20

Ashe fing den Geruch von Asche als Erster auf; nun war er stärker und wehte mit dem Wind aus Westen heran. Dorndreher war bewusstlos geworden; seine Haut war grau und vom kalten Schweiß gesprenkelt, und er atmete flach. Sein Leben hing am seidenen Faden, und Ashe wusste, dass noch mindestens zwei Meilen vor ihnen lagen, bis er die Brände erreicht hatte, die die Asche in die Luft entsandten.

Seine Drachensinne tasteten sich voran, als er sich dem Wirtshaus näherte, in dem er Anborn finden würde. Aus einer Entfernung von fünf Meilen in jeder Richtung überschwemmten ihn wahllos alle Arten von Informationen wie eine Meeres welle: die Veränderungen im Herzschlag seines galoppierenden Reittieres, das unterschiedliche Gewicht des Schnees auf den einzelnen immergrünen Zweigen in dem ausgedehnten Wald; der Ruß im Gefieder des Schneezaunkönigs, der über ihnen in einem eisigen Aufwind kreiste. Ashe schluckte und schärfte seine Aufmerksamkeit. Er trieb den Drachen in seinem Blut dazu, sich auf das zu richten, was er suchte.

Er spürte es sofort. Eine kleine Herberge, erbaut aus dem verfaulenden Holz des Waldes, zwischen den Balken dick mit getrocknetem Lehm und Mörtel verschmiert, anderthalb Stockwerke hoch, die durch eine Treppe von zweifelhafter Standfestigkeit verbunden waren. Strohgedecktes Dach, der Boden mit Strohmatten belegt. Die Farbe abgeblättert von dem Schild vor dem Haus, auf dem einst nichts als ein krähender Hahn abgebildet war. Acht Feuerstellen zwei kürzlich entfachte, fünf halb aufgezehrte und eine kurz vor dem Erlöschen erhellten den Pfad vor der Herberge. Ashe wusste genau, wie lange sie schon gebrannt hatten; die Menge geschmolzenen Schnees um sie herum verriet es ihm.

Dorndreher jammerte bewusstlos, als Ashe den Wallach vorantrieb. Vier Reiter näherten sich ihnen, alle aus Nordwest. Er wusste, dass Anborn seine Gegenwart nicht verborgen geblieben war, auch wenn er zweifellos nicht ahnte, dass es Ashe war. Er hatte die Kapuze übergezogen und der Nebelumhang verhüllte ihn noch immer. Er rief, sobald seine Drachensinne ihm sagten, dass Ohren in der Nähe waren; sein Ruf traf mit dem verwehenden Jammern des Windes zusammen.

»Hilfe! Helft mir! Ich habe einen Verwundeten!«

Die Reiter, die die Worte durch das Geheul hörten, wandten sich nach Osten in seine Richtung und ritten so schnell, wie es der schlammige Waldweg erlaubte. Ashe verlangsamte sein Pferd, denn er wollte nicht mehr in Bewegung sein, wenn Anborns Männer auf ihn stießen.

Bis dahin schien es eine Ewigkeit zu dauern. Es war eine Zusammengewürfelte Gruppe von Soldaten, gekleidet in verschiedene Arten von Rüstungen und ohne die Standarte eines königlichen Hauses. Ashe erkannte drei der Männer: Knapp, Garth und Solarrs. Sie waren Anborns Gefährten gewesen, so lange Ashe seinen Onkel kannte. Der Weisheitsring des Patriarchen, den er an der rechten Hand trug, sagte ihm, dass Knapp und Solarrs wie Dorndreher Cymrer der Esten Generation waren. Den vierten Mann kannte er nicht.

»Halt, im Namen von Anborn ap Gwylliam!«, rief er. Die Reiter bremsten ihre Tiere. Jeder trug eine schwere Armbrust, die auf Ashe gerichtet war. »Ich habe Dorndreher! Er ist verwundet!«

Drei der Reiter zügelten ihre Pferde, während Solarrs, Anborns Hauptspäher, vorsichtig Weiterritt. Er senkte die Armbrust, die anderen jedoch wiesen weiterhin auf Ashe.

»Dorndreher?«, rief Solarrs.

»Er stirbt«, brüllte Ashe zurück in den Wind. »Führt mich zu Anborn, wenn euch sein Leben lieb ist.«

»Du solltest für seine Verletzungen nicht verantwortlich sein, falls dir dein Leben lieb ist«, erwiderte Solarrs. Er wandte sich um und gab den anderen ein Zeichen. Knapp und der Mann, den Ashe nicht kannte, warteten, während er und Solarrs vorbeiritten und Garth sich zu ihnen gesellte. Die anderen beiden bildeten die Nachhut, und die Gruppe begab sich mit aller gebotenen Eile zu der Herberge, deren glühende, gelegentlich vom fallenden Schnee gesprenkelte Feuer jetzt auch menschliche Augen in der Ferne erkennen konnten.

