36.

»Es war eine Rote dabei«, sagt Berko langsam und ein wenig widerwillig, als hätte er verpasst, wie die Münze in den Ärmel rutschte, obwohl er die Hände des Zauberers genau beobachtet hat.

»Ganz rot?«, fragt der Alte. »Vom Horn bis zum Schwanz?«

»Sie war getarnt«, sagt Berko. »Mit weißer Farbe besprüht. Ich wüsste keinen Grund, warum man das tun sollte, es sei denn, man will sie irgendwie verstecken. Beispielsweise, dass sie, du weißt schon.« Er zuckt. »Ohne Makel ist.«

»Um Himmels willen«, sagt der alte Mann.

»Was sind das für Leute, Onkel Hertz? Du weißt es, oder?«

»Was sind das für Leute?«, sagt Hertz Shemets. »Das sind Jids. Jids mit einem Plan. Ich weiß, das ist eine Tautologie.«

Er scheint sich einfach nicht überwinden zu können, die Zigarre anzuzünden. Er legt sie fort, nimmt sie, legt sie wieder auf den Tisch. Landsman bekommt das Gefühl, als wäge Hertz ein in ihr dunkles Blatt gerolltes Geheimnis ab. Eine Vorgehensweise, einen komplizierten Figurentausch.

»Gut«, sagt er schließlich, »ich habe gelogen. Ich habe noch eine Frage an euch. Meyer, vielleicht kannst du dich an einen alten Jid erinnern. Er kam immer in den Einstein-Schachclub, als du noch ein kleiner Junge warst. Er hat gerne mit dir gealbert, irgendwie konntet ihr es gut miteinander. Er hieß Litvak.«

»Ich habe Alter Litvak vor Kurzem gesehen«, sagt Landsman. »Im Einstein.«

»Ja?«

»Er kann nicht mehr sprechen.«

»Ich weiß, er hatte einen Autounfall, seine Kehle wurde von einem Reifen zerquetscht. Seine Frau kam dabei ums Leben. Passierte draußen auf dem Roosevelt Boulevard, wo die Traubenkirschen stehen. Der einzige Baum, der nicht eingegangen ist, war der, gegen den sie gefahren sind. Die einzige Traubenkirsche im Distrikt Sitka.«

»Ich weiß noch, wie sie diese Bäume gepflanzt haben«, sagt Landsman. »Damals zur Weltausstellung.«

»Werd mir nicht wehmütig«, sagt der Alte. »Ich hab weiß Gott genug mit wehmütigen Juden zu tun, bei mir selbst angefangen. Wehmütige Indianer sieht man nie.«

»Aber nur, weil sie versteckt werden, wenn du kommst«, sagt Berko. »Die Frauen und die wehmütigen Indianer. Hör auf damit und erzähl uns von Litvak.«

»Er hat früher für mich gearbeitet«, sagt Hertz. »Viele Jahre lang.«

Seine Stimme wird flach, und Landsman wundert sich, dass sein Onkel wütend ist. Wie allen Shemets wurde Hertz ein heißblütiges Temperament in die Wiege gelegt, aber es war ihm nicht dienlich bei seiner Arbeit, sodass er es irgendwann abtötete.

»Alter Litvak war ein amerikanischer Spion?«, fragt Landsman.

»Nein, war er nicht. Soweit ich weiß, hat der Mann kein offizielles Gehalt bezogen, da er vor fünfunddreißig Jahren unehrenhaft aus der amerikanischen Armee entlassen wurde.«

»Warum bist du so wütend auf ihn?«, fragt Berko und beobachtet seinen Vater durch die Laternenschlitze seiner Augen.

Hertz erschreckt die Frage, er versucht es aber zu verbergen.

»Ich werde nie wütend«, sagt er. »Nur bei dir, mein Sohn.« Er lächelt. »Er geht also immer noch ins Einstein. Das wusste ich nicht. Er war früher eher ein Kartenspieler als ein Patzer. Er war besser in den Spielen, wo man bluffen muss. Täuschen. Tarnen.«

Landsman erinnert sich an die beiden gut aussehenden jungen Männer, die Litvak als seine Neffen vorstellte. Einer davon war im Wald von Peril Strait, das fällt ihm jetzt ein, er fuhr den Ford Caudillo, auf dessen Rücksitz der schattenhafte Mann saß. Der Schatten eines Mannes, der nicht wollte, dass Landsman sein Gesicht sah.

