7

Eine Woche später kehrte ich nach Novidunum zurück. Ich war schrecklich erschöpft. Solange ich mit Thorion und Maia allein war, hatte ich mich nach der ersten Strafpredigt wundervoll gefühlt. Thorion schien von meiner Geschicklichkeit auf medizinischem Gebiet und von meinen einflußreichen Verbindungen tatsächlich sehr beeindruckt zu sein. (»Seine Durchlaucht, der oberste Palastbeamte, hält jede Menge von diesem Burschen Athanaric«, meinte er mir gegenüber. »Er glaubt, wenn es sich um die Goten handelt, sei Athanarics Ratschlag ebensogut wie ein Erlaß. Ich bin froh, ihn zum Freund zu haben.«) Doch sobald Thorion und ich mit anderen zusammen waren, hatte ich mich keinen Moment mehr sicher gefühlt. Zwar entschlüpfte ihm nie mein richtiger Name – er hatte mich sowieso immer nur Charition genannt –, aber gelegentlich benutzte er im Zusammenhang mit mir das Wörtchen »sie«. Natürlich machen dies auch andere Leute, wenn es um Eunuchen geht, doch nur, wenn sie gemein sein wollen. Er tat es nicht so häufig, daß sich die Leute sicher sein konnten, es wirklich gehört zu haben, aber es genügte, mich nervös zu machen. Athanaric bemerkte den Ausrutscher und fragte mich, als wir allein waren, ob Thorion »der Mann« sei, den ich erwähnt hatte. Einen Augenblick lang wußte ich nicht, was er meinte, doch dann erinnerte ich mich an mein Geständnis über die Qualen der Begierde. »Himmel Herrgott, nein«, erklärte ich.

»Er ist nur ein alter Freund.«

Athanaric sah mich nachdenklich an und versuchte, einen unbekümmerten Eindruck zu machen. Doch ich wußte, daß er darin geübt war, sich derlei Dinge zu merken, und ich fragte mich, ob er die Wahrheit wohl inzwischen vermutete. Ich fragte mich auch, wie ich reagieren würde, falls er mein Geheimnis entdeckte. Aber er sagte nichts mehr. Und zwei Tage nach der Gerichtsverhandlung galoppierte er sowieso davon, um einige Außenposten zu inspizieren. Sebastianus blieb noch in Tomis: Er würde sich etwa einen Monat lang dort aufhalten und sich um die Verpflegung seiner Soldaten kümmern. Ich mußte jedoch sobald wie möglich ins Hospital zurück, da der Hochsommer eine gefährliche Zeit für ansteckende Krankheiten ist. Aber bevor ich abreiste, sprach ich mit Sebastianus über Xanthos.

»Jetzt, da er seinen Prozeß verloren hat«, sagte ich, »brauchst du ihn nicht rauszuwerfen. Es macht mir nichts aus, wenn er unter mir arbeitet, vorausgesetzt, er mischt sich nicht in die Behandlung meiner Patienten ein.«

Sebastianus sah mich überrascht an, dann verzog er sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Warum diese christliche Nachsicht? Der Mann ist dein Feind. Er wollte unbedingt, daß du gefoltert und getötet wirst. Im übrigen habe ich ihn bereits hinausgeworfen.«

Ich zuckte die Achseln. Ich mußte dauernd daran denken, wie man Xanthos schreiend aus dem Gerichtssaal gezerrt hatte. Ich fragte mich, ob er überhaupt genug Geld hatte, um die Buße zu bezahlen. »Zum Teil war es auch mein Fehler«, sagte ich zu Sebastianus. »Ich habe mich falsch ihm gegenüber verhalten. Erst habe ich ihn von seinem Posten verdrängt, und dann war ich hochmütig, habe ihn gedemütigt und seine Behandlungsmethoden schlecht gemacht. Es ist nicht sein Fehler, daß er ein so schlechter Arzt ist; er ist nicht verantwortlich für seine Ausbildung. Und er hat tatsächlich geglaubt, ich sei ein Zauberer und hätte seinen Freund getötet. Ich möchte nicht, daß er gefoltert wird, weil er seine Schulden bei Gericht nicht bezahlen kann.«

Sebastianus lachte. »›O integer vitae scelerisque pure!‹ Nun gut, wenn du darum bittest, dann sollst du ihn wiederhaben. Ich werde ihm einen Brief schreiben. Er ist inzwischen wieder in Novidunum und sammelt seine sieben Sachen zusammen. Aber ich werde ihm sagen, daß du es warst, der sich für ihn verwendet hat. Deshalb will er vielleicht nicht bleiben. Ich habe solchen Haß schon öfter erlebt. Haß ist ein tödliches Gift, und wenn es sein Objekt nicht töten kann, dann tötet es denjenigen, den es befallen hat. Aber davon weißt du wahrscheinlich nichts, oder?« Er warf mir einen Blick aufrichtiger Zuneigung zu und schrieb den Brief. Ich nahm ihn an mich, bestieg mein Pferd und ritt nach Hause.

