Mat landete auf unebenem Boden, geblendet vom Blitz. Fluchend stützte er sich mit dem Ashandarei auf dem nachgiebigen Untergrund ab. Er roch Blätter, Erde und verfaulendes Holz. Insekten summten im Schatten.
Das Weiß verblasste, und er entdeckte, dass er vor dem Turm von Ghenjei stand. Zur Hälfte hatte er damit gerechnet, in Rhuidean zu landen. Anscheinend hatte ihn der Speer an den Ort in der Welt zurückgebracht, von dem er aufgebrochen war. Thom saß auf dem Boden und hielt Moiraine aufgerichtet, die sich blinzelnd umsah.
Mat fuhr zu dem Turm herum und zeigte darauf. »Ich weiß, dass ihr zuseht!«, rief er aufgeregt. Er hatte es geschafft. Er hatte es verdammt noch mal wieder lebend herausgeschafft! »Ich habe euch geschlagen, ihr Dreck unter meinen Stiefeln! Ich, Matrim Cauthon, habe eure Fallen überlebt! Ha!« Er hob den Ashandarei über den Kopf. »Und ihr habt mir den Ausweg geliefert! Kaut auf dieser bitteren Erkenntnis zum Mittagessen herum, ihr verfluchten, verdammten widerwärtigen Lügner!«
Strahlend rammte Mat den Speerschaft neben sich in den Boden. Er nickte. Matrim Cauthon konnte niemand hereinlegen. Sie hatten ihn angelogen, ihm vage Prophezeiungen erzählt und ihn bedroht, und dann hatten sie ihn aufgeknüpft. Aber am Ende hatte er den Sieg davongetragen.
»Wer war der andere?«, fragte Moiraines leise Stimme hinter ihm. »Den, den ich sah, aber nicht kannte.«
»Er hat es nicht herausgeschafft«, sagte Thom ernst.
Das versetzte Mats Hochgefühl einen Dämpfer. Ihr Sieg hatte einen Preis gekostet, einen schrecklichen Preis. Er war die ganze Zeit mit einer Legende gereist?
»Er war ein Freund«, sagte Thom leise.
»Er war ein großer Mann«, sagte Mat, drehte sich und zog den Ashandarei aus der Erde. »Wenn du die Ballade über all das schreibst, dann betone vor allem, dass er der Held war.«
Thom sah ihn an, dann nickte er begreifend. » Die Welt wird wissen wollen, was mit diesem Mann geschah.« Beim Licht! Wenn er so darüber nachdachte, hatte es Thom nicht besonders überrascht, dass Noal Jain Fernstreicher gewesen war. Er hatte es gewusst. Wann hatte er denn das herausbekommen? Und warum hatte er ihm nichts gesagt? Thom war ein schöner Freund.
Mat schüttelte bloß den Kopf. »Nun, wir sind draußen, egal wie. Aber Thom, wenn ich das nächste Mal die verdammten Verhandlungen übernehmen will, schleich dich von hinten an und hau mir etwas Großes, Schweres und Stumpfes über den Kopf. Und mach dann weiter.«
»Deine Bitte ist zur Kenntnis genommen.«
»Lasst uns ein Stück weitergehen. Es gefällt mir nicht, diesen verfluchten Turm über meinem Kopf zu haben.«
»Ja, man kann sagen, dass sie sich von Gefühlen nähren«, sagte Moiraine. »Obwohl ich es eher als ein ›an Gefühlen laben‹ bezeichnen würde als ein ›nähren‹. Sie brauchen es nicht zum Überleben, aber es erfreut sie sehr.«
Sie saßen in einer bewaldeten Senke einen kurzen Weg vom Turm entfernt, neben der Wiese am Arinelle. Die dichten Baumkronen kühlten die Luft und verschleierten den Blick auf den Turm.
Mat saß auf einem kleinen, moosbewachsenen Stein, während Thom Feuer machte. Er hatte ein paar von Aludras Zündhölzern in der Tasche und einen Beutel Tee, allerdings hatten sie nichts, um Wasser zu kochen.
