29



Die Nacht war kurz gewesen, zwischen Rentierfellen und Wolldecken. Es war noch dunkel, als sie beim Frühstück wieder zusammensaßen, über geräucherten Makrelen und Fladenbrot mit dem cremigen und milden Rentierkäse, wer mochte, mit Marmelade aus Multbeeren dazu. Und Kaffee, zum Erstaunen der Gäste, pechschwarz und stark.

Aus Bergen, erklärte Harri, während er schmunzelnd einen Löffel Rentierkäse in seinen Kaffee rührte, wie Zucker und Getreide zweimal im Jahr dort für Felle und Wolle und Fisch eingetauscht.

Im Morgengrauen stiegen sie in die Boote, mit ihrer Ausrüstung beladen und jeder mit einem Bündel des Allernotwendigsten für ein paar Tage.

Zu dieser frühen Stunde war der See von einer tintigen Schwärze, die Felswände stumme Wächter der Finsternis gegen den sich aufhellenden Himmel.

Eine Stille, die Respekt verlangte. Im Flüsterton versuchte Grischa, der an den Rudern mit anpackte, mit Harri, Thilo und Johann Silberberg auszurechnen, wie viel Eis sie in einem solchen Boot über den See zum Schiff bringen könnten, ihre Atemzüge blasse Nebelschwaden über dem Wasser.

Katya schlüpfte aus ihrem weißen Pelzfäustling und tauchte die Hand in den See. Eisig war er, eine Kälte, die den letzten Rest Müdigkeit aus den Knochen verjagte und ihr Herz doppelt so schnell schlagen ließ.

Obwohl das Ufer an manchen Stellen glänzend verkrustet war, verriet ihr die zähe Kraft des Wassers, dass der See lange brauchen würde, bis er zufror, vielleicht länger, als der Winter hier überhaupt andauerte.

Auf der anderen Seite des Sees war es merklich kälter. Im Morgenlicht warteten schon die Hirten auf sie und riefen lachend Begrüßungen, rieben sich den Schlaf aus den Augen und hielten sich an ihren Bechern mit heißem Kaffee fest, frisch von der Feuerstelle. Hunde, die halb nach Wolf, halb nach Fuchs aussahen, jaulten ein Willkommen und bettelten hechelnd darum, den Kopf gekrault zu bekommen. Eine Handvoll Männer war damit beschäftigt, an der Flussmündung mit langen, starken Ästen und Lederbahnen das kleine Zeltdorf zu vergrößern; hier würde von nun an ihr Lager sein.

Der neue Tag enthüllte einen Wald aus kahlen Zweigen, die sich auf und ab bewegten. Über einem Boden aus weißem und braunem Fell, der sich auf schlanken Beinen ausdehnte und dann wieder zusammenzog und dabei kehlig grunzende Laute von sich gab.

Rentiere, Hunderte davon.

Neugierig reckten sie Katya die Köpfe mit den Geweihästen entgegen, wanderten dann durch den Schnee auf sie zu und beschnupperten sie eingehend. Katya musste lachen, weil die weichen Mäuler und ihr schnobernder Atem auf ihren bloßen Händen kitzelten. Zärtlich flüsterte sie mit den Tieren auf Russisch, das immer die Sprache ihres Herzens bleiben würde, streichelte ihnen über das Fell und drückte das Gesicht hinein. Weich wie frischer Schnee war es und wie lockere Ackerkrume, ihre Geweihe von der Wärme sonnengetränkten Holzes.

Eine wunde Stelle in der Brust, sah Christian ihr zu. Ein unbestimmtes Gefühl begann auf seiner Haut zu kratzen, und abrupt wandte er den Kopf ab. Johann Silberberg beobachtete ihn, die Lippen zu einem Lächeln verzogen, wie spöttisch, und Christian floh.

An Boote erinnerten die Schlitten, mit denen sie aufbrachen, von Rentieren gezogen. In einen engen Durchlass zwischen den Bergen hinein, an verschneiten Wäldern vorbei und begleitet von einem kälteträgen Fluss; eine Fahrt wie aus einem Wintermärchen.