Als die fünf Reiter bei der Herberge ankamen, hielt Ashe sein Pferd an und wartete darauf, dass die anderen Dorndreher mitnahmen. Anborns Männer saßen hastig ab; Solarrs und Knapp eilten auf ihn zu, nahmen ihm den sterbenden Cymrer vom Schoß und trugen ihn vorsichtig in das Wirtshaus.

Bei ihrer Ankunft wurde die Tür aufgerissen, und das flackernde Licht eines brausenden Feuers ergoss sich in die verschneite Dunkelheit. Einige weitere Schatten rannten in die kalte Nacht hinaus; jeder schlang einen Arm oder eine Hand unter eines von Dorndrehers Gliedern oder seinen Leib und half ihn zu tragen.

Einen Augenblick später wurde das Licht gelöscht, das aus der Tür fiel, weil sich ein Schatten davorschob. Ashe atmete tief ein.

Anborn.

Der alte Krieger warf einen Blick auf Ashe, dessen Gesicht durch ein Feuer nahe der Tür erhellt wurde. Anborn gab ihm brüsk ein Zeichen, er solle in die Herberge kommen, dann wandte er seine Aufmerksamkeit Dorndreher zu, während die Soldaten den Verwundeten über die Schwelle trugen.

Ashe stieg ab, warf die Zügel über den Rücken des Pferdes und klopfte ihm dankbar auf die Flanke. Kurz sah er hoch in den schwärzer werdenden Himmel. Ein Sturm zog herauf, aber er würde vor Sonnenaufgang vorbei sein. Er atmete tief ein und füllte die Lunge mit frischer Luft. In Nase und Hals brannte es vor Asche. Als der Lärm der Soldaten verebbt war, ging er über den kurzen, in den Schnee getrampelten Pfad zur Herberge.

Der Wirt sah ihn nervös an, als er die Tür hinter sich schloss. Sie waren allein in der Schankstube der Herberge; Anborn und seine Soldaten waren nirgendwo zu sehen. Der Mann deutete besorgt auf die wacklige Treppe, an deren oberem Ende zwei Türen sichtbar waren. Ashe nickte. Er nahm seine besudelten Handschuhe ab und legte sie zum Trocknen über das Feuereisen.

Schließlich räusperte sich der Herbergswirt. »Wollt Ihr ein Bier, Herr?«

Ashe nickte und trat sich am Herdgitter den Schnee von den Stiefeln, während ihn der Dampf seines Nebelumhangs noch umgab. »Vielen Dank.«

Der Wirt eilte hinter die Treppe und kehrte einen Augenblick später mit einem zerbeulten Krug voll dünnem Bier wieder. Ashe nahm den Krug an und kehrte zum Feuer zurück, wo er ihn leerte. Er drehte sich um und wollte ihn dem Wirt zurückgeben, doch dieser war verschwunden.

An seiner Stelle stand der cymrische General, der Marschall von Gwylliams schändlicher Armee. Anborns Gesicht war ausdruckslos; er sah Ashe nicht direkt an. Ashe verneigte sich leicht.

»Marschall.«

»Ich bin keiner mehr.« Anborn verschränkte die Arme. »Was ist Dorndreher zugestoßen?« Er setzte sich auf einen Tisch in der Nähe der Treppe. Einen Moment später kamen drei Männer die wacklige Treppe herunter. Anborn sah sie fragend an, und einer von ihnen nickte. Der Mann ging wieder die Treppe hinauf, während die beiden anderen sich zu Anborn und dem Tisch begaben, auf dem Krüge und eine Kanne warteten.

Im Licht des Kamins beobachtete Ashe seinen Onkel; es war immer bemerkenswert, die Dinge wahrzunehmen, die seinen Drachensinnen entgangen waren oder die sie nicht erkennen konnten.

Anborns Gesicht hatte sich nicht wesentlich verändert, seit Ashe ihn das letzte Mal gesehen hatte; es lag mindestens zwanzig Jahre zurück.