»Er war da«, sagt Landsman zu Berko. »In Peril Strait. Er war der geheimnisvolle Mann im Auto.«

»Was hat Litvak für dich getan?«, fragt Berko. »Die ganzen Jahre lang?«

Hertz zögert, sein Blick irrt zwischen Berko und Landsman hin und her.

»Dies und das. Alles völlig inoffiziell. Er besaß verschiedene nützliche Talente. Alter Litvak ist vielleicht der begabteste Mann, den ich kenne. Er hat ein Gespür für Systeme und Kontrollen. Er ist geduldig und methodisch. Früher war er unglaublich stark. Ein guter Pilot, ein ausgebildeter Mechaniker. Hervorragender Orientierungssinn. Sehr erfolgreich als Lehrer. Als Ausbilder. Scheiße.«

Mit milder Verwunderung blickt er auf die gebrochenen Zigarrenhälften in seinen Händen. Er lässt sie auf den Teller mit dem Soßenrest fallen und breitet eine Serviette über den Beweis seiner Gefühle.

»Der Jid hat mich verraten«, sagt er. »An diesen Journalisten. Jahrelang hat er Beweise gegen mich gesammelt, dann hat er alles an Brennan weitergegeben.«

»Warum hat er das getan?«, sagt Berko. »Wenn er doch dein Jid war?«

»Ich kann deine Frage wirklich nicht beantworten, mein Kind.« Der Alte schüttelt den Kopf, er hasst Rätsel, und vor diesem wird er bis ans Ende seines Lebens stehen. »Geld, obwohl ich nicht gewusst hätte, dass ihm daran etwas liegen könnte. Frömmigkeit ganz bestimmt nicht. Litvak glaubt an nichts. Er hat keine Überzeugungen. Keine Bindungen, außer zu den Männern, die ihm dienen. Er hat gesehen, was passierte, als seine Leute in Washington an die Macht kamen. Er wusste, dass ich abgeschrieben war, ehe ich es selbst merkte. Ich schätze, er fand einfach, die Zeit wäre reif. Vielleicht hatte er keine Lust mehr, für mich zu arbeiten, wollte meine Stelle selbst haben. Auch nachdem die Amis mich abgeschossen und ihren offiziellen Betrieb eingestellt hatten, brauchten sie jemanden in Sitka. Für ihr Geld konnten sie wirklich keinen besseren als Alter Litvak finden. Vielleicht hatte er einfach keine Lust mehr, im Schach gegen mich zu verlieren. Kann sein, dass er eine Chance sah, mir eins auszuwischen, und sie ergriff. Aber er war nie mein Jid. Der dauerhafte Status hat ihm nie etwas bedeutet. Genauso wenig wie die Sache, für die er jetzt arbeitet, da bin ich mir sicher.«

»Die rote Kuh«, sagt Berko kopfschüttelnd.

»Noch mal zu diesem Plan, entschuldige«, sagt Landsman, »aber erklär’s mir mal langsam. Okay, du hast eine rote Kuh ohne jeden Makel. Und irgendwie schaffst du sie rüber nach Jerusalem.«

»Da schlachtest du sie«, sagt Berko. »Du verbrennst sie und machst eine Paste aus der Asche, und davon tupfst du ein bisschen auf die Priester. Sonst können sie nicht ins Heiligtum gehen, in den Tempel, weil sie unrein wären.« Er schaut seinen Vater fragend an. »Stimmt das so weit?«

»Mehr oder weniger.«

»Gut, aber eine Sache verstehe ich nicht. Steht da nicht, wie heißt sie noch gleich?«, sagt Landsman. »Diese Moschee? Auf dem Hügel, wo früher der Tempel war?«

»Das ist keine Moschee, Meyerle. Das ist ein Schrein«, sagt Hertz. »Qubbat as-Sakhra. Der Felsendom. Die drittheiligste Stätte des Islams. Im siebten Jahrhundert von Abd al-Malik an der Stelle errichtet, wo vorher die beiden Tempel der Juden standen. Die Stelle, wo Abraham Isaak opfern wollte, wo Jakob die Himmelsleiter sah. Der Nabel der Welt. Ja. Wenn man den Tempel wieder aufbauen und die alten Rituale wieder einführen will, um die Ankunft von Messias zu beschleunigen, dann müsste man etwas mit dem Felsendom machen. Er steht im Weg.«

»Bomben«, sagt Berko übertrieben lässig. »Sprengstoff. Gehört das zum Programm von Alter Litvak?«

»Zerstörung«, sagt der alte Mann. Er greift nach seinem Glas, aber es ist weg. »Ja, darin ist der Jid Experte.«

Landsman schiebt sich vom Tisch zurück und steht auf. Er holt seinen Hut vom Türhaken.

