1.


Beth hatte gerade die letzte reife Tomate gepflückt, als in der Küche der Wecker losschrillte.

Sie trug die Tomaten ins Haus und stellte den Wecker ab. Beth neigte dazu, sich ganz in der Gartenarbeit zu verlieren, also musste sie dafür sorgen, dass das wahre Leben sie jedes Mal zurückholte, und so hatte sie es sich angewöhnt, den Wecker zu stellen, wenn sie zu einer bestimmten Zeit irgendetwas erledigen musste.

An diesem Tag musste sie zum Zahnarzt.

Auch wenn sie die ganze Zeit gewusst hatte, dass der Besuch unbedingt anstand, dass sie sich regelmäßig hätte untersuchen lassen und die Zähne reinigen müssen, hatte sie es so lange schleifen lassen, dass sie letztendlich Angst vor dem Besuch beim Zahnarzt bekommen hatte, weil sie befürchtete, sie könne Löcher haben oder eine Wurzelbehandlung brauchen oder irgendeine unschöne Behandlung à la Marathon-Mann über sich ergehen lassen müssen. Doch die Schmerzen im Zahnfleisch waren so schlimm geworden, dass es höllisch wehtat, wenn Beth in der linken Mundhälfte etwas kaute, und schließlich hatte Hunt sie überredet, sich doch untersuchen zu lassen.

Einen Haus-Zahnarzt hatte Beth nicht, also hatte sie die Kundendienstnummer angerufen, die auf ihrer Versichertenkarte stand, und den Namen und die Telefonnummer eines mit dieser Versicherung zusammenarbeitenden Zahnarztes in Erfahrung gebracht. Das war vor fast drei Wochen gewesen. Sie hatte versucht, einen früheren Termin zu erhalten, hatte der Sprechstundenhilfe Ausmaß und Schwere ihrer Schmerzen geschildert, hatte darauf hingewiesen, dass es wirklich ein Notfall sei und dass sie dringend Hilfe benötige, doch die Frau hatte beharrlich erklärt, der Arzt sei völlig ausgebucht, und sie könne Beth unmöglich dazwischenschieben; ein Besuch sei frühestens Ende des Monats möglich.

Beth wusch die Tomaten ab, legte sie zum Trocknen auf die Arbeitsplatte und machte sich daran, sich umzuziehen und die Zähne zu putzen. Seit sie diesen Termin vereinbart hatte, putzte sie sich fast wie besessen die Zähne - mindestens dreimal am Tag, manchmal sogar bis zu sechsmal -, als könne intensive Zahnpflege auf die letzte Minute Jahre der Achtlosigkeit wiedergutmachen und das Problem lösen.

Also putzte Beth sich die Zähne, verwendete Zahnseide und gurgelte mit Listerin; dann ging sie ins Schlafzimmer und sah in ihrer Handtasche nach, ob sie ihre Versichertenkarte und genug Geld für die Zuzahlung eingesteckt hatte.

Die Praxis des Zahnarztes befand sich nicht in einem Medi-Zentrum oder einem Bürokomplex, sondern in einem umgebauten Lehmziegelhaus. In der Gegend war eine ehemalige Wohnstraße zu einer Einkaufsstraße aus- und umgebaut worden, und aus vielen einstigen Wohnhäusern waren Geschäftshäuser geworden: Es gab einen Innenausstatter, einen Steuerberater, sogar ein Café. Die Fassade der Zahnarztpraxis sah immer noch aus wie die eines normalen Wohnhauses, doch das Innere war vollständig umgestaltet worden und hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit einer Wohnung. Es gab ein erstaunlich großes Wartezimmer, in dem ein Meerwasser-Aquarium voller Fische in schillernden Farben stand. Hinter der Glasscheibe eines Schiebefensters sprach die Sprechstundenhilfe gerade am Telefon mit einem offenbar hartnäckigen Patienten, der unbedingt einen Termin zu einem völlig unmöglichen Zeitpunkt haben wollte. Außer Beth saß niemand im Wartezimmer, doch hinter einer geschlossenen Tür, gleich neben dem Fenster zur Anmeldung, hörte Beth das unverkennbare, schrille Kreischen eines Bohrers, der sich tief in Zahnschmelz fraß.

Beth ging zum Fenster und unterschrieb ihre Papiere; dann setzte sie sich auf eines der gelben Kunstledersofas, die entlang der Wand aufgestellt waren. Auf dem Tisch neben sich sah sie einen Stapel Hochglanzzeitschriften: Maxim, Details und FHM. Das war nicht gerade das, was man üblicherweise in einer Zahnarztpraxis vorfand, doch Beth nahm sich dennoch etwas zu lesen und überflog einen Artikel über Websites aus der Fetisch-Szene.

»Mrs. Jackson?«

Beth war immer noch nicht daran gewöhnt, jetzt mit Hunts Nachnamen angesprochen zu werden, und auch wenn sie die Stimme der Sprechstundenhilfe hörte, begriff sie nicht sofort, dass sie gemeint war.

»Mrs. Jackson?«, wiederholte die Sprechstundenhilfe ein wenig lauter.

