. Oftmals war ein Verbot der beste Weg, um dafür zu sorgen, dass es erst recht geschah.

Alliandres Tasse war zur Hälfte geleert. Morgase beeilte sich nachzuschenken; wie viele hochgeborene Damen erwartete Alliandre immer, eine volle Tasse zu haben. Alliandre warf Morgase einen Blick zu, und da lag ein Hauch Unbehagen in ihren Augen. Alliandre war sich unsicher, wie ihre Beziehung aussehen sollte. Das war merkwürdig, war Alliandre während ihrer Gefangenschaft doch so hochmütig gewesen. Die Person, die Morgase einst gewesen war, die Königin, wollte Alliandre zur Seite nehmen und ihr in allen Einzelheiten erklären, wie sie ihre Erhabenheit überzeugender aufrechterhielt.

Sie würde es selbst lernen müssen. Morgase war nicht länger die Person, die sie einst gewesen war. Sie war sich nicht sicher, was sie war, aber sie würde lernen, wie sie als Dienerin einer Lady ihre Pflicht erfüllte. Das war zu einer Passion geworden. Eine Möglichkeit, sich selbst zu beweisen, dass sie noch immer stark war, noch immer etwas wert war.

In gewisser Hinsicht war es furchteinflößend, dass sie sich darüber Sorgen machte.

»Lord Perrin«, sagte Alliandre, als sich Morgase zurückzog. »Ist es wahr, dass Ihr meine Leute zurück nach Jehannah schicken wollt, nachdem Ihr Gill und seine Gruppe gefunden habt?«

Morgase ging an Masuri vorbei – die Aes Sedai wollte immer nur nachgeschenkt haben, wenn sie mit dem Fingernagel gegen die Tasse klopfte.

»Das ist richtig«, sagte Perrin. »Wir alle wissen, dass Ihr Euch uns eigentlich ja gar nicht anschließen wolltet. Hätten wir Euch nicht mitgenommen, wärt Ihr nie von den Shaido gefangen genommen worden. Masema ist tot. Es ist Zeit, dass Ihr wieder Eure Nation regiert.«

»Bei allem nötigen Respekt, mein Lord«, sagte Alliandre. »Warum rekrutiert Ihr meine Landsleute, wenn nicht für ein zukünftiges Heer?«

»Ich will niemanden rekrutieren. Nur weil ich sie nicht abweise, bedeutet das nicht, dass ich dieses Heer noch größer machen will.«

»Mein Lord«, sagte Alliandre. »Aber sicherlich ist es weise, das zu behalten, was Ihr da habt.«

»Da hat sie recht, Perrin«, fügte Berelain leise hinzu. »Man braucht doch nur in den Himmel zu schauen, um zu wissen, dass die Letzte Schlacht unmittelbar bevorsteht. Warum ihre Streitmacht zurückschicken? Ich bin überzeugt, dass der Lord Drache jeden Soldaten aus jedem ihm verschworenen Land brauchen wird.«

»Er kann nach ihnen schicken, wenn er sich dazu entscheidet«, sagte Perrin stur.

»Mein Lord«, sagte Alliandre. »Ich leistete nicht ihm einen Eid. Ich leistete Euch einen Eid. Wenn Ghealdan nach Tarmon Gai’don marschiert, sollte es das unter Eurem Banner tun.«

Perrin stand auf, was mehrere der Leute im Zelt überraschte. Wollte er gehen? Wortlos ging er zur offenen Seite des Pavillons und steckte den Kopf hinaus. »Will, kommt her«, rief er.

Ein Gewebe der Einen Macht verhinderte, dass man von draußen zuhören konnte. Morgase konnte Masuris verknotete Gewebe sehen, die das Zelt abschirmten. Ihre Kompliziertheit schien ihr minimales Talent in der Einen Macht zu verspotten.

Masuri klopfte an ihre Tasse, und Morgase beeilte sich, ihr nachzuschenken. Die Frau nippte gern an ihrem Tee, wenn sie nervös war.

Perrin wandte sich wieder den Versammelten zu, gefolgt von einem attraktiven Jungen, der ein zusammengewickeltes Tuchbündel trug.

»Entfaltet es«, befahl Perrin.

Der junge Mann gehorchte nervös. Der Wolfskopf erschien, der Perrins Zeichen war.