Es war das Gesicht eines Mannes von mittlerem Alter, obwohl sein muskulöser Körper eher zu einem Mann in den späten Jugendjahren gepasst hätte. Haare und Bart, schwarz wie die Nacht, hatten einige Silbersträhnen mehr, als Ashe in Erinnerung geblieben waren. Er trug dasselbe schwarze Kettenhemd wie immer; die dunklen Ringe waren mit Bändern aus gleißendem Silber verflochten. Wundervolle Stahlepauletten hielten für gewöhnlich seinen schweren schwarzen Umhang. Ashe wusste, dass dieser Umhang sich nun oben befand, sorgfältig um Dorndrehers Körper gewickelt, und ihn wärmte. Die azurblauen Augen des Generals glühten wild in einem ansonsten gleichgültigen Gesicht. Er starrte in das Feuer.

»Ich habe ihn sterbend am Rand der Krevensfelder gefunden«, sagte Ashe. Er näherte sich dem Tisch, an dem die Männer saßen, und stellte den leeren Krug ab. »Er ist zusammen mit seinem Gefolge in einen Hinterhalt sorboldischer Soldaten geraten.«

Die Männer sahen auf; seine Worte hatten sie verwirrt. Sie tauschten einen raschen Blick aus, doch Anborn nickte bloß; seine Aufmerksamkeit war noch immer auf das Feuer gerichtet.

»Warum hast du ihn nicht nach Sepulvarta oder Bethe Corbair gebracht, damit er dort geheilt wird?«, fragte einer von Anborns Männern. »Du hast sein Leben aufs Spiel gesetzt, indem du mit ihm in diesem schlimmen Zustand weiter gereist bist.«

»Er hat darum gebeten, zu euch gebracht zu werden. Er hat eindrücklich darauf bestanden.«

Anborn nickte wieder. »Ich schulde dir große Dankbarkeit. Falls du etwas über mich weißt, dann ist dir bekannt, dass dies für dich ein wertvolles Gut ist.«

»In der Tat.«

»Wenn du einmal meine Dankbarkeit in Anspruch nehmen musst, erinnere meine Männer daran, dass du Dorndreher gerettet hast; dann werden sie dir sofort helfen.« Der Krieger erhob sich von seinem Stuhl, aber Ashe bewegte sich nicht. Anborn stand einige Zeit schweigend da, doch schließlich verdunkelte Ungeduld sein Gesicht.

»Geh, Mann. Ich muss mich um einen Verwundeten kümmern.«

»Sehr wohl.« Ashe holte seine Handschuhe vom Kamingitter, ging zur Tür und öffnete sie.

»Vielleicht willst du meinen Namen erfahren?«

Anborns Augen, die so klar wie der azurne Himmel waren, wurden plötzlich dunkel. Zum ersten Mal richtete er seinen starren Blick auf Ashe. Nach einem kurzen Moment gab er seiner Gefolgschaft ein Zeichen. »Verlasst uns«, sagte er zu den Männern am Tisch, ohne den Blick von Ashe zu wenden. »Kümmert euch um Dorndreher.« Eilig stiegen die Soldaten die Treppe hoch und verschwanden in dem Zimmer am oberen Ende; der Letzte schloss die Tür geräuschvoll hinter sich.

Als die Männer fort waren, erlaubte Anborn seinem Blick, über den Nebelvorhang zu wandern, der Ashe vor gewöhnlichen Augen verbarg.

»Schließ die Tür«, befahl er. Ashe gehorchte. »Ich verabscheue Geistesspiele und die Männer, die sie spielen«, murmelte der General dunkel. »Ich habe angenommen, du wolltest deine Identität verbergen, und habe dir die Achtung erweisen wollen, dir dies zu erlauben. Es kommt selten vor, dass jemand mit mir spielt, und überdies ist es sehr unklug. Wer bist du?«

»Dein Neffe.«

Anborn schnaubte. »Ich habe keinen.«

Ashe lächelte unter seiner Kapuze. »Mein Name ist Gwydion ap Llauron ap Gwylliam tuatha d’Anwynan o Manosse«, sagte er geduldig. »Aber du kannst mich auch ›Nutzloser‹ nennen, so wie du es früher zu tun pflegtest.«

Anborns Schwert lag in seiner Hand; die Bewegung, mit der er es gezogen hatte, war für Ashe unsichtbar gewesen, obwohl der Drache in seinem Blut sie gespürt hatte und dem Bogen elektrischer Funken folgen konnte, die noch in der Luft hingen.

»Enthülle dich.«

Vorsichtig nahm Ashe den Rand seiner Kapuze in die Hand. Er zog sie langsam zurück und sah zu, wie sein leuchtendes Kupferhaar den Feuerschein einfing und in Anborns sich weitende Augen warf. Beinahe genauso schnell verengten sich die azurnen Augen wieder, doch sie hielten das gleißende Licht gefangen. Er steckte das Schwert nicht zurück in die Scheide.