Schnell legte Beth das Magazin zur Seite und erhob sich; das Ganze war ihr peinlich. Eine Arzthelferin hielt ihr die Tür auf; in der Hand hielt sie Beths Karteikarte. »Hier entlang, bitte«, sagte sie mit einem freundlichen Lächeln.

Beth folgte der jungen Frau, ging am Schreibtisch der Sprechstundenhilfe vorbei und einen kurzen Flur hinunter, der zu einem kleinen Behandlungszimmer führte. Dort zwängte sie sich in den Behandlungsstuhl und ließ sich eine Wachspapierserviette auf die Brust legen. Eine Metallkette sorgte dafür, dass das Papiertuch nicht herunterrutschen konnte. Die Arzthelferin - laut Namensschild hieß sie »Dora« - schwenkte ein Metalltablett über Beths Brust, auf dem zahlreiche, äußerst unangenehm aussehende Werkzeuge lagen. »Der Herr Doktor wird gleich bei Ihnen sein«, sagte Dora, ehe sie den Raum verließ.

Beth wartete, und sie erinnerte sich nur zu genau daran, warum sie im letzten Jahrzehnt Zahnärzten weiträumig aus dem Weg gegangen war. Sie stellte sich vor, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn der Zahnarzt in ihren Zähnen stocherte, wobei ihr Speichel sich im hinteren Teil der Kehle ansammelte und sie zu ersticken drohte, während sie darauf wartete, dass er endlich abgesaugt wurde.

O Gott, wie Beth Zahnärzte hasste.

Dann wurde forsch an die offene Tür geklopft, und mit schnellen Schritten kam Dr. Blackburn herein; er roch nach Old Spice und Listerin. Statt eines Zahnarztes hätte er genauso gut ein Gameshow-Moderator aus den Sechzigerjahren sein können: Er hatte dieses künstliche, perfekte Lächeln, und jedes Haar seiner Frisur saß so widernatürlich perfekt wie bei Bob Eubanks oder Wink Martindale. Doch als er näher kam und sich auf den Hocker neben den Behandlungsstuhl setzte, sah Beth, dass er auf der linken Seite seines Scheitels eine Strähne hatte, die sich anscheinend nicht bändigen lassen wollte; sie fiel deutlich auf und wirkte völlig fehl am Platze. Während der Arzt mit Beth sprach und ihre bisherige Krankengeschichte durchging, musste sie immer wieder auf die Strähne starren. Irgendwie fühlte sie sich richtig davon gestört. Die Tolle passte so gar nicht zum restlichen Erscheinungsbild des Arztes und war so unpassend, dass Beth sich noch unwohler fühlte.

Eine junge Frau kam ins Behandlungszimmer, offenbar die Assistentin Dr. Blackburnes. Auch bei ihr stimmte irgendetwas nicht. Sie trug die makellose Uniform einer Arzthelferin, doch ihre Augen waren viel zu dick geschminkt und ihre Lippen zu rot. Sie sah aus wie eine Pornodarstellerin - wie die »sündige Krankenschwester«, die sich vor einem Patienten die Klamotten vom Leib riss und sich dann auf dem Behandlungsstuhl durchvögeln ließ.

Leise sprach Dr. Blackburn ein paar Worte mit seiner Assistentin; dann schaltete er die Schwenklampe über dem Stuhl ein und wandte sich wieder Beth zu. »Weit aufmachen«, sagte er. Beth tat wie geheißen, und mit einem Metall-Zahnstocher piekste und stupste er gegen die Zähne der linken oberen Zahnreihe, bis er eine Stelle gefunden hatte, bei der Beth heftig zusammenzuckte.

»Tut das weh?«, fragte er.

»Ah-hah«, würgte sie hervor.

Der Arzt drehte die Lampe zurecht, legte den Zahnstocher beiseite, griff nach einem anderen, ebenso scharfkantigen Werkzeug und klemmte dann Beths Kiefer mit einem Gummikeil fest. Der Speichelabsauger wurde eingeschaltet und an ihrer Lippe befestigt, und der Arzt machte sich daran, systematisch ihre Mundhöhle zu überprüfen. Noch einmal murmelte er seiner Assistentin irgendetwas Unverständliches zu; dann begann er, mit den Fingern an jedem einzelnen von Beths Zähnen zu wackeln. Bei mehreren fühlte es sich an, als hätte er ein Gummiband oder eine Klammer daran befestigt. Dann fuhr er mit dem scharfkantigen Werkzeug schmerzhaft über ihren Zahnbogen.

Irgendetwas stimmte hier nicht.

»Was machen Sie da?«, versuchte Beth zu fragen, doch ihr Kiefer war immer noch festgekeilt, und der Absauger schlürfte nach wie vor ihren Speichel, und so klang es eher wie: »Aah aah-ee hii haa?«

»Wir werden Ihre Zähne ersetzen müssen«, sagte der Zahnarzt.

Was?

