42.

Als Landsman aus dem Ickes Building tritt und den Hut auf seinen geleerten Kopf setzt, stellt er fest, dass die Welt in eine Nebelbank gesegelt ist. Die Nacht ist kalt und klebrig, sie kondensiert auf seiner Brille und bildet Perlen an seinen Mantelärmeln. Korczak Platz ist eine Schüssel hellen Dunstes, hier und dort mit dem Abdruck von Natriumlampen verschmiert. Halbblind und durchgefroren bis auf die Knochen trottet Landsman die Monastir Street entlang bis zur Berlevi Street und dann hinüber zur Max Nordau Street. Er hat eine Zerrung im Rücken, ein Stechen im Kopf und einen scharf pochenden Schmerz in seiner Würde. Der bis vor Kurzem von seinem Hirn ausgefüllte Raum zischt wie Nebel in seinen Ohren, summt wie eine Neonröhre. Landsman hat das Gefühl, seine Seele habe Tinnitus.

Als er sich in die Lobby des Zamenhof schleppt, reicht ihm Tenenboym zwei Briefe. Der eine ist vom Ausschuss und teilt ihm mit, dass die Anhörung bezüglich seines Verhaltens in den Todesfällen Zilberblat und Flederman auf neun Uhr am nächsten Morgen angesetzt ist. Der andere Brief ist eine Mitteilung der neuen Hotelbesitzer. Eine Ms. Robin Navin von der Hotelgruppe Joyce/Generali unterrichtet Landsman davon, dass in den kommenden Monaten aufregende Veränderungen für das Zamenhof ins Haus stünden und es ab dem 1. Januar unter dem Namen »Luxington Parc Sitka« firmieren würde. Teilweise geht die Aufgeregtheit auf die Tatsache zurück, dass Landsmans monatlicher Mietvertrag am 1. Dezember ausläuft. Alle Fächer hinter der Rezeption enthalten lange weiße Umschläge, jeder mit dem gleichen tödlichen Schrägbalken auf schweres Bütten genutet. Nur nicht das Fach mit der Nummer 208. Da liegt nichts drin.

»Haben Sie gehört, was passiert ist?«, sagt Tenenboym, als Landsman von seinem brieflichen Ausflug in die helle nichtjüdische Zukunft des Hotel Zamenhof in die Gegenwart zurückkehrt.

»Ich hab’s im Fernsehen gesehen«, sagt Landsman, obwohl ihm die Erinnerung daran jetzt diesig und aus zweiter Hand vorkommt, ein Konstrukt, das seine Vernehmer durch hartnäckiges Fragen in ihn gepflanzt haben.

»Zuerst meinte man, es wäre ein Versehen«, sagt Tenenboym mit einem zappelnden goldenen Zahnstocher im Mundwinkel. »Araber hätten in einem Tunnel unter dem Tempelberg heimlich Bomben gebaut. Dann meinte man, es wäre Absicht. Dass die einen gegen die anderen kämpfen.«

»Sunniten gegen Schiiten?«

»Kann sein. Ein Raketenwerfer wäre außer Kontrolle geraten.«

»Syrer und Ägypter?«

»Wer auch immer. Der Präsident hat im Fernsehen gesprochen, er meinte, vielleicht müssten sie da rein. Wäre für alle eine Heilige Stadt.«

»Das hat nicht lange gedauert«, sagt Landsman.

Seine einzige weitere Post ist eine Karte, die bei lebenslanger Mitgliedschaft in einem Fitnessclub einen hohen Rabatt in Aussicht stellt. Nach seiner Scheidung hat Landsman dort einige Monate lang trainiert. Damals wurde vorgeschlagen, dass Sport seine Laune heben könne. Es war ein guter Vorschlag. Landsman kann sich nicht mehr erinnern, ob er sich bewahrheitete oder nicht. Die Karte zeigt links einen dicken Juden und rechts einen dünnen. Der linke Jude wirkt abgespannt, schlaflos, skierotisch, ungepflegt, hat Wangen wie zwei Löffel saurer Sahne und zwei stechende, böse kleine Augen. Der Jude rechts ist schlank, gebräunt, locker, selbstsicher und trägt einen gestutzten Bart. Eigentlich sieht er aus wie einer von Litvaks jungen Männern. Der Jude der Zukunft, denkt Landsman. Die Postkarte stellt die unwahrscheinliche Behauptung auf, dass der Jude links und sein Pendant rechts ein und dieselbe Person seien.

