1.


»Jorge!«

Aufs Kissen gestützt, das er gegen das Kopfende gelegt hatte, war Jorge fast eingeschlafen, doch jetzt war er hellwach, sprang aus dem Bett und lief zum Bad, kaum dass er die Panik in der Stimme seiner Frau erkannt hatte.

Ynez hatte eigentlich duschen wollen; stattdessen saß sie nun nackt auf der Toilette, die Haut noch trocken, das Gesicht verzerrt. Zwischen ihren gespreizten Beinen hindurch konnte er Blut im Wasser erkennen. »Ogottogott«, sagte er dermaßen angespannt, dass die Worte zu einem einzigen verschmolzen. Mit einem Mal bekam er kaum noch Luft.

»Irgendwas stimmt nicht!« Ynez begann zu weinen. »Wir werden das Kind verlieren.«

»Nein, werden wir nicht! Bleib da!« Jorge lief ins Schlafzimmer zurück und durchwühlte den ungeordnet auf der Kommode abgelegten Tascheninhalt, bis er seine Brieftasche und die Versichertenkarte gefunden hatte. Dann griff er nach dem Telefon auf dem Nachttisch und wählte mit zitternden Fingern die Nummer, die für Notfälle auf die Rückseite der Karte aufgedruckt war. Dankenswerterweise musste er sich nicht erst noch mit einem automatisierten Annahmesystem herumschlagen, sondern war sofort mit einem atmenden, lebenden Menschen verbunden.

»Meine Frau blutet!«, schrie er ins Telefon. »Sie ist schwanger, und sie blutet! Was soll ich tun?«

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang ruhig und gelassen. Es war die Stimme einer älteren Frau, die Derartiges schon erlebt hatte - und noch viel, viel Schlimmeres -, was in gewisser Weise beruhigend war. »Beruhigen Sie sich, Sir. Sagen Sie mir erst einmal, was passiert ist.«

Jorge konnte sich nicht beruhigen, konnte es nicht einmal versuchen, sondern sprudelte hervor, dass das Kind eigentlich erst in fünf Wochen erwartet wurde und Ynez plötzlich Blutungen hatte.

»Hat sie auch Krämpfe?«, fragte die Frau.

»Das weiß ich nicht!« Noch nie hatte Jorge sich so hilflos gefühlt.

»Fahren Sie sofort ins Krankenhaus«, wies die Frau ihn an. »Nehmen Sie Ihre Versichertenkarte mit, und gehen Sie gleich in die Entbindungsstation.«

»Werden wir das Kind verlieren?«

»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Sir. Aber in der Entbindungsstation wird man wissen, was zu tun ist. So etwas ist dort alltäglich.«

Doch er wollte mehr als das hören, mehr als ein »Das ist ganz normal, so was passiert immer wieder, alles wird gut«, doch offensichtlich würde er das nicht bekommen, und Jorge hatte nicht die Zeit, jetzt erst dämliche Fragen zu beantworten. Also legte er auf und rannte zurück ins Badezimmer. Ynez war schon fast angezogen. Jorge streifte hastig eine Jeans und ein T-Shirt über und griff nach seiner Brieftasche und den Schlüsseln. »Die haben gesagt, wir sollen sofort ins Krankenhaus fahren.«

»Was ist mit dem Baby? Was sagen sie dazu?«

Jorge beschloss, es nicht schönzufärben. »Die Frau, mit der ich gesprochen habe, hat gesagt, sie weiß es nicht. Sie sagte nur, wir sollten sofort zur Entbindungsstation fahren.«

»O Gott!« Ynez schluchzte wieder. »Warum muss das uns passieren?«

Weil wir weitere Versicherungen brauchen, dachte Jorge verrückterweise, wagte es aber nicht, den Gedanken auszusprechen.

Die Fahrt kam ihnen endlos vor. Ein Dutzend Mal und mehr hatten sie die Strecke geübt, hatten jede mögliche Route ausprobiert, bis sie die kürzeste gefunden hatten, doch dieses Mal sprang auf dem Weg zum Krankenhaus fast jede Ampel auf Rot. Ynez, die auf dem Beifahrersitz saß, stöhnte und schluchzte abwechselnd, und Jorge fragte sie immer wieder, ob sie Schmerzen hätte oder ob es schlimmer würde. Doch seine Frau schrie nur: »Nein! Fahr weiter!«

Es war spät, und Jorge wusste nicht, ob der Haupteingang des Krankenhauses noch geöffnet sein würde, also fuhr er zum Eingang der Notaufnahme und stellte den Wagen auf einem der Zwanzig-Minuten-Parkplätze gleich neben der Tür ab. Ynez hatte eine extra saugfähige Binde in ihren Slip gelegt, doch schon jetzt war sie völlig durchgeweicht, und als Ynez ausstieg, konnte Jorge nur zu deutlich einen dunklen Fleck in ihrem Schritt erkennen.