Panik erfasste Beth. Sie versuchte zu protestieren, versuchte ihm zu erklären, dass sie auf keinen Fall bereit war, so etwas Radikales zu erlauben, doch wieder klangen ihre Worte völlig sinnlos. Der Zahnarzt jedoch schien sie bestens zu verstehen, und als sie versuchte, sich aufzusetzen, hielt er sie mit einem Arm zurück. »Es tut mir leid. Der Zahnverfall ist so extrem fortgeschritten, und sie haben so viele Löcher und derart viel Zahnschmelz verloren - von den absterbenden Zahnwurzeln und der Zahnfleischentzündung ganz zu schweigen -, dass ich fürchte, eine solch drastische Behandlung ist unumgänglich. Abgesehen davon sind mir die Hände gebunden. Es gibt neue Regeln und Forderungen der Versicherungen. Selbst wenn es in Ihrem Fall möglich wäre zu überkronen, ist mir das einfach nicht gestattet; das wird als kosmetisch eingestuft und wäre durch Ihre Versicherung nicht abgedeckt. Außerdem bin ich gehalten, jegliche Erkrankung energisch zu bekämpfen. Das gehört zu deren Programm der vorbeugenden Instandhaltung. Wenn ich Anzeichen für fortgeschrittenen Zahnverfall entdecke, muss ich alles tun, um das Problem umgehend zu lösen.« Die Assistentin - »Rene«, konnte Beth jetzt auf ihrem Namensschild lesen - reichte dem Zahnarzt eine stählerne Spritze, und sofort bugsierte er sie in Beths Mund; schmerzhaft presste er die Nadel gegen die Innenseite ihrer Wange. »Machen Sie sich keine Sorgen, es wird überhaupt nicht wehtun.«

Vorbeugende Instandhaltung.

Diese Formulierung schoss ihr plötzlich durch den Kopf. Genau das hatte Hunt von der Gesellschaft für das Haus eingefordert, bei der sie ihre Hauseigentümer-Versicherung hatten, um die Versicherungsgesellschaft dazu zu bringen, den Austausch des gesamten Daches zu zahlen. Während das Betäubungsmittel sich langsam in Beths Körper verteilte und sich nach und nach alle Muskeln entspannten und damit auch ihre Gedanken, kam sie plötzlich auf die Idee, das hier sei die Rache dafür: Sämtliche Versicherungsgesellschaften hatten sich zusammengetan, um sie und Hunt dafür zu bestrafen, dass sie sich beschwert und ihr Recht eingefordert hatten. Eine heimliche Absprache. War das nicht illegal? Schon jetzt begannen die Gedanken sich aufzulösen und zu zerfasern, Beths Verstand sprang von einem verrückten Gedanken zum nächsten: Die Versicherungen hatten es auf sie abgesehen ... der Verband der Zahnärzte ... die Kreditkartenanbieter ... die Autohersteller ... die Regierung ...

Bevor Beth vollständig in der Narkose versank, hörte sie - darauf hätte sie schwören können -, wie der Zahnarzt ein sonderbares kleines Liedchen sang: »Möse zum Frühstück, Möse zum Lunch, Möse am Abend und nachts ein Snack.«

»Ich liebe den Geschmack von Eiern am Morgen«, kommentierte die Zahnarzthelferin irgendwo in weiter Ferne.

Als Beth wieder zu sich kam, saß sie im Wartezimmer, auf eines der Sofas gestützt. Ihr Schädel hämmerte. Sie öffnete die Augen und starrte mehrere Minuten lang wie betäubt auf das Aquarium. Aus dem Filter stiegen Luftblasen auf, stellte sie fest. Sie blubberten zwischen einem Ober- und einem Unterkiefer hervor, die auf dem blaugefärbten Kies lagen und grotesk auf- und abhüpften, als würden sie lachen.

Plötzlich stand die Sprechstundenhilfe neben ihr und half ihr aufzustehen. »Kommen Sie, Mrs. Jackson. Sie müssen jetzt gehen.«

Beth wusste, dass sie unter Drogen stand, und ein winziger Teil ihres Hirns dachte darüber nach, dass es unprofessionell, wahrscheinlich sogar gesetzwidrig war, sie unter solchen Umständen einfach auf die Straße zu setzen, doch Beth hatte weder die Willenskraft noch die Energie, sich auf ein Streitgespräch einzulassen, und so ließ sie sich artig hinausführen. Die Sprechstundenhilfe brachte Beth nicht einmal bis zu ihrem Wagen. Sie führte sie einfach nur auf die kleine Veranda, die unmittelbar vor der Praxis lag; dann ging sie wieder hinein und schloss die Eingangstür hinter sich.

Mit unsicheren Schritten und noch immer pochendem Schädel ging Beth die Verandastufen hinunter und dann um das Haus herum zu dem kleinen Parkplatz. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet, und immer wieder fuhr sie sich mit der Zungenspitze über Lippen und Zähne, doch die Zähne fühlten sich sonderbar an. Zum einen waren sie zu kalt, und dann schmeckten sie irgendwie anders ... und dieser Geschmack kam Beth fast bekannt vor.