»Haben Sie die Leute draußen gesehen?«, fragt Tenenboym, und der goldene Zahnstocher klickt gegen einen Prämolar. »Im Fernsehen?«

Landsman schüttelt den Kopf. »Haben sie getanzt?«

»Und wie. Sind in Ohnmacht gefallen. Haben geweint. Ein Massenorgasmus.«

»Nicht auf leeren Magen, Tenenboym, ich bitte Sie.«

»Haben die Araber gesegnet, weil sie gegeneinander kämpfen. Haben das Gedenken an Mohammed gesegnet.«

»Ganz schön grausam.«

»Einer von diesen Schwarzhüten hat gesagt, jetzt würde er ins Land Israel ziehen und sich einen guten Platz sichern für die Zeit, wenn Messias auftaucht.« Tenenboym nimmt den Zahnstocher aus dem Mund und untersucht die Spitze nach einer Spur von Bodenschätzen, dann führt er ihn enttäuscht wieder ein. »Wenn Sie mich fragen, kann man diese ganzen Spinner in ein großes Flugzeug stecken und rüberschicken, ein schwarzes Jahr auf sie.«

»Das sagen Sie, Tenenboym?«

»Ich setze mich sogar selbst ans Steuer.«

Landsman stopft den Brief der Joyce/Generali-Gruppe zurück in den Umschlag und schiebt ihn Tenenboym über die Theke zu.

»Werfen Sie den für mich weg, Tenenboym, ja?«

»Sie haben noch dreißig Tage, Detective«, sagt Tenenboym. »Sie finden schon was.«

»Darauf können Sie sich verlassen«, sagt Landsman. »Wir werden alle was finden.«

»Es sei denn, es findet uns zuerst, stimmt’s?«

»Was ist mit Ihnen, Tenenboym? Dürfen Sie Ihre Stelle behalten?«

»Mein Status wird noch geprüft.«

»Klingt hoffnungsvoll.«

»Oder hoffnungslos.«

»Das eine oder das andere.«

Mit dem Elevatoro fährt Landsman in den fünften Stock. Er geht den Korridor entlang, den Mantel an einem gekrümmten Finger über die Schulter geworfen, und löst mit der anderen Hand seine Krawatte. Die Tür zu seinem Zimmer summt ihr schlichtes Gedicht: fünf null fünf. Es bedeutet nichts. Lichter im Nebel. Drei arabische Ziffern. Eigentlich in Indien erfunden, wie auch das Schachspiel, aber erst durch die Araber verbreitet. Sunniten, Schiiten. Syrer, Ägypter. Landsman fragt sich, wie lange es dauert, bis die verschiedenen kämpfenden Splittergruppen in Palästina merken, dass keine von ihnen für das Attentat verantwortlich ist. Ein, zwei Tage, vielleicht eine Woche. Gerade lange genug, um eine verhängnisvolle Verwirrung auszulösen, sodass Litvak seine Jungs an Ort und Stelle befördern und Cashdollar Unterstützung aus der Luft schicken kann. Und ehe man sich versieht, ist Tenenboym Nachtportier des Luxington Parc, Jerusalem.

Landsman legt sich aufs Bett und holt das Reiseschachbrett hervor. Bei der Verfolgung des Mörders von Mendel Shpilman und Naomi Landsman hüpft seine Aufmerksamkeit von einem Quadrat zum anderen, huscht an den Feldlinien entlang. Zu seiner Überraschung und seiner Erleichterung stellt er fest, dass er schon weiß, wer der Mörder ist, es ist der aus der Schweiz stammende Physiker, Nobelpreisträger und mittelmäßige Schachspieler Albert Einstein. Einstein mit seinem Haarwust, seiner riesigen Strickweste und den Augen, die wie Tunnel tief in die Dunkelheit der Zeit reichen. Landsman verfolgt Albert Einstein über das milchweiße, kalkweiße Eis, hüpft von einem überschatteten Quadrat zum nächsten, springt über relativistische Schachbretter von Schuld und Sühne, über das imaginäre Land der Pinguine und Eskimos, das die Juden nie so recht für sich beanspruchen konnten.

