3.


»Was ist das denn?«, fragte Hunt, als Edward ihm ein gedrucktes Flugblatt in die Hand drückte.

»Betriebsratsversammlung. Die wollen darüber diskutieren, ob man die Stellen in der Landschaftspflege nicht an externe Arbeitskräfte vergeben könnte. Unsere Jobs, um genau zu sein.«

»Ich dachte, das wäre längst vom Tisch. Und ich dachte, wir hätten gewonnen.«

»Oh nein. Wenn Abteilungsleiter die Möglichkeit sehen, Privatfirmen anzuheuern, damit die dann die Arbeit von Angestellten im öffentlichen Dienst übernehmen und auf diese Weise ihren Freunden und Verwandten ein paar Jobs zuschustern können, geben die so leicht nicht auf.«

Hunt las das Flugblatt. Die Sitzung war für fünf Uhr an diesem Nachmittag angesetzt, unmittelbar nachdem sie Dienstschluss hatten. »Ist 'n bisschen kurzfristig, oder?«

»Ist ein Notfall«, sagte Edward. »Das Thema wurde gestern Abend bei der Verwaltungsratsitzung angesprochen. Es heißt, Steve hätte uns hängen lassen und denen gesagt, das County könne auf diese Weise Geld sparen - es würde die Arbeit in keiner Weise verschlechtern, wenn sie den Baumbeschnitt an Fremdfirmen übergeben.«

»Dieser Dreckskerl!«, schimpfte Hunt.

»Scheiße!«, fluchte Jorge.

»Ich bin dabei«, versprach Hunt, und nach der Arbeit fuhr er zusammen mit Edward zum Cholla Community Center, wo die Versammlung stattfinden sollte. Jorge fuhr stattdessen nach Hause, wie immer in letzter Zeit.

»Dann erzählt mir morgen mal, was nun passieren wird«, sagte er zum Abschied.

Der Vorsitzende des Betriebsrates und der Teilzeit-Rechtsberater der Gewerkschaft standen im Eingang des großen Saales, als Hunt und Edward eintrafen. Weitere Angestellte trudelten ein und setzten sich in die Klappstühle: Büroarbeiter ebenso wie Außendienst-Angestellte. Den Männern und Frauen war die Anspannung deutlich anzumerken, und in allen Gesprächen, die bald darauf den Saal erfüllten, ging es um Haushaltskürzungen und die Sicherheit der Arbeitsplätze. In allen Abteilungen gab es Gerüchte über Stellen, die abgebaut werden sollten, vor allem aber ging es um die Jobs in der Abteilung Landschaftspflege.

Endlich, um zwanzig nach fünf, eröffnete der Vorsitzende die Versammlung. Er redete nicht lange um den heißen Brei herum und versuchte auch nicht, die Lage schönzureden. Geradeheraus sagte er, dass die Gerüchte stimmten, weil es in diesem Bilanzjahr wegen verringerter Einnahmen und falscher Planungen ein Defizit von 3,4 Millionen Dollar gab und dass im County tatsächlich geplant wurde, den Haushalt auf Kosten der Angestellten auszugleichen.

»Derzeit liegen zwei Vorschläge vor«, erklärte er. »Bei dem einen soll an den Sozialleistungen eingespart werden. Es wird davon geredet, die Versicherungen einzuschränken: Entweder sollen die Zuzahlungen erhöht und die Lebens-, Zahnfürsorge-, Augenarzt- und Krebsfürsorgeversicherungen vollständig aufgekündigt werden, oder aber sämtliche Versicherungsleistungen kommen nur noch dem Angestellten selbst zugute, nicht aber dessen Familienangehörigen.«

Ablehnendes Gemurmel.

»Der andere Vorschlag ist spezifischer. Dabei soll ein bestimmter Teil der Abteilung Landschaftspflege durch externe Arbeitskräfte übernommen werden. Um genau zu sein, geht es um den Baumbeschnitt.«

Entmutigt musste Hunt feststellen, dass dieser Vorschlag deutlich weniger einmütig abgelehnt wurde. Stattdessen machten nur die Angestellten vom Baumbeschnitt ihrem Unmut Luft, während ein Großteil der anderen schwieg - anscheinend dankbar, dass sie auf diese Weise verschont und ihre Arbeitsplätze nicht gefährdet wurden.