Sie brauchte alle Kraft, um sich zu konzentrieren, musste jede ihrer Bewegungen durchdenken, damit das Betäubungsmittel, das noch durch ihre Adern kreiste, sie nicht mehr völlig außer Gefecht setzte. Wie in Zeitlupe nahm Beth den Autoschlüssel aus ihrer Handtasche; dann schloss sie vorsichtig die Fahrertür auf, stieg ein, setzte sich in den Sitz, klappte die Sonnenblende herunter und öffnete den Mund, um im Schminkspiegel das Werk des Arztes zu begutachten.

In ihrem Mund funkelte ein silbernes Gebiss wie aus Stahl.


Beth lag auf dem Bett und weinte, als Hunt nach Hause kam. Sie hatte ihn von unterwegs aus dem Auto angerufen, hatte zwischen heftigen Schluchzern die ganze Geschichte hervorgestoßen, und er hatte ihr gesagt, sie solle bleiben, wo sie sei; er würde früher mit der Arbeit aufhören und sie abholen. Doch Beth wollte nicht einmal in der Nähe der Zahnarztpraxis warten, solche Angst hatte sie, und so hatte sie Hunt gesagt, sie werde nach Hause fahren.

Wieder sprangen Edward und Jorge bei der Arbeit für Hunt ein, und er fuhr vom Westen der Stadt zur East Side von Tucson, so schnell der Mittagsverkehr es zuließ.

Als er Beths Mund sah, war Hunt wie betäubt. Sie hatte es ihm am Telefon beschrieben, doch er hatte sich einfach nicht vorstellen können, wie verrückt und entsetzlich es aussah, und so war er auch nicht vorgewarnt, wie sehr das stählerne Gebiss ihr Gesicht entstellte. Beths Nase wirkte völlig schief, und ihre Wangen waren aufgedunsen. Sie sah regelrecht hässlich aus; hätte Hunt nicht gewusst, dass er Beth vor sich hatte, hätte er sie vielleicht nicht einmal erkannt. Zu allem Übel waren ihre Lippen grotesk angeschwollen, und immer wieder betupfte Beth sie mit einem Waschlappen, den sie mit Eiswürfeln gefüllt hatte, um die Blutung zu stillen.

Beth musste ihm seine Gedanken angesehen haben, denn im gleichen Augenblick, da sie Hunts Miene sah, begann sie erneut zu schluchzen. Er eilte zu ihr, setzte sich neben sie und schloss sie in die Arme. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Wir kriegen das wieder hin. Ich weiß nicht, was für ein Teufel diesen Wahnsinnigen geritten hat, oder wie er glauben kann, damit durchzukommen.«

»Ich habe mich nicht einmal einverstanden erklärt!«, rief Beth verzweifelt.

»Natürlich nicht.«

»Ich meine, mit der ganzen Behandlung. Ich würde doch niemals zulassen, dass mir jemand sämtliche Zähne zieht, ohne eine zweite Meinung einzuholen. Aber ich bin gar nicht dazu gekommen, es ihm zu sagen! Die haben mich einfach betäubt, haben mich in Vollnarkose versetzt, und als ich aufgewacht bin, habe ich so grässlich ausgesehen wie jetzt.«

»Hast du starke Schmerzen?«, fragte er besorgt.

Kurz schloss sie die Augen, dann holte sie tief Luft. »Sie sind unerträglich. Und die Betäubung hat noch nicht einmal ganz aufgehört. Wenn das erst geschieht ...« Sie führte den Satz nicht zu Ende.

»Damit kommen die nicht durch!« Hunt hätte am liebsten mit der Faust gegen die Wand gehämmert, so wütend war er. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt. Das alles ergab doch keinen Sinn! Überhaupt keinen! Es gab keinen Grund, Beth so etwas anzutun. Sie hatte keine Feinde, und niemand konnte etwas davon haben, ihr sämtliche Zähne zu ziehen und sie durch silberne Stummel zu ersetzen.

War dieser Zahnarzt wahnsinnig?

Es erschien Hunt durchaus möglich.

»Wir gehen zu ihm«, entschied Hunt. Er ging zum Schrank und nahm seine Kamera und seinen Camcorder heraus. »Ich werde das alles aufzeichnen, und dann sehen wir diesen Dreckskerl vor Gericht wieder. Die sollen deine Zähne wieder herrichten! Die sollen vor uns auf die Knie fallen! Das hätte niemals passieren dürfen, und bei Gott, dafür werden die bezahlen!«

Mit ihren geschwollenen Lippen brachte Beth ein schwaches Lächeln zustande.

»Gehen wir.«

Die Adresse und die Wegbeschreibung zum Zahnarzt lagen immer noch in Beths Wagen. Auf dem Kunstleder des Fahrersitzes war getrocknetes Blut zu erkennen, das Beth während der Heimfahrt aus dem Mund getropft sein musste, und Hunt wischte die Flecken mit Taschentüchern aus dem Handschuhfach ab, ehe er sich hinsetzte. »In dem Zustand hättest du niemals fahren dürfen«, sagte er, während er von der Auffahrt zurücksetzte. »Du hättest einen Unfall bauen können.«

Beth nahm den Waschlappen von den Lippen. »Das wäre deren Schuld gewesen.«

»Ja. Aber du wärst diejenige gewesen, die dabei verletzt worden wäre. Oder sogar umgekommen.«

»Ich konnte da nicht bleiben. Ich konnte es einfach nicht!«

Verständnisvoll nickte Hunt.

