2 Führungsfragen

Am Himmel grollte Donner so leise und bedrohlich wie das Knurren einer fernen Bestie. Perrin richtete den Blick nach oben. Vor wenigen Tagen hatte sich die allgegenwärtige Wolkendecke schwarz verfärbt wie vor einem drohenden schrecklichen Sturm. Aber es hatte nur kurze Regenschauer gegeben.

Das nächste Grollen erschütterte die Luft. Keine Blitze. Perrin tätschelte Stehers Hals; das Pferd roch nervös – verschwitzt und gereizt. Und damit war das Tier nicht allein. Der Geruch hing über seiner ganzen gewaltigen Streitmacht aus Soldaten und Flüchtlingen, die über den matschigen Boden trampelte. Diese Streitmacht erzeugte ihren eigenen Donner, Schritte, Hufschlag, sich drehende Wagenräder, Männer und Frauen, die einander Dinge zuriefen.

Sie hatten die Jehannahstraße fast erreicht. Ursprünglich hatte Perrin geplant, sie zu überqueren und dann weiter nach Norden in Richtung Andor zu ziehen. Aber er hatte durch die Krankheit, die das Lager heimgesucht hatte, viel Zeit verloren – beinahe wären beide Asha’man gestorben. Dann hatte sie der Schlamm noch langsamer gemacht. Insgesamt war seit dem Aufbruch aus Maiden mehr als ein Monat vergangen, und sie waren gerade so weit gereist, wie Perrin gehofft hatte, in einer Woche zurückzulegen.

Perrin schob die Hand in die Manteltasche und strich über das kleine Rätselspiel aus Schmiedeeisen. Sie hatten es in Maiden gefunden, und er hatte angefangen, damit herumzuspielen. Bis jetzt hatte er noch nicht ergründet, wie man die einzelnen Teile voneinander trennte. Es war das komplizierteste Geschicklichkeitsspiel, das er je gesehen hatte.

Von Meister Gill oder den anderen Leuten, die er mit Vorräten vorausgeschickt hatte, fehlte jede Spur. Grady hatte es geschafft, ein paar kleine Wegetore zu erschaffen, damit Späher sie finden konnten, aber diese waren erfolglos zurückgekehrt. Langsam machte sich Perrin Sorgen um sie.

»Mein Lord?«, fragte ein Mann. Er stand neben Perrins Pferd. Turne war ein schlaksiger Bursche mit lockigem roten Haar und einem mit Lederriemen abgebundenen Bart. In einer Gürtelschlaufe trug er eine Kriegeraxt, ein bösartiges Ding mit einem Dorn an der Oberseite.

»Wir können euch nicht viel zahlen«, sagte Perrin. »Eure Männer haben keine Pferde?«

»Nein, mein Lord«, sagte Turne und warf einen Blick zu seinem Dutzend Gefährten. »Jarr hatte eins. Wir haben es vor ein paar Wochen aufgegessen.« Turne roch ungewaschen und schmutzig, und über diesen Gerüchen lag eine seltsame Schalheit. Waren die Gefühle des Mannes abgestumpft? »Wenn es Euch recht ist, mein Lord, der Lohn kann warten. Falls Ihr etwas zu essen habt… nun, das wäre für den Moment genug.«

Ich sollte sie fortschicken, dachte Perrin. Wir haben bereits viel zu viele Mäuler zu stopfen. Beim Licht, eigentlich hätte er Menschen loswerden sollen. Aber diese Burschen machten den Eindruck, als könnten sie mit ihren Waffen umgehen, und wenn er sie fortschickte, endeten sie zweifelsohne als Plünderer.

»Geht den Tross entlang«, sagte Perrin. »Findet einen Mann namens Tarn al’Thor – ein stämmiger Bursche, der wie ein Bauer gekleidet ist. Jeder sollte euch in seine Richtung schicken können. Sagt ihm, dass ihr mit Perrin gesprochen habt und dass ich befohlen habe, euch für Verpflegung aufzunehmen.«

Die verdreckten Männer entspannten sich, und ihr schlanker Anführer roch sogar dankbar. Dankbar! Söldner – vielleicht sogar Banditen -, die dankbar waren, für eine warme Mahlzeit in Diensten genommen zu werden. Das war der Zustand der Welt.

»Sagt mir, mein Lord«, sagte Turne, während sich seine Männer in Bewegung setzten und die Flüchtlingsreihen entlanggingen. »Habt Ihr wirklich etwas zu essen?«

»Haben wir«, erwiderte Perrin. »Ich sagte es doch.«

»Und es verdirbt nicht, wenn man es die Nacht unbeaufsichtigt lässt?«

»Natürlich nicht«, erwiderte Perrin streng. »Nicht, wenn man es richtig aufbewahrt.« Ein Teil ihres Korns wies möglicherweise Käfer auf, aber es war genießbar. Der Mann schien das unglaublich zu finden, als hätte Perrin gesagt, dass seinen Wagen bald Flügel wachsen und sie zu den Bergen hinauffliegen würden.