Moiraine saß noch immer in Thoms Umhang gehüllt auf dem Boden, an einen umgestürzten Baumstamm gelehnt. Sie hielt den Umhang von innen geschlossen, und er hüllte sie abgesehen von ihrem Gesicht und den dunklen Locken völlig ein. Sie sah mehr wie eine Frau aus, als Mat in Erinnerung hatte – in seiner Erinnerung war sie wie eine Statue. Immer ausdruckslos, das Gesicht wie polierter Stein, die Augen wie dunkelbrauner Topas.
Jetzt saß sie mit blasser Haut und geröteten Wangen da, und das Lockenhaar fiel ganz natürlich um ihr Gesicht. Wenn man einmal von ihrem alterslosen Aes Sedai-Gesicht absah, war sie durchaus hinreißend. Allerdings verriet dieses Gesicht weitaus mehr Gefühle, als Mat in Erinnerung hatte; da war ein zärtlicher Ausdruck, wenn sie Thom ansah, und ein deutliches Zittern, wenn sie von ihrer Zeit im Turm sprach.
Sie sah Mat an, und ihr Blick war noch immer abschätzend. Ja, dieselbe Moiraine. Erniedrigt. Aus irgendeinem Grund kam sie ihm deshalb stärker vor.
Thom blies auf die zögerliche Flamme, die einen Rauchfaden in die Luft schickte, bevor sie erstarb. Vermutlich war das Holz zu nass. Thom fluchte.
»Schon gut, Thom«, sagte Moiraine leise. »Mir geht es gut.«
»Ich lasse nicht zu, dass du dir in dem Moment, in dem wir dich aus diesem Ort befreien, eine Erkältung holst«, sagte Thom. Er holte ein Zündholz hervor, aber plötzlich sprühte das Holz Funken, und das Feuer erwachte zum Leben, als es die zu feuchten Scheite verschlang.
Mat sah Moiraine an, die einen konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht hatte.
»Oh«, machte Thom, dann kicherte er. »Das hatte ich beinahe schon vergessen …«
»Das ist alles, zu dem ich im Moment imstande bin«, sagte Moiraine und zog eine Grimasse. Beim Licht, hatte Moiraine je zuvor eine Grimasse geschnitten? Dafür war sie immer viel zu fein und edel gewesen, oder etwa nicht? Oder vertat sich Mat da einfach?
Moiraine. Er unterhielt sich mit der verfluchten Moiraine! Auch wenn er den Turm mit der entschiedenen Absicht betreten hatte, sie zu retten, kam es ihm unglaublich vor, dass er mit ihr sprach. Das war, als spräche man mit…
Nun, mit Birgitte Silberbogen oder Jain Fernstreicher. Kopfschüttelnd lächelte Mat. Was für eine Welt war das nur, und was für einen Platz hatte er darin.
»Was hast du damit gemeint?«, fragte Thom und fütterte das Feuer mit ein paar Zweigen. »Dass du nicht zu mehr imstande bist?«
»Die Aelfinn und Eelfinn«, erklärte sie mit ruhiger Stimme. »Sie genießen und schätzen mächtige Gefühle. Aus irgendeinem Grund sind die Auswirkungen eines Ta’veren noch berauschender für sie. Es gibt noch andere Dinge, die ihnen Spaß machen.«
Thom sah sie stirnrunzelnd an.
»Meine Macht, Thom«, erklärte sie. »Ich konnte sie einander anbellen und anzischen hören, als sie sich an mir nährten, abwechselnd Aelfinn und Eelfinn. Anscheinend hatten sie nicht oft eine Aes Sedai. Während sie meine Fähigkeit des Machtlenkens aufzehrten, wurden sie auf doppelte Weise genährt – meine Trauer über meinen Verlust und die Macht selbst. Mein Aufnahmevermögen ist sehr begrenzt worden.
