2.


Stacy und Lilly saßen wohlbehalten zu Hause und warteten auf Joel, als er endlich eintraf. Er war noch nie ein sonderlich emotionaler Mensch gewesen, doch als er Frau und Tochter in die Arme schloss und fest an sich drückte, wäre er vor Dankbarkeit beinahe in Tränen ausgebrochen. »Ich dachte ...« Er schloss die Augen. »Ich dachte ...« Er brachte es nicht fertig, den Satz zu beenden.

»Wir sind hier«, sagte Stacy. »Unversichert, aber hier.«

Er lachte, ließ sie los, wischte sich über die Augen.

»Der Mann war unheimlich, Dad.« Lilly klang besorgt. »Der hat mich an den Typen erinnert, der bei Kate war. Der Große mit dem Hut.«

»Ich weiß, Schätzchen. Aber jetzt ist alles wieder gut.«

Aber es war nicht alles wieder gut, und Stacy warf Joel einen Blick zu, den er nicht zu deuten wusste. »Was machen wir jetzt?«, fragte sie.

Joel schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich werde versuchen, noch mal Hunt anzurufen, und vielleicht ... Hat er dir seine Karte gegeben?«

»Nein«, sagte sie.

»Dann werden wir einfach im Haus bleiben, wie eine von diesen ach so glücklichen Familien, die gar nicht mehr vor die Tür gehen, sondern sich nur noch einigeln, sodass wir uns gar nicht erst in Gefahr bringen können, was?« Er sprach von »wir«, doch ihm war klar, dass Stacy genau wusste, von wem hier wirklich die Rede war. Von Lilly. Ihr hatte der Vertreter diese Versicherung angeboten, nicht ihren Eltern. Sie war diejenige, die in Gefahr war.

Alle drei zuckten zusammen, als aus dem oberen Stockwerk plötzlich ein donnerndes Dröhnen zu hören war. Lilly brach in Tränen aus.

»Was war das?«, fragte Stacy, die Augen vor Angst weit aufgerissen.

Joel schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Bleibt hier!«

Er schaute sich um, wünschte sich, er hätte eine Waffe griffbereit, doch es gab nichts, was er irgendwie hätte benutzen können, und so rannte er die Treppe hinauf, nahm immer zwei Stufen auf einmal. Sofort sah er, woher der Lärm gekommen war. Er hatte ohnehin keine Zweifel daran gehabt.

Die Geräusche kamen aus Lillys Zimmer.

Joel lief den kurzen Flur hinunter und durch die Tür. Ein Stück der Decke war eingebrochen. Überall lag Putz: auf dem Fußboden, auf Lillys Schreibtisch, auf dem Bett, auf dem Regal. Ein Brett, einen halben Meter breit und einen Meter lang, offensichtlich Bestandteil der Dachkonstruktion, hatte sich ebenfalls gelöst und war durch die Decke gebrochen. Es war auf dem Bett gelandet, genau dort, wo Lillys Kopf gelegen hätte, wäre sie im Bett gewesen. Das Brett war mit solcher Wucht aufgeschlagen, dass es das Kissen zu Boden geschleudert und ein Loch ins Bettlaken und die Matratze gerissen hatte.

Personenschadenversicherung.

Durch das Fenster zu seiner Linken sah Joel aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Er trat näher an die Scheibe heran und spähte nach draußen. Im Hof sah er eine dunkle Gestalt, die zwischen dem Haus und dem Zitronenbaum herumschlich.

Ein stämmiger Mann mit Hut.

»Macht die Fenster zu!«, rief er aus Leibeskräften. »Zieht die Vorhänge vor!« Hastig ließ er die Jalousie vor Lillys Fenster herunter; dann rannte er die Treppe hinunter. Im Wohnzimmer zog Stacy gerade die Vorhänge zu; Lilly stand neben ihr und umklammerte mit beiden Händen fest ihren Gürtel.

»Was ist das?«, wollte Stacy wissen. »Was passiert hier?«

»Die Decke ist auf Lillys Bett gekracht. Und diese Kerle sind da draußen! Ich habe einen von denen gesehen.« Er lief in die Küche und zog an der Schnur, mit der die Jalousie vor dem Fenster über der Küchenspüle heruntergelassen wurde. Jetzt war im Hof niemand mehr zu sehen, doch Joel wusste genau, dass jedes Gefühl der Sicherheit trügen würde. Plötzlich wurde ihm klar, was für eine Todesfalle ihr Haus war: Lampen konnten auf Lilly herunterstürzen. Der Durchlauferhitzer konnte explodieren. Die alte Zapfsäule im Wohnzimmer konnte umkippen. Die Schallplatten in der Jukebox konnten herausgeschleudert werden und durch die Luft wirbeln wie todbringende Frisbee-Scheiben.

Lilly schluchzte. »Ich will nicht sterben!«, jammerte sie. »Ich will nicht sterben!«

»Mommy ist ja hier«, tröstete Stacy sie.

Joel eilte in sein Arbeitszimmer und zog den Vorhang vor. Er war sich der Bücherregale nur zu bewusst, die umstürzen und eine Neunjährige erschlagen konnten.

Dann war alles getan. Das Haus war verriegelt, verschlossen, gesichert.

Im Flur trafen sie wieder zusammen. »Wir bleiben hier«, entschied Joel. »Wir gehen nicht raus. Wir halten uns von allem fern, was umfallen oder explodieren oder verbrennen oder sonst wie zu einer Waffe werden kann.«

Das Telefon klingelte.

»Ich geh schon«, sagte Stacy.

»Geh nicht ran!«, herrschte Joel sie an.

Stacy warf ihm einen finsteren Blick zu. »Vielleicht gibt er uns ja noch eine Chance!«

Sie hatte recht. Joel lief ins Wohnzimmer und griff verzweifelt nach dem Telefon. »Hallo!«, rief er in die Muschel.

Es war Beth.

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