»Wir müssen zurück«, sagt er. »Wir müssen mit jemandem reden. Wir müssen es Bina sagen.«

Er klappt sein Handy auf, aber so weit weg von Sitka hat er keinen Empfang. Er geht zum Telefon an der Wand, aber Binas Handy leitet ihn sofort weiter an ihre Mailbox.

»Du musst Alter Litvak finden«, teilt er ihr mit. »Such ihn, halt ihn fest und lass ihn nicht mehr gehen.«

Als er sich wieder dem Tisch zuwendet, sitzen Vater und Sohn immer noch da. Ohne ein Wort zu sagen, stellt Berko Hertz Shemets eine wichtige Frage. Berko hat die Hände wie ein braves Kind im Schoß gefaltet, aber er ist kein braves Kind, und wenn er die Hände ineinander verschränkt, dann nur, um sie davor zu bewahren, Unheil oder Schaden anzurichten. Nach einem Zeitraum, der Landsman sehr lang erscheint, senkt Onkel Hertz den Blick.

»Das Gebetshaus in St. Cyril«, sagt Berko. »Die Krawalle.«

»Die Krawalle von St. Cyril«, stimmt Hertz Shemets zu.

»Verdammt nochmal.«

»Berko —«

»Verdammt nochmal! Die Indianer haben immer behauptet, die Juden hätten das Haus in die Luft gejagt.«

»Du musst verstehen, unter welchem Druck wir standen«, sagt Hertz. »Damals.«

»Oh, das tue ich«, sagt Berko. »Glaub mir. Das Gleichgewicht halten. Der schmale Grat.«

»Diese Juden, diese Fanatiker, die in die umstrittenen Gegenden ziehen. Sie gefährden den Status des gesamten Distrikts. Sie verstärken die schlimmsten Ängste der Amerikaner über das, was hier los wäre, wenn sie uns den dauerhaften Status gewähren würden.«

»Aha«, sagt Berko. »Gut. Okay. Und was ist mit Mom? Hat die auch den Distrikt gefährdet?«

Da spricht Onkel Hertz, vielmehr entweicht die Luft seiner Lunge durch die Toröffnung seiner Zähne so, dass es der menschlichen Sprache ähnelt. Er schaut auf seinen Schoß und gibt wieder diesen Laut von sich, und Landsman erkennt, dass er sich entschuldigt. Eine Sprache spricht, in der er nie unterrichtet wurde.

»Weißt du was? Ich glaube, ich habe es immer gewusst«, sagt Berko und steht auf. Er nimmt seinen Hut und Mantel vom Haken. »Weil ich dich noch nie leiden konnte. Von der ersten Minute an nicht, du Schwein. Komm!«

Landsman folgt seinem Kollegen nach draußen. Als er die Tür passiert, muss er zur Seite treten, weil Berko nochmals hineinwill. Berko wirft Hut und Mantel beiseite. Dann schlägt er sich auf den Kopf, zweimal, mit beiden Händen gleichzeitig. Er zerdrückt eine unsichtbare Kugel von der ungefähren Größe des väterlichen Schädels zwischen den ausgestreckten Fingern seiner Hand.