Er versuchte, nicht in Panik zu verfallen, hielt Ynez am Arm und eilte mit ihr durch die Tür. Der kleine Warteraum war fast leer. In einer Ecke, unter einem an der Wand befestigten Fernseher, saß, in einen schäbigen braunen Mantel gehüllt, ein verdreckter Mann, der anscheinend völlig betrunken war. In der gegenüberliegenden Ecke, so weit weg wie nur möglich, saß ein besorgtes junges Pärchen neben seinem blassen, lethargischen Sohn.

Jorge führte Ynez geradewegs zum Fenster der Annahme. Hinter der dicken Glasscheibe saß eine übergewichtige Krankenschwester vor einem Computer und tippte. Als die beiden näher kamen, blickte sie auf. Auf ihrem Namensschild stand »F. Hamlin«. Die Schwester fragte: »Kann ich Ihnen helfen?«

»Meine Frau ist schwanger, und sie blutet!«, platzte Jorge heraus.

Ynez umklammerte seinen Arm fester, als würde sie jeden Augenblick umfallen. »Das Baby soll erst in fünf Wochen kommen.«

Eine Metallschublade unter der dicken Glasscheibe wurde herausgeschoben wie bei einem Bankschalter. »Darf ich Ihre Versichertenkarte sehen?«

»Meine Frau blutet! Sie braucht einen Arzt! Jetzt!« Doch noch während Jorge sich beschwerte, zückte er seine Brieftasche, griff nach der Versichertenkarte und ließ sie in die Schublade fallen.

Die Schublade wurde eingezogen. Auf der anderen Seite der Glasscheibe griff die Krankenschwester danach, schaute sie sich an, gab ein paar Zahlen in den Computer ein und schaute die beiden dann an. »Es tut mir leid«, sagte sie knapp. Die Schublade kam wieder heraus, darin lag die Versichertenkarte. »Im Desert Regional können wir Sie nicht aufnehmen.«

»Was?«

Ynez begann wieder zu schluchzen und hielt sich den Unterleib. »Das kann doch nicht sein!«

»Wir sind bei diesem Krankenhaus vorangemeldet!«, schrie Jorge die Krankenschwester an. »Genau hierhin sollten wir kommen!«

»Es tut mir leid, aber Ihr Versicherungsträger hat gewechselt.«

»Was zum Teufel soll das heißen?«

»Das soll heißen, dass Sie zum Waltzer Community Hospital müssen. Wir können Sie hier nicht aufnehmen.«

»Wir haben hier in den letzten zwei Monaten die Lamaze-Kurse mitgemacht! Wir haben uns doch erst letzte Woche die Entbindungsstation angesehen!«

»Ihre Krankenversicherung wird von Desert Regional nicht mehr akzeptiert. Wenn Sie einem Versorgungsmodell mit freier Krankenhauswahl angehören würden, dann ...«

»Das ... also ...« Jorge war nicht mehr imstande, einen ganzen Satz zusammenzubringen. »Das hier ist die Notaufnahme. Sie müssen uns reinlassen! Wir haben eine Notfallversicherung. Das steht alles auf der Karte.«

»Wir können nicht ...«

Jorge zog Ynez ein Stück weit von der Glasscheibe zurück und deutete auf den immer größeren Fleck auf ihrer Jeans, sodass die Schwester ihn sehen konnte. »Sie blutet!«

»Wir können sie hier nicht aufnehmen.«

Jorge musste an die Muttergottes denken, die Jesus in einem Stall hatte zur Welt bringen müssen.

So lebten also die anderen, die Unterprivilegierten. Die Unversicherten.