»Geht jetzt«, sagte Perrin. »Und vergesst nicht Euren Männern zu sagen, dass wir unser Lager nach strengen Regeln führen. Keine Schlägereien, kein Diebstahl. Wenn ich auch nur schnuppere, dass ihr Ärger macht, fliegt ihr raus.«

»Ja, mein Lord«, sagte Turne und eilte seinen Männern hinterher. Er roch ehrlich. Tarn würde nicht erfreut sein, auf eine weitere Gruppe Söldner aufpassen zu müssen, aber noch waren die Shaido irgendwo da draußen. Die meisten von ihnen schienen sich nach Osten gewandt zu haben. Aber weil seine Streitmacht so langsam vorangekommen war, sorgte er sich, dass die Aiel ihre Ansicht änderten und für ihn zurückkamen.

Er trieb Steher wieder an, flankiert von zwei Männern aus den Zwei Flüssen. Jetzt, da es Aram nicht mehr gab, hatten sich die Männer aus den Zwei Flüssen unglücklicherweise zu Perrins Leibwächtern erklärt. Das heutige Ärgernis bestand aus Will al’Seen und Reed Soalen. Perrin hatte versucht, die Männer loszuwerden. Aber sie bestanden darauf, und er hatte sich mit größeren Sorgen herumzuschlagen, von denen seine seltsamen Träume nicht der geringste Teil waren. Lange nachhallende Visionen von der Arbeit in der Schmiede und der Unfähigkeit, etwas Vernünftiges zustande zu bringen.

Vergiss sie doch einfach, befahl er sich und ritt zum Anfang der langen Marschreihe, gefolgt von al’Seen und Soalen. Du hast schon genug Albträume, wenn du wach bist. Kümmere dich um die zuerst.

Die Wiese um ihn herum stellte offenes Gelände dar, auch wenn das Gras vergilbte, und ihm fielen voller Unmut mehrere große Schneisen toter Wildblumen auf, die langsam verrotteten. Der Frühlingsregen hatte die meisten solcher Gebiete in Schlammlöcher verwandelt. So viele Flüchtlinge zu befördern war eine zeitraubende Angelegenheit, selbst wenn man die Blasen des Bösen und den Schlamm nicht in Betracht zog. Alles nahm mehr Zeit in Anspruch als erwartet, Maiden hinter sich zu lassen eingeschlossen.

Die Streitmacht wühlte bei ihrem Marsch den Schlamm auf; die meisten Flüchtlinge hatten verdreckte Kleidung, und ein dichter, klebriger Geruch hing in der Luft. Perrin näherte sich dem Anfang der Reihe und passierte Reiter mit roten Harnischen und an Töpfe erinnernden Helmen, die ihre Lanzen emporgereckt hielten. Die Geflügelten Wachen von Mayene. Lord Gallenne ritt an ihrer Spitze, den Helm mit den roten Federn an der Seite gehalten. Seine Haltung war steif genug, dass man hätte glauben können, er befinde sich auf einer Parade, aber sein eines Auge ließ die Gegend nicht aus dem Blick. Er war ein guter Soldat. Seine Streitmacht verfügte über viele gute Soldaten, auch wenn es manchmal schwerer war, sie daran zu hindern, einander an die Kehle zu gehen, als ein Hufeisen zu verbiegen.

»Lord Perrin!« Arganda, der Erste Hauptmann von Ghealdan, drängte sich auf einem hohen braunen Wallach durch die Reihen der Mayener – seit Alliandres Rückkehr war Arganda auf Gleichbehandlung aus. Er hatte sich darüber beschwert, dass die Geflügelten Wachen so oft an der Spitze ritten. Statt weiteren Streit zu fördern, hatte Perrin befohlen, dass ihre Reihen nebeneinander ritten.

»War das noch eine Gruppe Söldner?«, wollte Arganda wissen und zügelte sein Pferd an Perrins Seite.

»Eine kleine Gruppe«, erwiderte Perrin. »Vermutlich die einstige Wachmannschaft eines örtlichen Statthalters.«

»Deserteure.« Arganda spuckte aus. »Ihr hättet nach mir schicken sollen. Meine Königin würde sie hängen sehen wollen! Vergesst nicht, dass wir jetzt in Ghealdan sind.«

»Eure Königin ist meine Lehnsfrau«, sagte Perrin, als sie den Anfang der Marschreihe erreichten. »Wir hängen niemanden auf, solange wir keinen Beweis für seine Verbrechen haben. Sobald alle wieder sicher dort sind, wo sie hingehören, könnt Ihr Euch die Söldner vorknöpfen und sehen, ob Ihr welche von ihnen anklagen könnt. Bis dahin sind sie bloß hungrige Männer, die nach jemandem suchen, dem sie folgen können.«

Arganda roch frustriert. Nach dem erfolgreichen Angriff auf Maiden hatte Perrin ein paar Wochen des guten Willens von ihm und Gallenne bekommen, aber in dem endlosen Schlamm unter einem Himmel grollender Donnerwolken kamen die alten Gegensätze wieder zum Vorschein.