»Mein ganzes Leben lang habe ich’s versucht«, sagt er schließlich. »Ich meine, guck mich doch an, Mann!« Er reißt sich die Jarmulke vom Hinterkopf und hält sie hoch, betrachtet sie mit plötzlichem Entsetzen, als sei es sein eigener Skalp. Dann wirft er sie dem alten Mann zu. Sie trifft Hertz an der Nase und fällt zu der Serviette, der zerbrochenen Zigarre, der Elchsoße auf den Teller. »Guck dir diese Scheiße an!« Berko zerrt an seinem Hemd und reißt es auf. Es regnet Knöpfe. Er entblößt die reizlose weiße Stoffbahn seines gefransten Vier-Ecken wie die dürftigste Splitterschutzweste der Welt, sein heiliges weißes Teflon, verziert mit einem seewesenblauen Streifen. »Ich hasse dieses Scheißteil.« Das Vier-Ecken wandert über seinen Kopf, er zuckt und schüttelt es ab, bis er in einem weißen Baumwollshirt dasteht. »Jeden verfluchten Tag meines Lebens bin ich morgens aufgestanden und hab dieses Scheißteil angezogen und so getan, als wäre ich was, das ich gar nicht bin. Und nie sein werde. Für dich.«

»Ich habe dich nie gebeten, diese Religion auszuüben«, sagt der alte Mann, ohne aufzusehen. »Ich glaube nicht, dass ich je irgendwelchen —«

»Das hat nichts mit Religion zu tun«, sagt Berko. »Es hat nur was mit, verdammt nochmal, mit Vätern zu tun.«

Natürlich hängt es von der Mutter ab, ob man Jude ist oder nicht. Auch Berko weiß das. Er weiß es seit dem Tag, da er nach Sitka zog. Er sieht es jedes Mal, wenn er in den Spiegel schaut.

»Das ist alles Quatsch«, fährt der alte Mann murmelnd fort, halb zu sich selbst. »Eine Religion der Sklaven. Sich selbst fesseln. Knechtschaftskleidung. Ich hab den Quatsch mein Lebtag nicht angezogen.«

»Nein?«, sagt Berko.

Wie schnell und imposant Berko Shemets von der Tür zum Esstisch springt, überrascht Landsman. Bevor er kapiert, was vor sich geht, zieht Berko dem alten Mann die rituelle Unterwäsche über den Kopf. Er klemmt sich dessen Kopf unter den Arm und windet mit der anderen Hand die geknoteten Fransen um den Schädel, bildet die Gesichtskonturen des Alten in feinen Wollfäden nach. Es ist, als würde er eine Statue für den Transport verpacken. Der alte Mann tritt um sich, krallt sich mit den Fingernägeln in der Luft fest.

»Du hast nie eins getragen, was?«, sagt Berko. »Du hast nie so ’n Scheißteil angehabt! Versuch’s mal mit dem! Versuche mal mit meinem, du Wichser!«

»Hör auf!« Landsman eilt dem Mann zu Hilfe, dessen Sucht nach Täuschungs- und Angriffsattacken vielleicht nicht absehbarerweise, doch unmittelbar zum Tod von Laurie Joe Bear führte. »Komm, Berko. Hör auf.« Er greift nach Berkos Ellenbogen und zieht ihn weg, und als er zwischen den beiden steht, schiebt er den großen Mann Richtung Tür.

»Gut.« Berko hebt die Hände und lässt sich von Landsman einen knappen Meter in Richtung Tür schubsen. »Gut, ich bin fertig. Lass mich los, Meyer.«

Landsman entspannt sich, lässt den Kollegen los. Berko stopft sein T-Shirt in die Hose und will sein Hemd zuknöpfen, doch alle Knöpfe sind fort. Er lässt es offen, glättet sein schwarzes Haardach mit seiner breiten Hand, bückt sich, um seinen Hut und Mantel vom Boden aufzuheben, und geht nach draußen. Mit dem Nebel rollt die Nacht in das Stelzenhaus über dem Wasser.

Landsman dreht sich zu dem alten Mann um, der einfach dort sitzt, den Kopf in das Vier-Ecken gewickelt, wie eine Geisel, die nicht die Gesichter ihrer Entführer sehen darf.

»Brauchst du Hilfe, Onkel Hertz?«, fragt Landsman.

»Geht schon«, sagt der alte Mann mit schwacher Stimme, gedämpft durch den Stoff. »Danke.«

»Willst du da einfach so sitzen bleiben?«

Der alte Mann antwortet nicht. Landsman setzt sich den Hut auf und geht nach draußen.

Als sie gerade ins Auto steigen wollen, hören sie den Schuss, ein Donnern, das in der Dunkelheit die Berge kartographiert, sie mit dem zurückgeworfenen Echo erhellt. Dann ist es leise.