Ashe fühlte das Gewicht von Anborns Blick, der prüfend über sein Gesicht glitt; er spürte denselben Drachensinn, der auch in seinem eigenen Blut floss winzige Nadelstiche aus Energie dort, wo Anborns innerstes Wesen Veränderungen in der Gestalt seines Neffen wahrnahm. Am längsten dauerte die Untersuchung der Augen, die Reptilienpupillen erhalten hatten, nachdem ihn sein Onkel zum letzten Mal gesehen hatte. Er stand so still wie möglich und wartete darauf, dass Anborn fertig wurde. Er versuchte, nicht weiter auf die Panik zu achten, die sein eigener Drachensinn bei diesem Eindringen empfand. Schließlich hob der alte cymrische Krieger an zu sprechen.

»Dein Vater behauptet seit zwanzig Jahren, du seiest tot«, sagte er in drohendem Tonfall.

»Das Trauergewand meiner Frau für deine Beerdigung war überzogen mit einer königlichen Auswahl von Perlen, um das tragische Dahinscheiden des Thronerben zu ehren. Die Kosten dieses verfluchten Dings haben mich beinahe ruiniert.«

»Das tut mir Leid.«

»Wie traurig unangemessen. Doch das sollte mich nicht überraschen. Du bist schließlich ein Nachkomme Llaurons. Was hat dich so verwandelt?«

Ashe schüttelte die Kränkung ab. »Das ist nicht von Bedeutung. Von Bedeutung ist nur, dass ich hier bin, und obwohl ich mich entschlossen habe, nicht zu wagemutig zu sein, werde ich mich nicht mehr verstecken. Weder vor Menschen noch vor Dämonen.«

»Selbstsicher wie immer. Ich glaube, nicht einmal der nahe Tod kann einen sorglosen Narren ändern.« Schließlich steckte Anborn das Schwert zurück in die Scheide. Er ging wieder zum Tisch, nahm einen der Krüge und leerte ihn, dann sah er noch einmal Ashe an. Er füllte den Krug erneut.

»An deiner Stelle wäre ich etwas vorsichtiger, Gwydion. Deine neu erworbene Weisheit wird dich zu einem noch schmackhafteren Ziel machen, als du es bisher warst.«

»Es macht mich auch zu einem gefährlicheren.«

Anborn lachte harsch und nahm einen weiteren Schluck, sagte aber nichts. Ashe stand still da und wartete darauf, dass sein Onkel weiterredete. Schließlich deutete Anborn auf die Tür.

»Was hält dich noch hier? Geh.«

Ashe war verblüfft, zeigte dies aber nicht. Er beobachtete, wie Anborns Blick durchdringender wurde, während er sich das Bier grob mit dem Unterarm von den Lippen wischte. Die Luft im Raum wurde wärmer, trockener und erhielt eine Unterströmung von Bedrohung.

»Wolltest du sonst noch etwas?«, fragte Anborn.

»Ich hatte gehofft, wir könnten die alten Feindseligkeiten beiseite schieben und miteinander reden.«

»Warum?« Anborn stellte den leeren Krug hart auf dem Tisch ab. »Ich habe dir nichts zu sagen, du Welpe meines einstigen Bruders. Warum sollte ich noch weitere Zeit mit einem sinnlosen Gespräch verbringen, wenn mein Abendessen kalt wird, mein Soldat meine Hilfe braucht und dort oben eine Bettgespielin auf meine Aufmerksamkeiten wartet?«

Ashe ergriff die Türklinke. »Ich kann es mir nicht vorstellen.« Er zog die Kapuze wieder über.

Anborn kniff die Augenbrauen zusammen, als sein Neffe die Tür öffnete. Er griff rasch in seine Tasche und zerrte einen kleinen Leinensack hervor, den er Ashe vor die Füße warf.

»Da. Das sollte genug Bezahlung für deine Mühen sein.«

Ashe trat das Säckchen zurück zu ihm. Die Luft im Raum war so aufgeladen, dass sie beinahe knisterte.

»Behalte es. Dein Angebot enttäuscht mich.«

Anborn lachte drohend. »Nicht genug? Ich hatte vergessen, dass du den Inhalt des Säckchens bis auf die letzte Münze kennst, weil es dir deine inneren Sinne sagen. Nenne also deinen Preis, damit ich dich loswerde.«

Ashe bemühte sich, seine Stimme ruhig zu halten, obwohl der spottende Tonfall den Drachen in ihm entflammt hatte und sein Zorn hinter den Augen pochte. »Du kannst mich loswerden, indem du mich bloß bittest zu gehen. Das sind nicht gerade die warmherzigen Familienbande, auf die ich gehofft hatte, aber ich will gehen, wenn es das ist, was du wünschst, Onkel.«

»Was hast du erwartet, Gwydion ein Rasenfest zu deinen Ehren? Du und dein verfluchter Vater habt mich seit so vielen Jahren belogen.« Der General leerte den nächsten Krug.