Als sie ankamen, war die Zahnarztpraxis verschwunden.

Sie waren fassungslos. Das konnte nicht sein! Es war nur wenige Stunden her, dass Beth hier gewesen war, und es war völlig unmöglich, dass sämtliche Möbel und die gesamte Einrichtung der Praxis in so kurzer Zeit aus dem Gebäude geschafft worden waren. Aber an den Fenstern waren keine Rollos mehr, und durch die staubigen Scheiben konnten sie beide erkennen, dass die Räume leer standen: Die Wände waren kahl, der Boden ohne Teppich. Das Haus war nur noch ein leerstehendes Gebäude, das darauf wartete, in Geschäftsräume umgewandelt zu werden wie die anderen Häuser in dieser Straße.

Beide stiegen aus und gingen über den betonierten Bürgersteig zur Veranda hinauf. »Das war hier, ich schwör's!«, beharrte Beth.

»Ich glaub dir ja.«

»Aber wie kann das sein? Vor einer Stunde, höchsten zwei, war hier ein Wartezimmer mit Teppichboden und Sofas und einem Dreihundert-Liter-Aquarium. Da waren ein Schreibtisch für die Sprechstundenhilfe und mehrere Behandlungszimmer mit Zahnarztliegen und Waschbecken und Lampen und Schränken!«

Es konnte nicht sein; das wussten sie beide. Später vermutete Hunt, in genau diesem Augenblick sei ihm klar geworden, dass er es hier mit sehr viel mehr zu tun hatte als nur einer Firma, die völlig außer Kontrolle geraten war - dass hier etwas nicht Greifbares, etwas Beängstigendes am Werk war, irgendetwas, das eher übernatürlich war als natürlich. Aber dieser Gedanke hatte sich zu dem Zeitpunkt noch nicht ausgeformt, und so beantwortete er Beths Frage mit einem kraftlosen: »Ich weiß es nicht.«

Im Haus nebenan befand sich das Büro eines Steuerberaters, und obwohl es so aussah, als wäre geschlossen, und ein Schild an der Tür »Nur nach Absprache« besagte, klingelte Hunt und klopfte an. Er hoffte, jemanden zu finden, der ihm etwas mehr über diesen Zahnarzt verraten und ihm sagen konnte, wie lange diese Zahnarztpraxis schon hier war oder was damit geschehen sein konnte. Doch bei dem Steuerberater traf er niemanden an, und auch das Reisebüro auf der anderen Straßenseite war geschlossen. Ein Stückchen weiter die Straße hinunter war ein Getränkeshop. Der hatte geöffnet, doch die Angestellten dort wussten nichts von einer Zahnarztpraxis und hatten an diesem Tag dort auch nichts Außergewöhnliches gesehen.

Beth und Hunt blieb nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu fahren. Beths Schädel hämmerte jetzt noch schlimmer als zuvor, und die Betäubung hatte mittlerweile so weit nachgelassen, dass Beth immer wieder krampfartige Schmerzen im Mundraum spürte, besonders dort, wo ihr die Zähne gezogen und die silbernen Stummel eingesetzt worden waren. In ihrer Handtasche hatte sie ein Fläschchen Tylenol, aber zwei Tabletten hatte sie bereits genommen, und das Paracetamol schien nicht zu helfen. Also hielten sie auf dem Heimweg kurz bei Beths Hausarzt, Dr. Panjee. Es war schon ziemlich spät, und sie hatten natürlich keinen Termin - und so, wie es in letzter Zeit lief, hätte es beide nicht überrascht, wenn der Arzt und seine Assistentinnen sie aufgefordert hätten, sich an die Notaufnahme im Krankenhaus zu wenden. Doch Beth sah so bemitleidenswert aus, dass sie nicht abgewiesen wurde, und die Sprechstundenhilfe schob sie dazwischen, ehe der nächste Patient eintraf.

Entsetzt hörte Dr. Panjee sich an, was geschehen war, doch nach einer vorsichtigen Untersuchung musste er zugeben, dass der Zahnarzt, rein technisch gesehen, wirklich gute Arbeit geleistet hatte. Dr. Panjee trug ein lokal wirkendes Gerinnungsmittel auf Beths Zahnfleisch auf, um die Blutung zu stillen; dann verschrieb er Beth ein starkes Schmerzmittel, von dem er sagte, es werde den Schmerz deutlich lindern, ohne Müdigkeit hervorzurufen, wie viele andere Analgetika, sodass Beth nicht allzu sehr in ihrem Alltag behindert sei. Er riet ihr, sich das Medikament gleich am nächsten Morgen zu holen, und für den Abend und die Nacht gab er ihr mehrere Muster eines anderen Schmerzmittels mit, das noch ein wenig stärker war und Beth wahrscheinlich einen Großteil der Nacht durchschlafen ließe.