»Macht Euch keine Sorgen«, sagte er. »Meine Männer behalten die Neuankömmlinge im Auge.« Er ließ sie auch auf die Flüchtlinge aufpassen. Einige davon waren so fügsam, dass sie kaum ungefragt zur Latrine gingen; andere blickten noch immer ständig über die Schulter, als rechneten sie damit, dass die Shaido jeden Augenblick zwischen den fernen Eichen und Amberbäumen hervorsprangen. Menschen, die derart nach Angst rochen, konnten Ärger machen, und die verschiedenen Fraktionen seines Lagers gingen bereits daher, als würden sie sich durch Juckbüsche schieben.

»Ihr dürft jemanden losschicken, der mit den Neuankömmlingen spricht, Arganda«, sagte Perrin. »Aber mehr nicht. Findet heraus, wo sie herkommen, ob sie einem Lord gedient haben, ob sie etwas zu den Landkarten beitragen können.« Sie hatten einfach keine guten Karten von dieser Gegend und waren gezwungen gewesen, dass die Ghealdaner – Arganda eingeschlossen – welche aus dem Gedächtnis zeichneten.

Arganda ritt los, und Perrin setzte sich vor die Marschreihe. Den Befehl zu haben hatte auch seine schönen Momente; hier vorn war der Gestank nach ungewaschenen Leibern und stinkendem Schlamm nicht ganz so schlimm. Voraus konnte er endlich die Jehannahstraße sehen, die sich einem langen Lederriemen gleich durch die Hochlandebenen zog und in nordwestlicher Richtung verlief.

Eine Weile ritt Perrin in seine Gedanken versunken. Schließlich erreichten sie die Straße. Dort sah der Schlamm nicht so schlimm aus wie im Gelände – wenn sie allerdings wie die anderen Straßen war, die Perrin erlebt hatte, würde sie ihre ausgewaschenen Strecken und morastigen Längen haben. Als er sie erreichte, sah er den näher kommenden Gaul. Der Aiel war auf Erkundung gewesen, und als Perrins Pferd die Straße erklomm, bemerkte er, dass ihnen jemand hinter Gaul entgegengeritten kam.

Es war Fennel, einer der Hufschmiede, die Perrin zusammen mit Meister Gill und den anderen vorausgeschickt hatte. Sein Anblick ließ Perrin eine Woge der Erleichterung verspüren, aber ihr folgten sofort neue Sorgen. Wo steckten die anderen?

»Lord Perrin!«, rief der Mann und ritt heran. Gaul trat zur Seite. Fennel war ein breitschulteriger Mann, der eine lange Axt auf den Rücken geschnallt trug. Er roch nach Erleichterung. »Dem Licht sei gedankt. Ich dachte schon, Ihr würdet es nie herschaffen. Euer Mann sagte, die Rettung hätte funktioniert?«

»Das hat sie, Fennel«, erwiderte Perrin und runzelte die Stirn. »Wo sind die anderen?«

»Sie sind voraus, mein Lord«, sagte Fennel und verneigte sich im Sattel. »Ich bin freiwillig zurückgeblieben, um auf Euer Eintreffen zu warten. Ihr müsst wissen, wir müssen etwas erklären.«

» Etwas erklären?«

»Der Rest ist nach Lugard aufgebrochen«, sagte Fennel. »Auf der Straße.«

»Was?«, sagte Perrin ärgerlich. »Ich gab doch den Befehl, weiter nach Norden zu reisen!«

»Mein Lord.« Fennel schien verlegen. »Wir stießen auf Reisende, die aus dieser Richtung kamen; sie berichteten, dass der Schlamm die Straßen nach Norden für Wagen oder Karren so gut wie unpassierbar macht. Meister Gill traf die Entscheidung, dass wir Eure Befehle am besten befolgen, wenn wir über Lugard nach Caemlyn reisen. Es tut mir leid, mein Lord. Darum musste einer von uns zurückbleiben.«

Beim Licht! Kein Wunder, dass die Kundschafter Gill und die anderen nicht hatten finden können. Sie hatten in der falschen Richtung gesucht. Nun, nachdem er sich selbst wochenlang durch den Matsch geschleppt hatte, konnte er es ihnen nicht verübeln, dass sie sich für die Straße entschieden hatten. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, ärgerlich zu sein.

»Wie weit sind wir hinter ihnen?«, wollte er wissen.

»Ich bin seit fünf Tagen hier, mein Lord.«

Also waren Gill und die anderen auch aufgehalten worden. Nun, das war immerhin etwas.

»Holt Euch etwas zu essen, Fennel«, sagte Perrin. »Und ich danke Euch, dass Ihr hiergeblieben seid, um mich wissen zu lassen, was geschehen ist. Das war sehr tapfer von Euch, so lange allein zu warten.«

»Jemand musste es tun, mein Lord.« Er zögerte. »Die meisten befürchteten, Ihr hättet nicht… nun, dass alles schiefgegangen sei, mein Lord. Wisst Ihr, wir nahmen an, dass Ihr schneller wärt als wir, da wir mit den Wagen unterwegs sind. Aber so wie es aussieht, habt Ihr Euch entschieden, die ganze Stadt mitzubringen!«

Leider war das nicht weit von der Wahrheit entfernt. Er winkte Fennel weiter.

