1.


Nachdem sie in Mexico City fast drei Stunden gewartet hatten, in eine einmotorige Cessna umgestiegen waren und einen unruhigen Flug voller Turbulenzen hinter sich gebracht hatten, landeten die vier kurz nach Mitternacht auf dem Flughafen von Tuxtla Gutierrez. Sie waren die einzigen Amerikaner an Bord - die Einzigen, die mutig oder dumm genug waren, während dieser Zeit regionaler Instabilität nach Chiapas zu fliegen. Doch die Flughafenarbeiter auf Nachtschicht verhielten sich ihnen gegenüber freundlich und hilfsbereit. Nachdem sie das Gepäck aus dem Laderaum geholt hatten, fuhren sie mit einem schmutzigen Taxi zu dem Hotel, das sie über ein Online-Reisebüro gebucht hatten. Das Hotel - das erstaunlich sauber war - befand sich genau neben einem Bürogebäude aus Stahl und Glas und gegenüber einem fensterlosen Tongebilde, das geradewegs aus einem präkolumbianischen Jahrhundert hierherbefördert zu sein schien.

Joel und Jorge teilten sich ein Zimmer, und da sie beide vom Telefon in der Lobby aus ihre Frauen anrufen wollten, zogen Hunt und Beth sich müde zurück. Hunt stimmte sich mit ihnen noch ab, dass sie sofort geweckt werden sollten, falls sich in den Staaten irgendetwas Sonderbares ereignete.

Das Zimmer war adrett, ausgestattet mit einem nicht übermäßig großen Doppelbett, einem Tisch mit drei Stühlen vor dem Fenster und einem Bad mit Waschbecken, Wanne, Toilette und reichlich Seife und Handtüchern. Das Einzige, wodurch sich dieses Hotelzimmer deutlich von einem in den Vereinigten Staaten unterschied, das war das auffällige Fehlen eines Fernsehers.

Doch einen Fernseher brauchten Hunt und Beth nun wirklich nicht. Es war ein höllisch langer Tag gewesen, und sie waren erschöpft. Kaum dass sie unter den Decken lagen, waren sie auch schon eingeschlafen.

Hunt wurde wach, als Joel gegen die Zimmertür hämmerte. »Aufstehen!«, rief er. »Wir müssen los!«

»Ich bin wach!«, log Hunt und stieß Beth an, die neben ihm lag. »Wir sind beide schon wach! In ein paar Minuten sind wir da!«

In der Nacht hatten sie von ihrer Umgebung nicht viel sehen können, doch am Morgen war der Ausblick aus ihrem Fenster atemberaubend. Sie befanden sich im dritten Stock eines viergeschossigen Gebäudes, und von ihrem Zimmer aus konnten sie einen großen Teil der Stadt überschauen; dahinter ragten die dicht bewaldeten Berge auf. Hunt war noch nie in einem anderen Teil Mexikos gewesen als Nogales und Baja California, und er konnte sich auch nicht erinnern, jemals Panorama-Aufnahmen der Landschaft von Chiapas gesehen zu haben. Im Fernsehen gab es immer nur Bilder von bewaffneten Guerillas und zerschossenen Häuserwänden zu sehen. Und Tuxtla Gutierrez war ganz gewiss kein Ort, den Hunt bisher als Urlaubsziel auch nur in Erwägung gezogen hätte. Doch die Landschaft hier war wunderschön. Ein wolkenloser Himmel, so blau, als wäre er gemalt, hing über einer Landschaft mit dunklen, zerklüfteten Bergen und Hügeln, die mit dichten, dunkelgrünen Bäumen bewachsen waren. Tuxtla Gutierrez, die Stadt zu Füßen der Berge, wirkte ebenso exotisch, wie ihr Name verhieß. Männer mit dichten Schnurrbärten und in leuchtend bunter Kleidung schoben Wagen über einen riesigen Marktplatz. Alles war fremdartig, exotisch und aufregend. Hunt erkannte, dass sie viel mehr reisen sollten. Wenn Beth und er hier lebend aus dieser Sache herauskamen, sollten sie die Welt kennen lernen und all jene Orte besuchen, von denen sie bisher nur gehört oder gelesen hatten.