Sein Traum macht einen Rösselsprung, und mit dem ihr eigenen Eifer legt ihm seine kleine Schwester Naomi Einsteins berühmten Beweis für die ewige Wiederkehr des Juden dar, der nur in Form des ewigen Exils der Juden zu erbringen sei, ein Beweis, den der große Mann aus der Beobachtung der flatternden Tragfläche eines Flugzeugs und eines abtreibenden dunklen Rauchpilzes ableitete, der aus dem Hang eines eisigen Berges aufstieg. Landsmans Traum kalbt und bringt weitere langsame Eisbergträume hervor, und das Eis sirrt fluoreszierend. Irgendwann wird das Summen, das Landsman und sein Volk seit Anbeginn der Zeit peinigt und das manche in ihrer Dummheit für die Stimme Gottes halten, im Fenster von Zimmer 505 gefangen wie Sonnenlicht im Herzen eines Eisbergs.

Landsman schlägt die Augen auf. In den Spalten des Rollos sirrt Tageslicht wie eine gefangene Fliege. Naomi ist wieder tot, und dieser Narr von Einstein hat keine Schuld an dem Verbrechen im Fall Shpilman. Landsman weiß überhaupt nichts. Er fühlt einen Schmerz im Bauch, den er zuerst für Trauer hält, doch dann stellt er fest, dass er Hunger hat. Und zwar auf Krautwickel. Er sieht auf seinem Shoyfer nach der Uhrzeit, aber der Akku ist leer. Als Landsman unten an der Rezeption anruft, teilt ihm der Hotelangestellte mit, dass es neun Minuten nach neun am Donnerstagmorgen ist. Krautwickel! Mittwochs ist immer rumänische Nacht im Vorsht, und Mrs. Kalushiner hat am nächsten Morgen oft noch einen Rest übrig. Die alte Krähe macht die besten Sarmalis in Sitka. Leicht und schwer zugleich, eher scharf-pfeffrig als süß-sauer, besprüht mit frischer saurer Sahne, verziert mit zarten Dillzweiglein.

Landsman rasiert sich und zieht seinen Anzug und die Krawatte vom Türknauf an. Er ist bereit, sein eigenes Körpergewicht in Sarmalis zu verzehren. Aber als er nach unten geht, wirft er einen kurzen Blick auf die Uhr über den Postfächern und merkt, dass er neun Minuten zu spät ist für seine Anhörung vor dem Ausschuss.

Als Landsman wie ein Hund auf glatten Fliesen den Korridor des Verwaltungsmoduls hinunter zum Zimmer 102 rutscht, hat er zweiundzwanzig Minuten Verspätung. Er findet dort nichts außer einem langen furnierten Tisch mit fünf Stühlen, jeder für ein Ausschussmitglied, und seiner Vorgesetzten auf der Tischkante, die ihre verschränkten Knöchel baumeln lässt. Ihre spitzen Pumps zielen direkt auf Landsmans Herz. Die fünf großen Lederstühle mit der hohen Rückenlehne sind leer.

Bina sieht aus wie die Hölle, nur noch heißer. Ihr möwenbraunes Kostüm ist zerknittert und falsch geknöpft. Ihr Haar scheint mit einem Plastikstrohhalm zurückgebunden zu sein. Ihre Strumpfhose ist längst fort, ihre Beine sind nackt und mit blassen Sommersprossen besprenkelt. Mit sonderbarer Freude ruft sich Landsman in Erinnerung, dass sie Feinstrümpfe mit Laufmasche immer in den Müll warf, sie zu einem wütenden Pompon knüllte, bevor sie im Eimer landeten.

»Hör auf, mir auf die Beine zu gaffen!«, sagt sie. »Lass das, Meyer. Sieh mir ins Gesicht!«

Landsman gehorcht und schaut direkt in die Bohrlöcher ihres doppelläufigen Blicks.

»Ich habe verschlafen«, sagt er. »Tut mir leid. Die haben mich vierundzwanzig Stunden festgehalten, und als —«

»Mich einunddreißig Stunden«, sagt sie. »Ich bin gerade rausgekommen.«

»Also scheiß erst mal auf mich und mein Gejammer.«

»Erst mal.«

»Wie war’s bei dir?«

»Die waren so nett«, sagt Bina verbittert. »Ich bin total zusammengeklappt. Hab denen alles erzählt.«

»Ich auch.«

»Nun«, sagt sie und weist mit erhobenen Handflächen auf den Raum um sich herum, als hätte sie gerade etwas verschwinden lassen. Ihr lustiger Tonfall ist kein gutes Zeichen. »Rate mal!«