»Ich fand ihn vor ungefähr einer Stunde an der Straße«, sagte Gaul leise. »An einem Hügel, der ein ausgezeichnetes Lager abgibt. Mit viel Wasser und einem ungehinderten Blick auf das Umland.«

Perrin nickte. Sie würden eine Entscheidung treffen müssen – entweder sie warteten, bis Grady und Neald größere Wegetore erschaffen konnten, oder sie folgten Meister Gill und den anderen zu Fuß. Oder sie schickten die meisten Menschen nach Norden und nur wenige nach Lugard. Aber wie die Entscheidung auch ausfiel, es würde gut sein, den Rest des Tages zu lagern und alles in Ruhe zu bedenken.

»Sag bitte den anderen Bescheid«, sagte Perrin zu Gaul. »Wir gehen auf der Straße bis zu dem Ort, den du gefunden hast, dann besprechen wir, wie es weitergeht. Und bitte einige der Töchter, die Straße in die andere Richtung auszuspähen, damit wir nicht von jemandem überrascht werden, der vielleicht hinter uns herankommt.«

Gaul nickte und ging los, um den Befehl weiterzugeben. Perrin blieb auf Steher sitzen und dachte nach. Er hatte nicht wenig Lust, Arganda und Alliandre sofort nach Nordwesten auf den Weg nach Jehannah zu schicken. Aber die Töchter hatten einige Späher der Shaido entdeckt, die sein Heer beobachteten. Vermutlich sollten sie sich nur vergewissern, dass Perrin keine Bedrohung darstellte, aber sie bereiteten ihm Unbehagen. Das waren gefährliche Zeiten.

Es war besser, Alliandre und ihre Leute in seiner Nähe zu behalten, sowohl zu ihrer Sicherheit wie auch zu seiner, zumindest bis sich Grady und Neald erholt hatten. Die Schlangenbisse aus der Blase des Bösen hatten den beiden schwer zu schaffen gemacht, und Masuri – die Einzige von den Aes Sedai, die gebissen worden war – war noch schlimmer dran als sie.

Immerhin sah Grady langsam wieder gesund aus. Schon bald würde er ein Wegetor erschaffen können, das groß genug war, um ein Heer hindurchzuschicken. Dann konnte Perrin Alliandre und die Männer aus den Zwei Flüssen nach Hause schicken. Und er selbst konnte zurück zu Rand Reisen, allen eine Versöhnung vorspielen – die meisten Leute würden noch immer der Meinung sein, dass er und Rand im Streit auseinandergegangen waren – und endlich Berelain und ihre Geflügelte Wache loswerden. Alles würde wieder so sein, wie es sich gehörte.

Mochte das Licht dafür sorgen, dass auch alles so glattging. Er schüttelte den Kopf und verscheuchte die wirbelnden Farben und Bilder, die immer vor seiner inneren Sicht auftauchten, wenn er an Rand dachte.

In der Nähe betraten Berelain und ihr kleines Heer die Straße und sahen sehr erfreut aus, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Die schöne schwarzhaarige Frau trug ein gutes grünes Kleid und eine Kette aus Feuertropfen. Ihr Ausschnitt reichte unbehaglich tief hinab. Während Failes Abwesenheit hatte er angefangen, sich auf sie zu verlassen, sobald sie aufgehört hatte, ihn wie einen Preiseber zu behandeln, der zur Strecke gebracht und gehäutet werden musste.

Aber jetzt war Faile wieder da, und der Waffenstillstand zwischen ihm und Berelain gehörte anscheinend der Vergangenheit an. Wie gewöhnlich ritt Annoura in ihrer Nähe, auch wenn sie nicht mehr so oft mit ihr plauderte wie früher. Perrin hatte nie herausbekommen, warum sie sich mit dem Propheten getroffen hatte. Vermutlich würde er das nie, wenn man bedachte, was mit Masema geschehen war. Einen Tag nach Maiden waren seine Späher auf einen Haufen Leichen gestoßen, die man mit Pfeilen erschossen und Schuhen, Gürtel und anderer Wertgegenstände beraubt hatte. Auch wenn die Raben ihre Augen gefressen hatten, hatte Perrin Masemas Geruch durch die Verwesung hindurch erfassen können.

Der Prophet war tot, von Räubern getötet. Nun, vielleicht war das ja ein passendes Ende für ihn, aber Perrin hatte noch immer das Gefühl, versagt zu haben. Rand hatte gewollt, dass man Masema zu ihm brachte. Wieder wogten die Farben.

Man konnte es drehen, wie man wollte, es war Zeit, dass er zu Rand zurückkehrte. Die Farben wirbelten und zeigten Rand vor einem Gebäude mit verbrannter Vorderseite, wie er nach Westen starrte. Perrin verdrängte das Bild.