»Scheiße«, sagt Berko. Er ist wieder im Haus, noch bevor Landsman die Treppe erreicht hat. Als Landsman hineinläuft, hockt Berko neben seinem Vater, der eine sonderbare Pose vor dem Bett eingenommen hat, die Haltung eines Hürdenläufers, ein Bein an die Brust gezogen, das andere weit nach hinten gestreckt. In seiner Rechten hält er locker einen schwarzen stupsnasigen Revolver, in der linken die rituellen Fransen. Berko dreht seinen Vater auf den Rücken und fühlt am Hals nach dessen Puls. Rechts auf der Stirn des alten Mannes, direkt über dem Augenwinkel, ist ein glitschiger roter Fleck. Mit Blut verklebtes, versengtes Haar. Ein schlechter Schuss, wie es aussieht.

»Oh, Scheiße«, sagt Berko. »Oh, Scheiße, alter Mann. Du hast es verbockt.«

»Er hat es verbockt«, stimmt Landsman ihm zu.

»Alter!«, ruft Berko, und dann senkt er seine Stimme zu einem gutturalen Raspeln und singt etwas, ein Wort oder zwei in einer Sprache, die er längst vergessen hat.

Sie stillen die Blutung und verbinden die Wunde. Landsman sieht sich nach dem Projektil um und findet das Wurmloch, das es in die Sperrholzwand gestanzt hat.

»Wo hat er die denn her?«, fragt Landsman und hebt die Waffe auf. Es ist ein einfaches Exemplar, an den Kanten abgenutzt, ein altes Teil. »Die ‚38 Detective Special?«

»Keine Ahnung. Er hat viele Waffen. Er mag Waffen. Das ist so ungefähr das Einzige, was wir gemein haben.«

»Ich glaube, das könnte der Revolver sein, den Melekh Gaystik im Café Einstein benutzte.«

»Würde mich nicht im Geringsten wundern«, sagt Berko. Er schultert die Last seines Vaters, und sie tragen ihn hinunter zum Auto und legen ihn auf einen Berg von Handtüchern auf den Rücksitz. Landsman stellt die unsichtbare Sirene an, die er in fünf Jahren vielleicht zweimal benutzt hat. Dann fahren sie zurück über den Berg.

In Nayeshtot gibt es ein Notfallversorgungszentrum, aber da sind viele gestorben, deshalb beschließen sie, den Alten ins Allgemeine Krankenhaus von Sitka zu bringen. Auf dem Weg ruft Berko seine Frau an. Er erklärt ihr, nicht besonders verständlich, dass sein Vater und ein Mann namens Alter Litvak indirekt verantwortlich seien für den Tod seiner Mutter bei den schlimmsten indianisch-jüdischen Krawallen in den sechzig Jahren Distriktgeschichte und dass sein Vater sich in den Kopf geschossen habe. Er erzählt ihr, dass sie den alten Herrn jetzt schnell in die Notaufnahme bringen würden, weil er verdammt nochmal Polizist sei und zu arbeiten habe, und weil der alte Herr von ihm aus ruhig verrecken könne. Ester-Malke scheint diesen Plan so hinzunehmen, wie er ihr vorgetragen wird. Berko legt auf. Zehn oder fünfzehn Minuten verschwinden sie in einem Bereich ohne Funkabdeckung, und als sie ihn verlassen, ohne etwas gesagt zu haben, sind sie fast an der Stadtgrenze, und Berkos Shoyfer klingelt.

»Nein«, sagt Berko, und dann, noch wütender: »Nein.« Etwas weniger als eine Minute lang lauscht er der Argumentation seiner Frau. Landsman hat keine Ahnung, was sie zu ihm sagt, ob sie ihm aus dem Lehrbuch professionellen Verhaltens, der Fibel des Anstands und der Vergebung predigt oder aus dem Buch der Pflichten eines Sohnes gegenüber seinem Vater, die alles andere übersteigen und hinter sich lassen. Schließlich schüttelt Berko einfach nur den Kopf. Er schaut auf den alten Juden, der ausgestreckt auf dem Rücksitz liegt. »Na gut.«

Dann klappt er das Telefon zu.

»Du kannst mich am Krankenhaus absetzen«, sagt er in besiegtem Tonfall. »Ruf mich bloß an, wenn du dieses Arschloch von Litvak findest.«

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