1.
Der Tag fing schon schlecht an.
Natürlich war es ein Montag - immer der schlimmste Tag der Woche. Und als Hunt zur wöchentlichen Einsatzbesprechung mit Steve im Hof der Bezirksverwaltung eintraf, erfuhr er, dass eine ältere Dame eine Beschwerde vorgebracht hatte: Sie behauptete, Holzsplitter aus dem Häcksler, mit dem die Baumbeschneider die Äste zerkleinerten, hätten die Motorhaube ihres Cadillac beschädigt - und das war alles andere als erfreulich, da sich ohnehin schon eines der Aufsichtsratsmitglieder dafür einsetzte, für entsprechende Tätigkeiten externe Arbeitskräfte anzuheuern.
Und wie nicht anders zu erwarten, war Steve stocksauer. »Wisst ihr eigentlich, wie ich jetzt dastehe?«, fuhr er sie an. »Immer wenn ihr Idioten Mist baut, wirkt sich das schlecht auf meinen Ruf aus. Und ich habe wirklich keine Lust, Ärger zu kriegen, bloß weil ihr unfähig seid! Was haltet ihr von dem Satz: Noch so 'n Ding, und ihr seid draußen?«
»Was hältst du von der Idee, dass die alte Schachtel lügt?«, gab Edward zurück. »Vielleicht hätte die einfach nur den Wagen gerne neu lackiert, und jetzt denkt die, das kann sie sich vom County spendieren lassen?«
Steve starrte ihn an, bis sein Gegenüber den Blick senkte. »Du glaubst wirklich, so was steckt dahinter? Du glaubst, dass diese Lady recherchiert hat, was für Geräte wir benutzten, dann zu dem Schluss gekommen ist, der Häcksler sei am besten dafür geeignet, ein Auto zu beschädigen, und jetzt würde sie behaupten, damit sei der Lack ihres Wagens zerkratzt worden, nur um das County um ein paar hundert Piepen zu betuppen?«
»Nein«, gab Edward zurück.
»Nein!«
»Hey«, mischte Jorge sich ein. »Unfälle können doch mal passieren.«
»Aber die haben nicht zu passieren, solange ich die Verantwortung trage, und auch nicht, solange ihr im Dienst seid. Habt ihr verstanden?«
Sie murmelten zustimmend.
Als wäre das alleine nicht schon schlimm genug, mussten Edward, Jorge und Hunt dann, als sie den kleinen Platanenhain erreichten, in dem sie die nächsten drei Tage arbeiten sollten, auch noch feststellen, dass irgendjemand - wahrscheinlich Teenager oder ein paar Jungs aus den zahlreichen Studentenverbindungen der University of Arizona - eine der dort aufgestellten Dixi-Toiletten umgeworfen und quer über den Feldweg geschleift hatte, um sie anschließend mit Wucht gegen einen Baum zu schmettern.
Aber das war noch nicht das Schlimmste.
Das Schlimmste war, dass Hunt, als er nach Hause kam, feststellen musste, dass seine Haustür weit offen stand und jemand sein Haus verwüstet hatte.
Vorsichtig trat er ein. Die Stereoanlage war verschwunden - das fiel ihm sofort auf, auch wenn der Einbrecher die Boxen hatte stehen lassen. Ebenso fehlten sein Fernseher, sein Videorekorder und der DVD-Player. Hunt wusste nicht, ob der oder die Einbrecher auch etwas von seinen Büchern, Videokassetten, CDs, Schallplatten oder DVDs mitgenommen hatten, aber auf jeden Fall hatten sie ein gewaltiges Chaos hinterlassen: Sie hatten Bücherregale umgeworfen, den Inhalt anderer Regale heruntergefegt und alles über den Boden verstreut. In der Küche war der Inhalt sämtlicher Schränke und des Kühlschranks auf dem Linoleumfußboden verteilt, und der Küchentisch selbst war zerschmettert. Hunt wählte die Nummer der Polizei, während er vorsichtig durch die Trümmer stieg und in die Diele trat. Das andere Zimmer hatte er als Stauraum genutzt; darin befand sich nicht viel: ein paar Umzugskartons, sein Gepäck, selbstgebaute Regale, in denen weitere Schallplatten standen. Dieser Raum war nicht verwüstet worden. Doch Hunts eigentliches Schlafzimmer war ein einziges Schlachtfeld. Sämtliche Schubladen aus seiner Kommode waren herausgerissen, der Inhalt über den Boden verstreut; der Spiegel über der Kommode war zerschlagen, die Matratze seines Bettes hatte jemand aufgeschlitzt, und nun quoll die Füllung aus den parallel geführten Schnitten hervor wie Blut aus einer offenen Wunde.