»Ich habe dieses Banner nicht gemacht«, sagte Perrin. »Ich wollte es nie, aber nach Ratschlägen habe ich es wehen lassen. Nun, die Gründe dafür sind vorbei. Ich befahl, das Ding einzuholen, aber das scheint nie lange zu funktionieren.« Er fixierte Will. »Will, ich will, dass das im Lager verbreitet wird. Ich gebe einen direkten Befehl. Ich will, dass jedes einzelne dieser verfluchten Banner verbrannt wird. Habt Ihr verstanden?«

Will erbleichte. »Aber …«

»Tut es einfach«, sagte Perrin. »Alliandre, Ihr leistet Rand den Lehnseid, sobald wir ihn finden. Ihr werdet nicht unter meinem Banner reiten, weil ich kein Banner habe. Ich bin Schmied, mehr nicht. Ich habe diesen Unsinn viel zu lange mitgemacht.«

»Perrin?«, fragte Faile. »Ist das klug?«

Dieser dumme Mann. Er hätte zumindest mit seiner Frau darüber sprechen sollen. Aber Männer waren nun einmal Männer. Sie liebten ihre Geheimnisse und Pläne.

»Ich weiß nicht, ob das klug ist. Aber ich tue es«, sagte er. » Geht, Will. Ich will, dass diese Banner heute Abend verbrannt sind. Es werden keine versteckt, verstanden?«

Will erstarrte, dann fuhr er auf dem Absatz herum und marschierte wortlos aus dem Zelt. Der Junge sah aus, als hätte man ihn verraten. Seltsamerweise empfand Morgase ähnlich, jedenfalls ein bisschen. Es war albern. Genau das hatte sie gewollt – Perrin sollte das tun. Aber die Menschen hatten Angst, und das aus gutem Grund. Der Himmel, die Dinge, die in der Welt geschahen … nun, in solchen Zeiten konnte man einem Mann vielleicht nachsehen, wenn er den Befehl übernahm.

»Perrin Aybara, Ihr seid ein Narr«, sagte Masuri. Sie hatte eine ungehobelte Art an sich.

»Mein Sohn«, wandte sich Tarn an Perrin, »die Jungs haben viel in dieses Banner investiert.«

»Zu viel«, erwiderte Perrin.

»Vielleicht. Aber es ist gut, etwas zu haben, zu dem man aufsehen kann. Als Ihr das andere Banner einholtet, war das schwer für sie. Das wird noch viel schlimmer sein.«

»Es muss sein«, sagte Perrin. »Die Männer von den Zwei Flüssen haben sich viel zu sehr daran gewöhnt, sie fingen an, davon zu reden, bei mir zu bleiben, statt zurück zu ihren Familien zu gehen, wo sie hingehören. Sobald wir wieder Wegetore haben, Tarn, versammelt Ihr sie und geht.« Er sah Berelain an. »Vermutlich kann ich Euch und Eure Männer nicht loswerden. Ihr begleitet mich zurück zu Rand.«

»Ich war mir nicht bewusst, dass Ihr uns loswerden müsst«, sagte Berelain steif. »Ihr schient weniger Probleme damit zu haben, meine Unterstützung anzunehmen, als Ihr die Dienste meiner Geflügelten Wächter für die Rettung Eurer Frau verlangtet. «

Perrin holte tief Luft. »Ich weiß Eure Hilfe zu schätzen, die von Euch allen. Wir haben in Maiden eine gute Sache getan, nicht nur für Faile und Alliandre. Es war etwas, das getan werden musste. Aber soll man mich zu Asche verbrennen, das ist jetzt vorbei. Wenn Ihr Rand folgen wollt, dann wird er Euch bestimmt aufnehmen. Aber meine Asha’man sind erschöpft, und die mir übertragenen Aufgaben sind erledigt. Ich habe diese Haken in mir, die mich zurück zu Rand ziehen. Bevor ich das kann, muss ich mich zuerst um Euch alle kümmern.«

»Mein Gemahl«, sagte Faile in knappem Tonfall. »Darf ich vorschlagen, dass wir mit jenen anfangen, die fortgeschickt werden wollen?«

»Ja«, sagte Aravine. Die ehemalige Gai’schain saß fast ganz hinten im Zelt und war leicht zu übersehen, obwohl sie eine wichtige Triebkraft in Perrins Lagerverwaltung geworden war. Sie arbeitete als eine Art inoffizieller Verwalter für ihn. »Einige der Flüchtlinge wären glücklich, in ihre Heimat zurückzukehren.«