»Gott sei Dank«, sagte Beth.

»Das wird alles wieder«, versicherte Dr. Panjee ihr.

»Klar. Abgesehen von meinen silbernen Zähnen.«

Um kurz vor fünf waren sie wieder zu Hause. Nachdem Hunt dafür gesorgt hatte, dass Beth hinreichend bequem auf dem Sofa vor dem Fernseher lag, zog er seine Versichertenkarte hervor und ging zum Telefon. Ihr Versicherer, DentaPlus Plan, gehörte zum HealthPlus-Konzern, und die Zentrale dieser Gesellschaft lag an der Westküste. Das bedeutete, dass dort noch Geschäftszeiten waren. Hunt wählte die Kundendienst-Nummer, die auf der Rückseite der Karte aufgedruckt war.

»Ich hasse es, mit diesen Versicherungsfritzen umgehen zu müssen«, sagte er zu Beth.

»Wem geht das nicht so?« Sie hielt inne. »Mach sie fertig!«

»Verlass dich drauf!«

Nach einer untypisch kurzen Wartezeit wurde Hunt von einem echten Menschen aus Fleisch und Blut aus der endlosen Fragenschleife des automatisierten Telefonsystems gerettet. »Guten Tag, hier ist die DentaPlus. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Hallo«, sagte Hunt nur knapp. »Mit wem spreche ich?«

»Mein Name ist Tim«, erwiderte der junge Mann am anderen Ende der Leitung.

»Hören Sie zu, Tim. Ich heiße Hunt Jackson. Meine Frau Beth hat vor drei Wochen genau diese Nummer gewählt, um sich den Namen und die Anschrift eines Zahnarztes in unserer Wohngegend heraussuchen zu lassen, der an unserem Zahnfürsorgesystem teilnimmt und Ihre Versicherung akzeptiert ...«

»Würden Sie mir die Versicherungsgruppen-Nummer und die Mitgliedsnummer Ihrer Versichertenkarte nennen?«

»Nein«, fauchte Hunt. »Ich werde Ihnen diese Informationen später geben. Erst werden Sie sich anhören, was hier passiert ist.«

»Sir ...«

»Hören Sie mir zu! Sie ist zu diesem Zahnarzt gegangen, einem Dr. Blackburn, und ich weiß selbst, dass es verrückt klingt, aber er hat ihr sämtliche Zähne gezogen und sie durch silberne Prothesen oder Kronen ersetzt, oder wie immer diese Dinger heißen. Mit falschen Zähnen eben, obwohl sie gar nicht zugestimmt hat, sich diese Zähne implantieren zu lassen. Und ihr Mund ist ganz angeschwollen und blutig. Mit anderen Worten: Sie wurde betäubt und verstümmelt. Und jetzt ist dieser Zahnarzt verschwunden! Ich möchte ein paar Dinge über diesen Kerl wissen, und ich möchte eine Entschädigung. Sie haben ihn empfohlen, also gehört er offensichtlich zu den Ärzten, die an Ihrem Zahnfürsorgesystem teilnehmen, und ich verlange, dass der Kerl da rausfliegt. Ich will, dass er strafrechtlich verfolgt wird und seine Lizenz verliert - oder was auch immer bei einem Zahnarzt passieren muss, damit er nicht mehr praktizieren darf!«

Vom anderen Ende der Leitung war keinerlei Reaktion gekommen, keine Bestätigung, kein Verständnis, nicht einmal ein höfliches »Hm-hmm«. Nur Stille. Das gefiel Hunt ganz und gar nicht. Er wusste nicht einmal, ob Tim noch in der Leitung war, doch er redete einfach weiter.

»Ich erwarte weiterhin, dass Sie ihn nicht für dieses Zerrbild einer Behandlung bezahlen, die meiner Frau angetan wurde, und ich erwarte, dass sie jemanden finden, der das wieder in Ordnung bringt. Es ist mir völlig egal, was Sie dafür tun müssen oder wie Sie das hinkriegen, aber ich verlange, dass meine Frau schleunigst wieder normale Zähne bekommt und dass dieser Metallmund verschwindet, den dieses Ungeheuer ihr verpasst hat.«

»Das sind schwerwiegende Anschuldigungen. Ich brauche den Namen Ihrer Frau, die Gruppennummer und die Mitgliedsnummer, die auf ihrer Versichertenkarte steht.«

»Der Name lautet Beth Jackson. J-A-C-K-S-O-N, die Gruppennummer ist 4435, und ihre Mitgliedsnummer ist A476B3588.«

»Können Sie mir die Uhrzeit sagen, als Ihre Frau diesen Arzt aufgesucht hat?« Hunt hörte, wie die Stimme des Mannes plötzlich einen deutlich erkennbaren Südstaaten-Akzent annahm, und es lief ihm eiskalt den Rücken hinunter. »Ist schon gut«, sagte er. »Ich weiß.« Hunt hörte das Klappern einer Computer-Tastatur. »Halb Affenarsch, viertel vor Ho-den-sack.«

Sofort legte Hunt auf, und eine völlig unerklärliche, heftige Furcht erfasste ihn. Alles, was bisher geschehen war, erschien ihm auf einmal viel weniger zufällig, sondern auf irgendeine düstere, rätselhafte Weise zusammenhängend.