Ynez weinte jetzt hemmungslos, und Jorge war so wütend und frustriert, dass er selbst kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Am liebsten hätte er einen der Stühle aus dem Warteraum genommen, hätte die verdammte Glasscheibe eingeschlagen und das Miststück erwürgt. Er zitterte am ganzen Leib, so heftig waren die Emotionen, die in seinem Innern tobten, doch als er den Mund wieder öffnete, brachte er nur ein einziges, flehentliches Wort heraus: »Bitte ...«

Die Krankenschwester wurde zugänglicher, und zum ersten Mal konnte Jorge sehen, dass sie ein Mensch aus Fleisch und Blut war, der hier lediglich seine Aufgabe verrichtete. »Ich rufe einen Krankenwagen«, sagte sie zu Jorge. Sie sprach sehr leise, und Jorge hatte den Eindruck, als täte die Schwester gerade etwas, das sie eigentlich nicht hätte tun dürfen. »Die werden Sie zum Waltzer-Krankenhaus fahren.«

Sofort tat ihm leid, was ihm eben noch durch den Kopf gegangen war. Es war ja nicht die Schuld dieser Frau. Sie machte auch nur ihre Arbeit, tat nur das, was man ihr auftrug. Sie war nur ein kleines Rädchen in der Maschine. Es war die Maschine selbst, die hier die Schuld hatte. Das System.

»Danke«, sagte er nur.

Neben ihm begann Ynez zu wimmern.

»Gehen Sie durch den Ausgang und dann nach rechts. Der Krankenwagen wird jeden Moment hier sein.«

Jorge nickte.

»Das wird schon wieder«, sagte die Krankenschwester zu Ynez. »Mit Ihrem Baby wird alles gut.«

Jorge wusste nicht, ob sie aus Erfahrung sprach, ob sie überhaupt Ahnung davon hatte oder ob sie das nur sagte, damit sie beide sich besser fühlten - und zumindest Jorge fühlte sich jetzt tatsächlich etwas besser. Er führte Ynez zur Tür. Einen Augenblick später kam auch schon der Krankenwagen um die Ecke des Gebäudes gefahren. Zwei Sanitäter öffneten die Hecktür. »Möchten Sie eine Trage?«, fragte der ältere der beiden.

Ynez schüttelte den Kopf.

»Da hinten sind auch Bänke. Schnallen Sie sich an, und halten Sie sich fest. Wir bringen Sie zum Waltzer-Krankenhaus.«

»Sind Sie Rettungssanitäter?«, fragte Jorge. »Meine Frau blutet. Können Sie kurz nachsehen, ob ... ob alles in Ordnung ist?«

»Tut mir leid, Sir.«

Die Hecktür wurde wieder geschlossen, und sie waren allein, als die beiden Sanitäter zur Fahrerkabine des Krankenwagens eilten. Die Warnleuchten und die Sirene wurden eingeschaltet, und dann jagten sie auch schon los. Durch das Heckfenster sah Jorge seinen Wagen, der immer noch auf dem Zwanzig-Minuten-Parkplatz stand, und fragte sich, ob er sich wohl einen Strafzettel einfangen würde. Oder wie sie wieder zurückkommen sollten.

Kleinigkeiten, sagte er sich dann. Das konnten sie sich später immer noch überlegen. Jetzt war erst einmal wichtig, dass sie so schnell wie möglich zu diesem Krankenhaus kamen und dafür sorgten, dass das Kind gesund und ohne Komplikationen zur Welt kam.

Der Krankenwagen jagte durch die Straßen der Stadt, überfuhr mindestens zwei rote Ampeln, und in bemerkenswert kurzer Zeit erreichten sie ihr Ziel. Jorge hatte keine Ahnung, wo dieses Krankenhaus lag - der Blick durch die Heckscheibe des Rettungswagens verwirrte ihn nur -, doch als die Sanitäter die Hecktüren öffneten, stellte er dankbar fest, dass sie genau vor dem Eingang der Notaufnahme standen und bereits ein Pfleger mit einem Rollstuhl angelaufen kam, um Ynez hineinzubringen.

Gemeinsam mit dem Pfleger half Jorge ihr in der Rollstuhl, und zu dritt eilten sie durch die seufzenden Schiebetüren des Krankenhauses, geradewegs in die Notaufnahme. Entweder hatte die Krankenschwester von der Aufnahme des Desert Regional Hospital bereits hier angerufen, oder einer der Sanitäter aus dem Rettungswagen hatte Ynez über Funk angekündigt und die Lage geschildert, denn als der Pfleger den Rollstuhl in die Notaufnahme schob, öffneten sich schon die Türen eines weiteren Ganges. Als Jorge sich erkundigte, wohin sie denn nun gebracht würden, erklärte der Pfleger, Ynez käme in die Entbindungsstation.

Ynez stieß einen schrillen Schrei aus.

»Was ist?« Jorge war verängstigter, als er es sich jemals hätte vorstellen können.