Falls sie hier lebend rauskamen.

Beth kam aus dem Badezimmer, und Hunt war an der Reihe. Zehn Minuten später waren sie angezogen und zum Aufbruch bereit. Sie klopften an die Tür des Zimmers, das Joel und Jorge sich teilten, und gemeinsam stiegen die vier die Treppe hinunter. Bei einem Verkäufer in der Lobby besorgte Hunt ein Brot mit Zuckerguss, zog aus einem Automaten vier Cokes und trug alles zusammen zu einem fadenscheinigen Sofa in der Ecke, damit sie frühstücken konnten.

Sie hatten schon die Zeit an Bord der Cessna damit verbracht, die Karten des Versicherungsvertreters zu studieren und sie mit irgendeiner aktuellen Touristen-Karte von Chiapas zu vergleichen; dennoch waren sie bei ihren Bemühungen, die Zentrale der Insurance Group zu finden, noch keinen Schritt weiter als am Tag zuvor in Tucson. Und jetzt, wo sie hier waren, erschien ihnen der Versuch, die Geschäftsräume der Versicherung zu finden, vergleichbar mit der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Sie wussten ja nicht einmal, wo sie anfangen sollten. Sie konnten in einem Telefonbuch nachschlagen oder einfach durch die Straßen spazieren und nach einem Schild Ausschau halten, auf dem »The Insurance Group« stand, doch Hunt hatte das dumpfe Gefühl, dass die Versicherung nicht allzu freigiebig Eigenwerbung betrieb. Dennoch mochte jemand von den Einheimischen irgendetwas wissen, und genau darauf wies Beth auch hin. Sie nickte Jorge zu. »Einen Dolmetscher haben wir ja schon.«

Nachdem sie kurz mit dem Rezeptionisten gesprochen hatten, mit den Verkäufern in der Lobby und den Händlern, die vor dem Hotel standen - dazu noch mit zwei Männern, die ohne erkennbares Ziel in die Lobby gekommen waren -, war Jorge der Ansicht, der Plan müsse doch noch ein wenig verfeinert werden. »Wir brauchen einen Fremdenführer«, sagte er. »Jemanden, der sich in der Gegend hier auskennt.«

Nacheinander blickte Hunt Beth und Joel an und zuckte mit den Schultern. »Von mir aus.«

In atemberaubend schnellem Spanisch sprach Jorge auf den Rezeptionisten ein. Der Mann griff nach dem Telefon, das hinter ihm stand, und sprach einige Minuten lang in den Hörer. Dann nickte er.

»Er ist unterwegs!«, verkündete Jorge.

Sie zogen es vor, in der Lobby zu warten, statt in ihre Zimmer zurückzukehren. Beth betrachtete die Verkaufsstände in der Halle, an denen vor allem Souvenirs feilgeboten wurden, während die Männer abwechselnd auf dem Sofa saßen oder angespannt auf und ab gingen. Zwanzig Minuten später kam ein hagerer Mann mit einem buschigen Zapatista-Schnurrbart in die Lobby, ging geradewegs auf sie zu und erklärte auf Englisch, mit deutlichem Akzent, aber trotzdem bestens verständlich, er werde sie begleiten und als ihr Fremdenführer fungieren, solange sie es wünschten: für zwölf Dollar am Tag - in amerikanischen Devisen.

»Zwölf Dollar!«, wiederholte Hunt ungläubig.