Seine Pflicht war erfüllt, das Problem mit dem Propheten gelöst, Alliandres Gefolgschaft sichergestellt. Trotzdem konnte Perrin das Gefühl nicht abschütteln, dass noch immer etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er spielte an dem Geduldsspiel in der Tasche herum. Um etwas verstehen zu können … muss man seine Einzelteile ergründen …

Er roch Faile, bevor sie ihn erreichte, hörte ihr Pferd auf dem nachgiebigen Boden. »Gill ist also auf dem Weg nach Lugard?«, fragte sie, als sie das Tier neben ihm zügelte.

Er nickte.

»Möglicherweise war das klug. Vielleicht sollten wir auch diese Richtung einschlagen. Waren das noch mehr Söldner, die sich da uns angeschlossen haben?«

»Ja.«

»In den letzten paar Wochen müssen wir mindestens fünftausend Leute aufgenommen haben«, sagte sie nachdenklich. »Vielleicht auch mehr. Seltsam, in dieser abgelegenen Gegend. «

Mit ihrem rabenschwarzen Haar und den markanten Zügen – eine gute saldaeanische Nase, die schräg stehenden Augen – war sie wunderschön. Sie war für den Ritt gekleidet, in dunkles Weinrot. Er liebte sie von ganzem Herzen und dankte dem Licht, dass er sie zurückhatte. Warum fühlte er sich in ihrer Nähe dann nur so unbehaglich?

»Du machst dir Sorgen, mein Gemahl«, bemerkte sie. Sie verstand ihn so gut, fast als könnte sie Gerüche lesen. Aber das schien bei Frauen häufig vorzukommen. Berelain konnte das auch.

»Wir haben zu viele Leute aufgesammelt.« Er grunzte. »Ich hätte anfangen sollen, sie abzuweisen.«

»Vermutlich würden sie sich uns trotzdem anschließen.«

»Warum sollten sie? Ich könnte die entsprechenden Befehle geben.«

»Du kannst dem Muster keine Befehle geben, mein Gemahl.« Sie schaute zu der Marschreihe, die die Straße erreichte.

»Was hat das …« Er unterbrach sich, als er begriff, was sie meinte. »Du glaubst, dass ich das bin? Als Ta’veren?«

»Bei jeder Rast auf unserer Reise hast du weitere Anhänger gewonnen«, sagte Faile. »Trotz unserer Verluste gegen die Aiel haben wir Maiden mit einer größeren Streitmacht verlassen, als wir zu Anfang hatten. Fandest du es nicht seltsam, dass sich so viele der ehemaligen Gai’schain bei Tams Waffenübungen einfanden?«

»Man hat sie so lange unterdrückt«, sagte Perrin. »Das wollen sie nicht noch einmal erleben.«

»Und so lernen Böttcher, wie man mit dem Schwert umgeht und entdecken, dass sie dafür ein Talent haben. Steinmetze, die nicht auf die Idee gekommen wären, sich gegen die Shaido zu wehren, üben nun mit dem Kampfstab. Söldner und Waffenmänner strömen zu uns.«

»Das ist Zufall.«

»Zufall?« Sie klang amüsiert. »Mit einem Ta’veren an der Spitze des Heeres?«

Sie hatte recht, und als er verstummte, konnte er ihre Befriedigung riechen, diesen Streit für sich entschieden zu haben. Er hatte es nicht als Streit betrachtet, sie offensichtlich schon. Wenn überhaupt war sie verärgert, dass er nicht die Stimme erhoben hatte.

» Das ist alles in ein paar Tagen vorbei, Faile. Sobald wir wieder die Wegetore haben, schicke ich diese Leute dorthin, wo sie hingehören. Ich stelle kein Heer auf. Ich helfe ein paar Flüchtlingen, nach Hause zu kommen.« Das Letzte, das er brauchen konnte, waren noch mehr Leute, die ihn »mein Lord« nannten und vor ihm dienerten.

»Wir werden sehen«, sagte sie.

»Faile.« Er seufzte und senkte die Stimme. »Ein Mann muss eine Sache als das betrachten, was sie ist. Es ergibt keinen Sinn, eine Schnalle als Scharnier zu bezeichnen oder einen Nagel als Hufeisen. Ich habe es dir schon einige Male gesagt: ich bin kein guter Anführer. Das habe ich bewiesen.«

»Das sehe ich anders.«

Er schloss die Finger um das Geduldsspiel in seiner Tasche. Sie hatten das während der Wochen seit Maiden öfter besprochen, aber sie wollte es einfach nicht einsehen. »Während du weg warst, Faile, war das Lager in einem schrecklichen Zustand! Ich habe dir doch erzählt, wie sich Arganda und die Töchter beinahe gegenseitig umgebracht haben. Und Aram – Masema hat ihn direkt vor meiner Nase verdorben. Die Aes Sedai spielen Spielchen, von denen ich nicht die geringste Vorstellung habe, und die Männer von den Zwei Flüssen … Du siehst doch, wie sie mich ansehen und sich schämen.«

Failes Geruch verriet einen Stich der Wut, als er das sagte, und sie sah sich ruckartig nach Berelain um.