»Ich würde lieber jeden nach Hause bringen, wenn ich kann«, sagte Perrin. »Grady?«

Der Asha’man zuckte mit den Schultern. »Die Wegetore, die ich für die Späher machte, haben mich nicht zu sehr angestrengt, und ich glaube, ich könnte auch größere erzeugen. Ich bin noch immer etwas schwach, aber ich habe die Krankheit größtenteils überwunden. Aber Neald wird mehr Zeit brauchen.«

»Mein Lord.« Balwer hüstelte. »Ich habe da ein paar eigentümliche Zahlen. So viele Menschen durch Wegetore zu schicken, wie Ihr jetzt versammelt habt, wird Stunden in Anspruch nehmen, vielleicht sogar Tage. Das wird nicht schnell gehen, nicht wie bei unserem Marsch auf Maiden.«

»Es wird schwierig, mein Lord«, meinte Grady. »Ich glaube nicht, dass ich eins so lange geöffnet halten kann. Nicht, wenn ich stark genug bleiben soll, um bei Bedarf kämpfen zu können.«

Perrin setzte sich wieder und konzentrierte sich erneut auf die Karte. Berelains Tasse war leer; Morgase beeilte sich, sie zu füllen. »Also gut«, sagte Perrin. »Wir fangen damit an, kleine Flüchtlingsgruppen auf den Weg zu bringen, und zwar zuerst die, die gehen wollen.«

»Vielleicht ist es an der Zeit, Boten zum Lord Drachen zu schicken«, sagte Faile. »Er könnte sich einverstanden erklären, mehr Asha’man zu schicken.« Perrin nickte.

»Zuletzt war er in Cairhien«, sagte Seonid. »Die meisten Flüchtlinge kommen von dort, also können wir damit anfangen, einige von ihnen nach Hause zu schicken, zusammen mit Spähern, die den Lord Drachen aufsuchen.«

»Dort ist er nicht«, sagte Perrin.

»Woher wisst Ihr das?« Edarra stellte ihre Tasse ab. Morgase schlich am Zeltrand vorbei und schnappte sie sich, um sie füllen zu können. Als älteste der Weisen Frauen und vielleicht auch ihre Anführerin – bei Weisen Frauen war so etwas schwer zu sagen – sah Edarra für ihr angebliches Alter umwerfend jung aus. Morgases winzige Fähigkeit in der Einen Macht reichte aus, um ihr zu sagen, dass diese Frau stark war. Möglicherweise sogar die stärkste im Raum.

»Ich …« Perrin schien ins Stocken zu geraten. Hatte er eine Informationsquelle, die er für sich behielt? »Rand hat die Angewohnheit, dort zu sein, wo man nicht mit ihm rechnet. Ich bezweifle, dass er in Cairhien geblieben ist. Aber Seonid hat recht – das ist der beste Ort, um mit der Suche anzufangen.«

»Mein Lord.« Wieder meldete sich Balwer zu Wort. »Ich mache mir Sorgen, auf was wir, äh, stoßen könnten, wenn wir nicht vorsichtig sind. Horden von Flüchtlingen, die unerwartet durch Wegetore zurückkehren? Wir sind schon seit einiger Zeit auf uns gestellt. Vielleicht könnten wir zusätzlich zur Kontaktaufnahme mit dem Drachen Kundschafter ausschicken, die Informationen sammeln?«

Perrin nickte. »Dazu könnte ich mich überreden lassen.«

Balwer sah zufrieden aus, allerdings war dieser Mann ausgesprochen gut darin, seine Gefühle zu verbergen. Warum wollte er unbedingt jemanden nach Cairhien schicken?