»Okay. Zehn Dollar.«

Ihr Fremdenführer hieß Manuel. Er verkündete stolz, er habe einen eigenen Pick-up mit Allradantrieb und werde sie überall hinfahren, wohin sie nur wollten. Bedauerlicherweise waren sie mit Manuel zu fünft, und in den Wagen passten nur drei Personen - vorausgesetzt, einer war bereit, sich praktisch auf die Gangschaltung zu setzen.

»Ich gehe nach hinten«, erbot sich Joel und klopfte gegen die Seitenwand der Ladefläche.

»Ich auch«, sagte Hunt. »Beth? Du und Jorge, ihr geht zu Manuel.«

»Nein«, widersprach Jorge. »Du bleibst hier.«

»Wir brauchen dich als Dolmetscher.«

Manuel war beleidigt. »Ich spreche drei Sprachen! Ich brauche nicht Dolmetscher.«

»Ich gehe nach hinten«, sagte Jorge. Joel und er kletterten auf die Ladefläche und kauerten sich zusammen, den Rücken gegen das Fahrerhaus gestemmt.

Als er auf der vor Menschenmassen wimmelnden Straße stand, kam Hunt sich vor wie Indiana Jones persönlich, und einen kurzen, wundervollen Moment lang waren all die Schrecken, deretwegen sie hier waren, wie weggeblasen, während er auf den staubigen Vordersitz des klapprigen Pickups kletterte. Dann kehrte mit aller Macht die Realität zurück. Hunt sah Lillys zerschmetterten Leichnam vor dem geistigen Auge, und wieder verspürte er die wilde Entschlossenheit, die so genannte Lebensversicherung dieses Vertreters ...

und sein Leben

... vorzeitig zu beenden und alles daranzusetzen, das ganze verdammte Unternehmen zu zerstören, auch wenn Hunt nicht den blassesten Schimmer hatte, wie er ein solch ehrgeiziges Ziel in die Tat umsetzen sollte.

»Wohin?«, fragte Manuel, ehe er den Motor anließ.

Hunt zeigte ihm die Ausdrucke, den Ausschnitt aus der Detail-Karte von Chiapas, den er so weit vergrößert hatte, dass er ein ganzes Blatt ausfüllte. Dann deutete er auf den Kreis mit dem Stern unterhalb dieses dicken Spinnenwebengeflechts aus Linien. »Wir suchen nach einer Versicherung, die hier irgendwo ihren Sitz hat. Auf Englisch heißt sie ›The Insurance Group‹, aber ich weiß nicht, ob sie hier nicht einen anderen Namen hat. Sie ist ...«

... ein multinationales Unternehmen, hatte Hunt sagen wollen, doch er wusste nicht, ob das wirklich stimmte. Einen Augenblick lang dachte er darüber nach, schaute dann den Fremdenführer an und beschloss, ihm gegenüber ehrlich zu sein. Sie hatten keine Zeit für irgendwelche Spielchen und würden nirgendwohin kommen, wenn sie jetzt wie die Katze um den heißen Brei herumschlichen. »Die Insurance Group ist ein Versicherungsunternehmen. Gibt es hier Versicherungen?«

»Bei uns es gibt Versicherung, ja. Habe ich Versicherung? Nein.«

»Jedenfalls, die Insurance Group verkauft Autoversicherungen, Immobilienversicherungen und Krankenversicherungen, aber auch Gute-Nachbarschafts-Versicherungen und Personenschadensversicherungen. Und wenn du die abschließt, werden deine Feinde umgebracht, du selbst aber nicht.«

Der Fremdenführer riss die Augen auf. »So was habt ihr gekauft?«

»Wir hatten keine andere Wahl«, erklärte Beth. »Wir mussten.«

»Jetzt habe ich eine Lebensversicherung«, sagte Hunt. »Und mir wurde versprochen, dass ich nun ewig lebe.«

»Das ich nicht glaube!«

»Tja, ich weiß nicht, ob es wirklich funktioniert, und ich möchte es auch nicht herausfinden, aber ich habe die Versicherung und muss dafür bezahlen, und das kann ich mir nicht leisten. Deshalb möchte ich diese Firma finden und ... es beenden.«

»Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«, ergriff jetzt auch Beth das Wort. »Hast du jemals etwas in der Art gehört, oder kennst du vielleicht irgendwelche Gerüchte in dieser Richtung?«

Manuel schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Aber kannst du uns helfen, diese Versicherung zu finden?«

»Ich weiß nicht, wo ich soll anfangen«, gab Manuel zu. Er grinste und entblößte zwei klaffende Zahnlücken. »Aber deswegen habe ich auch gesagt, ich will euch helfen. Ich gedacht, ihr würdet nicht gehen wollen einkaufen. Deswegen ich verlange nur zehn Dollar am Tag.«

»Zwanzig«, bot Beth an.

»Gracias. Ich nehme an.«

»Also, womit fangen wir an?«, fragte Hunt. »Mit dem Telefonbuch?«

»Eure amerikanische Geschäftsstelle nicht steht drin, no?«

»Stimmt«, sagte Hunt.

»Dann hier wohl auch nicht. Aber ich kenne einen Mann, der uns vielleicht kann helfen. Mit dem wir fangen an.«

»Dann los«, sagte Hunt.

Beth nickte. »Wir wissen das wirklich zu schätzen.«

Manuel ließ den Motor an, der röhrend zum Leben erwachte.

»Festhalten«, sagte er.


Abseits der Hauptstraßen waren die Gassen und Sträßchen von Tuxtla Gutierrez schmal und uneben. Sie waren zu einer Zeit angelegt worden, als man noch Kutschen benutzte und keine Autos, als man noch Herden durch die Straßen trieb und nicht mit Pick-ups hindurchjagte. Immer noch gingen viele Menschen hier zu Fuß, und Manuels Truck raste an uralten Gebäuden vorbei durch die verschlungenen Gassen und verfehlte oft nur knapp Gruppen von Männern, Frauen und Kindern. Hunt und Beth klammerten sich fest, als hinge ihr Leben davon ab: Hunt stemmte sich gegen das Armaturenbrett, Beths Hand krampfte sich um die Armlehne an der Beifahrertür.

Hunt wollte sich gar nicht vorstellen, wie es Joel und Jorge auf der Ladefläche erging. Immer wenn er sich umdrehte und durch die staubige Heckscheibe spähte, sah er, wie sie mit Armen und Beinen kämpften, nicht über die Ladefläche geschleudert zu werden; ihre Münder und Augen waren krampfhaft geschlossen, um sie vor dem Staub zu schützen.

Der Wagen jagte an Häusern aus weißgetünchten Tonziegeln vorbei - Gebäude, die aussahen, als wären sie in mehr als nur einem Krieg zerschossen worden, und an verschachtelten Gebäuden mit Leitern, die auf die Dächer führten, wie bei den Bauten der Pueblo-Indianer. Leinen, an denen bunte Wäschestücke hingen, waren über die Gassen gespannt.

Dieses Land war uralt. Nie zuvor hatte Hunt spüren können, wie jung die Vereinigten Staaten eigentlich waren, doch hier konnte er die Vergangenheit deutlich wahrnehmen, das ganze Gewicht der Geschichte. Auf diesen Straßen waren schon Menschen unterwegs gewesen, als es noch Jahrhunderte dauern sollte, bis die Pilgerväter bei Plymouth Rock an Land gingen - und viele dieser Straßen schienen sich seitdem kaum verändert zu haben.

Schon bald war Hunt nicht einmal mehr ansatzweise in der Lage, sich zu orientieren; seine Verwirrung war vollkommen, als sie endlich ihr Ziel erreichten: ein zweigeschossiges Gebäude aus Ziegeln am Ende einer kleinen Gasse. Aus der offen stehenden Tür trat soeben ein Mann, der an einem Schultergurt eine Maschinenpistole trug.