»Ich bin tot«, versucht es Landsman. »Der Ausschuss hat mich mit Ätzkalk bestreut und untergepflügt.«

»Es sieht folgendermaßen aus«, sagt sie. »Eben gerade, um acht Uhr neunundfünfzig, bekam ich hier in diesem Raum einen Anruf auf dem Handy. Nachdem ich mich zuvor bei der Bundespolizei völlig zum Affen gemacht und mir den Hals wundgeschrien hatte, damit die mich freilassen und ich rechtzeitig hier bin, um sicherzustellen, dass ich auf dem Stuhl hinter dir sitze, im Falle des Falles aufstehe und meinen Detective unterstütze.«

»Hm.«

»Die Anhörung wurde abgesagt.«

Bina greift in ihre Tasche, wühlt darin herum und zieht eine Waffe hervor. Landsman fügt sie ein in Binas Arsenal aus Gewehrlauf-Blick und spitzen Schuhen. Eine M-39 mit kurzem Lauf. An einem Faden baumelt ein Etikett. Bina wirft sie im Bogen in Richtung von Landsmans Kopf. Er kann die Waffe fangen, bekommt aber die Dienstmarkenhülle nicht richtig zu fassen, die hinterhergeflogen kommt. Dann folgt ein kleines Tütchen mit Landsmans Anstecken Eine weitere kurze Durchsuchung ihrer Tasche bringt ein tödlich wirkendes Formular mit seinen Henkern, der dreifachen Ausfertigung, hervor. »Wenn Sie weitermachen und sich den Hals mit diesem DPD 2255 brechen, Detective Landsman, sind Sie bei voller Bezahlung und allen Vorzügen wieder aktives Mitglied der Distriktpolizei, Abteilung Sitka Central.«

»Ich bin also wieder im Dienst.«

»Für wie lange, fünf Wochen noch? Jubel …«

Landsman wiegt die Scholem in der Hand wie ein shakespearischer Held den Totenschädel.

»Ich hätte eine Million Dollar verlangen sollen«, sagt er. »Ich wette, die hätte er auch noch aufgetrieben.«

»Er soll verflucht sein«, sagt Bina. »Die sollen alle verflucht sein. Ich hab immer gewusst, dass es sie gibt. Da unten, in Washington. Und da oben, über unseren Köpfen. Die halten die Fäden in der Hand. Geben den Ton vor. Natürlich hab ich das gewusst. Wir alle wussten es. So sind wir schließlich groß geworden, oder? Wir sind hier nur gelitten. Gäste des Hauses. Aber die ganze Zeit wurden wir gar nicht beachtet. Uns selbst überlassen. Es war leicht, sich etwas vorzumachen. Sich einzubilden, eine gewisse Autonomie zu besitzen, in Maßen, nichts Großartiges. Ich dachte, ich würde im Dienst der Allgemeinheit stehen. Verstehst du? Der Gemeinschaft dienen. Das Gesetz hochhalten. Aber in Wirklichkeit habe ich nur für Cashdollar gearbeitet.«

»Du meinst, ich hätte entlassen werden sollen, oder?«

»Nein, Meyer.«

»Ich weiß, dass ich immer ein bisschen übertreibe. Auf meinen Bauch höre. Unberechenbar und so weiter.«

»Meyer, glaubst du wirklich, dass ich sauer bin, weil du deinen Ausweis und die Pistole zurückbekommen hast?«

»Ähm, deswegen nicht unbedingt, nein. Aber weil die Anhörung abgesagt wurde. Ich weiß, wie wichtig es dir ist, dass alles nach Vorschrift läuft.«

»Ja, es ist mir wichtig, dass alles nach Vorschrift läuft«, sagt sie mit belegter Stimme. »Ich glaube an das, was geschrieben steht.«

»Ich weiß.«

»Wenn du und ich etwas mehr auf die Vorschriften geachtet hätten«, sagt sie, und etwas Gefährliches scheint sich zwischen ihnen zu erheben. »Du und dein Bauchgefühl, ein schwarzes Jahr auf euch beide.«

Da will er sie ihr mitteilen, die Geschichte, die er sich seit nunmehr drei Jahren erzählt. Wie er, nachdem Django aus ihrem Leib geschält wurde, den Arzt im Gang vor dem OP anhielt. Bina hatte Landsman angewiesen, diesen guten Arzt zu fragen, ob es irgendetwas gäbe, einen Zweck, ein Ziel, eine Studie, dem die halb ausgewachsenen Knochen und Organe zugeführt werden könnten.