»Ich glaube, das war eine Wehe!«

»Das ist gut«, sagte der Pfleger. »Das bedeutet, dass alles so läuft, wie es sollte.«

Ynez begann mit Lamaze-Atemübungen, während sie zügig weiterliefen. Mit einem Mal überlief es Jorge eiskalt. Er mochte dieses Krankenhaus nicht. Die Flure wirkten zu finster, und obwohl es mitten in der Nacht war, erschien das Gebäude viel leerer, als er erwartet hätte. Sie kamen an mehreren Zimmern vorbei, die tatsächlich völlig leer zu sein schienen - nicht einmal ein Bett stand darin -, und in fast allen Räumen, in denen medizinische Geräte zu sehen waren, fehlten die Patienten.

Die Entbindungsstation war in einem Halbkreis eingerichtet, wobei das Schwesternpult die Nabe bildete, während die einzelnen Räume wie Speichen davon abgingen. Hinter der halbrunden Theke standen drei Krankenschwestern: eine hagere Schwarze, die Daten von einer Reihe elektronischer Displays aufschrieb, und zwei übergewichtige weiße Frauen, die sich mit gedämpfter Stimme unterhielten.

Der Pfleger stellte den Rollstuhl vor der Theke ab, klopfte zweimal auf die Arbeitsfläche der Theke und lief dann winkend weiter den Gang hinunter. »Sie gehört ganz Ihnen, die Damen!«

Erneut stieß Ynez einen spitzen Schrei aus und keuchte vor Schmerz.

Eine der übergewichtigen Frauen kam zu ihr. »Machen Sie sich keine Sorgen, es wird alles gut. Wir haben für Sie schon ein Zimmer vorbereitet, Schätzchen.« Geschickt half sie Ynez dabei, aus dem Rollstuhl aufzustehen, führte sie in einen der leeren Räume und legte im Vorbeigehen den Lichtschalter um.

»Was ist das denn hier für ein Krankenhaus?«, fragte Jorge, während er sich umschaute. Der Raum war wie ein Kleinkinder-Schlafzimmer eingerichtet, in leuchtenden Farben. An die Wände waren Clowns gemalt ... nur dass diese Clowns hasserfüllt und bösartig wirkten. Gekrümmte, buschige Brauen verliehen den tiefliegenden Augen, die auf das Bett starrten, in dem Ynez ihr Kind zur Welt bringen sollte, etwas Boshaftes. Gemalte Münder grinsten verzerrt.

»Alle unsere Entbindungsräume sind wie Säuglingsstationen eingerichtet. Wir wollen, dass sich sowohl die Mutter als auch das Kind sofort hier wohlfühlen, und wir versuchen, es zu einem Zuhause für sie zu machen, so gut wir können.«

Wohlfühlen? Zuhause? Diese Begriffe waren wirklich das Letzte, was Jorge durch den Kopf ging, als er sich umschaute.

Aber vielleicht nahm er alles ja irgendwie verzerrt wahr. Vielleicht bildete er sich das alles nur ein.

Aber nein. Er sah ja den Gesichtsausdruck seiner Frau ... und er wusste, dass sie das alles genau so wahrnahm wie er selbst.

Nun blickte Jorge zu dem fetten Clown neben der Badezimmertür hinüber, einem weißgesichtigen Dämon, der zwischen übergroßen Zähnen eine gespaltene Zunge herausstreckte.

Jorge lief es eiskalt über den Rücken. Sie waren hier, weil sie nicht genügend Zusatzversicherungen abgeschlossen hatten. Hatte der Vertreter nicht genau das gesagt? Dass zusätzliche Versicherungsleistungen erforderlich werden könnten - gegen beträchtliche zusätzliche Kosten?

Die Krankenschwester half Ynez aus ihrer Kleidung, wischte mit einem feuchten Schwamm das Blut fort, legte ihr ein Krankenhaus-Nachthemd an und half ihr dabei, sich in das Bett zu legen. Sie untersuchte sie flüchtig und verkündete dann, Ynez' Muttermund habe sich bereits um drei Zentimeter geweitet, und das Baby werde in dieser Nacht zur Welt kommen.

Ynez umklammerte den Arm der Schwester. »Aber was ist mit dem vielen Blut?«

»Das ist gar nicht so ungewöhnlich, wie es Ihnen vielleicht erscheint. Der Doktor wird aber gleich hier sein, und er wird Sie ausgiebig untersuchen. Dann wissen wir mehr.«

Die Schwester verließ das Zimmer. Jorge und Ynez waren allein. Wie überall im Krankenhaus war auch hier das Licht gedämpft. Jorge wusste, dass man in allen Krankenhäusern so verfuhr, um wenigstens das Gefühl von »Nacht« zu erzeugen, weil die Patienten sich dann wohler fühlten, doch es machte ihn unruhig und sorgte dafür, dass er sich noch unbehaglicher fühlte.