Glücklich wie ein kleiner Junge fühlte sich Thilo, Grischa vor sich im Schlitten, von Mokci gelenkt. Grischas Kreuzbein an seinem Schritt, sein Rücken an Thilos Brust gedrückt, durchdrang Grischas Wärme noch ihre dicken Kleider. Unter den Felldecken ihre Hände vor Grischas Bauch ineinandergeflochten, brach Thilo immer wieder in ein Lachen aus, das Grischa jedes Mal aufgriff. Weil es nichts Herrlicheres gab, als unter freiem Himmel durch den Schnee zu fliegen, jung zu sein und verliebt.

»So wird es also doch noch wahr«, sagte Johann hinter Katya in Harris Schlitten. »Ich kann dir den Schnee und das Eis hier zeigen. Und du kannst mir erzählen, wie es sich für dich anfühlt.«

Über ihre Schulter warf Katya ihm ein Lächeln zu.

»Und ich sehe jetzt endlich, wo du die letzten drei Jahre verbracht hast.«

Johann gab einen zustimmenden Laut von sich.

»Hauptsächlich, ja. Ein paarmal war ich oben auf dem Hochplateau der Hardangervidda. Nicht der freundlichste Ort im Winter, vermutlich ist es nicht einmal am Nordpol so kalt und feindselig. Aber es gibt nichts Schöneres als die Seen dort, irisierend blau und türkis. Oder wenn die Wasserfälle gefrieren. Diese Zacken und Nadeln und Stacheln aus Eis. Der Sieg der Kälte über Geschwindigkeit und Schwerkraft.«

»Du weißt, wie man Sehnsüchte weckt«, neckte Katya ihn.

Hinter ihr gluckste Johann vor sich hin.

»Dann gefällt es dir bestimmt, dass ich dabei bin, ein Kompendium über Schnee und Eis zu erstellen. Mehr als zweihundert Wörter sollen die Saami allein für den Schnee haben. Rund einhundertfünfzig davon habe ich schon gesammelt.«

Er lehnte sich vor, und sein Atem war warm an ihrem Ohr.

»Slievar« , flüsterte er, gewollt verführerisch und dabei sich selbst doch hörbar nicht ernst nehmend. »Wenn der Neuschnee so trocken und fein rieselt wie Kuchenmehl.«

Ein Lachen sprudelte zwischen ihnen auf und ebbte nur langsam wieder ab.

Katya spürte seinen Blick auf sich, wie nachdenklich.

»Was ist das mit dir und Christian Petersen?«

Katya schaute zurück, wo Christian allein in Ailos Schlitten saß, das Gesicht spitz und streng wie das einer Krähe.

»Er hat eine andere geheiratet.«

Johann schwieg einige Herzschläge lang, bevor er seufzte.

»Nichts ist niederschmetternder, als zu entdecken, dass man sich das falsche Bett zurechtgeschüttelt hat. Das kann einen Mann bitter machen.«

Katya schüttelte unwillig den Kopf; der Tag war zu schön, um ihn mit Gedanken an Christian zu verderben.

Ein Strohfeuer war es gewesen. So hoch aufflammend, dass man sich leicht daran verbrannte, nichts, was einen auf Dauer wärmte. Zu diesem Schluss war sie gekommen, nach seiner Hochzeit, und in den Monaten seither war sie gut damit gefahren.

Irgendwann würde sie ihn ganz vergessen haben, davon war sie überzeugt.

Die Rentierschlitten fädelten sich nacheinander eine Steigung hinauf und fächerten sich dann in einer Ebene auf, so offen und weit, dass sich sogar die Berge dahinter kleinmütig duckten.

Katya verschlug es den Atem. Weit unterhalb des Polarkreises waren sie, und doch schienen sie sich nördlich davon zu bewegen, so leer und still war es hier im Schnee. So kalt, dass die Luft in die Haut biss und in den Wangenknochen zwickte.

Fast feindselig, wäre da nicht diese verschwiegene Ruhe gewesen. Das kaum wahrnehmbare Flüstern und Knistern langsam wachsenden Eises.

