35

Im Publix-Supermarkt an der Hollywood Plaza ist viel los. Edgar Allan Pogue schlendert mit seinen Einkaufstüten aus Plastik über den Parkplatz und sieht sich dabei nach allen Seiten nach Leuten um, denen er möglicherweise aufgefallen sein könnte. Aber da ist niemand. Und wenn da doch jemand wäre, würde es auch keine Rolle spielen, denn wie immer wird sich kein Mensch an ihn erinnern oder einen Gedanken an ihn verschwenden. Außerdem tut er doch nur das Richtige. Er erweist der Welt einen Gefallen, sagt er sich, als er am Rand der Lichtkegel der hohen Laternen auf dem Parkplatz weitergeht. Er hält sich im Schatten und schreitet rasch, aber nicht hastig aus.

Sein weißes Auto unterscheidet sich nicht von den etwa zwanzigtausend anderen weißen Autos in Südflorida und parkt in einer weit entfernten Ecke des Parkplatzes zwischen zwei weiteren weißen Autos. Eines davon, der Lincoln, der vorhin noch links von ihm stand, ist inzwischen weg. Doch das Schicksal hat bestimmt, dass wieder ein weißes Auto, diesmal ein Chrysler, seinen Platz eingenommen hat. In unverfälscht magischen Zeiten wie diesen weiß Pogue, dass er beobachtet und geleitet wird. Das Auge sieht zu. Er wird von dem Auge, der höheren Macht, dem Gott der Götter geführt, der oben auf dem Olymp sitzt. Er ist der bedeutendste aller Götter und gewaltiger und unermesslicher als jeder Filmstar oder sonst jemand, der sich für das Größte hält und glaubt, dass er selbst allmächtig ist. Wie sie. Wie der große Fisch.

Er öffnet sein Auto mit der Fernbedienung, klappt den Kofferraum auf und nimmt eine weitere Tüte heraus. Sie ist von All Season Pools, einem Laden für Schwimmbadzubehör. Dann sitzt er in der warmen Dunkelheit vorne im Wagen und überlegt, ob die Sichtverhältnisse für die Aufgabe genügen, die nun vor ihm liegt. Das Licht der Laternen auf dem Parkplatz erreicht kaum den Winkel, wo sein Wagen steht, und er wartet, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben. Dann schaltet er die Zündung ein, damit er Musik hören kann, und drückt auf einen Knopf seitlich an seinem Sitz, um diesen so weit wie möglich nach hinten zu schieben. Er braucht viel Platz zum Arbeiten. Sein Herz schlägt schneller, als er die Plastiktüte aufmacht und ein Paar dicke Gummihandschuhe, einen Karton groben Zucker, eine Flasche Billiglimo, Alufolie und Isolierband, einige große Markierstifte und ein Päckchen Pfefferminzkaugummi herausholt. Seit er um sechs Uhr abends seine Wohnung verlassen hat, hat er einen Geschmack nach abgestandenem Zigarrenrauch im Mund. Er kann jetzt nicht rauchen. Eine frische Zigarre würde zwar den muffigen, alten Tabakgeschmack vertreiben, aber das geht nicht.

Er wickelt einen Streifen Kaugummi aus, rollt ihn fest zusammen und steckt ihn in den Mund. Dasselbe wiederholt er mit zwei weiteren Streifen und zwingt sich zu warten, bevor er die Zähne in die drei Kaugummistreifen schlägt. Ein Schmerz schießt durch seine Speicheldrüsen wie Nadeln, die sich in seine Kiefer bohren. Dann fängt er an, mit heftigen und ausladenden Bewegungen zu kauen.

Kauend sitzt er in der Dunkelheit. Da ihm die Rapmusik bald auf die Nerven fällt, sucht er einen anderen Sender, der Classic Rock bringt. Anschließend öffnet er das Handschuhfach und entnimmt ihm einen Plastikbeutel. Schwarze Strähnen menschlichen Haars drücken sich gegen die durchsichtige Folie, als hätte er einen Skalp darin. Vorsichtig holt er die weiche Lockenperücke heraus, streichelt sie und betrachtet dabei seine alchemistischen Zutaten auf dem Beifahrersitz. Dann lässt er den Wagen an.

Die pastellfarbenen Gebäude der Innenstadt von Hollywood gleiten an ihm vorbei wie ein Traum, und die winzigen weißen Lämpchen in den Kronen der Palmen sind Galaxien, als er durch den Weltraum saust und die Energie der Gegenstände neben sich auf dem Sitz spürt. Am Hollywood Boulevard biegt er nach Osten ab und fährt ganz knapp unterhalb der Höchstgeschwindigkeit auf den Highway A1A zu. Am Ende der Straße erhebt sich, massiv, hellrosa und terrakottafarben, das Hollywood Beach Resort, auf der anderen Seite ist das Meer.

Загрузка...