»Mir gefällt das nicht«, sagte Ynez mit schwacher Stimme. »Das ... das fühlt sich irgendwie nicht richtig an.«

»Hast du Schmerzen?«

»Nein. Ich meine das ganze Krankenhaus hier ... wie sie sich hier verhalten ... einfach alles. Niemanden scheint es zu interessieren, dass ich blute. Ich hätte schon in der Notaufnahme von einem Arzt untersucht werden müssen, nicht einfach nur hierhingelegt ...« Mitten im Satz brach sie ab, verzog vor Schmerzen das Gesicht.

»Verdammt!«, stieß Jorge aus. »Wo sind denn die Geräte, die dich überwachen sollten? Ich hole die Schwester ...«

Die massige Gestalt der Schwester füllte plötzlich den Türrahmen aus. »Der Doktor ist jetzt für Sie da«, verkündete sie und trat einen Schritt zur Seite.

Und den Raum betrat ein hochgewachsener Mann in einem schwarzen Arztkittel, der die Maske einer wahnsinnigen, lachenden Putte vor dem Gesicht trug.

Ynez begann zu schreien.

»Was geht hier vor?«, wollte Jorge wissen. »Was zum Teufel soll das?«

»Halt die Fresse!«, herrschte ihn der Arzt unter der Maske an. Seine Stimme war hoch und schrill.

Das ist die Stimme von einem dieser Clowns, dachte Jorge, und die bloße Vorstellung jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Er packte Ynez am Arm und half ihr, sich aufzusetzen. »Komm, wir verschwinden hier. Wir gehen in ein anderes Krankenhaus.«

»Sie werden nirgendwo hingehen!«, widersprach der Doktor.

Irgendwie, während Jorge nicht aufgepasst hatte, waren zwei stämmige Pfleger ins Zimmer gekommen, doch sie trugen weder die Kleidung von Pflegern noch Arztkittel, sondern lange Mäntel und altmodische Hüte mit breiter Krempe. Der Schädel mit der Maske nickte, und die beiden packten Jorges Arme und hielten ihn fest.

»Loslassen!«, rief er.

»Stellt ihn ruhig«, sagte der Arzt mit seiner irren Stimme. »Er ist hysterisch.« Mit einem Ruck wurde Jorges Ärmel hochgeschoben. Er spürte die Feuchtigkeit von Alkohol auf der Haut ... und dann den Schmerz einer Nadel im Unterarm.

Die drei Krankenschwestern kamen wieder ins Zimmer, und die Hagere machte sich daran, eine Reihe bedrohlich aussehender medizinischer Instrumente auf ein Metalltablett am Fußende des Bettes zu legen. Ynez schrie und wollte fliehen, versuchte instinktiv, ihr noch ungeborenes Baby zu schützen. Die beiden übergewichtigen Schwestern packten sie und schnallten sie am Bett fest, während der maskierte Arzt Ynez' Beine spreizte und in Bügeln befestigte.

Jorge wollte ihr helfen, wollte sie retten, wollte sie beide aus diesem Krankenhaus des Wahnsinns befreien, diesem grotesken Lachkabinett, doch seine Muskeln waren erschlafft. Hätten die Pfleger ihn nicht festgehalten, er wäre zusammengesunken. Er konnte nicht einmal den Mund bewegen.

Aber er konnte sehen.

Oh ja, er konnte sehen.

Und Stunden später, lange nachdem man ihn auf einem Stuhl abgelegt hatte, der vor dem Bett stand, nachdem Ynez vor Schmerzen das Bewusstsein verloren hatte und nicht mehr schreien konnte, während die Krankenschwestern das Blut fortwischten und die Instrumente wegräumten, kam der Arzt mit einem Bündel auf dem Arm ins Zimmer. Wie betäubt starrte Jorge den blutverschmierten schwarzen Kittel an; dann schaute er zu der Maske mit dem lachenden Puttenmund auf. Der Arzt streckte ihm das Bündel entgegen und zeigte Jorge das Baby, das schrie und trat und mit den Ärmchen wedelte. Blut strömte aus einer klaffenden Wunde zwischen den Beinen, wo dem Kind der Penis abgetrennt worden war.

»Es ist ein Mädchen«, sagte der Arzt.

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