Sie behaupteten, Lanfear getötet zu haben, weil sie sie zu schnell leerten, obwohl ich glaube, dass sie mir einfach nur Angst einjagen wollten. Einmal war ein Mann da, als sie mich weckten. Er sagte, ich wäre nicht diejenige, die er wollte.« Sie zögerte, erschauderte. »Manchmal wünschte ich mir, sie würden mich schnell leer saugen und meinem Leben ein Ende machen. «
Abgesehen vom Knistern des Feuers kehrte Stille in dem kleinen Lager ein. Thom sah Moiraine hilflos an.
»Zeig mir nicht solche Trauer, Thom Merrilin«, sagte Moiraine lächelnd. »Ich habe schreckliche Dinge gefühlt, aber alle Menschen kennen solche Augenblicke der Verzweiflung. Ich glaubte fest daran, dass du kommen würdest.« Sie öffnete den Umhang einen Spalt, enthüllte eine schlanke, blasse Schulter und ein Schlüsselbein und streckte ihm die Hand entgegen. Er zögerte, dann nahm er die Hand und drückte sie.
Moiraine sah Mat an. »Und du, Matrim Cauthon. Auch kein einfacher Bauernjunge mehr. Schmerzt das Auge sehr?«
Mat zuckte mit den Schultern.
»Ich würde die Wunde heilen, wenn ich könnte«, sagte Moiraine. »Aber selbst wenn ich so stark wie früher wäre, könnte ich dein Auge nicht wiederherstellen.« Sie senkte den Blick, ließ Thoms Hand los und hob den Arm. »Hast du das Angreal?«
»O ja«, sagte Thom und fischte den seltsamen Armreif aus der Tasche. Er legte ihn ihr an.
»Damit werde ich stark genug sein, um zumindest die Schmerzen verschwinden zu lassen«, sagte Moiraine. »Sie legten es mir an, damit ich mehr Macht aufnehmen konnte, damit sie noch üppiger speisen konnten. Eigentlich hatte ich darum gebeten, als eine meiner drei Forderungen. Mir war nicht klar, dass sie es am Ende gegen mich verwenden würden.«
»Sie erfüllten deine drei Forderungen?«, fragte Mat stirnrunzelnd.
»Ich kam durch das Ter’angreal«, sagte sie. »Das uralte Bündnis galt für beide Seiten, obwohl es wegen des zerstörten Türrahmens keine Rückkehr mehr gab. Ich wusste durch … frühere Vorfälle, dass ich ohne deine Hilfe nicht entkommen würde, ganz egal, welche Forderungen ich stellte oder wie sorgfältig ich sie formulierte. Also machte ich das Beste daraus. «
»Worum hast du gebeten?«, wollte Mat wissen. »Abgesehen von dem Angreal.«
Sie lächelte. »Das behalte ich im Augenblick für mich. Ich bedanke mich bei dir, junger Matrim. Für mein Leben.«
»Dann sind wir wohl quitt«, sagte er. »Du hast mich vor dem Leben in den Zwei Flüssen gerettet. Soll man mich doch zu Asche verbrennen, wenn ich seitdem keinen hübschen Galopp hatte.«
»Und deine Verletzung?«
»Tut gar nicht so weh.« Tatsächlich pochte sie. Sogar schlimm. »Du brauchst keine Kraft dafür verschwenden.«
»Also hast du noch immer Angst vor der Einen Macht, wie ich sehe.«
Er blickte sie finster an. »Angst?«
»Du wirst einen guten Grund für diese Vorsicht haben.« Sie senkte den Blick. »Aber pass auf. Manchmal sind die unerfreulichsten Geschehnisse in unserem Leben nur zu unserem Besten.«
Ja, sie war noch immer dieselbe Moiraine. Schnell mit einer Moral und einem Rat bei der Hand. Aber vielleicht hatte sie nach allem, was sie durchgemacht hatte, recht, einen über Leiden zu belehren. Beim Licht! Sie hatte gewusst, was sie würde durchmachen müssen, und trotzdem hatte sie Lanfear in das Ter’angreal gezogen? Vielleicht war er doch nicht der Held, und vielleicht war Noal es auch nicht.