»Ich möchte einen Einbruch melden«, sagte er zu dem wachhabenden Beamten, der seinen Anruf entgegennahm. Detailliert beschrieb er die Szenerie und wies darauf hin, dass es nicht so aussehe, als befänden sich die Eindringlinge noch im Haus; dann gab er Name und Adresse an.
»Es kommt sofort jemand«, versprach ihm der Wachhabende, »fassen Sie nichts an, vielleicht gibt es noch Fingerabdrücke oder andere Beweismittel.«
Wenige Minuten später hielten zwei Polizeiwagen vor der Auffahrt. Wieder bahnte Hunt sich seinen Weg zwischen den Trümmern hindurch, und nachdem er ins Freie getreten war, ertappte er sich dabei, wie er misstrauisch zu der White-Trash-Hütte neben seinem Haus hinüberspähte. Er war versucht, der Polizei zu erklären, dass er die Gestalten dort drüben für die Hauptverdächtigen hielte. Doch er wusste, dass das unsinnig wäre, solange er keine Beweise hatte, und nachdem er den Polizisten alle Informationen gegeben hatte, die sie haben wollten, trat Hunt zur Seite und ließ sie ihre Arbeit tun.
Vom Vorgarten aus rief er Joel und Beth an. Während bei Joel nur der Anrufbeantworter ansprang, war Beth schon von der Arbeit nach Hause gekommen und machte sich sofort auf den Weg zu ihm.
»O Gott!«, stieß sie hervor, als sie das Ausmaß des Schadens sah. Die Spurensicherung war immer noch damit beschäftigt, nach Fingerabdrücken zu suchen und die Trümmer nach weiteren Beweismitteln zu durchforsten. »Was meinst du, wer das war?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab er zu. Die Anwesenheit zweier Polizeiwagen hatte das Interesse seiner Nachbarn geweckt, und auch wenn keiner von ihnen genug Mut aufbrachte, zu ihm zu kommen und ihn zu fragen, was eigentlich los sei, versammelte sich inzwischen eine immer größere Menschenmenge zu beiden Seiten seines Grundstücks; die Leute kniffen die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und tuschelten aufgeregt miteinander. Sie sahen so hilflos aus, wie Hunt sich fühlte, und gegen seinen Willen musste er zugeben, dass es vermutlich doch nicht seine Nachbarn gewesen waren, die in sein Haus eingedrungen waren.
Aber wer dann? Und warum?
Gleich nach seinem Gespräch mit Beth hatte Hunt seinen Vermieter angerufen, um zu erklären, was geschehen war, und nun traf der Mann in einer Staubwolke und einem klirrenden Kieselsteinregen ein. Sid Sayers sprang aus seinem Pickup, als hätte er sich an seinem Sitz den Hintern verbrannt, ignorierte Hunt und Beth und all die Zuschauer, ging mit großen Schritten über die Veranda und stapfte geradewegs ins Haus hinein. »Wer ist hier verantwortlich?«, hörte man ihn fragen. »Wer leitet das Ganze?«
Wenige Sekunden später trat er wieder ins Freie, begleitet von einem gewissen »Lieutenant Badham«, der auch Hunt einige Fragen zu dem Schaden gestellt hatte. Der Lieutenant führte ihn entschlossen auf die Veranda, sodass die Spurensicherung weiterhin die einzelnen Räume absuchen konnte, doch er blieb tatsächlich bei Sayers und beantwortete sämtliche Fragen.
Danach kam der Vermieter zu Beth und Hunt hinüber, die immer noch in der Auffahrt standen, und gemeinsam starrten die drei schweigend zum Haus hinüber.
»Haben Sie Feinde?«, fragte Sayers misstrauisch.