»Es ist nicht ihr Fehler«, sagte Perrin. »Hätte ich daran gedacht, hätte ich die Gerüchte im Keim erstickt. Aber das habe ich nicht. Und jetzt muss ich in dem Bett schlafen, das ich mir gemacht habe. Beim Licht! Was taugt ein Mann schon, wenn seine eigenen Nachbarn nichts mehr von ihm halten? Ich bin kein Lord, Faile, so ist das eben. Das habe ich gründlich bewiesen.«

»Seltsam«, sagte sie. »Ich habe mit den anderen gesprochen, und sie erzählen eine ganz andere Geschichte. Sie sagen, dass du Arganda unter Kontrolle gehalten und mögliche Konflikte im Lager sofort beendet hast. Dann gab es da die Allianz mit den Seanchanern; je mehr ich davon erfahre, umso beeindruckter bin ich. Du hast in einer Zeit großer Unsicherheit entschieden gehandelt, du hast jedermanns Bemühungen in die richtigen Bahnen gelenkt, und du hast das Unmögliche vollbracht, indem du Maiden erobert hast. So handelt nur ein Anführer.«

»Faile …«, sagte er und unterdrückte ein Knurren. Warum wollte sie ihm nicht zuhören? Als sie Gefangene gewesen war, hatte nichts für ihn eine Rolle gespielt, als sie zurückzubekommen. Nichts. Es hatte keine Rolle gespielt, wer seine Hilfe gebraucht oder welche Befehle sie erhalten hatten. Tarmon Gai’don selbst hätte anfangen können, und er hätte es ignoriert, um Faile zu finden.

Jetzt war ihm klar, wie gefährlich sein Verhalten gewesen war. Das Problem war nur, er würde sich wieder genauso verhalten. Er bedauerte nicht, was er getan hatte, keinen Moment. Kein Anführer würde so handeln.

Er hätte ihnen nie erlauben dürfen, das Wolfskopfbanner zu hissen. Jetzt, wo er seine Mission vollbracht hatte, jetzt, da Faile wieder da war, war der Augenblick gekommen, diesen ganzen Unsinn hinter sich zu lassen. Perrin war Schmied. Es spielte keine Rolle, wie Faile ihn anzog oder welche Titel man ihm verlieh. Man konnte aus einem Abziehmesser kein Hufeisen machen, indem man es anmalte oder mit einem anderen Namen versah.

Er wandte sich zur Seite, wo Jori Congar vor der Marschreihe ritt; der verfluchte rote Wolfskopf flatterte stolz von einer Stange, die länger als eine Kavallerielanze war. Perrin öffnete den Mund, um ihm zuzurufen, das Banner einzuholen, aber Faile ergriff vor ihm das Wort.

»Ja, in der Tat«, sagte sie nachdenklich. »Ich habe die vergangenen Wochen darüber nachgedacht, und auch wenn es seltsam erscheint, glaube ich, dass meine Gefangenschaft genau das war, was wir brauchten. Wir beide.«

Was? Perrin sah sie an, roch ihre Nachdenklichkeit. Sie glaubte tatsächlich, was sie da sagte.

»Wir müssen darüber reden …«, fuhr sie fort.

»Die Späher kehren zurück«, sagte er abrupter als beabsichtigt. »Da kommen Aiel.«

Faile blickte in die Richtung, aber natürlich konnte sie noch nichts sehen. Aber sie wusste über seine Augen Bescheid. Als eine von wenigen.

Ein Ruf erscholl, als andere die drei Gestalten im Cadin’sor am Straßenrand herankommen sahen, die Aiel, die Perrin zur Erkundung ausgesandt hatte. Zwei Töchter eilten zu den Weisen Frauen, eine lief zu Perrin.

»Da ist etwas am Straßenrand, Perrin Aybara«, sagte die Frau. Sie roch nach Sorge. Das war ein gefährliches Zeichen. »Es ist etwas, das Ihr zu sehen wünscht.«


Ein flatternder Zelteingang weckte Galad. Seine Seite brannte, wo man ihn wiederholt getreten hatte; die scharfen Stiche passten zu den dumpferen Schmerzen in Schulter, linkem Arm und Hüfte, wo ihn Valda verwundet hatte. Die pochenden Kopfschmerzen waren beinahe stark genug, um alles andere zu übertreffen.

Er stöhnte und rollte sich auf den Rücken. Um ihn herum war alles dunkel, aber am Himmel leuchteten stecknadelkopfgroße Punkte. Sterne? Es war so lange bewölkt gewesen.

Nein … etwas daran stimmte nicht. Sein Schädel dröhnte schmerzhaft, und er blinzelte Tränen aus den Augenwinkeln. Diese Sterne sahen so schwach, so fern aus. Sie bildeten keine vertrauten Muster. Wohin konnte Asunawa ihn gebracht haben, dass sogar die Sterne anders waren?

Als sich seine Gedanken klärten, wurde die Umgebung deutlicher. Das hier war ein solides Schlafzelt, das während der Tagesstunden dunkel sein sollte. Die Lichter über seinem Kopf waren gar keine Sterne, sondern Tageslicht, das durch winzige, von Abnutzung hervorgerufene Löcher in der Plane drang.