»Ich muss zugeben, dass es mich beunruhigt, so viele Menschen zu transportieren«, sagte Grady. »Selbst wenn es Neald wieder gut geht, wird es eine erschöpfende Arbeit sein, die Tore lange genug offen zu halten, um alle hindurchzubekommen.«

»Perrin Aybara«, sagte Edarra. »Es könnte eine Möglichkeit geben, dieses Problem zu lösen.«

»Wie?«

»Diese Lehrlinge haben über etwas gesprochen. Man nennt es Zirkel, richtig? Wenn wir uns verknüpfen, die Asha’man und einige von uns, dann können wir ihnen vielleicht die Kraft geben, größere Wegetore zu erschaffen.«

Perrin kratzte sich am Bart. »Grady?«

»Ich habe noch nie zuvor an einem Zirkel teilgenommen, mein Lord. Aber wenn wir herausfinden können, wie das geht… nun, größere Wegetore würden mehr Leute schneller reisen lassen. Das könnte eine große Hilfe sein.«

»Gut.« Perrin wandte sich wieder der Weisen Frau zu. »Was würde es mich kosten, wenn Ihr das versucht?«

»Ihr habt zu lange mit Aes Sedai gearbeitet, Perrin Aybara«, sagte Edarra schnaubend. »Nicht alles muss einen Preis haben. Davon profitieren wir alle. Ich wollte das schon seit einiger Zeit vorschlagen.«

Perrin runzelte die Stirn. »Wie lange wisst Ihr schon, dass das funktionieren könnte?«

»Lange genug.«

»Verflucht, Frau, warum seid Ihr dann nicht schon früher damit zu mir gekommen?«

»Die meiste Zeit scheint Ihr kaum an Eurer Position als Anführer interessiert zu sein«, erwiderte Edarra kalt. »Respekt ist eine Sache, die man sich verdienen muss und nicht verlangen kann, Perrin Aybara.«

Die unverschämte Bemerkung ließ Morgase die Luft anhalten. Viele Adlige würden sich diesen Tonfall nicht bieten lassen. Perrin erstarrte, aber dann nickte er, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet.

»Eure Asha’man waren krank, als mir das einfiel«, fuhr Edarra fort. »Es hätte bis jetzt nicht funktioniert. Das ist der richtige Zeitpunkt, um es anzusprechen. Also tat ich es.«

Mit dem einen Atemzug beleidigt sie Aes Sedai, dachte Morgase, mit dem nächsten verhält sie sich wie eine. Aber die Gefangenschaft in Maiden hatte Morgase dabei geholfen, das Verhalten der Aiel langsam zu begreifen. Es wurde immer behauptet, man könne Aiel unmöglich verstehen, aber sie hielt solches Gerede für unsinnig. Aiel waren Menschen wie andere auch. Sie hatten seltsame Traditionen und kulturelle Eigenarten, aber das galt für jeden. Eine Königin musste sämtliche Menschen in ihrem Reich verstehen können – und sämtliche potenziellen Feinde.

»Nun gut«, sagte Perrin. »Grady, verausgabt Euch nicht zu sehr, aber fangt an, mit ihnen zu arbeiten. Schaut, ob ihr einen Zirkel bilden könnt.«

»Ja, mein Lord«, sagte Grady. Der Asha’man erschien immer etwas kühl. »Es könnte gut sein, Neald mitmachen zu lassen. Wenn er steht, wird ihm schwindlig, aber es juckt ihn in den Fingern, etwas mit der Macht zu tun. Das wäre eine Möglichkeit, ihn wieder in Form zu bringen.«

»Gut«, sagte Perrin.

»Wir sind noch zu keinem Ergebnis über die Späher gekommen, die wir nach Cairhien schicken«, sagte Seonid. »Ich möchte bei der Gruppe sein.«

Perrin nahm einen Schluck Tee. »Von mir aus. Nehmt Eure Behüter, zwei Töchter und Pel Aydaer. Verhaltet Euch nach Möglichkeit unauffällig.«

»Camaille Nolaisen geht auch mit«, sagte Faile. Natürlich würde sie einen der Cha Faile in der Gruppe unterbringen.

Balwer räusperte sich. »Mein Lord. Wir brauchen dringend Papier und neue Schreibfedern, ganz zu schweigen von anderen heiklen Materialien.«

»Das kann doch sicherlich warten.« Perrin runzelte die Stirn.

»Nein«, sagte Faile langsam. »Nein, mein Gemahl, ich halte das für einen guten Vorschlag. Wir sollten jemanden schicken, der einkauft. Balwer, wollt Ihr gehen und die Sachen selbst besorgen?«

»Wenn es meine Lady wünscht«, sagte der Sekretär. »Ich wollte mir schon immer einmal diese Schule ansehen, die der Drache in Cairhien eröffnete. Sie müssten die Dinge haben, die wir brauchen.«

»Dann könnt Ihr gehen«, sagte Perrin. »Aber sonst keiner. Beim Licht! Noch mehr, und wir könnten gleich das ganze verfluchte Heer durchschicken.«

Balwer nickte und machte einen zufriedenen Eindruck. Der Mann spionierte nun offensichtlich für Perrin. Würde er Aybara verraten, wer sie wirklich war? Hatte er es bereits? Perrin verhielt sich nicht so, als wüsste er es.