In der Ferne glänzte es, und in Katyas Händen kribbelte es, als Harri sie dorthin lenkte. Er hatte den Schlitten kaum zum Stehen gebracht, als Katya sich aus den Felldecken wickelte und heraussprang, die Beine steif vor Kälte, die Füße in den Stiefeln halb taub.

Atemwolken vor dem geröteten Gesicht, marschierte sie in langen Schritten auf den zugefrorenen See und ließ sich dann auf die Knie nieder.

Ihr Lächeln erlosch. Sie zog den Handschuh aus und rieb mit bloßen Fingern über das Eis. Schönes Eis war es, dick und klar, aber etwas daran stach ihr in die Fingerkuppen, nadelfein und scharf.

»Und?« Grischa beugte sich mit ihr über das Eis.

»Ich weiß es nicht«, murmelte Katya mit einem Kopfschütteln.

Wo immer es Grischa hingezogen hatte, das Messer ihres Großvaters, ihres Urgroßvaters hatte ihn begleitet. Jetzt hielt er es Katya hin, und das Lächeln, das kurz zwischen ihnen aufglomm, erzählte eine gemeinsame Geschichte, von gemeinsamen Wurzeln.

Die Klinge schnitt durch das Eis wie durch Butter.

»Sieht gut aus«, kommentierte Grischa.

Katya hebelte die Klinge leicht an, und das Eis explodierte in einem Splitterregen.

»Ich verstehe.«

Seine Enttäuschung war deutlich herauszuhören.

Christian kam angelaufen. »Was ist?«

»Das Eis bricht zu leicht«, erklärte Grischa. »Wir suchen nach einem anderen See.«

Christian gab nicht so leicht auf.

»Hast du nicht gesagt, wir müssten dicht an der Küste bleiben, um den Transportweg kurz zu halten?«

»Das nützt uns aber nichts, wenn uns das Eis unterwegs in tausend Stücke zerspringt.«

Grischa richtete sich auf und winkte im Gehen zum Ufer, um zu signalisieren, dass sie weiterfahren würden.

Christian sah ihm nach und wandte sich dann Katya zu.

»Man kann auch zu wählerisch sein.«

Sorgsam rieb Katya die Klinge an ihrem Hosenbein trocken und ließ das Messer zuschnappen.

»Das ist sicher keine Eigenschaft, die dir jemand vorwerfen könnte.«

Es war das erste Mal, dass sie wieder unter vier Augen miteinander sprachen, seit mehr als einem halben Jahr. Die Klarheit des weißen Winters, des offenen Himmels schien es unausweichlich zu machen.

»Nimmst du dieses Geschäft überhaupt ernst?«, fragte er sie vorwurfsvoll.

Katyas Augen weiteten sich, zogen sich dann zusammen.

»Willst ausgerechnet du mich über Ernsthaftigkeit belehren?«

»Einer muss es tun. Grischa lässt dir ja immer deinen Willen.«

Katyas Augen schlugen grüne Funken.

»Was stört dich so sehr, Christian? Dass ich mehr weiß als du? Dass ich eine eigene Meinung habe und damit auch nicht hinter dem Berg halte? Oder einfach, dass ich eine Frau bin?«

»Vielleicht ist nur für einen von uns beiden Platz in diesem Geschäft«, erwiderte er ausweichend, leise und fast drohend.

Katya lachte auf.

»Ja, vielleicht ist das so. Aber ich werde meinen Platz ganz bestimmt nicht deinetwegen aufgeben.«

»Ein Mädchen«, hörte er sich selbst sagen. »Du bist doch noch ein Mädchen.«

Zorn schoss heiß durch Katya. Sie verkniff sich eine Bemerkung über Henny, die ihr im Laden und in der Küche der Petersens manchmal wie ein Mädchen vorkam, das in einer lebensgroßen Puppenstube spielte.

»Du magst älter sein als ich«, schleuderte sie stattdessen Christian an den Kopf, »und sogar schon verheiratet. Das ändert nichts daran, dass du im Grunde nichts als ein unreifer, dummer Junge bist.«

Während ihre festen Schritte das Eis unter ihm erzittern ließen, brannten ihre Worte auf seinen Wangen wie die kalte Luft.