Hunt schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.«
»Was ist mit diesen Nachbarn, diesen Nichtsnutzen? Hatten Sie mit denen schon mal Ärger?«
»Nein.«
»Tja, dann weiß ich auch nicht.«
Kurz darauf war die Polizei fertig und ließ alle wieder ins Haus. Sayers holte eine Polaroid-Kamera aus seinen Pickup und machte eigene Fotos vom Innern des Hauses. Er war versichert, doch abgesehen von den eingeschlagenen Fensterscheiben schien das Haus selbst keine ernstlichen Schäden davongetragen zu haben. Der eigentliche Schaden lag eindeutig bei Hunts privaten Besitztümern. Aber Hunt hatte eine Hausratversicherung, und sein Vermieter empfahl ihm, die Versicherung zu informieren und so schnell wie möglich einen Sachverständigen kommen zu lassen. Hunt hoffte nur, dass die Versicherungssumme hoch genug war, um den gesamten Schaden abzudecken. Erst am Abend zuvor hatte ein Mitarbeiter der All-Homes-Versicherung bei Hunt angerufen und ihm geraten, die Deckungssumme anzuheben, doch Hunt hatte aufgelegt, nachdem er dem Mann gesagt hatte, er sei nicht interessiert.
Die Nummer seines Versicherungsscheins wusste Hunt natürlich nicht auswendig; er wusste nicht einmal, wo in diesem ganzen Chaos er seine Police eigentlich würde finden können, doch den Namen seiner Versicherung kannte er, also rief er bei der Auskunft an, um sich die Nummer geben zu lassen, und wählte sie gleich.
Geduldig erklärte er, was geschehen war, nannte seinen Namen und seine Sozialversicherungsnummer, und der Telefonist rief seinen Versicherungsschein auf. Nachdem Hunt dann noch belegt hatte, dass er wirklich derjenige war, der zu sein er vorgab, indem er sein Geburtsdatum und den Mädchennamen seiner Mutter nannte, wurde er darüber informiert, dass sein Privatbesitz auf bis zu zehntausend Dollar versichert war.
Zehntausend. Damit würde er nicht alles wieder ersetzen können, aber für das Nötigste würde es reichen. Vielleicht würde er diese Zusatzversicherung doch nicht benötigen.
Der Telefonist ließ sich noch einige weitere Informationen geben; dann erklärte er, wie nun angesichts der Ansprüche verfahren werde, und sagte, Hunt stehe ein Tagegeld von sechzig Dollar zu, bis hin zu einer Gesamtsumme von eintausend Dollar, damit er in einem Motel würde unterkommen können, bis die Aufräumarbeiten abgeschlossen seien.
»Ein Schadensregulierer wird sich die Wohneinheit morgen früh anschauen, und sobald er den Gesamtschaden geschätzt und einen Bericht abgegeben hat, werden wir dafür sorgen, dass die Aufräumarbeiten eingeleitet werden. Bis zum Ende der Woche sollte Ihr Haus wieder so gut wie neu aussehen.«
»Der Schadensregulierer kommt morgen früh?«
»Ja, Sir.«
»Ich weiß nicht, ob ich für morgen frei bekomme. Mittwoch wäre besser.«
»Es besteht keine Notwendigkeit, dass Sie sich frei nehmen.«
»Ich muss doch dabei sein.«
»Das ist nicht nötig. Lassen Sie den Haustürschlüssel unter der Fußmatte, der Schadensregulierer lässt sich dann einfach selbst in die Wohnung. So macht der das jeden Tag. Wir werden Sie anrufen, um Sie über die Abschätzung zu informieren, oder wir können Ihnen auch eine Kopie seines Berichts faxen, wenn Sie wünschen. Lassen Sie uns nur eine Nummer da, unter der wir Sie erreichen können. Am besten wäre eine Handynummer oder die Nummer, unter der man Sie während der Arbeitszeit erreichen kann.«
»Aber wenn Sie da aufräumen ...«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Die Firma, mit der wir zusammenarbeiten, macht das wirklich gut. Die werden alles retten, was noch zu retten ist, und Sie anrufen, falls etwas fraglich sein sollte - oder für Sie vielleicht von persönlichem Interesse oder Wert ist -, und den Rest werden die ersetzen. Wenn es um irgendwelche wichtigen Papiere und Dokumente geht oder irgendwelche Dinge, die einen rein ideellen Wert für Sie haben, würde ich Ihnen raten, sie jetzt selbst zu bergen und mitzunehmen. Ansonsten lassen Sie einfach eine Nachricht da - die können Sie an die Innenseite der Haustür heften oder kleben, und da geben Sie dann alle Dinge an, die Sie nicht ersetzt wissen wollen. Um den Rest werden die sich schon kümmern.«
Hunt lieh sich von Beth einen Stift und ein Blatt von einem Notizblock und notierte sich - wobei er die Wohnzimmerwand als Schreibunterlage nutzte - seine Schadensregulierungsnummer und den Namen des Versicherungsvertreters, mit dem er gesprochen hatte.