»Und nun?«, sagte Thom und setzte sich auf einen Baumstumpf. Die Wärme des Feuers fühlte sich gut an.
»Ich muss Rand finden«, sagte Moiraine. »Er wird meine Hilfe brauchen. Er hat sich in meiner Abwesenheit gut geschlagen, nehme ich an?«
»Dazu kann ich nichts sagen«, bemerkte Mat. »Er ist halb verrückt, und die ganze verdammte Welt geht sich an die Kehle.« Farben wirbelten. Rand aß zusammen mit Min. Mat verscheuchte das Bild.
Moiraine hob eine Braue.
»Aber er hat so gut wie jeden zur Letzten Schlacht gerufen«, räumte Mat ein. »Und Verin sagte, er hätte es geschafft, Saidin vom Makel zu reinigen.«
»Gesegnetes Licht«, flüsterte Moiraine. »Wie?«
»Das weiß ich nicht.«
»Das verändert alles«, sagte sie mit breitem Lächeln. »Er hat das gerichtet, was er einst verschuldete. ›Der Drache war schuld an unserem Schmerz, und der Drache heilte die Verletzung‹.«
»Mat beharrt ja darauf, dass wir ein Fest abhalten sollen, um zu feiern«, warf Thom ein. »Obwohl er vermutlich nur nach einem guten Vorwand sucht, um sich zu betrinken.«
»Das mit Sicherheit«, fügte Mat hinzu. »Aber wie dem auch sei, Rand war fleißig. Elayne sagte, dass er irgendein Treffen mit den Monarchen arrangiert hat, das bald unter seiner Leitung stattfinden soll.«
» Dann ist Elayne nun Königin?«
»Klar. Rahvin hat ihre Mutter getötet.«
»Das hast du mir gesagt.«
»Tatsächlich? Wann?«
»Das ist ein ganzes Leben her, Matrim«, erwiderte sie lächelnd.
»Oh. Nun, Rand hat ihn getötet. Also ist das erledigt.« »Und die anderen Verlorenen?« »Weiß nicht.«
»Mat war zu beschäftigt, um mitzuzählen«, fügte Thom hinzu. »Er hat seine Zeit damit verbracht, die Kaiserin von Seanchan zu heiraten.«
Moiraine blinzelte überrascht. »Du hast was!«
»Es war ein Zufall«, sagte Mat lahm und duckte sich zusammen.
»Du hast zufällig die seanchanische Kaiserin geheiratet?« »Sie haben so seltsame Sitten«, erwiderte Mat und zog den Hut ins Gesicht. »Seltsame Leute.« Er rang sich ein Kichern ab. »Ta’veren«, sagte Moiraine.
Irgendwie hatte er gewusst, dass sie das sagen würde. Beim Licht. Nun, es war schön, sie wiederzuhaben. Er war überrascht, wie mächtig dieses Gefühl war. Wer hätte das gedacht? Zuneigung zu einer Aes Sedai, von ihm?
»Wie ich sehe, gibt es viele Geschichten, die man mir erzählen muss«, sagte sie. »Aber jetzt müssen wir erst Rand finden.«
Er hatte doch gewusst, dass sie versuchen würde, das Kommando zu übernehmen. »Du findest ihn, Moiraine, aber ich habe ein paar Dinge in Caemlyn zu erledigen. Ich will mich nicht streiten, aber so sehen die Tatsachen aus. Du solltest übrigens mitkommen. Elayne kann dir sicher besser als sonst jemand mit Rand helfen.«
Verdammte Farben. Als wäre es nicht schon schlimm genug gewesen, nur ein Auge zu haben, diese verdammten Visionen verschleierten seine Sicht jedes Mal, wenn er an Rand …
Zum Henker mit diesen Visionen!