»Was ist denn?«, fragte Beth. »Was ist passiert?«

Hunt Herz schlug immer noch heftig, doch sofort wählte er die Nummer erneut. Er rechnete damit, erst wieder längere Zeit durch das automatisierte Telefonsystem geschleust zu werden, um dann irgendwann wieder einen Mitarbeiter an der Leitung zu haben - einen Menschen, bei dem er logisch und tröstlicherweise seine Beschwerde vorbringen konnte. Doch gleich nach dem ersten Klingeln hob derselbe Mann wie eben wieder ab, und bevor Hunt auch nur ein einziges Wort herausbringen konnte, wurde er angeschrien. »Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich hier nicht anrufen! Hören Sie auf, mich zu belästigen!«

»Ich ...«, setzte Hunt völlig verdutzt an.

Der Mann lachte. »Schwachkopf«, sagte er. »Vollidiot.«

»Geben Sie mir Ihren Abteilungsleiter.«

»Nein.«

»Was?«

»Ich weiß, wie Sie aussehen, wenn Sie kacken«, fuhr der Mann gehässig fort. »In Ihrer Akte ist ein Foto, wie Sie sich gerade den Arsch abwischen.«

Weißglühender Zorn vertrieb die letzten Reste der Furcht. »Ich möchte sofort Ihren Abteilungsleiter sprechen!«, verlangte Hunt. »Ich lasse mir nicht gefallen, dass ...«

»Es tut mir leid, jetzt ist Feierabend.« Hunt hörte ein Klicken, dann das Freizeichen.

Er versuchte erneut anzurufen, doch dreimal in Folge war die Leitung besetzt. Endlich hörte er es wieder klingeln; dann sagte eine aufgezeichnete Stimme: »Unsere Büros sind derzeit geschlossen. Bitte rufen Sie erneut an. Unsere Geschäftszeiten sind von acht bis siebzehn Uhr, pazifische Standardzeit.«

Hunt legte auf und starrte einen Augenblick durchs Wohnzimmerfenster zum gegenüberliegenden Haus. Ein Foto von ihm, wie er sich den Hintern abwischte ... Es war verrückt, so etwas plötzlich zu erwähnen - es war schon bizarr, es auch nur zu denken. Hunt wusste, dass dieser Mann ihn bloß beleidigen, ihn auf die Palme bringen wollte, und er glaubte auch nicht, dass tatsächlich irgendetwas daran sei, aber ...

Aus einem Impuls heraus griff er nach dem Branchenverzeichnis, schlug »H« auf und blätterte die hauchdünnen Seiten durch, bis er gefunden hatte, was er suchte.

Beths Medikament begann bereits zu wirken. »Was ist denn los?«, fragte sie fast schon verschlafen.

»Die haben geschlossen.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Wir fahren zu den HealthPlus-Büros hier in Tucson und reden persönlich mit denen, von Angesicht zu Angesicht.«

»Jetzt?«

»Morgen«, erwiderte er.

Beth lehnte sich auf dem Sofa zurück und schloss die Augen. »Gut«, sagte sie. »Heute bin ich dafür auch zu müde.«


Die Büroräume der HealthPlus befanden sich nicht in einem Hochhaus in der Innenstadt, wie Hunt erwartet hatte, sondern in einem einstöckigen, pinkfarbenen Stuckgebäude zwischen einer Kunstgalerie und einer Wellness-Oase auf der Ina Road. Sie stellten den Wagen auf einen grün markierten Parkplatz genau vor dem Gebäude ab, der mit PARKZEIT 20 MINUTEN beschriftet war.

»Ich rate denen, dass das hier nicht länger als zwanzig Minuten dauert«, sagte Hunt. »Wenn wir einen Strafzettel kriegen, zahlen die ihn. Ohne deren Inkompetenz wären wir ja überhaupt nicht hier!«

Beth griff nach seiner Hand und versuchte zu lächeln. »Die Einstellung gefällt mir. Mach sie fertig, Tiger!«

Das weitläufige Gebäude hatte mehrere Eingänge, und sie folgten einem Schild, auf dem ein Pfeil mit der Aufschrift VERWALTUNG auf einen der Gebäudeflügel wies. Hunt verlangte, jemanden zu sprechen, der hier das Sagen hatte - den Direktor, den Geschäftsführer, den Bezirksmanager, was immer sie zu bieten hatten -, doch die Sekretärin am Empfang speiste sie mit einem gewissen Ted Peary ab. Er stellte sich als der Mitarbeiter vor, der für die »Kundenverbindung« bei HealthPlus zuständig sei. Hunt fertigte Peary kurz und schmerzlos ab und wurde an Bill Chocek verwiesen, den Leiter der Kundendienstabteilung, ehe sie schließlich ins Büro von Kenley Cansdale, dem Vizepräsidenten, vorgelassen wurden.