»Meine Frau wüsste gerne«, hatte Landsman begonnen und dann gezögert.

»Ob es einen sichtbaren Defekt gab?«, fragte der Arzt. »Nein. Nichts. Das Baby sah ganz normal aus.« Zu spät, der Schrecken blühte schon in Landsmans Gesicht, fügte der Arzt hinzu: »Natürlich heißt das nicht, dass alles in Ordnung war.«

»Natürlich nicht«, sagte Landsman.

Er sah den Arzt nie wieder. Das endgültige Schicksal des kleinen Körpers, des Jungen, den Landsman dem Gott seines düsteren Bauchgefühls geopfert hatte, war etwas, das zu ermitteln Landsman weder das Herz noch die Lust hatte.

»Ich habe denselben beschissenen Deal gemacht, Meyer«, sagt Bina, bevor er ihr beichten kann. »Um meine Ruhe zu haben.«

»Damit du Bulle bleiben kannst?«

»Nein. Du.«

»Danke«, sagt Landsman. »Vielen Dank, Bina. Ich bin dir dankbar.«

Sie drückt ihr Gesicht in die Hände und massiert sich die Schläfen.

»Ich bin dir auch dankbar, Meyer«, sagt sie. »Ich bin dir dankbar, dass du mir klargemacht hast, wie kaputt das alles hier ist.«

»Gern geschehen«, sagt er. »Freut mich, dass ich helfen konnte.«

»Dieses Arschloch von Cashdollar. Bei dem bewegt sich kein Haar. Als ob es auf seinem Kopf festgeschweißt wäre.«

»Er meinte, er hätte nichts mit Naomis Tod zu tun«, sagt Landsman. Er hält inne, beißt sich auf die Lippe. »Er meinte, es war der Typ, der vorher auf seinem Posten saß.«

Landsman versucht, den Kopf hochzuhalten, als er das sagt, doch schnell stellt er fest, dass er auf die Nähte seiner Schuhe blickt. Bina bewegt den Arm, zögert und drückt dann seine Schulter. Zwei geschlagene Sekunden lässt sie die Hand auf ihm ruhen, gerade lang genug, um ein oder zwei Kerben in Landsman zu schlitzen.

»Er hat auch jede Beteiligung bei Shpilman abgestritten. Ich habe aber vergessen, ihn nach Litvak zu fragen.« Landsman sieht auf, und Bina nimmt ihre Hand fort. »Hat Cashdollar dir gesagt, wo sie ihn hingebracht haben? Ist er unterwegs nach Jerusalem?«

»Er tat ganz geheimnisvoll, aber ich glaube, er hatte einfach keine Ahnung. Ich habe ihn telefonieren hören, er meinte, sie würden Gerichtsmediziner aus Seattle holen, die das Zimmer im Blackpool untersuchen sollen. Vielleicht sollte ich das aber auch hören. Ich muss allerdings sagen, dass die mir alle ein bisschen ratlos vorkamen, was unseren Freund Alter Litvak angeht. Meyer, die haben offenbar keine Ahnung, wo er ist. Vielleicht hat er das Geld genommen und ist abgehauen. Er könnte längst auf dem Weg nach Madagaskar sein.«

»Möglich«, sagt Landsman, und dann langsamer: »Möglich.«

»Gott, hilf mir, da kommt wieder so ein Bauchgefühl.«

»Bina, du hast gesagt, dass du mir dankbar bist.«

»Auf zweideutige, ironische Art, ja.«

»Hör zu, ich könnte ein wenig Unterstützung gebrauchen. Ich möchte mir noch einmal Litvaks Zimmer ansehen.«

»Wir können nicht ins Blackpool, Meyer. Der ganze Laden ist von der Bundesbehörde abgeriegelt.«

»Ich will ja nicht ins Blackpool, sondern darunter.«

»Darunter?«

»Ich habe gehört, dass da, nun ja, dass es da eventuell Tunnel geben soll.«

»Tunnel.«

»Warschau-Tunnel werden sie angeblich genannt.«

»Ich soll dir die Hand halten«, sagt sie. »In einem tiefen, dunklen, schrecklichen alten Tunnel.«

»Nur im übertragenen Sinn«, sagt er.

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