Ich galoppierte nicht die ganze Zeit über – das Pferd hätte es gar nicht durchgehalten –, aber ich beeilte mich mehr als auf dem Hinweg nach Tomis, als ich mit Sebastianus zusammen geritten war. Und ich kam gegen Mittag, zwei Tage nach meiner Abreise aus Tomis, in der Festung an. Als ich durch das Lager ritt, riefen mich verschiedene Soldaten freundlich an und winkten mir zu, froh, daß ich wieder da war, froh auch, daß ich noch einmal davongekommen war. Vielleicht war ich ja wirklich ein Zauberer, aber sie hatten lieber mich zum Arzt als Xanthos. Ich winkte zurück, hielt mein Pferd aber erst an, als ich das Hospital erreicht hatte. Arbetio und Edico kamen beide herausgerannt, lachten und beglückwünschten mich. Ich fühlte, daß ich zu Hause war. Im Hospital war nicht viel los: keine Pestfälle – zumindest noch nicht. Ich sah mir ein paar Kranke an, die nach meiner Abwesenheit eingeliefert worden waren, und untersuchte einige von denen, die schon vor meinem Fortritt krank gewesen waren. Nur einer war gestorben. Arbetio und Edico hatten wie gewöhnlich hervorragende Arbeit geleistet, und ich beglückwünschte sie. Sie beglückwünschten mich, weil ich ihnen alles so gut beigebracht hätte, dann zauberte Edico eine Flasche Chianwein hervor. »Ich habe sie gekauft, um deinen Freispruch zu feiern«, erklärte er mir und lächelte.

Wir nahmen die Flasche mit in den Hospitalgarten hinaus und setzten uns neben den Brunnen, um sie dort auszutrinken. Die Sonne schien, und es war warm. Im Garten blühten Fingerkraut, Enzian und meine Mohnblumen, und die Moskitos waren nicht allzu lästig. Ich erzählte den beiden über den Verlauf der Gerichtsverhandlung und sie lachten. »Xanthos ist vor drei Tagen zurückgekommen«, erzählte Arbeto. »Er sagte, du habest den Statthalter verzaubert. Er kam ins Hospital und versuchte, etwas von unseren Heilkräutern zu stehlen. Ich habe ihm gesagt, er solle sich fortscheren oder ich würde es Valerius sagen. Er fluchte schrecklich.«

»Er wurde wegen unbegründeter Anschuldigungen verurteilt«, erzählte ich meinen Kollegen. »Wahrscheinlich braucht er unbedingt Geld. Ich habe Sebastianus gebeten, ihm seinen Posten zurückzugeben.«

»Was?« fragte Edico und starrte mich an.

Ich erklärte es ihm. Aber den beiden schien nicht wohl in ihrer Haut zu sein. »Er ist ein gefährlicher Mann, ehrenwerter Chariton«, meinte Edico. »Mir wäre es lieber, wenn er weit fort wäre. Er ist dein Feind.«

»Ich will keine Feinde haben«, erwiderte ich. »Ich bin bereit, seine Anschuldigungen zu vergessen, wenn er das Vorgefallene ebenfalls vergißt – und er ist bestimmt dazu bereit, wenn er seinen Posten wiedererhält.«

Sie machten immer noch einen etwas unglücklichen Eindruck, erhoben jedoch keinen Widerspruch mehr. Ich trank meinen Wein aus, dann stand ich auf und sagte, ich müsse mein Pferd nach Hause bringen und es versorgen.

Zu Hause waren Sueridus und Raedagunda genauso froh, mich wiederzusehen, wie Arbetio und Edico. Jemand hatte ihnen bereits erzählt, daß ich zurück sei, und sie erwarteten mich auf der Türschwelle. Sueridus nahm das Pferd mit in den Stall und begann es abzureiben.

