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Theogenes und Theophila heirateten, als die Weinstöcke zu knospen begannen, während die im Winter blühende Nieswurz in den Tempelgärten immer noch voller duftender, weißer Blüten stand. Die Hochzeit fand in Theogenes’ Synagoge im Broucheionviertel statt, einem schönen großen Gebäude, das die Zerstörungen in dieser Gegend irgendwie überstanden hatte. Sie war von einem Garten mit einem Säulengang umgeben, und in ihrem Inneren prangten zahlreiche Wandgemälde und Mosaiken. Theogenes’ Bruder war den ganzen Weg von Antiochia her mit einem Kamel bis nach Alexandria geritten, und Philons Sohn, Alphaios, war zwei Tage zuvor von Tiberias gekommen.
Die Hochzeit verlief sehr harmonisch. Das Paar trat unter den Hochzeitsbaldachin und tauschte Gelübde aus, es wurden Psalmen und Freudenhymnen gesungen, und schließlich fanden sich allesamt zu einer riesigen Gesellschaft im Garten zusammen. Zum Glück war es ein wolkenloser, für die Jahreszeit sehr warmer Tag, und es schien, als müßten alle Menschen auf der Welt glücklich sein, wenn sie nur hätten sehen können, wie glücklich Theogenes und Theophila waren. Wir aßen und tranken und tanzten. Mit Beginn der Dunkelheit wurden Fackeln entzündet und an Pfosten befestigt: Hell erleuchteten sie den Platz unter den Bäumen. Der Bräutigam und die Braut erhielten von allen Geladenen Geschenke, und dann wurde weiter gegessen und getrunken und getanzt.
Ich stahl mich bei der ersten Gelegenheit davon. Die Synagoge war inzwischen leer, und so ging ich hinein. Die vorderen Lampen, beim Gesetzesschrein, waren entzündet worden, doch das übrige Gebäude lag im Dunkel. Ich setzte mich in den Hintergrund und weinte. Ich war kein bißchen mehr in Theogenes verliebt – aber sie waren so glücklich. Und ich konnte niemals so glücklich werden wie sie. Niemals heiraten, niemals von einem hochgewachsenen jungen Mann geliebt werden, niemals Kinder haben. Jedenfalls nicht, wenn ich die Heilkunst praktizieren wollte. Nicht, wenn ich mir selbst treu blieb. Und wenn ich mir treu blieb, dann bedeutete dies, daß ich mein eigenes Grab war, bis der Tod kam und Anspruch auf mich erhob.
Ich vernahm, wie jemand behutsamen Schrittes die Synagoge betrat, und hörte schleunigst auf zu schluchzen. Ich vernahm noch einen Schritt, dann sagte eine Stimme sehr sanft: »Chariton?« Es war Philon. Ich stand auf, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und eilte zu ihm. In der Dunkelheit streckte er seine Hand aus und berührte meine Wange. »Armer Chariton«, sagte er, als er die Tränen spürte.
Ich fing von neuem an zu weinen und setzte mich. »Ich werde darüber hinwegkommen«, schluchzte ich. »Aber ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, kein Eunuch zu sein. Ich fühle mich so verlassen und elend.«
»Vielleicht kannst du eines Tages allen Leuten erzählen, wer du in Wirklichkeit bist«, sagte Philon und hockte sich neben mich. »Du bist ein ausgezeichneter Arzt, und wenn dein Ruf wirklich fest begründet ist, würde er eine derartige Enthüllung überdauern. Du könntest dir dein eigenes Gesetz schaffen und durchsetzen, daß Frauen Medizin studieren können.«
»Wenn das jemals geschehen sollte«, sagte ich und schluckte, »werde ich zu alt zum Heiraten sein.«
»Du hast Freunde«, meinte er. »Und du könntest Schüler haben. Schüler können einem fast so ans Herz wachsen wie eigene Kinder – diese Erfahrung habe ich gerade gemacht.«
Ich schlang meine Arme um seinen Hals und weinte an seiner Schulter.