»Wir sind hier, um zu überlegen, ob wir einen Alternativplan vorlegen können. Einfach auf Gehaltserhöhungen zu verzichten, wird nicht reichen. Also müssen wir schauen, wo eingespart werden kann.«

»Im Management!«, rief jemand aus den hinteren Reihen, und alle lachten.

Die nächste Stunde verbrachten sie damit, Ideen zusammenzutragen. Der Vorsitzende schrieb in den Raum gerufene Vorschläge auf die Tafel; dann erklärte der Rechtsberater bei jedem einzelnen, warum er nicht durchführbar sei. Je länger es dauerte, umso deutlicher erkannte Hunt, dass man hier versuchte, die Diskussion in die Richtung zu lenken, die dem County am genehmsten war ... und dass sie wahrscheinlich schon längst eine Entscheidung gefällt hatten und jetzt nur noch pro forma so taten, als wäre genau das ein Ergebnis, das demokratisch von der Mehrheit beschlossen worden war. Es gefiel Hunt ganz und gar nicht, worauf das Ganze hinauslief, und ein kurzer Blick auf Edwards mürrische Miene verriet ihm, dass sein Freund genauso dachte.

Am Ende dieser Stunde war offensichtlich, dass der Rechtsberater und der Vorsitzende der Ansicht waren, das Sinnvollste sei es, dem Verwaltungsrat zu gestatten, den Baumbeschnitt in Zukunft an Fremdfirmen zu vergeben. Es kostete keine allzu große Mühe, die anderen Angestellten von der Richtigkeit dieses Plans zu überzeugen.

Einer der alten Hasen, der schon seit vielen Jahren als Chef des Warenlagers für das County arbeitete, ergriff das Wort. »Damit wir das mal ganz deutlich hören: Sie sind also dafür, dass Stellen abgebaut werden?«

Der Vorsitzende hob die Hand. »Natürlich wollen wir nicht, dass Stellen abgebaut werden. Aber wenn wir einen Finger opfern müssen, um den Rest der Hand zu retten ... nun, das ist eine der schweren Entscheidungen, über die wir ernstlich werden nachdenken müssen.«

»Das ist doch Schwachsinn!«, brüllte Edward, und alle drehten sich zu ihm um.

Der Rechtsanwalt brachte ein schmales Lächeln zustande. »Entschuldigen Sie, Mister ...?«

»Ich werde Ihnen meinen Namen nicht nennen, weil der Sie doch sowieso nicht interessiert! Sagen wir einfach nur, ich bin der Finger, den Sie zu opfern bereit sind!«

Der Vorsitzende räusperte sich. »Um es so auszudrücken, ist es noch viel zu verfrüht ...«

»Das glaube ich aber nicht, Sie rückgratlose Qualle! Es ist Ihr Job, unsere Interessen zu vertreten. Sie haben diesen Miet-Anwalt hier angeheuert, von unseren Beiträgen, damit wir sichergehen können, dass unsere Interessen auch gewahrt werden. Stattdessen kriechen Sie dem Management in den Hintern!«

Zustimmendes Gemurmel der gesamten Versammlung.

»Also, jetzt warten Sie aber mal ...!«

»Nein, Sie werden jetzt mal warten! Seit zwölf Jahren mache ich für das County den Baumbeschnitt, und ich mache einen verdammt guten Job. Gleiches gilt für die anderen Männer aus meinem Trupp. Wir kennen die Parks hier, wir kennen die Bäume, und wir wissen verdammt genau, dass niemand das besser und billiger machen kann als wir. Das ist doch das reinste Politikum hier! Die Abteilungsleiter wollen den Eindruck erwecken, sie würden richtig was tun, wollen der Öffentlichkeit weismachen, dass sie schwer auf Draht sind, also wollen die uns entlassen und stattdessen Mietkräfte anheuern. Die werden das Geld der Steuerzahler dazu nutzen, irgendeine Privatfirma zu unterstützen. Und wahrscheinlich werden die ein Unternehmen beauftragen, das irgendeinem ihrer Vettern oder einem Schwager gehört, oder so was in der Art. Das mag auf den ersten Blick billiger aussehen, aber wenn gerade mal niemand hinschaut, wird diese Firma die Preise erhöhen, und dann werden die mehr zahlen müssen als jetzt für uns!«

»Wir befinden uns mit dem County immer noch in Verhandlungen«, sagte der Vorsitzende. »Und wir wollen nicht, dass irgendwelche Stellen gestrichen werden. Das ist unser Ziel.«

»Und wenn ich entlassen werde, dann will ich meine Gewerkschaftsbeiträge der letzten zwölf Jahre zurückerstattet bekommen, weil Sie dieses Geld unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingesackt haben, wenn Sie nicht um meinen Job kämpfen! Dann habe ich nämlich für eine Dienstleistung bezahlt, die ich nie erhalten habe!«

Die anderen Angestellten aus dem Baumbeschnitt nickten und äußerten lautstark ihre Zustimmung. »Recht hat er!«, rief einer.