»Ich habe schon das Wasser vorbereitet, falls du baden möchtest, mein Gebieter«, sagte Raedagunda und lächelte etwas verlegen. »Und ich habe ein paar süße Weinkuchen gebacken und einen Krug Chianwein gekauft, weil wir den Schergen des Gerichts entkommen sind.«

»Gott segne dich«, sagte ich. Ich hatte gar nicht gewußt, wie viele Leute darauf achteten, was ich gerne hatte, so daß sie Chianwein kauften und Bäder für mich zubereiteten. Ich hatte die ganze Zeit über in Tomis kein richtiges Bad genossen – nirgends hatte ich für mich allein sein können. Ich fühlte mich sehr schmutzig vom vielen Reiten. Ich war dankbar und fühlte mich wohl. Endlich war ich wieder ich selbst. In Tomis hatte ich einen Drahtseilakt zwischen Charis und Chariton aufgeführt; jetzt befand ich mich wieder auf festem Grund. Ich lächelte Raedagunda zu und ging ins Haus.

Raedagunda folgte mir, ihr Lächeln schwand. »Dieser niederträchtige Xanthos kam heute morgen her«, erzählte sie.

»Was wollte er denn?«

»Er wollte wissen, wann du zurückkommst.«

Vielleicht hatte er es sich überlegt und wollte mich darum bitten, daß ich bei Sebastianus ein gutes Wort für ihn einlegte. Zuvor mußte er allerdings seinen Stolz hinuntergeschluckt haben. Wenn es so war, dann konnte ich ihm ja einfach den Brief aushändigen und Frieden mit ihm schließen. Die Vorstellung gefiel mir, und ich lächelte.

»Schön, sag mir Bescheid, falls er wiederkommt. Ich will gerne mit ihm sprechen.« Ich legte den Brief auf den Küchentisch und ging in das Badehaus. Es bestand nur aus einem ziemlich kleinen Raum, aber dort war ich wenigstens ungestört. Raedagunda hatte bereits das Badewasser in ein Becken hinter dem Küchenofen gefüllt, wo es warm werden konnte. Das Becken war gegen die Wand zwischen Badehaus und Küche gesetzt, so daß man das heiße Wasser aus ihm in das Badehaus lassen konnte. Raedagunda füllte immer eine Amphore mit kaltem Wasser aus dem Brunnen und stellte sie ins Bad, so daß ich mir das Wasser selbst mischen konnte. Der Raum hatte zwei Türen: die Eingangstür von der Küche aus und eine Hintertür, die Raedagunda meistens dafür benutzte, das schmutzige Wasser in den Garten zu leeren; ich verschloß alle beide. Dann gab es noch einen Hocker, ein Regal für das Badeöl und die Bürste sowie ein paar leere Amphoren, die in der Ecke standen. Ich war ein bißchen verwundert, daß heute mein Handtuch über diese Amphoren gebreitet war: Raedagunda hängte es sonst an die gegenüberliegende Wand, damit es dort warm werden konnte. Aber es war ein heißer Tag. Ich ließ also ein wenig heißes Wasser in die Badewanne. Auf der anderen Seite der Wand hörte ich Raedagunda, wie sie die Küche verließ, um Wasser aus dem Brunnen zu holen. Ich schnürte meine Reitstiefel auf, streifte sie ab, warf meinen Umhang über die zweite Amphore, löste meinen Gürtel, zog die nach Pferd riechenden Hosen aus und griff dann unter die Tunika, um das Korsett zu lösen. Ich überprüfte das Badewasser und fügte noch etwas kaltes hinzu. Dann zog ich die Tunika über den Kopf.

Ich war gerade dabei, in die Badewanne zu steigen, als ich hinter mir ein Geräusch hörte, einen Ausruf des Erstaunens. Ich wirbelte herum und sah Xanthos hinter der Amphore stehen. Er hatte das Handtuch, das ihn verborgen hatte, in seiner einen Hand. In der anderen Hand hielt er ein langes Messer.

O Gott, dachte ich. Einen Augenblick lang war ich vor Schreck völlig gelähmt. Dann machte ich einen Schritt zurück bis an den Rand der Badewanne, ergriff meine Tunika und hielt sie schützend vor mich. Ich fühlte mich sehr elend.

»Dafür ist es zu spät«, flüsterte Xanthos. Er grinste. Es war ein gemeines, unangenehmes Grinsen. »Ich habe bereits genug mitbekommen. Ich habe noch nie von einem Eunuchen gehört, bei dem sie nicht nur alles weggeschnitten, sondern ein Loch hinterlassen haben. Es ist sehr viel interessanter, dich anzusehen, als ich gedacht hätte – Chariton.«

»Wie bist du hier reingekommen?« flüsterte ich. Ich mußte flüstern, denn ich hatte Angst davor, die Sklaven zu alarmieren.