»Es war notwendig.«

»Das mag sein. Weiterer Kontakt mit dir ist es aber nicht. Um die Wahrheit zu sagen, Neffe, hege ich dir gegenüber keine Feindschaft, aber ich habe auch nur wenig Trauer über deinen Verlust gespürt. Deine Rückkehr mag deinen Verbündeten, Navarne und dem Haus deiner Mutter in Manosse Freude bereiten, aber mir bedeutet sie nichts. Kaum etwas könnte mich weniger kümmern als dein weiteres Schicksal. Ich stehe in deiner Schuld, weil du meinen Soldaten zurückgebracht hast. Wenn du mich um einen Gefallen bitten willst, werde ich ihn dir erfüllen. Doch darüber hinaus habe ich kein Verlangen nach deiner Gesellschaft. Mach dich also auf den Weg.«

Ashe zog sich die Kapuze über. »Wie du willst, Onkel«, sagte er nur. »Du hattest es verdient, die Wahrheit über mich zu hören, und nun kennst du sie. Auf Wiedersehen.« Er zog die Tür weit auf und verschwand in dem Schneedurchzogenen Nebel.

Anborn wartete, bis er das Hufgeklapper von Ashes Pferd nicht mehr hören konnte, dann nahm er einen weiteren tiefen Zug aus dem Krug. Er sah schweigend zu, wie das Feuer herunterbrannte und in ohnmächtiger Wut zischte und knisterte. Dann erhob er sich langsam, wischte sich das Bier von den Lippen und ging über die wackelige Treppe in den oberen Raum.

Im blassen Licht einer rostigen Laterne standen seine Männer um die Strohmatratze und kümmerten sich still um seinen Waffenbruder und Freund. Dorndreher schlug die verletzten Augen auf, als sich Anborn an das Fußende des Bettes stellte, und schaute rasch von einem Mann zum anderen, bis sein Blick auf dem General zur Ruhe kam. Er zuckte vor Schmerzen zusammen, als er sich an seine Gefährten wandte.

»Lasst uns allein«, sagte Dorndreher; seine Stimme war nicht mehr als ein abgerissenes Flüstern.

Die Soldaten schauten Anborn fragend an, er nickte schweigend. Rasch sammelten sie die Schüssel und die blutigen Stoffteile ein, die als Verbände gedient hatten, und verließen still das Zimmer.

Der General nahm ein sauberes Stück Stoff und legte es in das Wasser der Schale auf dem Boden. Er hockte sich neben Dorndrehers Bett und wischte ihm sanft das getrocknete Blut aus den Augen. Dorndreher drehte sich um und richtete den brechenden Blick auf den Kommandanten.

»Danke den Göttern, dass ich lange genug leben durfte, um dich wiederzusehen«, sagte er stockend.

»Das werde ich tun«, erwiderte Anborn und lächelte schwach.

»Hol... den ... Säbel.«

»Später«, sagte Anborn. »Ruh dich jetzt aus.«

»Verdammtes Später!«, zürnte Dorndreher. »Vielleicht kommt es nie. Es könnte das letzte Mal sein, dass ich es dir zeige, Anborn. Möchtest du diese Gelegenheit verstreichen lassen?«

Anborn schwieg, während er dem Verwundeten das kühle Stück Stoff auf das graue Gesicht legte.

»Nein«, gab er schließlich zu; Zögern lag in seiner Stimme.

»Dann hol ihn.«

Anborn stand mühsam auf und ging in die Ecke, in die man Dorndrehers Sachen hastig geworfen hatte. Er suchte darin herum, fand den zerbeulten Säbel und hielt ihn kurz in der Hand, bevor er ihn an das Bett trug.

»Das kann warten, bis du stärker bist«, sagte er zu Dorndreher, der erneut finster dreinblickte.

»Möge dich die Leere holen. Sieh in die Laterne.«

Anborn streckte eine Hand aus, die deutlich zitterte, und hob die angelaufene Laterne vom Nachttisch. Er hielt sie vor seine Augen.

Dorndreher sah zu, wie diese azurnen Augen, das Zeichen des cymrischen Königshauses, aufleuchteten. Er lehnte sich gegen das Strohkissen, schloss die Augen und atmete abgehackt.

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