Moiraine hob eine Braue, als er den Kopf schüttelte und dann errötete. Vermutlich sah er aus, als hätte er einen Anfall.
»Wir werden sehen, Matrim«, sagte sie und schaute dann zu Thom, der mit den Teeblättern in der Hand aufstand. Es hätte Mat nicht gewundert, hätte er versucht, Wasser in den Händen zu kochen, nur um Moiraine einen warmen Tee zu besorgen. Thom sah sie an, und sie hielt ihm wieder die Hand hin.
» Liebster Thom «, sagte sie. »Ich würde dich als meinen Gemahl nehmen, wenn du mich als Frau haben willst.«
»Was?« Mat stand auf. Er griff sich an die Stirn und schlug sich beinahe den Hut vom Kopf. »Was hast du da gesagt?«
»Ruhig, Mat«, sagte Thom. Er nahm Moiraines angebotene Hand nicht. »Du weißt, dass ich Frauen, die die Eine Macht lenken konnten, nie besonders gemocht habe, Moiraine. Du weißt, dass mich das in der Vergangenheit zurückgehalten hat.«
»Ich gebiete nicht mehr über viel Macht, liebster Thom. Ohne dieses Angreal wäre ich nicht einmal mehr stark genug, um in der Weißen Burg zur Aufgenommenen erhoben zu werden. Wenn du wünschst, werfe ich es weg.« Sie hob die andere Hand und ruinierte fast ihre Schicklichkeit. Sie zog das Angreal ab.
»Davon halte ich nichts«, sagte Thom, kniete nieder und nahm ihre Hände. »Nein, ich werde dich nicht berauben.«
»Aber damit werde ich sehr stark sein, stärker in der Macht als vor meiner Gefangenschaft.«
»Dann soll es eben so sein.« Er legte ihr das Armband wieder an. »Wenn du es möchtest, heirate ich dich jetzt.«
Sie lächelte zutiefst erfreut.
Mat stand verblüfft da. »Und wer soll euch verdammt noch mal trauen?«, stieß er hervor. »Also ich mit Sicherheit nicht, das sage ich euch.«
Die beiden sahen ihn an, Thom mit ausdruckslosem Blick, Moiraine mit der Andeutung eines Lächelns. »Ich verstehe, warum die seanchanische Frau dich haben musste, Mat«, bemerkte sie. »Du hast wirklich eine Ader für Romantik.«
»Ich bin bloß …« Er nahm den Hut ab, hielt ihn unbehaglich und schaute sie abwechselnd an. »Ich bin bloß … ach verdammt! Wieso habe ich das nicht mitbekommen? Ich war doch den größten Teil der Zeit dabei, die ihr beiden zusammen wart! Wann habt ihr eure Zuneigung entdeckt?«
»Da hast du nicht besonders gut aufgepasst«, sagte Thom. Er wandte sich wieder Moiraine zu. »Ich nehme an, du willst mich auch als deinen Behüter.«
Sie lächelte. »Ich hoffe, dass mein letzter Gaidin mittlerweile von einer anderen vereinnahmt wurde.«
»Ich nehme die Stellung an«, sagte Thom, »obwohl du dann Elayne erklären musst, warum ihr Hofbarde ein Behüter ist.« Er zögerte. »Glaubst du, sie können einen dieser farbverändernden Umhänge mit Flicken versehen?«
»Nun, wie ich sehe, habt ihr beide den verdammten Verstand verloren«, sagte Mat. »Thom, warst du das nicht, der mir mal gesagt hat, dass Tar Valon und Caemlyn die beiden qualvollsten Orte waren, an denen du je warst? jetzt rennst du kopfüber den Hügel hinunter, an dessen Ende du in der einen oder anderen Stadt leben wirst!«
Thom zuckte mit den Schultern. »Zeiten ändern sich.«
»Ich habe nie viel Zeit in Tar Valon verbracht«, sagte Moiraine. »Ich glaube, wir werden das gemeinsame Reisen genießen, Thom Merrilin. Sollten wir die kommenden Monate überleben.« Sie sah Mat an. »Du solltest den Behüterbund nicht so leichtfertig abtun, Mat. Seine Segnungen werden Männern in diesen Tagen von großem Nutzen sein.«
Mat setzte sich wieder den Hut auf. »Das mag schon sein, aber du wirst nicht erleben, dass ich in diese verdammte Falle tappe. Nichts für ungut, Moiraine. Ich habe dich wirklich gern. Aber mit einer Frau verbunden zu sein? Das wird Matrim Cauthon nicht passieren.«
»Tatsächlich?«, fragte Thom amüsiert. »Sind wir nicht zu dem Schluss gekommen, dass deine Tuon durchaus zum Machtlenken imstande wäre, sollte sie sich entscheiden, es zu lernen?«
Mat erstarrte. Verdammte Asche. Thom hatte recht. Aber Machtlenken würde sie zur Mar ath’damane machen. Das würde sie nie tun. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen.