»Durch die Hintertür. Deine Sklavin ließ sie offen, als sie dir das Bad bereitete. Ich wollte warten, bis du im Wasser bist und dich dann töten. Ich glaube nicht, daß ich das jetzt tun werde. Es wäre schade darum.«

»Raus mit dir«, sagte ich ein wenig lauter. Sueridus war im Stall, Raedagunda war zum Brunnen gegangen: Sie würden nur eine Stimme hören. »Ich habe Sebastianus bereits darum gebeten, dir deinen Posten wiederzugeben, und er hat eingewilligt. Ich bezahle dir, was du willst, wenn du diese Sache geheimhältst. Du weißt, daß ich von den Goten Geld bekommen habe. Du kannst alles haben, wenn du nichts verrätst.«

»O ja, du wirst bezahlen«, sagte Xanthos und grinste immer noch. »Wer bist du wirklich? Eine der Geliebten des Heerführers?«

»Nein. Er weiß nichts davon. Niemand weiß es. Niemand soll es wissen.«

»Es würde das Ende deiner Laufbahn als Festungsarzt sein, oder? Man würde dich mit Schande bedeckt zu deiner Familie zurückschicken – oder zu deinem Gebieter. Bist du eine entlaufene Sklavin? Aber das spielt keine Rolle. Nimm diese Tunika da weg. Ich will dich ansehen.« Er stieß eine der Amphoren mit seinem Knie zur Seite und kam hinter ihr hervor. Dann stand er vor mir und starrte mich an. Ich stand da und preßte die Tunika an meine Brüste, unfähig, mich zu rühren. Er stieß die Tunika mit der Spitze des Messers zur Seite und besah sich meine Schenkel, dann ging er langsam höher mit seinem Messer, hob dabei auch die Tunika immer höher, bis die Messerspitze an meiner Kehle zur Ruhe kam. Ich fing an zu zittern. Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg. »Du bist sogar sehr hübsch«, sagte er. »Ein bißchen mager, aber die Figur ist in Ordnung. Ich hätte merken müssen, daß du zu hübsch für einen Eunuchen bist. Schöne große Augen.« Er schnaubte verächtlich. »Du wirst mir alles zahlen, was du von den Goten bekommst.« Bei diesen Worten wurde seine Stimme hart. »Du wirst mir meinen Posten zurückgeben. Und du wirst mit mir schlafen.«

»Nein.«

»Doch. Was würdest du tun, wenn ich dich jetzt gleich an Ort und Stelle nehmen würde? Schreien? Dann wissen es alle. Selbst wenn ich dich nicht töte: Sie werden dich in diesem Zustand finden, und das ganze Lager wird wissen, daß du eine Frau bist. Das wäre dein Ende, nicht wahr?« Er lachte. »Bei den Göttern, das hätte ich mir niemals träumen lassen. Die beste Möglichkeit, mit dir abzurechnen!« Er schob seine Hand zwischen meine Oberschenkel.

Vielleicht hätte ich ihm gut zureden sollen. Vielleicht hätte ich ihm sagen sollen, daß ich von vornehmer Geburt sei und er fürchterlich würde büßen müssen, falls man die Vergewaltigung entdeckte: Jemand, der einer Frau aus vornehmem Hause mit Gewalt ihre Keuschheit nahm, wurde für gewöhnlich bei lebendigem Leibe verbrannt. Vielleicht hätte ich ihm sagen sollen, daß ich die Schwester des Statthalters war und daß er sich ausmalen könne, was einem Mann passierte, der die Schwester des Statthalters vergewaltigte. Aber ich war in jenem Augenblick gar nicht mehr sicher, ob ich ihm überhaupt gut zureden oder ob ich ihn ganz einfach tot sehen wollte. Ich konnte es nicht ertragen, daß er mich anfaßte. Als Xanthos sich bewegte, tat ich es ebenfalls. Ich warf ihm meine Tunika über den Kopf, so daß das Messer sich in den Falten des Stoffes verfing; dann stellte ich ihm ein Bein und stieß ihm meine Faust ins Gesicht. Die Verzweiflung machte mich stark, und vor lauter Schadenfreude und Begierde war er unachtsam geworden: Er fiel hintenüber und krachte mit einem dumpfen Aufprall auf den Fußboden. Ich versetzte ihm einen Fußtritt in die Leisten, dann riß ich die Tunika von ihm weg und zog das Messer, das zwischen den Falten steckte, heraus. Er kam mühsam auf die Knie und stöhnte vor Schmerzen – obwohl der Tritt mit dem nackten Fuß ihn nicht wirklich hatte verletzen können. Er sah mit dem mir so vertrauten haßerfüllten Blick aus seinen Basiliskenaugen zu mir auf und fing an, sich aufzurappeln. Ich sprang auf ihn zu und schlug ihn erneut nieder. Dann stieß ich ihm das Messer in die Seite, genau unter die Achsel, erwischte die in den Arm führende Hauptschlagader, drehte das Messer leicht in der Wunde und zog es heraus. Xanthos schrie, und sein Blut bespritzte mich; ich sprang zurück. Er fiel auf sein Gesicht, das Blut schoß heraus, Pulsschlag um Pulsschlag. Dann lief es langsamer. Ich stand da, am ganzen Körper zitternd, völlig nackt, und hielt das Messer krampfhaft in beiden Händen.