Er war noch immer nackt, und seine vorsichtig tastenden Finger verrieten ihm, dass er geronnenes Blut im Gesicht hatte. Es kam von einem langen Riss auf seiner Stirn. Wenn er ihn nicht bald wusch, würde er sich vermutlich entzünden. Er lag auf dem Rücken und atmete vorsichtig ein und aus. Wenn er zu tief Luft holte, schrie seine Seite auf.

Galad fürchtete weder Tod noch Schmerz. Er hatte die richtigen Entscheidungen getroffen. Es war unerfreulich, dass er den Zweiflern die Führung hatte überlassen müssen; die Seanchaner kontrollierten sie. Aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, nicht nachdem er Asunawa so unbedarft in die Falle gegangen war.

Galad verspürte keinen Zorn auf die Kundschafter, die ihn verraten hatten. Die Zweifler waren eine zuverlässige Quelle der Autorität bei den Kindern, und ihre Lügen waren gewiss überzeugend gewesen. Nein, wütend war er auf Asunawa, der alles, was wahrhaftig war, nahm und verschleierte. Das taten viele auf der Welt, aber die Kinder sollten anders sein.

Bald würden die Zweifler ihn holen, und dann würden ihre Haken und Messer den wahren Preis für die Rettung seiner Männer fordern. Als er seine Entscheidung getroffen hatte, war er sich diesem Preis bewusst gewesen. In gewisser Weise hatte er den Sieg davongetragen, denn er hatte die Situation auf die beste Weise manipuliert.

Um seinen Sieg sicherzustellen, würde er unter ihren Fragen an der Wahrheit festhalten müssen. Mit seinem letzten Atemzug bestreiten, dass er ein Schattenfreund war. Das würde schwierig werden, aber es würde richtig sein.

Er zwang sich dazu, sich aufzusetzen, und erwartete und bezwang den Schwindel und die Übelkeit. Er tastete herum. Seine Beine waren aneinandergekettet, und die Kette war an einer Eisenstange befestigt, die man durch den rauen Zeltboden tief in die Erde getrieben hatte.

Er riss daran, nur für alle Fälle. Zog so kräftig, dass ihn seine Muskeln im Stich ließen und er beinahe wieder das Bewusstsein verlor. Sobald er sich erholt hatte, kroch er zur Seite des Zelts. Die Kette ließ ihm genug Spielraum, um den Eingang zu erreichen. Dort ergriff er eines der Stoffbänder, mit denen man die Eingangsplane festband, wenn man sie öffnete, und spuckte darauf. Damit wischte er sich methodisch Dreck und Blut aus dem Gesicht.

Das Saubermachen gab ihm ein Ziel, hielt ihn in Bewegung und hinderte ihn daran, an die Schmerzen zu denken. Sorgfältig rieb er sich das verkrustete Blut von Nase und Wange. Es war schwierig; sein Mund war trocken. Er biss sich auf die Zunge, damit sich Speichel bildete. Die Bänder bestanden nicht aus Zeltplane, sondern einem leichteren Material. Sie rochen staubig.

Er spuckte auf ein sauberes Stück, dann verrieb er den Speichel im Stoff. Die Wunde an seinem Kopf, der Dreck im Gesicht … für die Zweifler waren das Zeichen ihres Sieges. Er würde sie nicht behalten. Er würde sich ihrer Folter mit einem sauberen Gesicht stellen.

Draußen ertönten Rufe. Männer bereiteten sich darauf vor, das Lager abzubrechen. Würde das die Befragung verzögern? Er bezweifelte es. Das Lager aufzulösen würde Stunden dauern. Galad säuberte sich weiter, befeuchtete beide Bänder, betrachtete die Arbeit als eine Art Ritual, ein rhythmisches Muster, das er als Brennpunkt zur Meditation benutzen konnte. Seine Kopfschmerzen ließen nach, die Schmerzen in seinem Körper verloren an Bedeutung.

Er würde nicht fliehen. Selbst wenn sich ihm eine Möglichkeit zur Flucht geboten hätte, eine Flucht würde seinen Handel mit Asunawa ungültig machen. Aber er würde seinen Feinden selbstbewusst gegenübertreten.

Als er fertig war, hörte er Stimmen außerhalb des Zelts. Sie kamen, um ihn zu holen. Schnell kroch er zurück zu der Stange im Boden. Trotz der Schmerzen holte er tief Luft, dann rollte er sich auf die Knie. Dann packte er die Stange mit der linken Hand und zog sich auf die Füße.

Er schwankte, dann brachte er sich unter Kontrolle und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Seine Schmerzen hatten jetzt keine Bedeutung mehr. Er hatte schon Insektenstiche davongetragen, die schlimmer gewesen waren. Er schob die Füße auseinander, um eine breite Kriegerstellung einzunehmen, die Hände vor dem Körper überkreuzt. Er öffnete die Augen, drückte den Rücken durch, starrte zum Eingang. Nicht Umhang, Uniform, Wappenrock oder Schwert machten den Mann. Es war seine Haltung.