Hunt erhob sich. Er war nicht so kämpferisch wie Edward, aber auch er war wütend. Es widerte ihn an, dass die Gewerkschaft, die doch eigentlich für sie hätte kämpfen sollen, sich passiv verhielt und offenbar nicht bereit war, sich für ihre Mitglieder einzusetzen. Sie war nur noch eine Herde verängstigter Schafe, vor denen Hunt kein bisschen Respekt hatte.

Er wandte sich geradewegs an den Gewerkschaftsvorsitzenden. »Ich denke, das Problem ist, dass wir keine externen Vermittler haben. Wir haben ihn«, er deutete auf den Rechtsanwalt, »aber er ist nur ein Berater, und Sie nutzen ihn ausschließlich dafür, Ihre Rechtsfragen zu beantworten. Also läuft es darauf hinaus, dass die Angestellten ihren Vorgesetzten am Verhandlungstisch direkt gegenübersitzen, und die werden natürlich keine harten Verhandlungen führen, weil sie Angst vor Repressalien haben. Und weil die Angst haben, das Management anzugreifen, sitzen wir hier auf dem Trockenen. Edward hat recht. Diese Gewerkschaft erfüllt ihre Aufgabe nicht!«

»Wir haben die Aufgabe«, widersprach der Vorsitzende, »das zu tun, was für alle Angestellten am Besten ist, und uns nicht ins eigene Fleisch zu schneiden.«

Edward legte die Stirn in Falten. »Jetzt lass es aber mal gut sein mit diesen ganzen medizinischen Metaphern, du Schlappschwanz ...«

Fast die ganze Versammlung brach in schallendes Gelächter aus, und dem Vorsitzenden schoss die Röte ins Gesicht.

Chris Hewitt, ein weiterer Mitarbeiter der Baumbeschnitt-Abteilung, deutete zornig mit dem Zeigefinger auf den Vorsitzenden. »Von Ihnen wird erwartet, dass Sie für alle Angestellten kämpfen und nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Problems einfach aufgeben!«

»Und was würden Sie vorschlagen?«, fragte der Gewerkschaftsvorsitzende nach. »Sollen wir in Streik treten?«

Hewitt nickte. »Falls das notwendig werden sollte.«

»Ich trete doch nicht in Streik und gefährde meinen Job, nur für ein paar Baumbeschneider«, meldete sich ein Computerprogrammierer zu Wort. »Das kann ich mir nicht leisten. Tut mir leid, aber so ist es nun mal!«

Hunt schaute zu dem Mann hinüber und war froh, dass er nicht in die Verwaltung gewechselt war. Vielleicht würde er jetzt seinen Job verlieren, aber er war stolz darauf, zu Edward und Chris und den anderen Baumbeschneidern zu gehören. Das waren gute Männer, ehrliche Männer, und er zweifelte nicht daran, dass die meisten von ihnen bereit gewesen wären, die eigenen Jobs zu gefährden, um ihren Kollegen zu helfen.

»Deinen Job braucht sowieso niemand!«, schrie jetzt Jack Hardy, ein Kollege aus Hewitts Trupp. »Die würden jede Menge Geld sparen, wenn die eure Stellen an externe Kräfte vergeben würden, und nicht unsere.«

Im Saal brach Chaos aus, und andere Angestellte der Wartungsabteilung - sichtlich beunruhigt vom Verlauf der Versammlung -, schlugen sich auf die Seite von Hewitt und Hardy und gegen die Technokraten aus der Verwaltung.

Edward legte Hunt eine Hand auf die Schulter und deutete zum Ausgang. »Das ist jetzt wie die Do-Long-Brücke aus Apocalypse Now. Das hier hat niemand mehr im Griff. Verschwinden wir!«

»Wir werden sehen, was wir tun können!«, versprach der Rechtsanwalt am anderen Ende des Saales. »Der Job jedes Einzelnen ist wichtig!«

»Komm schon«, sagte Edward angewidert. »Wir gehen in die Kneipe und gießen uns einen hinter die Binde.«

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