Jemand hämmerte gegen die Tür. »Herr!« kam Raedagundas Stimme, dann diejenige von Sueridus, der ebenfalls:

»Herr!« schrie.

»Ja«, antwortete ich ausdruckslos. Sie hörten damit auf, gegen die Tür zu hämmern, und fragten, was passiert sei, ob ich verletzt sei? Ich mußte mich anziehen. Ich ergriff meine Tunika, aber sie war blutdurchtränkt. Das Blut war überall: Ich war von oben bis unten besudelt. Ich stieg in die Badewanne und spülte mich ein wenig ab, dann hüllte ich mich in meinen Umhang. Ich raffte ihn vor meiner Brust zusammen und öffnete die Tür.

Sueridus und Raedagunda stürzten herein. Sie erblickten den Leichnam, und Raedagunda schrie.

»Er hatte sich hier drin versteckt«, sagte ich. »Er wollte mich töten. Er hatte sich hinter den Amphoren versteckt.«

In den Augen des Lagers war ich ein Held. Ich war von der Anklage des Zaubers freigesprochen worden und hatte mich großmütig für meinen Ankläger eingesetzt. Xanthos hatte mich gehaßt; Xanthos war aus Tomis zurückgekehrt und hatte lauthals Drohungen gegen mich ausgestoßen; und das Schlimmste von allem: Xanthos hatte mich nicht offen angegriffen, sondern mir feige im Hinterhalt aufgelauert. Ich hatte ihm tapfer das Messer aus den Händen gewunden und ihn getötet. Selbst Valerius war beeindruckt. Sebastianus, der die Neuigkeit ebenfalls vernommen hatte, schrieb mir einen Brief, in dem er mich beglückwünschte und mich damit neckte, den berühmten Helden Agamemnon ausgestochen zu haben, dem es im Gegensatz zu mir nicht gelungen war, seinem letzten, tödlichen Bad zu entrinnen. Xanthos hatte, darin stimmten alle überein, bekommen, was er verdiente.

Vielleicht hatte er das wirklich. Doch ich wußte, daß ich ebenfalls schuldig war. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn getötet hatte, um mich zu verteidigen oder um mein Geheimnis zu bewahren. Wenn ich wirklich ein Eunuch gewesen wäre, wäre es Xanthos wahrscheinlich gelungen, mich zu töten. Es wäre ein leichtes für ihn gewesen, so lange zu warten, bis ich in der Wanne saß, dann aus dem Versteck hervorzuspringen, mich zu erstechen, die Hintertür zu entriegeln und aus dem Lager zu entkommen. Rache und Flucht. Doch weil ich eine Frau war, hatte er seine Pläne geändert. Rache und Erpressung. Vergewaltigung ist ein guter Ersatz für Mord, weniger endgültig, doch für das Opfer sehr viel demütigender, und die Gier hatte ihn gelockt. Aber ich hätte ihm die Vergewaltigung vielleicht ausreden können. Und wenn ich mich geweigert hätte, mich erpressen zu lassen, wenn ich um Hilfe gerufen hätte, wäre das Ganze glimpflicher verlaufen und hätte nicht in einem Blutbad enden müssen.

Die Erinnerung an den Zwischenfall blieb mir verhaßt. Ich benutzte das Badehaus nie wieder und verbrannte die blutgetränkte Tunika. Valerius hatte Xanthos’ Körper verbrennen und die Asche in die Donau streuen lassen, damit alles, was mit ihm zusammenhing, weit fortgeschwemmt würde – aber ich glaubte, er würde mich immer und ewig verfolgen.

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