Schneekristalle raschelten unter Katyas Sohlen, als sie davonging und den Kopf über sich selbst schüttelte; sie verstand nicht mehr, was sie einmal an ihm fasziniert hatte.

Die Zeit verformte sich eigentümlich auf dieser Fahrt mit den Rentierschlitten. In dieser weißen Leere, deren Berge und Felsen sich stets aufs Neue zu wiederholen schienen. Nur wenige Augenblicke mochten seit dem Aufbruch vergangen sein, dann wieder Tage, obwohl Johann Silberberg versicherte, dass sie kaum zwei Stunden vom Lagerplatz an der Flussmündung entfernt waren.

Hinter dem nächsten Hügel traf die Kälte Katya wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Ungläubig spürte sie dem Prickeln in ihren Adern nach, dann schlug ihr das Herz bis zum Hals.

»Harri!«, rief sie nach vorn. »Kannst du uns dort hinüberfahren?«

Harri warf ihr über die Schulter einen Blick zu, dann einen in die Richtung, in die Katyas Hand wies. Augenzwinkernd trieb er seine Rentiere an, in einem weiten Bogen vom Flusslauf weg, und gleich darauf konnte Katya das Eis auch schon glänzen sehen.

Sie verfing sich in den Felldecken, so eilig hatte sie es, aus dem Schlitten zu kommen, stolperte mehr durch den Schnee, als dass sie lief. In übermütiger Ungeduld schlitterte sie über das Eis und ließ sich dann auf die Knie fallen.

Unter ihr war alles von einer tiefen, satten Ruhe. Nicht starr, nicht tot; sie spürte ein feines elastisches Vibrieren, jedoch so geruhsam und gleichmäßig wie das Wachsen eines Grashalms.

Die Kälte, die durch den Stoff ihrer Hose drang, sie in die Nase, ihre Wangen biss, störte sie nicht. Während ihr Atem sich langsam beruhigte, blinzelte sie unter der blassen und kraftlosen Sonne über den zugefrorenen See, nichts anderes als glücklich.

Wie ein Nachhausekommen war es, an einen Ort, an dem sie nie zuvor gewesen war und von dem sie doch immer geträumt hatte.

Vom Ufer aus beobachtete Christian sie. Eine Königin in ihrem eigenen Reich war Katya, wie sie auf dem Eis saß, das Gesicht lächelnd in den perlweißen Himmel gehoben.

Ein Reich, das Johann Silberberg ihr zu Füßen legte; wie ein Kater blickte er drein, der eine ganze Schüssel Sahne ausgeschleckt hatte.

»Was springt für Sie dabei heraus?«, wollte Christian wissen.

Johann Silberberg blieb unbeeindruckt, lächelte weiter.

»Geht es Ihnen um Geld? Oder versprechen Sie sich Chancen bei Katya?«

Um Johann Silberbergs bärtigen Mund zuckte es.

»Ich halte Sie für einen intelligenten jungen Mann, Herr Petersen. Trotzdem haben Sie noch eine Menge zu lernen. Zum Beispiel die feinen Unterschiede zwischen Lust und Liebe und Freundschaft und die fließenden Übergänge dazwischen. Etwas über das Leben an sich.«

Er wandte sich zum Gehen und zwinkerte Christian zu.

»Schieben Sie Ihre Jugend nicht als Entschuldigung vor.«

Katya sah auf, als Grischa zu ihr trat.

»Ist er das?«, fragte er.

Katyas Lächeln vertiefte sich. »Ja. Das ist er.«

Ihre Augen wanderten über die schimmernde Fläche des Sees, die irgendwo weit, weit draußen, an seinem entfernten Ufer, in die schneebedeckte Weite überging. Die weiß gezeichneten Bergrücken am Horizont und die Wolken vermittelten nur noch mehr ein Gefühl von Endlosigkeit.

»Wird es denn genug sein?«, wollte Katya wissen.

Grischa lachte und ließ sich neben ihr nieder; ein Pfund Eis passte locker in zwei Männerhände.