»Und? Wie sieht's aus?«, fragte Beth, nachdem er aufgelegt hatte.
Er erklärte es ihr.
»Die wollen das machen, während du bei der Arbeit bist?« Sie runzelte die Stirn. »Aber du musst doch dabei sein, um das Ganze im Auge zu behalten.«
»Das hab ich auch gesagt. Ich will nicht, dass irgendwelche Fremden meine Sachen durchwühlen. Aber die Versicherung hat gesagt, für die sei das eine Routineangelegenheit und dass die das immer so machen und mich nicht brauchen.«
»Aber trotzdem ...«
»Na ja, ich werde morgen früh noch versuchen, frei zu kriegen und hier vorbeizufahren, aber ich weiß nicht, ob ich mir wirklich Urlaub nehmen kann. Eigentlich bin ich ja immer noch in der Probezeit.«
»Jorge und Edward übernehmen bestimmt deine Arbeit.«
»Ja, aber Steve kann manchmal nerven und mir das Leben ziemlich zur Hölle machen. Außerdem werde ich die wirklich wichtigen Sachen jetzt gleich mitnehmen. Der Rest ...« Er deutete auf den Inhalt des Zimmers. »Das sind doch nur Möbel. Die lassen sich ersetzen.«
»Und wo willst du heute schlafen? Du kannst doch unmöglich hierbleiben.«
»Ich kriege ein Tagegeld, um irgendwo unterzukommen, während die am Haus arbeiten. Das gehört zu meiner Versicherung dazu.«
»Du bleibst bei mir.«
Er wollte schon sagen, dass er die nächsten Tage in irgendeinem Hotel verbringen würde, vielleicht in einem der Motel-6-Kette. »Du brauchst doch nicht ...«, setzte er an.
»Ich möchte das aber!«
Hunt musste zugeben, dass es sehr nett klang. Die Vorstellung, in einem Motel wohnen zu müssen, gefiel ihm ganz und gar nicht - vor allem, da sie diese Woche weit draußen bei Green Valley arbeiten würden, und da Jorges Wagen gerade in der Werkstatt war, hatten sie eine Fahrgemeinschaft gebildet. Die Vorstellung, Hunt könne seine Abende mit Beth verbringen, selbst gekochtes Essen bekommen und neben seiner Freundin auf dem bequemen Riesenbett schlafen, erschien ihm sehr reizvoll. Vor allem nach diesem ganzen Mist hier!
Die Sonne versank schon im Westen, warf lange Schatten in die entgegengesetzte Richtung und ließ alles seltsam verzerrt wirken, geradezu expressionistisch.
Sayers kam den Flur hinauf und schüttelte ein weiteres Polaroid-Foto trocken. »Die Dreckskerle haben das ganze Klo vollgeschissen«, sagte er und verzog das Gesicht. »Hoffentlich kriegen die Bullen 'ne anständige DNA-Probe.«
Beth schaute ihn angewidert an. »Die haben nicht mal abgezogen?«
»Das ist sein Job«, sagte er und deutete auf Hunt.
»O Gott.«
Der Vermieter trat ins Freie und ließ lautstark die Fliegengittertür zuknallen. »Sagen Sie mir, was noch alles passiert«, erklärte er dann. »Ich würde gerne auf dem Laufenden bleiben. Das ist schließlich immer noch mein Haus.«
»Das ist ja 'n freundlicher Kerl«, merkte Beth trocken an.
»Oh ja.«
»Also, wie sieht's jetzt aus? Willst du einfach nur abschließen und ... gehen?«
»Ich muss erst noch nach ein paar Sachen suchen. Ich will mich vergewissern, dass die nicht geklaut oder zerstört wurden. Versicherungspolicen, Quittungen und Garantiebelege, Zettel mit Adressen, Fotos. All so 'n Zeug.«
»Aber danach kommst du mit mir nach Hause.«
Er schaute sie an und nickte. »Jou«, sagte er. »Das mach ich.«