Der Eingang raschelte, dann wurde er zur Seite geschlagen. Das Tageslicht fiel grell in Galads Augen, aber er blinzelte nicht. Er zuckte nicht zusammen.

Silhouetten bewegten sich vor dem bewölkten Himmel. Sie zögerten, von hinten angeleuchtet. Sie waren überrascht, ihn stehen zu sehen, das konnte er erkennen.

»Beim Licht!«, rief einer aus. »Damodred, wie könnt Ihr wach sein?« Unerwarteterweise war die Stimme vertraut.

»Trom?«, fragte Galad mit krächzender Stimme.

Männer drängten ins Zelt. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnten, erkannte Galad den stämmigen Trom, der von Bornhaid und Byar begleitet wurde. Trom fummelte an einem Schlüsselbund herum.

»Halt!«, sagte Galad. »Ich habe Euch dreien einen Befehl gegeben. Bornhaid, da ist Blut an Eurem Umhang! Ich befahl Euch, keinen Versuch zu unternehmen, mich zu befreien!«

»Eure Männer haben ihre Befehle befolgt, Damodred«, sagte eine neue Stimme. Galad drehte den Kopf und sah drei weitere Männer eintreten: Berab Golever, hochgewachsen und bärtig; Alaabar Harnesh, an dessen kahlen Kopf das linke Ohr fehlte; Brandel Vordarian, ein blonder Hüne von Mann, der aus Galads Heimat Andor kam. Alle drei waren Lordhauptmänner, alle drei hatten auf Asunawas Seite gestanden.

»Was hat das zu bedeuten?«, wollte Galad wissen.

Harnesh öffnete einen Sack und kippte etwas Rundliches auf den Zeltboden. Einen Kopf.

Asunawa.

Alle drei Männer zogen die Schwerter und gingen vor Galad auf die Knie, stachen die Klingenspitzen in die Plane. Trom schloss die Fesseln um Galads Füße auf.

»Ich verstehe«, sagte Galad. »Ihr habt Eure Schwerter gegen Eure Kameraden gerichtet.«

»Was hätten wir Eurer Meinung nach sonst tun sollen?«, fragte Brandel und schaute aus der knienden Position auf.

Galad schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht habt Ihr recht; ich sollte Euch wegen dieser Entscheidung nicht schelten. Möglicherweise war es die einzige, die Ihr treffen konntet. Aber warum habt Ihr Eure Meinung geändert?«

»In weniger als einem halben Jahr haben wir zwei Kommandierende Lordhauptmänner verloren«, sagte Harnesh mit rauer Stimme. »Die Festung des Lichts ist ein Spielplatz für die Seanchaner geworden. Die Welt ist ein Chaos.«

»Trotzdem hat uns Asunawa den weiten Weg bis hierher marschieren lassen, damit wir gegen unsere Mitkinder kämpfen«, fuhr Golever fort. »Das war nicht richtig, Damodred. Wir haben alle erlebt, wie vorbildlich Ihr Euch verhalten habt, wir haben alle erlebt, wie Ihr uns daran gehindert habt, einander zu töten. Angesichts dessen, und da der Hochinquisitor einen Mann als Schattenfreund bezeichnete, von dem wir alle wussten, dass er ein Ehrenmann ist… Nun, wie konnten wir uns da nicht gegen ihn stellen?«

Galad nickte. »Ihr akzeptiert mich als Kommandierenden Lordhauptmann?«

Die drei Männer senkten die Köpfe. »Alle Lordhauptmänner sind für Euch«, sagte Golever. »Wir waren gezwungen, ein Drittel derjenigen zu töten, die den roten Hirtenstab der Hand des Lichts trugen. Andere haben sich uns angeschlossen; einige versuchten zu fliehen. Die Amadicianer haben sich nicht eingemischt, und viele von ihnen haben gesagt, sich lieber uns anschließen zu wollen, als zu den Seanchanern zurückzukehren. Wir bewachen den Rest der Amadicianer und die Zweifler, die fliehen wollten, mit gezückten Schwertern.«

»Lasst die ziehen, die gehen wollen«, sagte Galad. »Sie dürfen zu ihren Familien und ihren Herren zurückkehren. Bis sie die Seanchaner erreicht haben, sind wir außerhalb ihrer Reichweite.«

Die Männer nickten.

»Ich akzeptiere euren Treueschwur«, sagte Galad. »Holt die anderen Lordhauptmänner zusammen, und bringt mir die Ausrüstungslisten. Brecht das Lager ab. Wir marschieren nach Andor.«

Keiner von ihnen stellte die Frage, ob er Ruhe brauchte, auch wenn Trom beunruhigt aussah. Galad nahm das weiße Gewand entgegen, das ein Kind ihm brachte, dann setzte er sich auf einen eilig gebrachten Stuhl, während ein anderer Mann – Kind Candeiar, ein erfahrener Feldscher – eintrat, um seine Verletzungen zu untersuchen.

Galad fühlte sich weder klug noch stark genug, um den Titel zu tragen, den man ihm verliehen hatte. Aber die Kinder hatten ihre Entscheidung getroffen.

Das Licht würde sie deswegen beschützen.

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