Sie sammelte Tassen ein; die Zusammenkunft war so gut wie zu Ende. Natürlich würde Balwer anbieten, für Aybara zu spionieren; sie hätte sich früher an den verstaubten Mann wenden sollen, um zu sehen, welchen Preis sein Schweigen kosten würde. Fehler wie dieser konnten einer Königin den Thron kosten.

Sie erstarrte, die Hand auf dem halben Weg zu einer Tasse. Du bist keine Königin mehr. Du musst aufhören, wie eine zu denken!

In den ersten Wochen nach ihrer verstohlenen Abdankung hatte sie gehofft, eine Möglichkeit zur Rückkehr nach Andor zu finden, damit sie Elayne eine Stütze sein konnte. Aber je mehr sie darüber nachgedacht hatte, desto mehr wurde ihr klar, dass sie fortbleiben musste. In Andor musste jedermann davon überzeugt sein, dass Morgase tot war. Jede Königin musste ihren eigenen Weg gehen, und bei einer Rückkehr Morgases würde man Elayne möglicherweise als Marionette ihrer Mutter betrachten. Davon abgesehen hatte sich Morgase vor ihrem Weggang viele Feinde gemacht. Warum hatte sie solche Dinge getan? Ihre Erinnerungen an diese Zeit waren nur verschwommen, aber ihre Rückkehr würde mit Sicherheit alte Wunden aufreißen.

Sie fuhr darin fort, die Tassen einzusammeln. Vielleicht hätte sie nobel handeln und Selbstmord begehen sollen. Falls Feinde des Throns sie entdeckten, konnte man sie gegen Elayne benutzen, genau wie es die Weißmäntel getan hätten. Aber im Moment stellte sie keine Bedrohung dar. Außerdem war sie zuversichtlich, dass Elayne Andors Sicherheit nicht riskieren würde, nicht einmal, um ihre Mutter zu retten.

Perrin verabschiedete alle Teilnehmer an der Besprechung und erteilte ein paar grundsätzliche Anweisungen für das abendliche Lager. Morgase kniete nieder und wischte mit einem Lappen Schmutz von einer Tasse, die umgekippt war. Niall hatte ihr verraten, dass Gaebril tot war und al’Thor Caemlyn hielt. Das hätte Elayne bestimmt zur Rückkehr veranlasst, oder nicht? War sie Königin? Hatten die Häuser sie unterstützt, oder hatten sie sich wegen ihrer Taten gegen sie gewandt?

Der Spähtrupp brachte vielleicht Neuigkeiten, nach denen sich Morgase verzehrte. Sie würde eine Möglichkeit finden müssen, bei jeder Besprechung dabei zu sein, bei denen dann die Berichte besprochen wurden, vielleicht indem sie anbot, Tee zu servieren. Je besser sie in ihrer Tätigkeit als Failes Dienerin wurde, je näher würde sie an die wichtigen Ereignisse herankommen können.

Als die Weisen Frauen das Zelt verließen, sah sie jemanden draußen stehen. Tallanvor, so pflichtbewusst wie immer. Hochgewachsen, mit breiten Schultern, trug er das Schwert am Gürtel und schaute besorgt drein.

Seit Maiden hing er praktisch an ihren Fersen, und obwohl sie sich darüber aus Prinzip beklagte, hatte sie nichts dagegen. Nach zwei Monaten der Trennung wollte er jede Gelegenheit nutzen, mit ihr zusammen zu sein. Bei dem Blick in seine wunderschönen jungen Augen konnte sie nicht an Selbstmord denken, nicht einmal zum Nutzen Andors. Deswegen kam sie sich wie eine Närrin vor. Hatte ihr Herz ihr nicht bereits schon genug Ärger eingebracht?

Aber Maiden hatte sie verändert. Sie hatte Tallanvor schmerzlich vermisst. Und dann war er zu ihrer Rettung geeilt, obwohl er sich nicht so einem Risiko hätte aussetzen sollen. Er war ihr mehr ergeben als Andor selbst. Und aus irgendeinem Grund war das genau das, was sie brauchte. Sie ging in seine Richtung und balancierte acht Tassen in der Armbeuge, während sie die Untertassen in der Hand hielt.

