2.


»Ich glaube, da draußen ist jemand«, flüsterte Nina.

Dreckschweine! Die Smith & Wesson in der Hand, war Steve schon aus dem Bett gesprungen, rannte den Flur hinunter und zum Anbau, ehe Nina überhaupt den nächsten Satz aussprechen konnte. Das waren diese verdammten Cholos, da war Steve sich ganz sicher. Diese blöden illegalen Einwanderer, die sauer waren, weil er die ganze Arbeit alleine machte, und dass er nicht sie oder einen von ihren genau so illegalen Kumpeln angeheuert hatte, um diesen Anbau fertig zu stellen - und jetzt wollten sie es ihm heimzahlen. Als er letzten Sonntagmorgen mit dem Verputzen hatte anfangen wollen, hatte er mitten auf dem Sperrholzboden eine leere Tequilaflasche gefunden, und irgendjemand hatte in die Ecke gepinkelt. Diese Dreckskerle hatten in seinem neuen Anbau eine Party gefeiert, während Nina und er geschlafen hatten!

Das hatte er jetzt davon, dass er unbedingt in diesem beschissenen Stadtteil hatte bleiben wollen, dass er nicht weggezogen war, als die braune Flut aus der Nachbarschaft immer weiter hier herübergeschwappt war.

Aber Steve hatte sich geschworen, dass das niemals wieder passieren würde! Und wenn jetzt jemand auf seinem Grundstück war, würde Steve erst schießen und die Fragen später stellen. Wenn es zum Äußersten kam, konnte er immer noch behaupten, er habe eine Waffe gesehen; es sei nur Selbstverteidigung gewesen. Doch Steve bezweifelte, dass es so weit kommen würde. Das war das Tolle an den alten Wild-West-Staaten: Hier baute man noch auf Eigentumsrechte, und wenn jemand auf deinem Grundstück war und unbedingt eine verpasst haben musste, konnte man tun, was notwendig war - und jeder verstand es.

Steve hatte die Tür am Ende des Flurs erreicht. Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf: Was, wenn das kein illegaler Einwanderer war, sondern jemand von der Arbeit? Oder - noch schlimmer - jemand, den er entlassen oder der im Zorn gekündigt hatte? Von solchen Leuten gab es weiß Gott genug. Die Baumpflegeabteilung der Bezirksverwaltung galt als eine Art Strafbataillon, und dort hatten schon viele Leute gearbeitet, die Steve jetzt abgrundtief hassten. Wenn er jemanden erschoss, den er kannte, würde der Beweis, dass es kein Vorsatz gewesen war, viel schwerer zu erbringen sein.

Er blieb stehen und lauschte. Nina hatte recht. Es war jemand im Anbau. Gleich hinter der Tür ... so hörte es sich zumindest an. Da, wo der Sperrriegel war. Steve hörte Stiefel auf dem Holzboden, dann ein Geräusch, das wie ein Schniefen klang.

Steve beobachtete die Tür. Er war sich nicht sicher, ob das wirklich die beste Vorgehensweise wäre. Weil die Tür zum Anbau hinausführte und dieser Anbau kaum mehr war als ein nur teilweise mit einem Dach geschütztes Gerüst, das jeder betreten konnte, hatte Steve die Tür mit drei Schlössern gesichert: dem normalen Schloss im Drehknauf der Tür, einem Schlossriegel und einer Kette. Bis Steve die alle geöffnet hatte, begleitet vom Klappern und Klimpern der Schlüssel, wäre der Eindringling längst vorgewarnt und vermutlich geflohen. Vielleicht war es besser, zur Hintertür zu gehen und um das Haus herum zu schleichen, um den Eindringling zu stellen.

Leise zog er sich wieder von der Tür zurück, schlich den Flur hinunter und achtete sorgsam darauf, ja keinen Laut zu machen. Nina streckte den Kopf aus der Schlafzimmertür, und mit einer verärgerten Handbewegung scheuchte Steve sie zurück. »Bleib da drin!«, zischte er und eilte leise am Schlafzimmer vorbei.

Die Hintertür war näher; außerdem lag sie im Schatten. Vorsichtig schob er den Schlossriegel zurück, drehte den Türknauf und huschte dann in die Dunkelheit hinter dem Haus, die Waffe im Anschlag. Er hatte jetzt nicht mehr die Absicht, den Eindringling einfach kaltblütig zu erschießen. Damit würde er sich nur jede Menge Ärger einhandeln, den er im Augenblick wirklich nicht gebrauchen konnte. Er wollte dem Dreckskerl bloß damit drohen, ihn zu erschießen, und ihn dann festhalten, bis die Bullen kamen, um denen das Problem zu überlassen. Dabei war es Steve egal, ob das Ganze nur ein Scherz sein sollte oder vielleicht gar keine Absicht war. Unerlaubt das Grundstück eines anderen zu betreten war ein Verbrechen, und Steve würde dafür sorgen, dass der Verbrecher bestraft wurde.

Jetzt war er hinter das Haupthaus getreten und spähte vorsichtig um die Ecke, sodass er die Umrisse des Anbaus erkennen konnte. Auf der gegenüberliegenden Seite, die in mattes Mondlicht getaucht war, glaubte Steve einen stämmigen Mann mit Hut zu erkennen - einem dieser Hüte aus den Vierzigern, die Steve für sich immer als »Humphrey-Bogart-Hüte« bezeichnete. Und der Mann schien sich am Knauf der Tür zu schaffen zu machen, die in den Flur des Haupthauses führte.

Zorn brandete in Steve auf, und er rannte über den Hinterhof, auf den Stromkasten zu, die Waffe ausgestreckt. Keine Bewegung!, wollte er schreien. Stehen bleiben! Mit ein bisschen Glück machte der Kerl sich in die Hose, wenn er erst die Knarre sah, die auf ihn zielte.

Steve erreichte den Stromkasten und schaltete das Licht ein.

Da war niemand.

Der Anbau war leer.

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