In gewisser Weise konnten sie von Glück reden, dass Beth immer noch verunstaltet aussah mit den silbernen Zähnen, den angeschwollenen Lippen und dem blutigen Zahnfleisch, denn die HealthPlus-Mitarbeiter fühlten sich bei ihrem Anblick sichtlich unwohl. Sie alle schoben den schwarzen Peter weiter, bis Hunt und Beth schließlich in einen Saal gelangten, wo sie auf eine Gruppe von Managern der obersten Ebene trafen, darunter Ryan Fielding, Direktor der Südwest-Regionalvertretung von HealthPlus. Hunt und Beth standen am Fußende eines langen Kirschholztisches und erklärten zum mittlerweile fünften Mal, was geschehen war, und betonten, dass der psychopathische Zahnarzt ihnen von einem Mitarbeiter der Versicherung empfohlen worden war und zum Netzwerk von DentaPlus gehörte.

»Ich verlange«, schloss Hunt seine Ausführungen, »dass dieser Zahnarzt gefunden und zur Rechenschaft gezogen wird.«

»Und ich verlange, dass meine Zähne wieder in Ordnung gebracht werden«, ergänzte Beth.

»Nun, es entspricht nicht unserer Firmenpolitik, die fachliche Meinung unserer hochqualifizierten Ärzte und Zahnärzte im Nachhinein zu kritisieren«, erwiderte Fielding. Die anderen Männer am Tisch nickten.

Beth schlug mit der Faust auf den Tisch. »Was?«

»Wir vertrauen unseren Fachleuten in Bezug auf spezielle Behandlungsmethoden und Heilverfahren. Wir treffen keine medizinischen oder zahnmedizinischen Entscheidungen. Das überlassen wir unseren Ärzten und Zahnärzten.«

»Sehen Sie sich doch mal meine Zähne an!«, rief Beth und brach in Tränen aus.

»Es ist nicht unsere Schuld, wenn Sie mit dem Ergebnis Ihrer Zahnbehandlung nicht zufrieden sind.«

»Mit dem Ergebnis nicht zufrieden?« Ungläubig schüttelte Hunt den Kopf. »Haben Sie keine Augen im Kopf?«

»Ich bin ein Monster!«, schrie Beth sie an.

Mr. Fielding räusperte sich. »Ich verstehe. Wir werden alles tun, um dieses bedauerliche Ergebnis eines Missverständnisses wieder richtigzustellen. Aber ich muss noch einmal betonen, dass wir keinen Fehler gemacht haben. Ich will damit in keiner Weise andeuten, Sie beide seien prozesssüchtige Menschen oder hätten irgendwelche Hintergedanken, aber unsere Zustimmung, eine neue Behandlung zu übernehmen - praktisch für die gleiche Behandlung zweimal zu bezahlen -, lässt keinerlei Rückschlüsse darauf zu, dass wir haftbar oder verantwortlich wären für Fehler, die Ihr Zahnarzt begangen oder nicht begangen hat.«

Hunt griff nach Beths Hand. »Dann werden Sie die Behandlung bezahlen?«

»Selbstverständlich.«

»Was ist mit diesem Dr. Blackburn?«

»Es wird eine Untersuchung geben, und wenn die Betreffenden zu dem Schluss kommen, er habe unethisch oder illegal gehandelt, so wie Sie es darstellen, wird er in angemessener Weise zur Rechenschaft gezogen.«

»Zur Rechenschaft gezogen? Das ist ziemlich vage ausgedrückt.«

»Ein Gremium aus Fachkollegen wird ein Disziplinarverfahren gegen ihn anstrengen. Wenn sein Vergehen schwerwiegend genug ist, wird er seine Lizenz verlieren, und sollte es gerechtfertigt sein, wird ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet. Ich kann doch sicherlich davon ausgehen, dass Sie das zufriedenstellen wird?«

Natürlich nicht, aber was hatten sie erwartet? Was geschehen war, ließ sich nicht wieder ungeschehen machen, und das Beste, was Hunt und Beth jetzt noch erhoffen konnten, war eine angemessene Bereinigung ihres Problems.

Es gab keine Möglichkeit für sie, sich würdevoll zurückzuziehen oder sich gar als Sieger zu fühlen. Wenn sie sich jetzt bedankten, würde dies deutlich machen, dass man ihnen einen Gefallen getan hatte und sie beide somit in gewisser Weise in der Schuld des Vorstandes waren. Zeigten sie jedoch keine Dankbarkeit, sondern akzeptierten einfach nur Fieldings Vorschlag, hatten sie keine Möglichkeit mehr, in der Zukunft gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Lehnten sie den Vorschlag des Direktors ab, würde die Versicherung die Behandlung von Beths Zähnen nicht übernehmen.

Was immer sie auch taten - es war auf jeden Fall verkehrt.

»Also gut«, sagte Hunt knapp und nahm Beths Hand, und gemeinsam verließen sie den Versammlungsraum und das Gebäude und gingen zu ihrem Wagen, der auf dem grün markierten Zwanzig-Minuten-Parkplatz stand. An der Windschutzscheibe flatterte ein Strafzettel.

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