Oder etwa doch?
Er musste bei dem Gedanken die Miene verzogen haben, denn Thom kicherte, und Moiraine lächelte wieder. Aber die beiden verloren bald das Interesse an einem Wortgefecht und wandten sich einem weniger ernsten Thema zu. Diese Zuneigung in ihren Augen war echt. Sie liebten sich. Beim Licht! Wie hatte er das nur übersehen können? Er kam sich vor wie ein Mann, der ein Schwein zum Pferderennen mitgebracht hatte.
Er entschied, die beiden allein zu lassen. Er ging los, um sich an der Stelle umzusehen, an der ihr Wegetor erscheinen sollte. Was besser auch passierte. Sie hatten keine Vorräte, und Mat verspürte nicht die geringste Lust, ein Schiff auf sie aufmerksam zu machen und den langen Weg nach Caemlyn zu fahren.
Zum Ufer des Arinelle war es ein kurzer Weg über die Wiese. Dort errichtete er ein kleinen Gedenkhügel für Noal und nahm davor in stillem Gedenken den Hut ab, dann setzte er sich, um zu warten und nachzudenken.
Moiraine war in Sicherheit. Er hatte überlebt, auch wenn die verdammte Augenhöhle übel schmerzte. Er war sich immer noch nicht sicher, ob die Aelfinn und Eelfinn bei ihm die Strippen zogen oder nicht, aber er hatte sich in ihren Bau gewagt und war unversehrt wieder herausgekommen. Jedenfalls größtenteils.
Ein Auge verloren. Welche Auswirkungen hatte das auf sein Geschick im Kampf? Das bereitete ihm mehr Sorgen als alles andere. Er hatte sich unerschütterlich gegeben, aber innerlich zitterte er. Was würde Tuon von einem Gemahl halten, dem ein Auge fehlte? Ein Gemahl, der sich möglicherweise nicht verteidigen konnte?
Er zog ein Messer, warf es in die Höhe und fing es an der Klinge wieder auf. Dann, aus einer Laune heraus, schleuderte er es ohne hinzusehen hinter sich. Ein schrilles Quieken ertönte, und er wandte sich um und entdeckte einen Hasen auf dem Boden zusammensinken, aufgespießt von dem lässig geworfenen Messer.
Er grinste und wandte sich wieder dem Fluss zu. Dort entdeckte er am Ufer etwas zwischen zwei großen Steinen klemmen. Es war ein umgedrehter Kochtopf mit einem Kupferboden, kaum benutzt und lediglich an der Seite etwas eingedellt. Ein am Ufer vorbeimarschierender Reisender musste ihn verloren haben.
Ja, womöglich konnte er keine Entfernungen mehr abschätzen, womöglich konnte er nicht mehr so gut sehen wie früher. Aber Glück funktionierte sowieso besser, wenn man nicht hinsah.
Sein Grinsen wurde breiter, dann holte er den Hasen, den er fürs Abendessen häuten würde, und fischte den Topf aus dem Fluss.
Moiraine würde doch noch ihren Tee bekommen.