»Maighdin«, sagte Perrin, als sie den Pavillon verließ. Sie zögerte, drehte sich um. Bis auf Perrin und seine Frau waren alle weg.

»Kommt bitte her«, sagte Perrin. »UndTallanvor, Ihr könnt genauso gut reinkommen. Ich kann Euch da draußen herumlungern sehen. Also ehrlich.. Es ist ja nicht so, als würde sich jemand aus dem Himmel stürzen und sie stehlen, während sie in einem Zelt voller Weiser Frauen und Aes Sedai ist!«

Morgase hob eine Braue. Ihr war nicht entgangen, dass Perrin Faile in letzter Zeit fast genauso sehr hinterherlief.

Tallanvor schenkte ihr ein kurzes Lächeln, als er eintrat. Er nahm ihr ein paar Tassen ab, dann traten sie vor Perrin. Tallanvor verneigte sich förmlich, was sie ärgerte. Er gehörte noch immer der Königlichen Leibwache an – soweit sie wusste, das einzige loyale Mitglied.

»Als Ihr Euch uns damals angeschlossen habt, machte man mir einen Vorschlag«, sagte Perrin schroff. »Nun, ich glaube, es ist Zeit, dass ich ihn befolge. In letzter Zeit seid Ihr beide wie ein paar Halbwüchsige aus verschiedenen Dörfern, die einander in der Stunde vor dem Ende des Sonntags anschmachten. Es ist höchste Zeit, dass Ihr heiratet. Wir könnten Alliandre die Zeremonie durchführen lassen, ich könnte es vielleicht ebenfalls tun. Habt Ihr eine Tradition, die ihr befolgen möchtet?«

Morgase blinzelte überrascht. Sie verfluchte Lini, dass sie Perrin diese Idee ins Ohr gesetzt hatte! Plötzlich ergriff sie Panik, obwohl Tallanvor sie fragend ansah.

»Zieht Euch etwas Hübscheres an, wenn Ihr wollt«, sagte Perrin. »Holt alle zusammen, die Ihr als Zeugen dabeihaben wollt, und seid in einer Stunde wieder hier. Dann bringen wir diesen Unsinn hinter uns.«

Ihre Wangen wurden ganz heiß vor Zorn. Unsinn? Wie konnte er es wagen! Und dann noch auf diese Weise! Sie wie ein Kind loszuschicken, als wären ihm ihre Gefühle – ihre Liebe – lediglich lästig?

Er rollte seine Karte zusammen, aber als Faile ihm die Hand auf den Arm legte, schaute er auf und bemerkte, dass man seinem Befehl nicht gefolgt war. »Was?«, fragte er.

»Nein«, sagte sie. Sie hielt den Blick fest auf Perrin gerichtet; sie wollte die unausweichliche Enttäuschung und das Gefühl der Zurückweisung auf Tallanvors Gesicht nicht sehen.

»Wie bitte?«

»Nein, Perrin Aybara«, sagte sie. »Ich bin nicht in einer Stunde wieder da, um getraut zu werden.«

»Aber …«

»Wenn Ihr Tee serviert oder Euer Zelt gereinigt oder etwas gepackt haben wollt, dann ruft mich. Wenn Ihr Eure Kleidung gewaschen haben wollt, werde ich gehorchen. Aber ich bin Eure Dienerin, Perrin Aybara, und nicht Euer Untertan. Ich stehe loyal zur Königin von Andor. Ihr besitzt nicht die Autorität, mir diese Art von Befehl zu geben.«

»Ich…«

»Und nicht einmal die Königin selbst würde so etwas verlangen! Zwei Menschen zwingen zu heiraten, weil es Euch ermüdet, mit anzusehen, wie sie sich in die Augen schauen? Wie zwei Hunde, die Ihr züchten wollt, um dann den Wurf zu verkaufen?«

»So habe ich das bestimmt nicht gemeint.«

»Trotzdem habt Ihr es gesagt. Davon einmal abgesehen, wie könnt Ihr Euch der Absichten des jungen Mannes so sicher sein? Habt Ihr mit ihm gesprochen, ihn gefragt, wie es ein Lord in einer solchen Angelegenheit tun sollte?«