Manuel stieg aus und rief dem Bewaffneten etwas zu, was wie eine Begrüßung klang. Der Mann verschwand wieder im Gebäude. Einen Augenblick später kam ein anderer Mann heraus - ein vergnügt wirkender, übergewichtiger Bursche in weit geschnittener, weißer Kleidung. Er sah wie eine Nebenfigur in einem zweitklassigen Film aus: der Vater des schönen Mädchens, in das der Held sich verliebt und der immer für einen lustigen Spruch oder einen anderen Lacher gut war. Doch der Bursche mit der Maschinenpistole, der offensichtlich den fetten Weißgekleideten bewachte, ließ darauf schließen, dass dieser weit mehr als ein einfacher, lustiger Bursche war. Manuel verhielt sich dem Weißgekleideten gegenüber ebenfalls sehr respektvoll, beinahe schon ehrfürchtig, und auch wenn die beiden einander offensichtlich sehr mochten, war ebenso offensichtlich, wer von beiden der Einflussreichere war.

Joel und Jorge sprangen von der Ladefläche und stellten sich neben die Beifahrertür.

»Das mein lieber Freund Rodrigo«, erklärte ihr Fremdenführer. »Wenn in Stadt etwas passiert, er weiß davon. Gebt mir eure Karte, dann ich frage ihn nach dieser Versicherungsgesellschaft.«

»Bei uns in den Staaten heißt sie nur Insurance Group«, wiederholte Hunt und reichte Manuel die Karte.

»Ich ihm erzählen von eurer Lebensversicherung. Er vielleicht es nicht glauben, aber ich weiß, dass es ihn wird interessieren. Wenn er bis jetzt noch nichts über diese Gesellschaft weiß, er wird es herausfinden.«

Manuels Bericht führte jedoch nicht zum erwünschten Erfolg, das sah Hunt an Rodrigos Mimik. Doch Manuel sprach weiter, immer schneller und nachdrücklicher; offensichtlich versuchte er, so viel wie möglich an Informationen unterzubringen.

Plötzlich versetzte der fette Mann Manuel eine heftige Ohrfeige. Erstaunt trat der Fremdenführer einen Schritt zurück. Wütend stieß Rodrigo ein paar Worte hervor; dann rief er etwas, das wie ein Befehl klang.

»Das sieht nicht gut aus«, murmelte Jorge.

Zwei weitere Männer mit Maschinengewehren kamen aus dem Haus gerannt. Wieder schlug Rodrigo dem Fremdenführer ins Gesicht, und Manuel machte keinerlei Anstalten, sich zu verteidigen. Dann deutete der Mann auf Joel und Jorge, die neben dem Pick-up standen.

Rodrigo war ein Verbrecher, aber offensichtlich ein Mann mit beträchtlichem Einfluss. Hunt wusste nicht, ob er eingreifen und Manuel helfen sollte oder sich schweigend zurücklehnen und darauf warten, dass alles vorbeiging. Die Tatsache, dass er die Sprache nicht verstand und keine Ahnung hatte, was hier überhaupt vorging, brachte Hunt in eine Lage, in der er deutlich benachteiligt wäre.

Es war Beth, die schließlich eingriff. »Lasst ihn in Ruhe!«, rief sie und öffnete die Beifahrertür.

Rodrigo verharrte. Selbst wenn er Beths Worte nicht verstand, begriff er doch, was ihr Tonfall besagte. In Hunt stieg Furcht auf. Er bezweifelte, dass Rodrigo es gewohnt war, dass jemand so mit ihm sprach - erst recht keine Frau.

Langsam zog Manuel sich zurück, bewegte sich auf seinen Pick-up zu und versuchte, jede hastige Bewegung zu vermeiden. »Sie sich lieber halten raus«, sagte er zu Beth. »Sie nichts damit zu tun.«

Joel und Jorge zogen sich ebenfalls zurück, bewegten sich von der Beifahrertür zur Ladefläche.