»Mehr als genug, Katyuscha. Das sind Tonnen von Eis.«

Er hatte nicht Katyas Gespür für das Eis, aber auch er nahm wahr, dass dieser See etwas Besonderes war.

Unter trocken klopfenden, manchmal gleitenden und vorsichtig ausbalancierten Schritten näherten sich Harri und Johann Silberberg über das Eis.

»Wem gehört dieses Land?«, wandte Katya sich an Harri. »Dieser See?«

Harri runzelte die Stirn, er schien diese Frage seltsam zu finden. »Allen und niemandem. Wir besitzen das Land nicht. Wir leben darauf.«

Eine eigentümliche Mischung aus Hoffnung und Enttäuschung machte sich in Katya breit.

»Also können wir ihn nicht haben?«

Noch nie wollte sie etwas so sehr besitzen wie diesen See. Nicht einmal ein Paar Schuhe.

»Ihr könntet ihn doch unserer Firma überlassen«, schlug Grischa vor. »Wir bezahlen auch dafür.«

Ein mehr als kühner Vorschlag angesichts ihres bereits beträchtlich geschrumpften Kapitals. Aber auch er wollte diesen See unbedingt sein Eigen nennen.

Harri wirkte ratlos.

»Wie sollen wir Land, das keinem gehört, jemandem verkaufen?«

Seine Hand wies über die Ebene ringsum.

»Außerdem brauchen wir das Land und den See im Sommer als Weide für unsere Rentiere und Schafe.«

»Wir könnten den See auf ihren Namen eintragen lassen.« Johann Silberberg versuchte sich an einem Kompromiss. »In Bergen, auf dem Amt. Pro forma. Und im Gegenzug verpflichten sich die vier, ihn euch den Sommer über als Weideplatz zu überlassen.«

Harri rieb sich mit dem Handschuh über seine Stirnfalten.

»Das kann ich nicht allein entscheiden«, sagte er schließlich. »Das müssen wir Männer alle in der Versammlung besprechen. Obwohl ich nicht glaube, dass einer etwas dagegen hat.«

Einige Augenblicke sann er vor sich hin und schüttelte dann den Kopf.

»Aber keiner Firma. Das scheint mir ehrlos. Ohne Respekt für das Land. Ohne Seele. Wenn, dann nur euch vieren. So wie ihr hier steht. Von Angesicht zu Angesicht.«

Er nickte Katya und Grischa zu, sah dann Thilo und Christian an, die ihnen auf das Eis gefolgt waren.

Ein Lächeln wanderte zwischen ihnen allen hin und her.

»Hat der See einen Namen?«, erkundigte sich Katya.

Harri hob die Schultern.

»Einfach See. Vatnet . Du kannst ihn nennen, wie du willst.«

»Katyas See«, schlug Thilo vor.

Katya sah ihren Bruder an, darüber brauchte sie nicht lange nachzudenken.

»Voroninvatnet.«

Grischas Hände umschlossen Katyas Gesicht, sie packte ihn bei den Schultern, und sie drückten die Stirnen aneinander.

Dies war ihr Moment, ihrer allein, und beide waren sie vollkommen überwältigt.

Ein Traum, von dem sie nicht einmal wussten, dass sie ihn geträumt hatten, war mit einem Mal zum Greifen nahe.

Fast sieben Jahre war es her, dass Grischa, ein zorniger Halbwüchsiger in einem viel zu großen Körper, sich nachts sein Bündel gegriffen und dem Gehöft in Russland den Rücken gekehrt hatte, seine kleine Schwester auf den Fersen, beide landlos und unfrei.

Alles Geld, was sie seitdem verdient hatten – Katya damit, Böden zu schrubben und Betten zu machen und Blusen zu nähen, Grischa auf Walfängern und Frachtschiffen und mit Pelzen aus dem Nordmeer –, steckte in ihrem Geschäft; morgen schon konnte alles davon verloren sein.

Und dennoch waren sie heute reicher, als sie jemals zu hoffen gewagt hatten. Ihre Freiheit hatten sie sich geholt und ein eigenes Leben aufgebaut.

Nun würde ihnen dazu noch ein Stück Land gehören, in der Wildnis Norwegens, und ein See voller Eis.

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