»Aber Maighdin«, sagte Perrin, »Er hat etwas für Euch übrig. Ihr hättet einmal sehen sollen, wie er sich nach Eurer Entführung benahm. Beim Licht, Frau, aber das ist doch alles offensichtlich!«

»Herzensangelegenheiten sind niemals offensichtlich.« Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und fühlte sich beinahe wieder wie eine Königin. »Wenn ich heiraten will, treffe ich diese Entscheidung selbst. Für einen Mann, der von sich behauptet, dass es ihm nicht gefällt, das Kommando zu haben, gebt Ihr aber ausgesprochen gern Befehle. Wie könnt Ihr Euch so sicher sein, dass ich die Zuneigung dieses jungen Mannes überhaupt will? Kennt Ihr mein Herz?«

Tallanvor erstarrte förmlich. Dann verneigte er sich steif vor Perrin und verließ das Zelt. Er war sehr gefühlsbetont. Nun, er musste wissen, dass sie sich nicht herumschubsen lassen würde. Das war vorbei. Zuerst Gaebril, dann Valda und jetzt Perrin Aybara? Man würde Tallanvor einen schlechten Dienst erweisen, bekäme er eine Frau, die ihn heiratete, weil man es ihr befahl.

Sie musterte Perrin, der errötete. Sie mäßigte ihren Ton. »Ihr macht das noch nicht lange, also gebe ich Euch einen Rat. Es gibt Dinge, um die sich ein Lord kümmern sollte, aber aus anderen sollte er sich immer heraushalten. Ihr werdet den Unterschied im Laufe der Zeit lernen, aber verzichtet freundlicherweise darauf, solche Forderungen wie gerade eben zu stellen, bevor Ihr Euch zumindest mit Eurer Frau beratschlagt habt.«

Mit diesen Worten machte sie einen Knicks – noch immer mit allen Teetassen – und zog sich zurück. Sie hätte nicht auf diese Weise mit ihm sprechen dürfen. Nun, dann hätte er nicht einen solchen Befehl geben sollen! Anscheinend hatte sie ja doch noch etwas Feuer in sich. Sie hatte sich nicht mehr so energisch oder selbstbewusst gefühlt seit… nun, kurz bevor Gaebrils Ankunft in Caemlyn! Allerdings würde sie Tallanvor suchen müssen und seinen Zorn beschwichtigen.

Sie brachte die Tassen zu einem Spülstand in der Nähe und begab sich dann auf die Suche nach Tallanvor. Um sie herum gingen Diener und Arbeiter fleißig ihren Beschäftigungen nach. Viele der ehemaligen Gai’schain verhielten sich noch immer so, als wären sie bei den Shaido, verneigten sich und dienerten, sobald man sie bloß ansah. Die aus Cairhien waren die schlimmsten; sie waren am längsten in Gefangenschaft gewesen, und Aiel waren sehr gut in ihren Lektionen.

Natürlich gab es auch ein paar echte Aiel-Gai’schain. Welch seltsamer Brauch. Soweit es Morgase verstanden hatte, waren einige der Gai’schain von den Shaido gefangen genommen und in Maiden befreit worden. Sie trugen weiterhin das Weiß, und das bedeutete, dass sie ihren eigenen Verwandten und Freunden als Sklaven dienten.

Man konnte jedes Volk verstehen. Aber sie musste zugeben, dass man bei den Aiel vermutlich länger als bei anderen dafür brauchen würde. Zum Beispiel diese Gruppe aus Töchtern, die durch das Lager liefen. Warum mussten sie jeden zur Seite stoßen, der ihnen im Weg stand? Dafür bestand doch gar kein…

Morgase zögerte. Diese Töchter eilten direkt auf Perrins Pavillon zu. Sie sahen aus, als brächten sie schlechte Nachrichten.

Ihre Neugier war einfach zu stark, und sie folgte ihnen. Die Töchter stellten zwei Wachen an den Zelteingang, aber das Gewebe gegen Lauscher war entfernt worden. Sie umrundete das Zelt und versuchte auszusehen, als wäre sie mit etwas anderem beschäftigt als mit Lauschen, verspürte dabei aber eine gewisse Scham, weil sie Tallanvor seinem Schmerz überließ.

»Weißmäntel, Perrin Aybara«, drang Sulins energische Stimme nach außen. »Eine große Streitmacht von ihnen befindet sich direkt vor uns auf der Straße.«

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