»Ich glaube, wir haben sehr wohl etwas damit zu tun«, widersprach Beth, und ihre Stimme klang bestimmt.

»Er mir nicht glaubt«, sagte Manuel. »Er meint, ich wolle ihn verspot ...«

Ein Schuss dröhnte, doch er kam nicht aus einer der Maschinenpistolen.

Die drei Wachen liefen los, umringten Rodrigo und drängten ihn zurück ins Haus.

Beth streckte die Hand nach dem Türgriff aus und knallte die Beifahrertür zu. Ein weiterer Schuss wurde abgefeuert - von einem Dach aus oder aus einem Fenster im oberen Stockwerk eines Hauses. Manuel rannte zum Truck zurück. »Runter!«, rief er. »Ducken!«

Hunts Mund war trocken. Er spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Er kauerte sich auf den Boden des Pick-ups und legte schützend einen Arm um Beth.

Würden sie hier sterben?

Er nicht.

Ihn konnte man nicht umbringen.

Er hatte eine Lebensversicherung.

Eine Deluxe-Lebensversicherung.

Aber Beth war in Gefahr.

Hunt legte sich auf sie und versuchte, ihren Körper mit seinem zu schützen. Beth sagte nichts und versuchte auch nicht, ihn von sich zu stoßen.

Plötzlich saß Manuel wieder auf dem Fahrersitz. Der Motor heulte auf, und rückwärts jagten sie die Gasse entlang, durch die sie gekommen waren. Als der Pick-up eine Nebenstraße erreichte, riss Manuel das Steuer herum und wendete mit kreischenden Reifen. Dann jagten sie davon.

»Alles gut!«, verkündete er. »Ihr wieder könnt hochkommen.«

Hunt versuchte es, doch die Geschwindigkeit des Wagens und die unebene Straße erschwerten es sehr.

»Was zum Teufel sollte das denn?«, fragte er schließlich und prallte mit dem Schädel schmerzhaft gegen die Unterseite des Armaturenbretts. Dann zog er sich auf die Sitzfläche und half Beth hoch.

Manuel rieb sich die flammend rote Wange. »Er hat gedacht, ich ihn anlüge. Er gedacht ... ich weiß nicht, was er gedacht. Rodrigo hat viele Feinde, und er nicht kann vorsichtig genug sein. Aber keine Sorge. Ich noch eine Idee.«

Hunt schaute Beth an. Ihre Miene besagte genau das, was auch er selbst dachte: Vielleicht sollten sie versuchen, einen anderen Fremdenführer zu finden - jemanden, der keine Kontakte zur Unterwelt pflegte. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, doch sie wollten auch nicht erschossen in einer dunklen Seitengasse enden, als Kollateralschäden irgendeines Bandenkrieges.

Doch Hunt konnte nicht erschossen werden.

Er war unsterblich.

Außerdem war ein Mann wie Manuel, der über derart weitreichende Kontakte verfügte, wahrscheinlich genau der Richtige, um den Sitz der Versicherungsgesellschaft ausfindig zu machen.

Hunt schaute durch die Heckscheibe und sah, dass Joel und Jorge flach auf der Ladefläche lagen. »Alles in Ordnung?«, rief er.

»Es ging uns nie besser!«, brüllte Jorge mühsam zurück.

Sie bogen in eine enge Kurve. Der Wagen rüttelte und schlingerte. Jorge klammerte sich an die Unterkante des Fensters, während Joel die Beine ausstreckte, um die Bewegung auszugleichen.

»Was hast du denn für eine Idee, Manuel?«, fragte Beth, der von der Rüttelei allmählich übel wurde.

»Die Hexe. Vielleicht weiß die etwas.«

Hunt und Beth schauten einander an. »Die Hexe?«, wiederholte Beth.

Manuel lächelte geheimnisvoll. »Ihr schon werdet sehen.«

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